Zur Geschichte von Lieg
Lieg in vorgeschichtlicher und römischer Zeit
Die heutige Ortsgemeinde Lieg befindet sich auf einer leichten Hanglage auf einer Hochfläche zwischen Dünn- und Lützbach auf dem rechten Moselufer. Erste Besiedelungsspuren auf dem Gebiet des Hunsrückdorfes stammen aus der Altsteinzeit (100.000-10.000 v. Chr.); weitere Funde wie geschliffene Beile oder Abschläge und Klingen aus Feuerstein lassen sich in die Jungsteinzeit (ca. 3500-1800 v. Chr.) datieren. [Anm. 1]
Im Zuge der Feldzüge Gaius Julius Caesars zwischen 58 und 52 v. Chr. geriet die Mosel- und Hunsrückregion zunehmend in den Einflussbereich der Römer; vor allem in der römischen Kaiserzeit fand eine planmäßige Erschließung der Landschaft statt. [Anm. 2] In diesem Zusammenhang wurde ein umfangreiches Straßensystem geschaffen, das die Versorgung der Truppen an der Front sowie der Siedlungen gewährleistete. [Anm. 3] Eine dieser Römerstraßen führte von Kirchberg kommend durch die Gemarkung Lieg bis nach Treis-Karden an der Mosel. Auf dem Gebiet der heutigen Ortsgemeinde sind heute noch einzelne Spuren dieser Wegeverbindung in der Landschaft erkennbar. [Anm. 4] Mehrere Grabstätten und Gebäudereste auf der Gemarkung Lieg weisen zudem auf die Existenz einzelner römischer Siedlungsplätze hin. [Anm. 5] Aus der anschließenden fränkischen Zeit sind hingegen keine Spuren menschlicher Besiedlung überliefert. [Anm. 6]
Lieg in mittelalterlicher Zeit
Das Hunsrückdorf Lieg wurde gesichert um das Jahr 1220 erstmals urkundlich erwähnt, eine frühere Erwähnung stammt möglicherweise bereits aus dem Jahr 1106. [Anm. 7] Im Jahr 1264 übertrug das Ehepaar Philipp von Wildenberg und Irmgard von Braunshorn ihren Hof in Lieg an das von ihnen zwei Jahre zuvor gegründeten Frauenkloster Maria Engelport im Flaumbachtal. [Anm. 8] Seit 1366 gehörte Lieg zum Hochgericht Beltheim, das bis 1780 der gemeinsamen Herrschaft der Kurfürsten von Trier, der Herzöge von Pfalz-Zweibrücken und Baden sowie den Grafen von Metternich-Winneburg-Beilstein unterstand. [Anm. 9] In Lieg besaßen neben dem Kloster Engelport auch die Grafen von Waldeck größeren Grundbesitz; zudem sind zeitweise die Herren von Pyrmont, die Herren von Eltz sowie die Freiherren Waldbott zu Bassenheim als Lehensträger überliefert.
