Mittelstrimmig an Mosel und Saar

Die römische Siedlung bei Mittelstrimmig

Die römische Siedlung bei Mittelstrimmig

Zu besichtigen:
Funde aus der römischen Siedlung im Museum Mittelstrimig. Die Siedlung liegt innerhalb bewirtschafteter Ackerflächen.

Anfahrt:
Von Kastellaun über Buch, Mastershausen und Reidenhausen auf der L202 in Richtung Mittelstrimmig, der vicus liegt westlich der Kreuzung  K44 in Richtung Forst. Das Museum befindet sich in Mittelstrimmig, aus Richtung Kastellaun bis zum Dorfplatz fahren und die Straße links wählen.

 

Straßen

Schon in der 1876 niedergeschriebenen Schulchronik von Mittelstrimmig vermerkt Lehrer Saur Steinfundamente und römische Funde einer römischen Straßenstation (vicus). Diese Siedlung südwestlich der Ortschaft Mittelstrimmig war seit dem ausgehenden 1. bis zum Ende des 4. Jahrhunderts von wichtiger Bedeutung für die römische Infrastruktur im Hunsrück. Eine Ouerverbindung, die den über die Eifel führenden Fernweg Trier-Andernach mit der Fernstraße Trier-Bingen im Hunsrück verband, führte an Mittelstrimmig vorbei. Von Mittelstrimmig aus verlief diese wichtige Nebenstraße durch das Flaumbachtal hinab zur Mosel und querte bei Treis-Karden, dem antiken Cardena den Fluss. Der weitere Weg folgte dem Brohlbachtal am Martberg einem keltischen Stammeszentrum und römischen Heiligtum vorbei und erreichte die Fernstraße auf der Hochfläche der Eifel. Südlich von Mittelstrimmig war die Ausoniusstraße und die Straßenstation Kirchberg das Ziel der Reisenden.

Meist bewegten sich die Reisenden zu Fuß, bemerkenswert sind die Funde von Wagenteilen aus der Straßenstation von Mittelstrimmig. Es handelt sich um eiserne Gurthalter, die der Aufhängung des hölzernen Wagenkastens dienten. Lederne Gurte trugen den Wagenkasten, führten zu den auf den auf dem Achsblock sitzenden Gurthaltern und federten die harten Stöße während der Wagenfahrt ab. 

 

vicus

Die römischen Straßendörfer dienten der Landbevölkerung vergleichbar heutigen Kleinstädten wie Kastellaun, Simmern und Kirchberg zur Versorgung. Schmiede reparierten und fertigten Werkzeuge sowie landwirtschaftliches Gerät. Im vicus bei Mittelstrimmig weisen Metallschlacken auf die Verhüttung von Manganeiserzen hin. Das Metall wurde in spindelfömigen Metallbarren verhandelt. Durch einen Schlackenfund ist auch die Glasverarbeitung vor Ort belegt. Töpfer und Händler boten feine Tafelkeramik, so genannte Terra Sigillata aus dem südgallischen Raum an. Der vicus war  Handels- und Umschlagplatz lokaler und überregionaler Erzeugnisse.

Das Laufgewicht einer Schnellwaage des 4. Jahrhunderts nach Chr. in Form einer kleinen Athena-/Minervabüste ist ein weiteres Zeugnis der Handelstätigkeit im Straßendorf. Dank des Bleigehaltes im Inneren der Büste brachte diese knapp 8 kg auf die Waage und entsprach damit 24 römischen Pfund. Vor allem landwirtschaftliche Erzeugnisse wurden auf Märkten und in den Verkaufsständen angeboten. Zwar verfügte ein jedes Haus  über einen Garten und versorgte sich hier entsprechend. Doch größere Felder wurden meist nicht von den Bewohnern der vici sondern von den Bauern umliegender Gutshöfe bestellt.

 

Bebauung

Im Gegensatz zu den Städten, wo aufwändige komplex gestaltete Häuser dominieren, ist das typische vicus-Gebäude ein wesentlich einfacheres so genanntes Streifenhaus mit vorgesetztem Dach zur Straße hin. Die Häuser stehen dicht an dicht, nicht selten nutzen sie gemeinsame Trennwände auf der Parzellengrenze. Unter der überdachten Veranda waren Kneipen oder Läden angesiedelt. Unter Dächern vor der Witterung geschützt, eilten Reisende und Bewohner entlang der Ladenzeilen.

