Schloss Marienfels
Lage
Seit dem Jahre 1844 lief die Eisenbahn von Köln nach Bonn und hatte das Rheintal zum bevorzugten Erholungsgebiet des Kölner Bürgertums werden lassen. Durch die steigende Nachfrage wurde die Strecke zunächst in den Jahren 1854-1855 bis nach (Remagen-)Rolandseck und bereits im Jahre 1858 bis nach Koblenz verlängert. Diese zügige Bahnverbindung veranlasste viele Kölner und Bonner Bürger, sich zwischen Bonn und Remagen am Berghang villenartige Ferienhäuser erbauen zu lassen. Zu diesen aufwändigen Bauten gehört auch Schloss Marienfels, das in den Jahren 1859-1861 am nördlichen Ortsausgang von Remagen (an der heutigen B9) in Sichtweite des Rolandsbogens und der Wallfahrtskirche zum hl. Apollinaris und mit Blick zum Siebengebirge erbaut wurde.
Baugeschichte
Um 1858 erwarb der Zuckerfabrikant Eduard Frings aus (Krefeld-)Uerdingen ein etwa 100.000 qm großes Hanggelände zwischen Oberwinter und Remagen, um für sich und seine Familie hier einen Sommersitz zu errichten. Der Name des späteren Schlosses leitete Frings von einer heute noch erhaltenen Muttergottes-Figur ab, die er unterhalb der Bauanlage in eine Felsspalte einsetzen ließ. Als Architekt konnte Eduard Frings den preußischen Ingenieur-Oberst Karl Schnitzler gewinnen.
Im Frühjahr des Jahres 1859 begann man mit den Vorarbeiten, umfangreichen Abtragungen des Erdreiches und Anschüttungen, um eine ebene Fläche für die künftigen Bauten zu erhalten. Am 17. Mai 1859 wurde feierlich der Grundstein gelegt und auf der Hofseite des Hauses vermauert. Die Bauarbeiten gingen so zügig voran, dass Frings bereits im August 1860 mit seiner Familie drei Zimmer des neuen Hauses beziehen konnte. Im Frühjahr des folgenden Jahres 1861 waren das Haupthaus, die Gärtnerwohnung sowie Stallungen und die Remisen fertiggestellt. Es folgte noch im gleichen Jahr die Vollendung der umfangreichen Außenanlagen mit Brunnenhaus und Schuppen und 1862-1863 die Vollendung der Gartenanlagen. Mit dem Bau des "gotischen Portals" am Eingang wurde Schloss Marienfels im Jahre 1863 vollendet.
Als Problem hatte sich zunächst die Gewinnung von Wasser zum Betrieb der Baustelle und für den späteren Haushalt herausgestellt. Doch konnte nach umfangreichen Sprengversuchen im Herbst 1860 eine ausreichend starke Quelle oberhalb des Grundstückes erbohrt werden. Sie war so wasserreich, dass sie nicht nur die Versorgung des Schlosses und der Wirtschaftsbauten sicherstellen, sondern auch eine Fontäne betreiben konnte. Aus dem 70 Fuß tiefen Brunnen wurde das Wasser in ein unterirdisches System eiserner Rohrleitungen eingeleitet.
Das Schloss und seine Besitzer
Die Eheleute Eduard Frings und Marie, geb. Ross, konnten dank ihres Vermögens und ihrer gesellschaftlichen Kontakte in Marienfels ein gastliches Haus führen. Da sie selbst keine Kinder hatten, luden sie in den Sommermonaten regelmäßig ihre große Verwandtschaft zum Besuch ein. Auch kamen zahlreiche Gäste aus Bonn regelmäßig nach Marienfels und machten das SchIoss zu einem Ort des geistigen Austausches über Fragen der Kunst und der Musik, wie auch über aktuelle Probleme aus Politik und Religion. Auch von einem Besuch Otto v. Bismarcks auf Schloss Marienfels wird berichtet. Ihn verband seit der Zeit als Gesandter beim Bundestag in Frankfurt eine Freundschaft mit der Familie Roos. 1875 starb Eduard Frings. Doch kam seine Witwe auch weiterhin zu Sommeraufenthalten nach Marienfels.
Nach ihrem Tod wurde 1905 das umfangreiche Inventar des Schlosses unter die zahlreichen Mitglieder der Familie Roos aufgeteilt. 1907 wurde das Anwesen an den Kölner Industriellen Otto von Guilleaume, Besitzer der Drahtseil- und Kabelwerke Felten und Guilleaume in (Köln-)Mülheim und Köln, verkauft. 1936 kamen Schloss und Park in den Besitz des Remagener Fabrikanten Otto Becker aus Remagen, 1975 an Paul Spinat, dem zur gleichen Zeit auch Schloss Drachenburg oberhalb von Königswinter gehörte. Spinat ließ dem Schloss an der südlichen Schmalseite einen heute noch erhaltenen großen Wohnraum anfügen.
