Frücht im Rhein-Lahn-Kreis

Zur Geschichte der Gemeinde Frücht

0.1.Vor- und Frühgeschichte

Die Gemeinde Frücht liegt an den Ausläufern des Taunus im Rhein-Lahn-Kreis. Die Gemarkung ist Teil des Naturparks Nassau, einem „nationalen Schutzgebiet und eine[m] von neun ‚Nationalen Naturlandschaften im Bundesland Rheinland-Pfalz‘“.[Anm. 1] Die nächst größere Stadt Bad Ems liegt rund sieben Kilometer von Frücht entfernt. Die Rhein-Lahn-Region hat sich vor 400 Millionen Jahren gebildet und war von einem Meer bedeckt. Versteinerte Meerestiere im Tonschiefergestein verweisen noch heute auf diese Zeit. Menschliche Spuren sind zum Ende der Steinzeit auf dem Gelände des heutigen Ortes nachweisbar. Aufgrund der geografischen Nähe Bechelns zur Gemarkung Frücht kann davon ausgegangen werden, dass von der Eisenzeit bis zu den Kelten immer wieder Menschen Frücht durchquert haben: [Anm. 2] Um das Gebiet des 4 km entfernten Ortes Becheln herum wurden Hügelgräber gefunden, die aus der Eisenzeit, um 700 v.Chr., stammen. Einige Gräber können auf die Laufelder Gruppe zurückgeführt werden, da sie Brandbestattungen durchführten und Keramik als Grabbeigaben verwendeten. [Anm. 3] Auch aus der keltisch geprägten Latènezeit wurden Hügelgräber bei Becheln gefunden. [Anm. 4]

Im 1. Jahrhundert n.Chr. siedelten die Römer im Gebiet des heutigen Rhein-Lahn-Kreises. Der Limes verlief als Außengrenze des Römischen Reichs bei Bad Ems und Kemmenau über die Lahn, zu Kastellen in Becheln und Marienfels.[Anm. 5] Das 2000-Mann starke Kleinkastell Becheln legt nahe, dass die Gemarkung Frücht von den Römern durchlaufen wurde. Römische Siedlungsspuren sind bisher jedoch nicht nachweisbar. [Anm. 6] Nachdem die Römer Ende des 3. Jahrhunderts n.Chr. ihre Kastelle und den Limes im Rhein-Lahn-Gebiet aufgaben, blieb die Region bis ins frühe Mittelalter weitestgehend unbesiedelt. [Anm. 7]

0.2.Frücht im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit

„Im frühen Mittelalter gehörte die Gemarkung Frücht den Grafen von Arnstein.“[Anm. 8] Erstmals urkundlich erwähnt wurde ein Ort auf dieser Gemarkung um 1159 unter dem Namen „Wruthe“.[Anm. 9] In dieser Urkunde bezeugte Egenulf von Wruthe den Lehensvertrag zwischen dem Erzbischof von Trier und dem Ritter von Laurenburg. Der etymologische Ursprung des Ortsnamens konnte bisher nicht geklärt werden. Sein vordeutscher Siedlungsnamen gibt jedoch einen Hinweis darauf, dass „Wruthe“ zwischen dem 5. und 8. Jahrhundert und demnach in einer frühen Phase der Siedlungsgründungen entstanden sein könnte.[Anm. 10] In den folgenden Jahrhunderten entwickelte sich der Name von Wruthe, über Vruchte (1190,1284, 1314), Fruchte (1235), Vroighten (1308), Frycht (1481) hin zu Frücht ab 1602.[Anm. 11] Der Ort befand ich im Gebiet des Einrichgaus und gehörte den Grafen von Arnstein.  