Die auch anderenorts zu beobachtende Regelhaftigkeit der Parzellen und die Ausgliederung feuergefährlicher Produktionsstätten deuten eine bestehende Bauordnung und eine diese überwachende örtliche Verwaltung an. Bei Umbauten wurden in der Regel die einmal festgelegten Parzellen beibehalten. Vermutlich existierten Kataster, in denen die Lage und Größe der Grundstücke verzeichnet waren, und die die Grundlage für juristische oder steuerliche Angelegenheiten bildeten. An der Verwaltungsspitze des Ortes standen Magistrate, die wohlhabend sein mussten, da die Führungspositionen ehrenamtlich waren. Von ihnen wurde erwartet, dass sie beispielsweise Theater und Badeanlagen stifteten, denn die Einnahmen aus Gebühren und Bußgeldern waren in der Regel nicht ausreichend. Die Siedlungsstruktur mit bis zu 80 m langen Streifenparzellen bringt es mit sich, dass die vici trotz ihrer Ausdehnung nicht unbedingt auch eine hohe Bevölkerungskonzentration repräsentieren. Bei angenommenen 5 bis 10 Bewohner pro Haus – konkrete Anhaltspunkte fehlen -, ergeben sich Einwohnerzahlen von mehreren Hundert.

 

Wasserversorgung

Der Zugang zu frischem Wasser ist für eine Siedlung unerlässlich. Neben der Versorgung im Alltag waren erhebliche Wassermengen für Bäder, Tempelanlagen, Werkstätten und Viehtränken erforderlich. Die Frischwasserversorgung der römischen Ansiedlung bei Mittelstrimmig gewährleisteten eingefasste Brunnen, Quellen und Wasserleitungen, die ab den 60iger Jahren immer wieder bei Drainagearbeiten angeschnitten wurden. An Hand der Jahresringe (Dendrochronologie) lassen sich mehrere der erhaltenen Hölzer datieren. Demnach wurden einige der Eichenstämme in den Jahren um 170, 220, 245, 302 und 350 geschlagen. Für römische Lebensgewohnheiten waren Bäder unerlässlich. Ein Straßendorf dieser Größe verfügte über mindestens eine Therme. Dem Bericht des Schullehrers Saur zufolge fanden sich im 19. Jahrhundert Reste eines Badegebäudes. Reisende wie auch Dorf- und Landbevölkerung genossen hier die Annehmlichkeiten römischen Lebens, knüpften Kontakte und tauschten Informationen aus.

 

Tempelbauten

Die Existens eines Heiligtums ist für Mittelstrimmig schon seit 1908 bekannt. Ein damals gefundener Kalksteinblock mit Weiheinschrift des 2.-3. Jhs. n. Chr. nennt die Gottheiten Mars Smertius, Vindoridius und Boud(a/e/i)na. Mars der Gott des Krieges wurde auch auf dem Martberg bei Pommern an der Mosel, hier unter dem Namen Lenus Mars verehrt. Er diente als Schutz- und Heilgott und ist Ausdruck der Verschmelzung römischer Gottheiten mit der keltischen ansässigen Bevölkerung. Ein vergleichbarer Funktionswandel kommt auch in dem bei Mittelstrimmig überlieferten Namen Mars Smertius zum Ausdruck. Die Göttin Boud(a/e/i)na wurde vermutlich als einheimische Mutter- oder Fruchtbarkeitsgöttin verehrt.

Die römische Religion hatte sich aus der Religion eines Landvolkes entwickelt. Es galt, Unheil von den Feldern und dem Vieh abzuhalten und Segen für das Gedeihen der Frucht und des Lebens zu erbitten. Dies zeigen auch zahlreiche Weihesteine für Muttergottheiten. Viele auch in den römischen Städten begangen Feste spiegeln das enge Verhältnis zur Naturmagie: Hirtenfeste und Feste zum Schutz der Äcker.

Fundstreuungen von der Ansiedlung insbesondere zahlreicher Miniaturfläschchen, so genannte Tränenfläschchen, wie sie auch auf dem Martberg gefunden wurden aber auch Fragmente kleiner Tonfiguren (Terrakotten) sind Weihegaben an die Gottheiten. Ein bronzener Hahnenfuß weist auf ein 2-3 m großes Kultbild hin. Der Hahn ist ein Attribut der Gottheit Merkur, dem Gott des Handels und Gewerbes, der sicherlich eine wichtige Rolle im Götterhimmel der Straßensiedlung bei Mittelstrimmig einnahm.