Seit dem Jahr 1220 ist eine Kapelle in Lieg bezeugt, die in dem Verzeichnis der Rechte des Trierer Erzbischofs aufgeführt wurde. Sie gehörte als Filiale zur Pfarrei Lütz. [Anm. 10] Bereits in mittelalterlicher Zeit war die Gemeinde Lieg stark von der Landwirtschaft geprägt. [Anm. 11]
Frühe Neuzeit
Über die genaueren Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) in Lieg ist nur wenig bekannt, jedoch fielen einige Häuser, wie die beiden Höfe des Klosters Engelport, den Kampfhandlungen zum Opfer. [Anm. 12] Im Jahr 1748 wurden Teile des Ortes zudem bei einem großen Brand zerstört, von dem auch Teile der Pfarrkirche betroffen waren. [Anm. 13] 1784 bestand der Gemeindevorstand von Lieg aus einem Bürgermeister und zwei Mitvorstehern; alle drei Ämter gingen unter den Gemeindemitgliedern reihum. [Anm. 14] Bei der Teilung des Beltheimer Gerichts im Jahr 1781 fiel der gesamte Ort Lieg mit seinen Untertanen an Kurtrier. [Anm. 15]
Auch nach der Besetzung des linken Rheinufers durch französische Revolutionstruppen im Jahr 1794 blieb Lieg zunächst Teil von Kurtrier, bis 1797 das linksrheinische Gebiet des Heiligen Römischen Reiches staatsrechtlich der französischen Republik zugeschlagen wurde. Lieg gehörte seitdem zu dem Kanton Treis innerhalb des neugeschaffenen Rhein-Mosel-Departements. [Anm. 16] Im Jahr 1813 ließ die französische Verwaltung das örtliche Kloster Engelport ebenso wie die beiden zum klösterlichen Besitz gehörenden Gutshöfe in Lieg versteigern. [Anm. 17] Mit dem Wiener Kongress von 1815 fiel Lieg zum Königreich Preußen. Lieg war nun Teil der Bürgermeisterei Treis, die 1933 mit der Bürgermeisterei Karden zusammengelegt wurde. [Anm. 18]
Lieg als preußische Landgemeinde
Die Auswanderung aus dem Hunsrück erfasste auch Lieg. [Anm. 19] 1870 wurde die Pfarrgemeinde des Hunsrückdorfes zu einer eigenständigen Pfarrei erhoben, nachdem es bereits in den Jahrzehnten zuvor Versuche zur Abtrennung von der Pfarrei Lütz gegeben hatte. [Anm. 20] Am 10. Juli 1877 wurde in Lieg ein Junggesellenverein gegründet, der an den deutsch-französischen Krieg erinnerte und sich die „Beförderung der Bruderliebe und Sittlichkeit“ sowie die „Abhaltung geselliger edler Vergnügungen“ zum Ziel setzte. [Anm. 21] Der Verein wurde 1905 neugegründet. 1909 erfolgte die Gründung eines Kriegervereins, der unter anderem Vereinsbälle, Theaterspiele und Preisschießen veranstaltete.
Lieg im 20. und 21. Jahrhundert
Nach Ende des Ersten Weltkriegs wurden zunächst amerikanische Soldaten in Lieg einquartiert, bis die Region Teil des französischen Besatzungsgebiets wurde. [Anm. 22] In den 1920er Jahren wanderten einige Familien in das Ruhrgebiet ab. Dennoch erlebte Lieg bis zur Weltwirtschaftskrise von 1929 einen gewissen wirtschaftlichen Aufschwung: [Anm. 23] 1923 wurde der Ort elektrifiziert, 1934/35 folgte zudem der Bau einer ersten Wasserleitung. [Anm. 24] 1928 ließ die Gemeinde auf dem Friedhof eine Gedächtniskapelle zur Erinnerung an die im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten errichten. Während des Zweiten Weltkriegs fielen 19 Soldaten aus Lieg, der Ortskern wurde durch Kriegseinwirkungen teilweise zerstört. [Anm. 25]
1951 wurde auf dem lokalen Friedhof eine Gedenkstätte zur Erinnerung an die Gefallenen und Vermissten des Zweiten Weltkriegs geschaffen. 1960/61 und erneut 2006 wurde in der Gemarkung eine Flurbereinigung durchgeführt, um die Bewirtschaftung der Felder zu erleichtern. [Anm. 26] Seit 1946 ist Lieg Teil des Landes Rheinland-Pfalz. 2013 wurde Lieg mit der Auflösung der Verbandsgemeinde Treis-Karden Teil der 2009 geschaffenen Verbandsgemeinde Cochem. Der Ort Lieg hat heute (Stand: 31. Dezember 2020) 376 Einwohner.
Autor: Max Hartmann
Verwendete Literatur:
- Kugel, Heinz: Die Preußen als neue Herren des Rheinlandes. In: Kugel, Heinz (Hg.): Chronik Lieg. 900 Jahre Lieg 1106-2006. Geschichte und Geschichten eines Hunsrückdorfes. Lieg 2006, S. 85-95.
- Kugel, Heinz: Das Deutsche Kaiserreich vor und nach 1870/71 bis zum 1. Weltkrieg. In: Kugel, Heinz (Hg.): Chronik Lieg. 900 Jahre Lieg 1106-2006. Geschichte und Geschichten eines Hunsrückdorfes. Lieg 2006, S. 193-211.