0.2.1.Freiherr vom Stein im Besitz des Dorfes

Um 1160 gelangte die Grafschaft Einrich an zwei Grafen von Nassau und zwei Grafen von Katzenelnbogen, die es gemeinsam beherrschten. Das Gebiet auf dem Einrich wird daher als Vierherrisch bezeichnet. [Anm. 12] Zu dem Weistum gehören neben Frücht, auch die Gemeinden Miellen, Nievern, Dausenau, Ahl, Misselberg, Mauch, Sulzbach und Becheln. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts wird angenommen, dass Frücht mit einigen weiteren Gemeinden aus der Grafschaft auf dem Einrich herausgelöst wurde und seitdem dreiherrisch war. Gemeinsam mit Becheln und Sulzbach bildete Frücht von nun an einen eigenen Verwaltungsbezirk. Das Gericht, das eine juristische wie auch verwaltungstechnische Einrichtung war, befand sich im benachbarten Becheln. Ihre Verwaltungsorgane waren ein Schultheiß sowie sieben Schöffen.[Anm. 13] Mehrere Grundherren versuchten seit dem 14. Jahrhundert ihren Einfluss auf das Dorf Frücht zu vergrößern, darunter die Herren von Schilling und von Lahnstein.[Anm. 14] Auch die reichsritterliche Familie vom Stein versuchte ihren bisherigen Streubesitz zu bündeln.[Anm. 15] Da sie die Landeshoheit über den Ort Schweighausen bereits besaßen und im nahegelegenen Frücht über Güter verfügten, hatten sie ebenfalls ein hohes Kaufinteresse an dem Dorf:  Johann Gottfried vom Stein zu Nassau war Verwaltungsbeamter und seit 1604 nassauischer Oberamtsmann zu Nassau-Weilburg.[Anm. 16] Diese berufliche Stellung nutzte er, um sein Herrschaftsgebiet zu erweitern und begann im Jahr 1606 mit den nassauischen Landesherren über den Kauf des Dorfes zu verhandeln. Dass Graf Ludwig II. von Nassau-Weilburg den Anteil der um 1605 ausgestorbenen Linie Nassau-Idstein unter seine Herrschaft bringen konnte, kam vom Stein gelegen. Anstatt mit drei nassauischen Grafen zu verhandeln blieben nun nur noch zwei übrig.[Anm. 17] Während sich Graf Ludwig von Nassau-Saarbrücken bereits am 6. März 1609 von dem steinschen Vorhaben überzeugen ließ, wollte Graf Ernst Kasimier von Nassau-Diez Frücht nicht verkaufen. Erst am 23. Dezember 1613 kam die Familie vom Stein in den Besitz von Frücht.[Anm. 18] Der Ort wurde damit aus dem Gericht Becheln ausgegliedert.[Anm. 19] Alle Einwohner*innen von Frücht waren von nun an Leibeigene der Familie vom Stein. In einem Familienvertrag wurde festgelegt, dass der viertgeborene Heinrich Friedrich Karl Freiherr vom und zum Stein (geb. 28.10.1575) der Erbe des steinschen Besitzes wurde.[Anm. 20]  Durch den Kauf des Dorfes besaß Johann Gottfried vom Stein einen Zwergstaat. Zur Verwaltung seines Herrschaftsbereichs richtete er ein eigenes Gericht in Frücht ein.[Anm. 21] Für das Jahr 1614 ist bereits ein Siegel erhalten, das das Gericht in Frücht durch seine Umschrift belegt S: Steinschen Gerichts ZV FrVECHT. Im Inneren des Siegels wurde die Jahreszahl 1614 eingraviert.[Anm. 22] 