Nur wenn die Riten ordnungsgemäß durchgeführt wurden, konnte das Wohlwollen der Götter gewonnen werden. Man schloss, wie viele Gelöbnisse auf Weihinschriften zeigen, im Grunde einen Vertrag mit den Göttern.

Das enge persönliche Verhältnis zwischen den Bittenden und den Göttern öffnete die römischen Kulte für die Übernahme oder die Gleichsetzung von fremden Gottheiten mit den römischen. Völker und Stämme, die unter römischer Herrschaft lebten, konnten dadurch ihre religiösen Traditionen bewahren. Die Römer verfolgten und unterdrückten jedoch Kulte mit aller Gewalt, die ihren Herrschaftsanspruch in Frage stellten. Dazu gehörten Kultgemeinschaften, die in den Stammesgesellschaften der einheimischen Bevölkerung eine politische Führungsrolle innehatten (Druiden) oder die monotheistische Religion der Juden und Christen. Seit dem 2. Jahrhundert gewannen zunehmend orientalische Mysterienkulte, wie der des Mithras, an Einfluss, deren Anhänger zu Beginn vornehmlich aus dem Militär und aus sozial schlechter gestellten Bevölkerungsgruppen stammten.

Durch Widerstandsmessungen in den Ackerflächen über dem römischen vicus von Mittelstrimmig wurden zahlreiche Gebäudegrundrisse der Ansiedlung sichtbar. Im geophysikalischen Messbild zeichneten sich zwei getrennt voneinander liegende Kultstätten ab. Hangabwärts war ein mächtiger gallo-römischer Umgangstempel von 18 x16 m Seitenlänge innerhalb eines 60 x 39 m großen durch Mauern einfassten Platzes errichtet worden. Auf der Anhöhe erstreckt sich der größere 105 x 75 m große Tempelbezirk,  zusätzlich von einem polygonal über 300 m großen ummauerten Bezirk eingefasst. Innerhalb des Kultbezirks befanden sich zwei gallo-römische Umgangstempel, sowie mehrere Steinbauten. Die gallo-römischen Heiligtümer dienen nicht nur der Verehrung der Gottheiten, sondern auch als Versammlungsplatz der ansässigen Bevölkerung. Eine solche Funktion dürfte dem großen polygonalen  Platz zugekommen sein. Durch geomagnetische Prospektion ist die Lage der Siedlungsbauten entlang der Straßenachsen bestens bekannt. Zu den Besonderheiten von Mittelstrimmig zählen Großgrabhügel die sich innerhalb der Siedlungsfläche im geophysikalischen Messbild abzeichnen. Vermutlich handelt es sich um einen Bestattungsplatz der Hunsrück-Eifelkultur (6.-Mitte 3. Jh. v. Chr.) der entlang der vorrömischen, über den Strimmiger Berg führenden Straße angelegt worden war.

 

Burgus

Deutlich zeichnet sich der durch die Bauinschrift belegte burgus von Mittelstrimmig ab. Das 13x18 m große Gebäude war von zwei Gräben umgeben. Die bis zu 48 m langen Gräben zeigen keine Unterbrechung, der Zugang zur Kleinbefestigung führte über Brücken. Bemerkenswert ist der Lage des burgus nicht auf der Höhe, sondern im Hang in unmittelbarer Nähe der Siedlung.

Aus Mittelstrimmig stammt eine der bedeutendsten römischen Inschriften des Rheinlandes. Sie findet sich auf dem schon erwähnten Kalksteinblock, der in Zweitverwendung durch Sandsteinquader ergänzt wurde. Die Bauinschrift datiert die Errichtung eines burgus auf den 23. Mai 270 n. Chr. Jahr 269 n. Chr. Zwei Arten von burgi sind zu unterscheiden. Der Grenzbefestigung dienten die einen, während im Hinterland gelegene burgi zum Schutz der Straßen und des Handels errichtet wurden. Letzeres war vermutlich auch die Funktion der inmitten einer Ansiedlung gelegenen Befestigung bei Mittelstrimmig.

Burgi die Vorläufer der mittelalterlichen Burg waren Kleinfestungen. Zur Überwachung und dem Schutz der Bevölkerung wurden kleinere Militäreinheiten stationiert. Die kleinen Militärposten waren größtenteils mit Germanen besetzt, die nicht nur in der Landwirtschaft sondern auch im römischen Heer eine wichtige Rolle übernommen hatten. Neben den militärischen Anlagen gab es entlang der tief eingeschnittenen Moseltäler  meist auf markanter Spornlage zahlreiche Refugien der ansässigen Bevölkerung (Burgberg bei Mastershausen). Oft sind diese strategisch vorteilhaft gelegenen Befestigungen  überlagert von mittelalterlichen Burgen.

