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Vorwort
Der vorliegende Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz wäre nicht verwirklicht worden, hätten mir nicht unzählige Helfer zur Seite gestanden. Zu nennen sind hier zum einen die Mitglieder des Instituts für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e. V. sowie die Heimatvereine und Ortsverwaltungen, die meine Ansprechpartner vor Ort für das Atlasprojekt waren und mir die gewünschten Sprachdaten beschafft haben. Hervorzuheben sind zum anderen diejenigen, die die Sprachdaten produziert haben, also die Dialektsprecherinnen und -sprecher, die befragt wurden. Ihnen allen fühle ich mich zu großem Dank verpflichtet.
Die Publikation des Werks haben erst finanzielle Zuwendungen ermöglicht. Für einen Zuschuss zu den Druckkosten danke ich der Aleksandra-Stiftung zur Förderung der Westricher Geschichtsforschung, Neunkirchen-Wellesweiler, dem Landkreis Alzey-Worms, dem Landkreis Bad Kreuznach, dem Landkreis Südliche Weinstraße, der Paul und Yvonne Gillet Stiftung, Edesheim, dem Saarpfalz-Kreis, der Stiftung „Kultur im Landkreis“ Mainz-Bingen, der Stiftung der Sparkasse Germersheim-Kandel zur Förderung von Kunst, Kultur und Sport sowie zur Unterstützung der Heimat- und Jugendpflege.
Georg Drenda
Für die finanzielle Unterstützung der Online-Publikation danken wir der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion ADD des Landes Rheinland-Pfalz.
Einleitung
Das Hauptziel dieses Wortatlasses ist es, einen Ausschnitt aus dem Dialektwortschatz der Regionen Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz in seiner räumlichen Variation darzustellen. Das Werk, mit dessen Vorbereitung ich im Februar 2008 am Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz begonnen habe, dokumentiert damit wortgeographisch den linksrheinischen Dialektraum Deutschlands südlich der Nahe. Das Untersuchungsgebiet fällt also in das westliche Rheinfränkische. Der Atlas schließt südlich an den Rheinischen Wortatlas (vgl. Lausberg/ Möller 2000) an, dessen Arbeitsgebiet in Anlehnung an das des Rheinischen Wörterbuchs (1928-1971) in etwa die ehemalige preußische Rheinprovinz bildet. Geographisch betrachtet, präsentiert der Rheinische Wortatlas den Dialektwortschatz des gesamten linksrheinischen Gebietes von Kleve bis zur Nahe sowie des größten Teils des Saarlandes und des rechtsrheinischen Gebietes von Emmerich bis zur unteren Lahn. Dank dem Rheinischen Wortatlas und dem nun vorliegenden Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz ist das gesamte Westmitteldeutsche westlich des Rheins auf der Basis neuerer Sprachdaten wortgeographisch erschlossen.
Der Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz fragt die gleichen Begriffe ab wie der Rheinische Wortatlas, sofern im Untersuchungsgebiet lexikalische Variation zu erwarten ist. Er schließt also nicht nur geographisch, sondern auch thematisch an diesen an. Darüber hinaus gibt es in methodischer Hinsicht Übereinstimmung. Da die Sprachdaten aus finanziellen und Zeitgründen nicht direkt erhoben werden konnten, erfolgte die Exploration wie beim Rheinischen Wortatlas indirekt durch Laienexploratoren. Der 102 Positionen umfassende Fragebogen wurde an Heimatvereine, Ortsverwaltungen sowie an viele Mitglieder des als Verein organisierten Instituts für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz mit der Bitte um Erhebung der Sprachdaten verschickt. Als Gewährspersonen wurden über 70jährige, ortsgebürtige, beruflich immobile Dialektsprecher oder Dialektsprecherinnen mit ehemals manueller Berufstätigkeit erbeten. Die Rücklaufquote der Fragebogen lag bei ca. 40.