0.2.2.Kriege, Seuchen und Aberglaube

Während des Dreißigjährigen Kriegs (1618-1648) konnten sich die Einwohner*innen der kleinen unbefestigten Dörfer wie Frücht, Ems und Kemmenau nicht schützen. Sie flohen in die befestigten größeren Städte wie Braubach. [Anm. 23] Neben Kriegen fügten Seuchen im 17. Jahrhundert der Bevölkerung einen erheblichen Schaden zu: Die Pest breitete sich zwischen Oktober 1626 und Februar 1635 im Dorf stark aus: 52 Einwohner*innen, darunter 32 Kinder, starben. Eingeschleppt wurde die Krankheit möglicherweise durch „Reiter, die erstmals 1626 ein Trupp im Dorf gewesen war[en]“ [Anm. 24]. Um die Seuche einzudämmen und das Dorf weiterhin verwalten zu können, wurde ein provisorisches Leichenhaus unter dem Dach des Kirchturms eingerichtet. [Anm. 25] In einer weiteren Pestwelle um 1635 kamen weitere 48 Einwohner*innen Früchts durch die Pest ums Leben, jedoch im Exil in Braubach.[Anm. 26] Da während des Kriegs eine der beiden Kirchenglocken entwendet wurde, [Anm. 27] stifteten die Herren vom Stein nach dem Krieg eine neue Glocke. In diese wurde der Name des Stifters „Ludwig Christoph vom und zum Stein, Herr zu Frücht anno 1658“ eingraviert. [Anm. 28] Seit Mitte des 16. Jahrhunderts gehörte die Gemeinde Frücht der lutherisch reformieren Glaubenslehre an. Der evangelische Glaube wurde jedoch nicht immer vertreten, so Frese und Schaback [Anm. 29] Im Winter des Jahres 1677 quartierten sich Soldaten aus Lüneburg in Frücht ein. [Anm. 30] Voraussichtlich mussten die Einwohner*innen des Dorfes für die Verpflegung und Unterbringung der Soldaten aufkommen.[Anm. 31] Wenige Jahre später kam es unter anderem aufgrund von Erbstreitigkeiten des Kurfürsten Karl II. von der Pfalz erneut zu einem Krieg. Dieser wird heute als pfälzischer Krieg bezeichnet und fand von 1688 bis 1697 statt. Trotz der jahrelangen wirtschaftlichen Einbußen während des Dreißigjährigen Kriegs mussten die Einwohner*innen der Dörfer Becheln, Nievern, Fachbach, Frücht und Schweighausen weiterhin hohe Kriegsleistungen aufbringen. Die genannten Gemeinden mussten beispielsweise innerhalb eines Tages „8 Tagesrationen Hafer, Heu und Stroh“ [Anm. 32] für nassauische Reitertruppen anliefern. Militärische Anlagen mussten außerdem ausgebessert werden, sodass neben den Korn-Abgaben auch Holzpfähle zur Verfügung gestellt werden mussten. [Anm. 33] Vom Spanischen Erbfolgekrieg (1707) blieb das Dorf nicht verschont, denn eine Truppe Franzosen fiel in Frücht ein und raubte es aus. [Anm. 34]

Durch Kriege, Missernten und Hungersnöte verbreitete sich der Aberglaube an Hexen, die das Unheil herbeiführen würden, besonders stark. Hexenverfolgungen fanden reichsweit zwischen 1400-1700 statt. In den nassauischen Gebieten wurden vor allem ab dem 16. Jahrhundert vermeintliche Hexen und Hexer verurteilt. [Anm. 35] Die „Initiative zur Aufnahme von Hexenprozessen ging insgesamt von der Bevölkerung bzw. von den Gemeinden selbst aus“, so Jung.[Anm. 36]  Zwischen September 1629 und Januar 1630 wurden Frücht neun Personen enthauptet und verbrannt. Unter den vermeintlichen Hexen war auch die Frau des damaligen Pfarrers Vietor. Sie durfte jedoch nach ihrer Hinrichtung auf dem Kirchenfriedhof begraben werden und wurde nicht verbrannt. [Anm. 37]