 

Germaneneinfälle

Im frühen 3. Jahrhundert n. Chr. trat erstmals ein germanischer Stammesbund  (Allmänner-Bund) in das Licht der Geschichte. Die Auseinandersetzung mit den Germanen bestimmte bis in das 5. Jahrhundert n. Chr. das Schicksal der römischen Provinzen an Rhein, Donau und ihren Nebenflüssen. Waren es erst die Alamannen die in das Reichsgebiet einbrachen, so folgten später die Franken. In den Germanenkriegen des 3. Jahrhunderts hatte sich gezeigt, dass die bisherige Grenzverteidigung, durch Aneinanderreihung von Truppenstützpunkten in vorderster Linie keinen ausreichenden Schutz mehr bot. Die Germanen überwanden mühelos die befestigte Grenze (Limes) wie auch die großen Flüsse Rhein und Donau. War die Grenze erst einmal durchbrochen, konnten sie ungehindert die Provinzen durchqueren und tief in das römische Reich vorstoßen. Kaiser Diokletian (3. Jh. n. Chr.) begegnete dieser Gefahr indem er das römische Heer in Grenztruppen und schnelle Eingreiftruppen im Hinterland teilte. Gleichzeitig wuchs die Bedeutung der Hilfstruppen in denen auch viele Angehörige germanischer Volksstämme dienten.

Das zum Schutz vor den Germaneneinfällen entwickelte spätantike Festungsbauprogramm sah kleinere Anlagen vor, die mit wenigen Soldaten besser zu verteidigen waren. Massiv wurden die Festungsmauern angelegt, nicht selten 3 Meter dick und 8 bis 10 Meter hoch. Eine spezielle Bautechnik ermöglichte den Bau derart mächtiger Mauern: Den Mauerkern bildetet eine feste Masse aus Bruchsteinen und Kalkmörtel, nur die Außen- und Innenseite der Mauer waren mit Steinblöcken aufgemauert. Trümmer älterer Gebäude, Denkmalsockel oder Grabreliefs wurden in den Fundamenten verbaut. Die Außenfront der Festungsmauern verstärkten mächtige vorspringende Türme, der Zugang zur Festung war besonders gut durch Gräben gesichert und auf ein bis zwei Tore reduziert.

Das Moselmündungsgebiet wurde durch das massive Kastell Confluentes/Koblenz gesichert. Am Rhein entstand die große Festung Bodobriga/Boppard. Dem Schutz der Reichsstraßen und der Stadt Trier, aber auch der Lagerung von Vorräten und Naturalabgaben dienten die Festungen Noviomagus/Neumagen und Beda/Bitburg. Zusätzlich wurde der gesamte Oberlauf der Mosel zwischen Trier und Koblenz durch eine dichte Folge von kleinen Höhenbefestigungen und burgi gesichert.

 

Grabungsschutzgebiet

Schon 1990 wurde im Bereich der römischen Siedlung bei Mittelstrimmig ein Grabungsschutz gebiet ausgewiesen, um das Kulturdenkmal vor unbefugten Absuchen und Grabungen zu schützen.

 

M. Thoma

 

Literatur

H. Leifeld, Die römische Straßenstation und –befestigung bei Mittelstrimmig.

Jahrbuch für den Kreis Cochem-Zell 2007, 50-60.

 

R. Laskowski, Zwei Fundstellen hölzerner Wasserleitungsrohre aus der Römerzeit bei Mittelstrimmig, Kreis Cochem/Zell. Bonner Hefte zur Vorgeschichte 18, 1978, 403-418.

 

K.-J. Gilles, Der römische Burgus bei Mittelstrimmig. Jahrbuch für den Kreis Cochem-Zell 1990, 165-171.

 

N. Franken, Die Athena-Minerva-Büste von Mittelstrimmig. Laufgewicht einer spätantiken Schnellwaage. Jahrbuch für den Kreis Cochem-Zell 1992, 217 f.

 

A.von Berg, Konstruktionselement des römischen Reisewagens aus Mittelstrimmig. Jahrbuch für den Kreis Cochem-Zell 1994, 133-135.

 

M. Frey, Gestempelte Keramik aus der römischen Siedlung bei Mittelstrimmig. Jahrbuch für den Kreis Cochem-Zell 1993, 164-166.