Nachdem im Jahre 1989 Katharina Hillebrand Schloss Marienfels erworben hatte, wurde unter fachlicher Betreuung durch das Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz eine umfangreiche Instandsetzung durchgeführt. Die denkmalpflegerische Konzeption sah eine weitgehende Rückführung des Äußeren und Inneren in den originalen Zustand von 1861 vor. Seit November 2004 ist das Schloss im Eigentum des Entertainers Thomas Gottschalk.
Das Äußere
Schloss Marienfels erscheint am Berghang zunächst wie eine große, zweigeschossige Villa. Ein vorgeschobener Erker sowie ein kleiner Giebel betonen streng die axiale Ausrichtung der Rheinfront. Die mehr breit gelagerte als hohe Ausrichtung der Fassade, Putzquaderung und die Reihung hochstehender Fenster lassen die Vorbilder des preußischen Klassizismus in Düsseldorf ahnen. Doch signalisieren zwei Ecktürmchen, Zinnen und der außermittige Turm dem Besucher die gewollte Nähe zu mittelalterlichen und neugotischen Burgen am Rhein. Wie diese sollte Marienfels den Eindruck einer mittelalterlichen Burg vermitteln, dabei aber alle Annehmlichkeiten und den Komfort einer modernen Villa bieten. Der bürgerliche Bauherr der rheinischen Oberschicht wollte in gesellschaftlichem Anspruch den fürstlichen Nachbarn gleichkommen. Dies drückte sich auch in der Wahl des Architekten aus. Drei Wasserspeier, vielleicht mittelalterliche Spolien in Zweitverwendung, dienen der Ableitung des Regenwassers von den Dachflächen. Sie stellen auf der Rheinseite Esel und Greif, auf der nördlichen Schmalseite ein Fabelwesen dar. Konstruktiv wurde das Schloss aus Ziegelsteinen errichtet. Die Fundamente sowie das Mauerwerk des Sockelgeschosses bestehen aus Bruchstein. Die nach der jüngsten Renovierung gewählte Außenfarbigkeit entspricht dem Befund der Erbauungszeit: ein durchgefärbter gelblicher Putz, der sich vom hellroten Farbton der Sandsteingewände kaum abhob.
Das Innere
Dem symmetrischen Äußeren entspricht eine ebensolche Regelmäßigkeit im Inneren. Der Besucher kommt durch die zweiflüglige, mit Holzmaßwerk versehene Außentür zunächst in eine Treppenhalle mit dreiläufiger Treppe zum Obergeschoss. Zwei übereinanderliegende Reihen von drei Tudorbögen trennen einen schmalen Erschließungsflur ab. Der Besucher durchschreitet die Treppenhalle und gelangt in den großen, drei Fenster langen Wohnraum. Er wurde mit umlaufender Vertäfelung an den Wänden und einer profilierten Holzdecke festlich ausgestattet. Nach dem Inventarverzeichnis von 1905 dürfte es sich hier um den repräsentativen "Salon" gehandelt haben. Die Farbfassung der Wände sowie der Naturton des Holzwerkes entsprechen ebenfalls dem Farbbefund der Erbauungszeit. Dem Wohnraum schließen sich zu beiden Seiten zwei weitere Räume auf der Rheinseite und zwei auf der Bergseite an. Nach den Angaben von 1905 hatten die vorgenannten Räume die Bezeichnung "Wohnraum", "Musikzimmer" und "Herrenzimmer".
Aus der Treppenhalle führt über einen Vorraum ein direkter Zugang in das Erdgeschoss des Turmes, nach dem Inventarverzeichnis von 1905 "Kapelle" genannt. Stuckgewölbe mit Rippen und ein ausladender Schlussstein variieren erneut Anregungen aus Schloss Stolzenfels, jedoch geben die zierliche Rankenbemalung der Decke sowie die Marmorierung der Wände neue Akzente.
1975 erfolgte unter Paul Spinat der Anbau des eingeschossigen, großen Wohnraumes auf der Südseite des Schlosses sowie der weitläufigen Terrasse zum Rhein.
Die symmetrisch-regelmäßige Aufteilung der Räume wiederholt sich im Obergeschoss. Diesen Räumen kam die Funktion als Schlafräume für Eduard Frings und seine Frau sowie für die zahlreichen Gäste zu. Die Ausstattung mit fest eingebauten Teilen war hier entsprechend wesentlich schlichter. Einziger Schmuck war der Erker im großen Raum auf der Rheinseite mit einfachem Maßwerk. Wieder folgen dem Mittelraum jeweils zwei große Zimmer auf der Nord- und Südseite und umschließen das zentrale Treppenhaus. Wieder wurde der ursprünglich nach Süden anschließende Raum, der eine Treppe zum Dach enthielt, zugunsten einer größeren Durchsichtigkeit aufgebrochen.