0.3.19. Jahrhundert

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts (1703) führten die Herren vom Stein eine neue Kirchenordnung ein. Das kirchliche Leben wurde nun durch eine geistliche Polizei, den sogenannten Sündschöffen kontrolliert. „Wer den Gottesdienst ohne triftigen Grund versäumte, erhielt eine Geldstrafe von 6 Albus.[…] Wer es wagte den Feiertag zu entheiligen, mußte 9 Albus= 63 Pfennig bezahlen. […] Wer nicht zum Abendmahl ging, erhielt nicht nur eine geldliche Kirchenbuße, sondern wurde obendrein der Herrschaft in Nassau gemeldet.“[Anm. 38] Der Erlös der Strafen ging zur Hälfte an die Sündschöffen, zur anderen Hälfte an die Kirchenkasse. Es ist anzunehmen, dass die Schöffen zu ihren eigenen Gunsten die Regeln akribisch kontrollierten. Um 1815 wurden diese Strafen wieder abgeschafft. 15 Jahre später wurden in Frücht erstmals Kirchensteuern erhoben. Zusätzlich mussten die Einwohner*innen den Kirchenzehnten bezahlen, dessen Abgabe erst 1848 eingestellt wurde. [Anm. 39]

Die Französische Revolution und dessen Auswirkungen führten zu vielfältigen Veränderungen in den deutschen Territorien. Durch den Reichsdeputationshauptschluss vom 25. Februar 1803 wurden den walramischen nassauischen Herrschaftslinien Gebiete als Entschädigungen für ihre Verluste auf linksrheinischem Gebiet zugesprochen. Durch ihren Eintritt in den Rheinbund, am 12. Juli 1806, erhielten die Grafen von Nassau-Usingen nun auch die Landeshoheit über die letzten reichsritterschaftlichen Gebiete wie Frücht im Jahr 1804. [Anm. 40] Durch die Neuaufteilung der Veraltungsbezirke wurde Frücht dem Bezirk Braubach zugeordnet. [Anm. 41] Die Vereinigung der zersplitterten Territorien führte zu Verwaltungsreformen, darunter ein einheitliches Steuersystem, ebenfalls die Aufhebung der Leibeigenschaft. Für Reformen wie diese hatte sich der letzte Besitzer der Gemeinde Frücht, der preußische Minister Freiherr Karl vom und zum Stein besonders eingesetzt. Er gilt zudem als Begründer der kommunalen Selbstverwaltung. Obwohl der Ort in das Herzogtum Nassau eingegliedert wurde, besaß die Familie vom Stein um 1807 noch Ländereien, sodass Freiherr Karl vom Stein eine Familiengruft mit einer neugotischen Grabkapelle errichten ließ. [Anm. 42]

Während der napoleonischen Kriege kämpften zwei Früchter für Napoleon und kehrten nach der Schlacht bei Waterloo nach Hause. Um 1815 wurde dieser Sieg anlässlich des Jahrestags in Frücht mit 19 fl Wein gefeiert. Aufgrund der immensen Kriegsschulden der Gemeinden, gründete die herzoglich nassauische Regierung um 1817 einen Schuldentilgungsfond und beauftrage die Gemeinden damit sparsam zu haushalten. Bereits 1822 konnten so die Schulden von Frücht abbezahlt werden.

Die Revolution von 1848 kam auch in Frücht an. Es bildete sich eine Bürgergarde. Zudem wurden durch einen ehemaligen nassauischen Korporal jeden Sonntag in Frücht Exerzierübungen gemacht.[Anm. 43] Eine Märzrevolution fand durch eine kleine Gruppe Früchter Einwohner*innen statt. Sie setzten einen neuen Schultheiß ein, der in einem Brief unter anderem die Abschaffung des Zehnten forderte. Die Regierung gab jedoch nicht nach und der Märzschultheiß wurde nach einer kurzen Amtszeit wieder seines Amtes enthoben.[Anm. 44] Nach dem Deutsch-Deutschen Krieg (1866) wurde Frücht 1868 in die preußische Provinz Hessen-Nassau eingegliedert.