Der Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz hat 42 für sein Arbeitsgebiet ergiebige Lemmata des Rheinischen Wortatlasses und 60 weitere Begriffe abgefragt. Es sind dies vor allem solche, zu denen es Karten im Südhessischen Wörterbuch (1965-2009), im Pfälzischen Wörterbuch (1965-1998) oder im Wortatlas der deutschen Umgangssprachen (Eichhoff 1977-2000) gibt. Neben dem oben genannten Hauptziel der Dokumentation gegenwärtiger Raumstrukturen verfolgt der vorliegende Wortatlas ein wichtiges zweites: Er kontrastiert etliche seiner Karten mit denen der soeben genannten Wörterbücher, die größtenteils den Sprachstand der 1920er Jahre reflektieren. Damit wird es möglich, Aufschluss über die Entwicklung dialektaler Worträume entlang der Zeitachse zu erhalten. Entsprechend den beiden Zielen publiziert der Atlas zwei Kartentypen. 1. Auf 96 Punkt-Symbol-Karten (sechs der 102 Wortfragen erwiesen sich als wenig ergiebig für eine Kartierung) wird die aktuell erhobene lexikalische Variation dokumentiert. 2. Zu 42 der 96 Wortkarten gibt es kontrastive Karten, auf denen in die aktuellen Erhebungsergebnisse die von den Wörterbüchern dereinst ermittelten Isoglossenverläufe sowie die Leitformen der Wortareale eingetragen sind. Das bedeutet: Zu 42 Kartenstichwörtern liegen jeweils zwei Kartenblätter vor: das Basisblatt mit den neuen Sprachdaten und das Kontrastblatt mit neuer und alter Sprachinformation. [Anm. 1] Durch die integrative Darstellung ist ein unmittelbarer Vergleich der heutigen und früheren Raumstrukturen möglich. Da es um eine Gegenüberstellung von Wortarealen und nicht um eine belegpunktgenaue Analyse geht, werden die von den Wörterbuchkarten verzeichneten punktuell abweichenden Belege (Gegenbelege) nicht berücksichtigt. Ein Kontrastblatt (39.2.) enthält über die wortgeographische Information hinaus statistisch-quantitative Angaben zur lexikalischen Entwicklung. Die Kontrastierung kann nicht immer für das Gesamtareal, also Rheinhessen und Pfalz vorgenommen werden. Zu etlichen Kartenstichwörtern gibt es nur im Südhess. Wb. oder im Pf. Wb. eine Vergleichskarte.
Neben dem alten, seit Generationen überlieferten Alltagswortschatz mit Bezeichnungen für das Huhn, die Stachelbeere, das Hühnerauge, die Mehlschwitze, die Empore in der Kirche usw. erfragt der Wortatlas auch die dialektale Versprachlichung „moderner“ Denotate. Hierzu gehört die Erhebung der Dialektwörter für die Fahrradklingel, den Sportkinderwagen (Buggy), den Traktor usw. Neben schriftlich formulierten Fragen, wie z. B. Wie heißt im Dialekt das männliche Huhn? oder Wie nennt man den Verschluss einer Weinflasche? beinhaltet der Fragebogen farbige Abbildungen, mit denen unter Ausschaltung jeglicher verbaler Beeinflussung sehr exakt nach Sachen gefragt werden kann. So wurden mit Hilfe von Bildern die Bezeichnungen z. B. für die Heuschrecke, die Türklinke und das Karussell erhoben. Die Gewährsleute waren aufgefordert, den früher ortsüblichen Dialektausdruck zu nennen. Der Atlas erhebt und dokumentiert also die sprachliche Grundschicht (Basisdialekt). Er steht somit in der Tradition unzähliger sprachlicher Raumdarstellungen des Deutschen. Die Beschränkung auf die unterste Ebene des Dialekts ist legitim, bedeutet aber, dass nur ein Ausschnitt aus der Sprachrealität dargeboten wird. Diese stellt sich gegenwärtig in dialektsprechenden Gemeinschaften des Arbeitsgebietes als durchaus komplex und heterogen dar. Die heutige Alltagskommunikation ist gekennzeichnet von einer bewussten Wahl sprachlicher Mittel aus einem Variantenspektrum, das vom Basisdialekt bis – im Extremfall – zur Standardsprache reicht. Die konkrete Entscheidung für die eine oder andere Möglichkeit wird von der Kommunikationssituation, dem Gesprächsthema und ‑partner gesteuert. Die variative Handhabung des Dialekts wird auf den Karten des Atlasses ansatzweise deutlich, wenn für einen Belegpunkt zwei oder mehr Varianten vorliegen. Die Karte 27.1. Maulwurf beispielsweise zeigt zweimal standardkonformes Maulwurf neben basisdialektalem Molbruch.
Die Exploration des Sprachmaterials wurde von Mai 2008 bis Mai 2009 durchgeführt. Verwertbare Antwortbogen kamen aus 150 Erhebungsorten, die folglich das Belegortsnetz des Atlasses konstituieren. Eine besonders hohe Belegpunktdichte weist Rheinhessen auf. Hier haben einige ehrgeizige Sprachdatensammler über das geplante Erhebungsortsnetz hinaus Sprachmaterial aus zusätzlichen Orten geliefert. Dem Sammlerfleiß ist es zu verdanken, dass die urbane, zum Rhein-Main-Ballungsgebiet zählende und somit besondere dialektologische Aufmerksamkeit verdienende Region gut dokumentiert ist. Die hohe Belegpunktdichte hat auch eine Kehrseite: Sieben Erhebungsorte konnten aus Platzmangel nicht im Kartenfeld berücksichtigt werden. Hinzu kommen zwei weitere Ortspunkte außerhalb Rheinhessens: einer nördlich von Bad Dürkheim und einer östlich von St. Wendel. Es handelt sich alles in allem um folgende Belegpunkte: Bubenheim, (Mainz-) Bretzenheim, Engelstadt, (Mainz‑)Finthen, Jugenheim, (Mainz‑)Mombach, Schwabenheim, Herxheim a. Berg und Marth. Die sprachlichen Informationen dieser Explorationsorte finden sich in der Kartenlegende als nicht kartierte Belege.