- Rettinger, Elmar (Bearb.): Historisches Ortslexikon Rheinland-Pfalz. Bd. 1: Ehemaliger Landkreis Cochem. Stuttgart 1985 (Geschichtliche Landeskunde 27).
- Schneider, Bernd: Die Pfarrei „St. Goar“ in Lieg. Geschichtliche Entwicklung bis heute. In: Kugel, Heinz (Hg.): Chronik Lieg. 900 Jahre Lieg 1106-2006. Geschichte und Geschichten eines Hunsrückdorfes. Lieg 2006, S. 96-193.
- Schneider, Franz: Geschichte des Dorfes Lieg, Hunsrück. Koblenz 1980.
- Schrader, Diethelm: Flurnamen im Hunsrück. Dorf Lieg, Jahr 1785 sowie um 1950. Mainz 2011.
- Wackenroder, Ernst (Bearb.): Die Kunstdenkmäler des Landkreises Cochem. Teil 2. München 1959.
- Wegner, Hans-Helmut: Lieg in vorchristlicher Zeit bis zum Zusammenbruch des römischen Reiches, etwa bis zum 8. Jahrhundert nach Christus. In: Kugel, Heinz (Hg.): Chronik Lieg. 900 Jahre Lieg 1106-2006. Geschichte und Geschichten eines Hunsrückdorfes. Lieg 2006, S. 11-22.
Veröffentlicht am 09.08.2022
Anmerkungen:
- Siehe Schneider 1980, S. 9-11. Zurück
- Berg 2005, S. 42. Zurück
- Berg 2005, S. 49. Zurück
- Kugel 2006, S. 18 f. Zurück
- Siehe hierzu Schneider 1980, S. 33-25; Wegner 2006, S. 18 f. Zurück
- Kugel 2006, S. 29. Zurück
- In der heute verschollenen Urkunde ist von einem Ritter Embrico die Rede, der als Ministerialer des Grafen von Seffenburg in Mayschoß an der Ahr lebte, der eine Nonne von edlem Geschlecht aus einem Kloster entführte und diese heiratete. Daraufhin wurde sie von ihren Eltern bis auf einen halben Mansus in Lich, dem heutigen Lieg, enterbt, siehe hierzu Kugel 2006, S. 36; Schneider 1980, S. 40. – Nach Einschätzung von Diethelm Schrader kann die These einer Ersterwähnung im Jahr 1106 jedoch nicht abschließend bestätigt werden, da Originalbelege fehlen, Schrader 2011, S. 9. Zurück
- Friederichs 1976, S. ; Mötsch 1995, S. 108; Pies 2006, S. 186; Wackenroder 1959, S. 571. Zurück
- Rettinger 1985, S. 195. Zurück
- Schneider 2006, S. 98. Zurück
- Schneider 1980, S. 181. Zurück
- Kugel 2006, S. 72-74; Pies 2006, S. 188. Zurück
- Schneider 2006, S. 99. Zurück
- Rettinger 1985, S. 195. Zurück
- Kugel 2006, S. 48. Zurück
- Kugel 2006, S. 64. Zurück
- Pies 2006, S. 188. Zurück
- Schneider 1980, S. 177. Zurück
- Schneider 1980, S. 200-204. Zurück
- Schneider 2006, S. 105. Zurück
- Kugel 2006, S. 194; Schneider 1980, S. 189. Zurück
- Schneider 1980, S. 291. Zurück
- Kugel, 2006, S. 198. Zurück
- Kugel 2006, S. 198. Zurück
- Kugel 2006, S. 199. – Diese wenigen Informationen sind im Moment leider das einzige, was sich aus der Forschungsliteratur zum Zweiten Weltkrieg in Lieg entnehmen lässt. Eine genauere Bearbeitung der Kriegszeit, und auch des gesamten 20. Jahrhunderts steht noch aus und wäre für die Zukunft wünschenswert. Zurück
- Kugel 2006, S. 214; Schneider 1980, S. 291. Zurück