0.4.20. Jahrhundert

0.4.1.Der Erste Weltkrieg und seine Folgen

Ein Tag nach der offiziellen Mobilmachung, am 2. August 1914, wurden die ersten 38 Früchter Einwohner als Soldaten eingezogen. Bis zum Ende des Kriegs kämpften 65 Einwohner Früchts an den Kriegsfronten. Die Angst vor Spionen war in Frücht offenbar so groß, dass bewaffnete Wachen am Tag und bei Nacht an Brunnenschächten und am Hochbehälter der Wasserleitung Wache hielten. Zwei Lehrer*innen, die nur die Kirche malen wollten, wurden für Spione gehalten. Für die Soldaten und Kriegsverwundeten wurden mehrere Wohltätigkeitsvereine gegründet, darunter ein Frauenverein. Die Mitglieder*innen sammelten in großen Mengen Lebensmittel, Kleidungsstücke und Geld. [Anm. 45] Die Abgabemengen einzelner Lebensmittel können durch den Zeitraum August bis November 1914  verdeutlicht werden, in dem 167 /1/2 Pfund Butter, 1383 Eier und 1800 Liter Milch abgegeben wurden. [Anm. 46] Das landwirtschaftlich geprägte Dorf war besonders zu Erntezeiten auf Helfer angewiesen. Da die meisten Männer jedoch im Krieg waren, wurden Kriegsgefangene nach Frücht gebracht, die für die Landwirte arbeiteten. Bis 1918 hatte „jede Bauersfamilie Kriegsgefangene“. [Anm. 47] Diese wurden unter anderem im Tanzsaal Esch untergebracht. Während die Früchter zu Beginn des Kriegs überschwänglich viele Hilfsgüter gesammelt und abgegeben hatten, wurde die Versorgungslage im Laufe der Kriegsjahre immer schwieriger: Marken für Lebensmittel und Kleidung wurden eingeführt. Die beiden großen Kirchenglocken mussten abgegeben werden, die 1921 jedoch ersetzt wurden. [Anm. 48] Die Früchter Landwirte mussten jedoch weiterhin einen Teil ihrer Erträge abgeben, was von der Polizei kontrolliert wurde. [Anm. 49]

Am 11. November 1918 endete der Erste Weltkrieg mit dem Waffenstillstand in Compiègne. [Anm. 50] Im Waffenstillstandsabkommen war die Stationierung französischer Soldaten im Rheinland vorgesehen. Als französische Soldaten im Dezember 1918 die umliegenden Orte bei Frücht besetzten, hatten die Früchter Glück mit dem eisigen Wetter. Da die Wege zum Ort steil sind und vereist waren, kamen die berittenen Soldaten nicht im Dorf an. [Anm. 51] Mit dem Friedensvertrag von Versailles wurde am 10. Januar 1919 die alliierte Rheinlandbesetzung auf 15 Jahre festgesetzt, die als „Garantie für die immens hohen Reparationszahlungen“ [Anm. 52] fungierte. Die folgenden Jahre waren geprägt von Reparationszahlungen, politischen Unruhen und der Inflation von 1923. Wie in vielen Orten sollte auch in Frücht ein Notgeld eingeführt werden, um damit der Inflation entgegen zu wirken. Designet mit dem Wappen der Herren vom Stein und gedruckt waren die Scheine bereits. Dennoch durften sie nicht ausgegeben werden: Die Früchter hatten die Scheine leider ohne eine behördliche Genehmigung gedruckt. [Anm. 53] 