Die eingegangenen Sprachdaten – insgesamt waren es (mit Mehrfachmeldungen pro Ort) ca. 17.000 Wortbelege – wurden zunächst in Originalform zu Manuskriptkarten verarbeitet. Auf der Basis der Originalformkarten erfolgte sodann mit Hilfe der Software CorelDRAW die manuelle Herstellung von farbigen Punkt-Symbol-Karten. Der Atlas umfasst insgesamt 138 Wortkarten: 96 präsentieren die aktuell erhobenen Sprachdaten und 42 weitere kontrastieren diese mit den Befunden der einschlägigen Wörterbücher (s. o.). [Anm. 2] Ein kartenbegleitender Kommentartext erschließt linguistisch die dokumentierten Dialektwörter und beschreibt gegebenenfalls die lexikalische Entwicklung.
Die Laienexploratoren haben die Dialektwörter selbstverständlich in literarischer Umschrift fixiert, also z. B. Dreckberscht ‘Handfeger’, Heihubser ‘Heuschrecke’ und Grumbeer ‘Kartoffel’. Das ist für einen Wortatlas durchaus akzeptabel, weil es hier nicht wie bei einem Lautatlas auf die exakte phonetische Information ankommt, sondern auf die Variation der Bezeichnungen einer Sache oder eines Sachverhalts. Konkret: Es ist z. B. im Falle von ‘Handfeger’ relativ unerheblich, ob die Meldung Dreckberscht die Aussprache des Dialekts getreu widerspiegelt. Wichtig ist das Wort an sich, d. h. als Typus in Abgrenzung zu einer lexikalisch(‑morphologisch) differenten Einheit, also hier etwa Besemche.
Als Kartenthema fungiert stets das Äquivalent der nhd. Standardsprache. Karte 53. beispielsweise ist mit Kehrichtschaufel überschrieben ungeachtet dessen, dass das Kompositum im Belegmaterial überhaupt nicht vertreten ist. Bei Variation in der heutigen Standardsprache, vgl. etwa Handfeger/Handbesen erfolgt die Auswahl des Kartenstichworts unter Vernachlässigung semantischer Finessen und/oder geographischer Geltung mehr oder weniger willkürlich. Steht kein standarddeutsches Wort zur Verfügung, wird umschrieben wie z. B. im Falle von Durchgang zwischen Häusern.
Wortbelege, die lexikalisch(‑morphologisch) übereinstimmen, sind in der Karte zu einem Typus zusammengefasst und einheitlich symbolisiert. Als Leitform ist bei der Symbolerklärung in der Legende die standardsprachliche Entsprechung oder, wenn nicht vorhanden, das typisierte, d. h. „verhochdeutschte“ Wort angegeben. Das Beispiel ‘Wespe’ möge die Verfahrensweise verdeutlichen: Die gemeldeten Dialektbelege Weschb, Wesp usw. gehören zusammen. Sie sind der Leitform Wespe subsumiert. Für Weschbel, Wischbel usw., die keine Entsprechung in der Standardsprache aufweisen, wird zusammenfassend „verhochdeutschtes“ Wespel angesetzt. Bei den Typisierungen richte ich mich in der Regel nach den Stichwortansätzen in den einschlägigen, oben genannten Dialektwörterbüchern. In der Kartenlegende steht hinter der typisierten Leitform meistens ein exemplarischer Originalbeleg in Klammern, der einen Eindruck von der dialektalen Wortform vermitteln soll. Manche Wortbelege lassen sich nicht „verhochdeutschen“, so z. B. Hermes (‘Wespe’). In einem solchen Fall wird der Dialektbeleg unverändert in die Legende übernommen.
Etliche Karten des Atlasses dokumentieren über die lexikalischen Raumstrukturen hinaus (nach Vorbild der Dialektwörterbücher) hervorhebenswerte lautliche Aspekte. So differenziert z. B. die Karte 36.1. Flügel (eines Vogels) die Leitform Flügel phonetisch nach Fliggel, Flichel und Fliil.
Literatur- und Ortskürzelverzeichnis
Die im Text erwähnte Literatur (Literaturverzeichnis) sowie eine Aufschlüsselung der Ortskürzel (Belegorteverzeichnis) finden Sie unter den entsprechenden Links.
Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Drenda, Georg (2014): Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz. St. Ingbert.