Die ursprüngliche reiche Ausstattung des Schlosses, die Eduard Frings und seine Frau zusammengetragen und 1866 in einer Inventarliste detailliert aufgeschrieben hatten, wurde 1905 unter die Erben aufgeteilt. Der Dachraum war in Marienfels bereits von Anfang an ausgebaut und nahm Mansarden und Speicher auf. Er wurde im Zuge der Renovierung in den Jahren 1989–1990 vollständig für Wohnzwecke hergerichtet und mit veränderter Treppe erschlossen. Das Sockelgeschoss hatte zur Zeit der Erbauung Küche und Wirtschaftsräume aufgenommen. Es wird auch heute aus der zentralen Treppenhalle erschlossen. Nur zwei Steinsäulen und Reste des alten Gewölbes vermitteln den ursprünglichen Eindruck.
Zur Bergseite wurde dem Schloss ein eingeschossiges, schlichtes Nebengebäude vorgelagert. Nach der ursprünglichen Konzeption nahm es Remisen und Wohnräume für Bedienstete auf. Es könnte sich bei diesem Haus um die von Frings in seiner Beschreibung genannte "Gärtnerwohnung" gehandelt haben. Mit Giebeln und Bedachungcn über den Fenstern variiert es den Gesamteindruck des Schlosses und lässt von ferne an Schnitzlers Planungen für die Klause von Stolzenfels erinnern.
Der Park
Schloss Marienfels wird noch heute auf allen Seiten von einer weitläufigen Parkanlage umgeben. Bei ihrer Anlage wirkte der Bonner Garteninspektor Wilhelm Sinning beratend mit. Sinning hatte die Aufgabe, das zunächst bewaldete Hanggelände mit Felsabhang zum Rhein als romantischen Park zu gestalten. Herzstück des Parkes sollte das Schloss am Hang mit weitem Blick über das Rheintal sein. Der Zugang zum Schloss erfolgt von der Rheinuferstraße über einen mehrfach gekrümmten Serpentinenweg. Am Knickpunkt dieses Weges wurde ein achteckiges Gebäude mit Zinnen platziert. Über weitere Serpentinen erreicht der Besucher das Schloss. Zur Linken wird im Hintergrund der weite Blick in das Rheintal, zur Rechten auf den parkartig gestalteten Berghang frei. Der Zugang zum rückwärtigen Park erfolgt von der Hoffläche über eine im neugotischen Stil erbaute Toranlage. Wenn der Besucher diese durchschritten hat, wird er auf zwei streng symmetrisch gebauten Treppen entlang einer Wasserkaskade geführt. Das über zahlreiche Stufen zu Tal laufende Wasser wird in einem Becken gefangen und endet in einer Fontäne. Unmittelbar hinter dem Schloss steigt das Gelände steil an und bietet durch Felsformationen vielfältig kleinteilige Aussichtspunkte.
Ein weiterer großer Gartenbereich schloss sich ursprünglich vom Schloss aus rheinaufwärts an. Hier lassen sich verschiedene Reste von Gebäuden ausmachen, zu denen auch das von Frings genannte 1872 errichtete "Glashaus", also ein Gewächshaus, gehört haben dürfte.
Würdigung
Schloss Marienfels wurde in der Nachfolge der preußischen Schlösser Stolzenfels, Sooneck und Rheinstein errichtet. Zusammen mit den Schlössern Sayn bei Bendorf und Arenfels oberhalb von Bad Hönningen gehört Marienfels zu den großen Leistungen neugotischer Schlossbaukunst am Rhein. Sein Architekt Karl Schnitzler entstammte einer Düsseldorfer Familie, die seit den späten 18. Jahrhundert Militäringenieure und Baumeister gestellt hatte. 1789 als ältester Sohn des Bauunternehmers Anton Schnitzler geboren, schlug er die Militärlaufbahn ein und war ab den 1820er Jahren als Pionier-Hauptmann und Festungsbaumeister in Koblenz tätig. Wesentliche Planungen zum Umbau der preußischen Festungsanlagen in Koblenz gehen auf ihn zurück. Noch bedeutender war seine Mitwirkung beim neugotischen Ausbau der Burgen Sooneck und Stolzenfels verbunden. Karl Schnitzler starb am 25. April 1864 in Köln. Planung und Bauleitung von Schloss Marienfels von 1859 bis 1864 waren sein letztes Werk.
Nachweise
Verfasser: Paul Georg Custodis
Bearbeiter: Rebecca Mellone
Erstellt am: 22.02.2010
Geändert am: 25.02.2010
Literatur:
- Custodis, Paul Georg: Schloß Marienfels in Remagen. Neuss 1993 (Rheinische Kunststätten Heft 382).