0.4.2.Frücht in nationalsozialistischer Zeit

Nachdem sich die wirtschaftliche Situation in Deutschland Mitte der 1920er Jahre wieder weitestgehend stabilisiert hatte, führte die Weltwirtschaftskrise zu Massenarbeitslosigkeit und Armut. Von dieser erneuten Krise profitierten besonders links- und rechtsextreme Parteien. Sie machten die noch junge parlamentarische Demokratie für die Not verantwortlich und gewannen unter anderem durch ihre Propaganda neue Anhänger*innen. Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt. Die Gleichschaltung vollzog sich auch in dieser Gemeinde innerhalb kurzer Zeit auf kommunaler Ebene und ein NSDAP-Parteistützpunkt wurde in Frücht eingerichtet. Diesem gehörten auch die Miellener NSDAP-Mitglieder an.[Anm. 54] Die meisten Einwohner*innen jüdischen Glaubens verließen die Gemeinde Frücht bereits vor den Ersten Weltkrieg. Die Familie Moses Roos wohnte noch bis 1929 in Frücht und verließ anschließend ebenfalls das Dorf.[Anm. 55]

Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs wurden erneut Früchter als Soldaten eingezogen. Im Gegensatz zum Ersten Weltkrieg fand der Zweite Weltkrieg verstärkt auch im Rhein-Lahn-Gebiet statt. Die Einwohner*innen Früchts richteten daher Luftschutzkeller ein, die bei Fliegerangriffen aufgesucht wurden. Der Pfarrkeller bot beispielweise rund 30 Personen Schutz. Am 3. Januar 1945 wurden Bomben am südlichen Rand des Dorfes abgeworfen. Eine Bombe traf den Pfarrgarten, sodass die Kirche stark beschädigt wurden. Die Grabkapelle wurde ebenfalls durch eine Bombe in Teilen zerstört. Die Kirchenglocken wurden erneut zugunsten von Rüstungsmaterial abgegeben. 1951 wurden sie durch neue Glocken ersetzt. [Anm. 56] Vom 17. bis 27. März 1945 wurde das Dorf von der Artillerie getroffen. Die meisten Häuser des Dorfs wurden dabei beschädigt, mehrere Einwohner*innen wurden getötet und verletzt. Am 27. März 1945 rückten die amerikanischen Truppen in das Dorf ein, die Einwohner*innen sowie die Häuser wurden durchsucht.[Anm. 57]

0.5.1945 bis heute

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Frücht Teil der französischen Besatzungszone. Mit der Gründung von Rheinland-Pfalz 1946 wurde das Dorf diesem Bundesland zugeordnet. Ein eigenes Wappen führte die Gemeinde im Jahr 1983 ein. Es zeigt im linken oberen Teil den Nassauischen Löwen und im rechten unteren Teil des Wappens das Herrschaftssymbol der Herren vom Stein, in Form einer fünfblättrigen roten Rose .[Anm. 58] Die Nachfrage in Becheln zu wohnen stieg zu Beginn der 1970er an, sodass Neubaugebiete erschlossen  wurden. [Anm. 59] In diesem Zuge wurde auch die erst 1962-1963 neu gebaute Schule in einen Kindergarten umgewandelt. Die Trägerschaft des Kindergartens übernahm die evangelische Kirchengemeinde. 1980 wurden zudem ein Dorfgemeinschaftshaus und eine Mehrzweckhalle in Frücht eingeweiht. Diese wurden zu einem erheblichen Teil durch das Engagement der Einwohner*innen Früchts gebaut. Nahe der Halle konnte 1989 zudem ein Tennisplatz gebaut werden. [Anm. 60] Rund 650 Einwohner*innen leben heute in Frücht .[Anm. 61]

Verfasst von: Jasmin Gröninger
Veröffentlicht am: 8. September 2020

Verwendete Literatur:

  • Frese, W., Schaback, Friedrich: Geschichte des Dorfes Frücht, Frücht 1952.
  • Jung, Heidemarie: Hexenprozesse im 17. Jahrhundert In: Dausenau und seine Geschichte: ein Heimatbuch; aus Anlaß des 650. Jahrestages der Verleihung der Stadtrechte; 26.7.1348 - 26.7.1998. Hrsg. V. Gemeinde Dausenau, Dausenau 1997, S.88-102.

  • Sarholz, Hans-Jürgen: Aus der Geschichte des Kirchspiels Nievern. Bad Ems 1990 (Bad Emser Hefte Nr. 89).

  • Sarholz, Hans-Jürgen: Becheln : die Geschichte des Dorfes / Hans-Jürgen Sarholz. Hrsg. von der Ortsgemeinde Becheln, Bad Ems: Ortsgemeinde Becheln 1998. 
  • Sarholz, Hans-Jürgen: Geschichte Fachbachs bis um 1800. In: Fachbach an der Lahn. Geschichte wird lebendig. Hrsg. v. Heimat- und Verkehrsverein e.V.; Ortsgemeinde Fachbach. Bassenheim 2006, S.33-66.Schaback, Friedrich: Die Geschichte der evangelischen Gemeinden Frücht und Friedrichssegen. An Hand der Urkunden dargestellt, Bad Ems 1948.
  • Zentralausschuss für deutsche Landeskunde: Der Loreleykreis, Speyer 1965 (Die Landkreise in Rheinland-Pfalz, Bd. 5).

Verwendete Weblinks:

  • Deutsche Limeskommission_Karte Obergermanischer Limes Rheinland-Pfalz URL: www.deutsche-limeskommission.de/index.php (20.7.2020).
  • Gemeinde Frücht, URL: www.fruecht.info/geschichte  30.07.2020.
  • Gemeinde Frücht, URL: www.fruecht.info (15.08.2020).
  • LEMO, Deutsches Historisches Museum Berlin: Separatistenbewegung, URL: www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarer-republik/innenpolitik/separatistenbewegung.html (01.06.2020).
  • Thielen, Katharina: Nach dem Krieg: Die alliierte Rheinlandbesetzung 1918-1930, URL: www.1914-1930-rlp.de/bibliothek/aufsaetze/nach-dem-krieg-die-alliierte-rheinlandbesetzung-1918-1930.html (05.06.2020).
  • Verbandsgemeinde Bad Ems-Nassau: Ortsgemeinde Fruecht, URL: URL: www.total-lokal.de/pdf/56130.pdf (30.07.2020).
  • Zwecksverband Naturpark Nassau: Naturpark Nassau. URL: www.naturparknassau.de (01.06.2020).

Anmerkungen:

  1. Zweckverband Naturpark Nassau, URL: https://www.naturparknassau.de (30.07.20). Zurück
  2. Vgl. Sarholz, 1998, S.7; Vgl. Zentralausschuss für deutsche Landeskunde, 1965, S.50. Zurück
  3. Vgl. Sarholz, 1998, S.5. Zurück
  4. Vgl. Ebd., S.7. Zurück
  5. Vgl. Deutsche Limeskommission: Karte Obergermanischer Limes Rheinland-Pfalz URL: http://www.deutsche-limeskommission.de/index.php?id=23 (20.7.2020) Zurück
  6. Vgl. Frese, Schaback, 1952, S.7. Zurück
  7. Vgl. Sarholz, 1990, S.5. Zurück
  8. Vgl. Frese, Schaback, 1952, S.7. Zurück
  9. Vgl.Ebd., S.7; Vgl. Sarholz, 1998, S.13. Zurück
  10. Vgl. Sarholz, 1998, S.7. Zurück
  11. Vgl. Frese, Schaback, 1952, S.8. Zurück
  12. Vgl. Frese, Schaback, 1952, S.8. Zurück
  13. Vgl. Sarholz, 1998, S.40, 42. Zurück
  14. Vgl. Frese, Schaback, 1952, S.8. Zurück
  15. Vgl. Zentralausschuss für deutsche Landeskunde, 1965, S.52. Zurück
  16. Vgl. Ebd., 1965, S.56. Zurück
  17. Vgl. Frese, Schaback, 1952, S.9. Zurück
  18. Vgl. Ebd., Vgl. Gemeinde Frücht, URL: www.fruecht.info (15.08.2020). Zurück
  19. Vgl. Sarholz, 1998, S.37. Zurück
  20. Vgl. Frese, Schaback, 1952, S.10.  Zurück
  21. Vgl. Ebd., S.12 Zurück
  22. Vgl. Ebd. Zurück
  23. Vgl. Sarholz, 2006, S. 43, Vgl. Ders. 1998, S.48; Vgl. VG Bad Ems, Geschichte, S.3. URL: https://www.total-lokal.de/pdf/56130.pdf (30.07.2020).  Zurück
  24. Schaback, 1948, S.7. Zurück
  25. Vgl. Schaback, 1948, S.7. Zurück
  26. Vgl. Ebd. Zurück
  27. Vgl. Frese, Schaback, 1952, S.36. Zurück
  28. Vgl. Schaback,1948, S.8. Zurück
  29. Vgl. Frese, Schaback, 1952, S.44. Zurück
  30. Vgl. Ebd. 87. Zurück
  31. Über die Länge der Einquartierung der Soldaten ist in der verwendeten Literatur nichts bekannt. Zurück
  32. Sarholz 1998, S.48. Zurück
  33. Vgl. Sarholz 1998, S.48. Zurück
  34. Vgl. Frese, Schaback, 1952, S.88. Zurück
  35. Vgl. Jung, 1997, S.88. Zurück
  36. Jung, 1997, S.91, Zit. nach: Koppenhöfer, Johanna: Die Mitleidlose Gesellschaft, Dissertation Frankfurt 1992. Zurück
  37. Schaback, 1948, S.8. Zurück
  38. Ebd. S.9. Zurück
  39. Vgl. Schaback, 1948, S.9. Zurück
  40. Vgl. Zentralausschuss für deutsche Landeskunde, 1965, S.57; Vgl. Grathoff, Geschichte der Grafen von Nassau, URL: https://www.regionalgeschichte.net/bibliothek/glossar/herrschaftsterritorien-und-adelsgeschlechter/die-grafen-von-nassau.html (30.07.2020) Zurück
  41. Vgl. Zentralausschuss für deutsche Landeskunde, 1965, S.58. Zurück
  42. Vgl. Gemeinde Frücht, URL: https://www.fruecht.info/geschichte 30.07.2020. Zurück
  43. Vgl. Frese, Schaback, 1952, S.86. Zurück
  44. Vgl. Ebd. Zurück
  45. Vgl. Ebd., S.90.  Zurück
  46. Vgl. Ebd. Zurück
  47. Frese, Schaback, 1952, S.92.  Zurück
  48. Vgl. Ebd., S.36. Zurück
  49. Vgl. Ebd., S.92. Zurück
  50. Vgl. Thielen, 2015, Beginn der Besetzung des Rheinlandes. URL: https://www.1914-1930-rlp.de/bibliothek/aufsaetze/nach-dem-krieg-die-alliierte-rheinlandbesetzung-1918-1930.html 5.6.2020. Zurück
  51. Vgl. Frese, Schaback, 1952, S.93. Zurück
  52. Ebd. Zurück
  53. Vgl. Ebd. Zurück
  54. Vgl. Sarholz, 1990, S.21. Zurück
  55. Vgl. Jüdischer Friedhof Frücht, URL: http://www.alemannia-judaica.de/fruecht_friedhof.htm (30.06.2020)  Zurück
  56. Vgl. Frese, Schaback, 1952, S.37. Zurück
  57. Vgl. Ebd., S.95. Zurück
  58. Vgl. Gemeinde Frücht, URL: https://www.fruecht.info/newpage#Gegenwart 30.07.2020. Zurück
  59. Vgl. Ebd. Zurück
  60. Vgl. Ebd. Zurück
  61. Vgl. Gemeinde Frücht, URL: https://www.fruecht.info/ (30.07.2020) Zurück