Zur Geschichte von Gückingen
Der Raum Diez ist seit der älteren Steinzeit (20.000–12.000 v. Chr.) bewohnt. Die ältesten Siedlungsspuren in der Gückinger Gemarkung stammen von der Urnenfelderkultur. 1935 wurde in der Pfuhlseck in Gückingen ein Gräberfeld aus der Hallstattzeit gefunden. Die Urnengräber dieses Feldes stammten aus den Jahren 750 bis 500 v. Chr. Teil des Gräberfeldes war auch ein sogenanntes Steinkistengrab von ca. 500 v. Chr.[Anm. 1]
Ende des 5. Jahrhundert v. Chr. fassten Kelten in der Gegend von Gückingen Fuß. Seit dem 2. Jh. v. Chr. drangen die Germanen nach Norden vor. Auch die Römer schufen in der Region einige Vorfeldsicherungen. Die Germanen der Region – zunächst handelte es sich um die Ubier, später um Usipeter und Tenkterer – schlossen sich schon früh dem Frankenbund an.[Anm. 2]
Die erste Erwähnung Gückingens stammt aus dem Jahr 1367. Ein Gückinger Hof fand in einem Regest des Klosters Dierstein Erwähnung. Der Name der Gemeinde leitet sich dabei vermutlich vom Personennamen „Gugo“ ab. Gückingen zählte zu den Gebieten der Grafschaft Diez. An dieser Grafschaft waren im frühen 16. Jahrhundert Hessen, Nassau-Dillenburg und das Erzbistum Trier beteiligt. Nachdem Hessen 1557 ausgeschieden war, einigten sich Nassau-Dillenburg und das Erzbistum 1564 über eine Aufteilung. Dabei fiel unter anderem Gückingen endgültig an Nassau-Dillenburg. Johann VI. führte in der Folge in seinem neugewonnenen Gebiet die Reformation durch.[Anm. 3] Gückingen hatte, ebenso wie seine Nachbarorte, unter den Truppendurchzügen, Epidemien und der Unsicherheit in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges zu leiden. Die Folgen des Krieges waren offensichtlich langfristiger Natur. Noch 1720 hatte Gückingen kaum mehr als zehn bewohnte Häuser.[Anm. 4] Hinzu trat, dass ab 1721 die Auswanderung aus den Fürstentümern Nassau-Dillenburg und Nassau-Diez größere Dimensionen annahm. Etwa zehn Jahre zuvor hatte eine Epidemie in Ostpreußen große Teile der Bevölkerung ausgelöscht. Zur Wiederbesiedlung wurden unter anderem Nassauer angeworben. Darunter waren wohl auch einige Gückinger.[Anm. 5]
In der Zeit der Revolutionskriege waren Gückingen und die Diezer Gegend viermal von Plünderungen betroffen. Am 19. September 1795 wurde Gückingen restlos ausgeplündert. Französische Kanonen beschossen von Gückingen aus das Schloss Oranienstein. Die Franzosen rückten daraufhin von Diez aus weiter nach Osten vor. Sie erlitten jedoch 1796 Niederlagen bei Amberg und Würzburg. Beim Versuch der Franzosen, sich über die Lahn zurückzuziehen, kam es am 16. September 1796 zur Schlacht bei Diez. Infolge dieser Schlacht, in der die französischen Truppen der Koalition unterlagen, mussten sich die Franzosen aus dem Gebiet zurückziehen. Der Sieg zeitigte keine andauernden Auswirkungen. Bereits im Folgejahr kehrten die Franzosen an die Lahn zurück, wo sie bis 1799 blieben.[Anm. 6]
Ab 1806 gehörte Gückingen zum neugeschaffenen Herzogtum Nassau. Dieses Herzogtum wurde bereits 60 Jahre später von Preußen annektiert. Im 19. Jahrhundert vollzogen sich einige spürbare Veränderung. Die Bevölkerungszahl, die im 18. Jahrhundert weitgehend stabil geblieben war, verdreifachte sich zwischen 1815 und 1905. Im Bereich des Wirtschaftslebens blieb die Landwirtschaft dominant. Der Weinbau an der Lahn, der seit dem 13. Jahrhundert betrieben worden war, war bereits in den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts aufgegeben worden. Im 19. Jahrhundert erlebte aber der Bergbau in Gückingen und der Diezer Region eine – wenn auch nur kurze – Blüte. 1890 waren über 20 Gückinger Bürger im Bergbau tätig. Der aber doch recht geringe Eisengehalt des Gesteins sorgte schon ab 1871 für einen starken Rückgang der Erzförderung.[Anm. 7]
Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs, in dem sieben Gückinger vermisst oder getötet wurden, wurde Gückingen von französischen Truppen besetzt. Da Gückingen in der Nähe der Grenze der Besatzungszone lag, florierte der Schmuggel. Ende der Dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts litt der Ort, wie die meisten anderen Orte im Deutschen Reich, unter den Folgen der Weltwirtschaftskrise. Hier waren für Gückingen vor allem die Buderrusschen Eisenwerke in Staffel von Bedeutung, in denen 80 Prozent der Gückinger Arbeiter beschäftigt waren. Zwischen 1930 und 1932 wurden die Arbeiter offenbar alle entlassen.[Anm. 8]
Über die Zeit des Nationalsozialismus sind keine Details bekannt. Die bisherige Forschung zur Gückinger Geschichte berichtet lediglich, dass in der Gemeinde „keine besonderen Ereignisse zu verzeichnen“ seien. Von den Bombardements der Alliierten im Zweiten Weltkrieg blieb Gückingen weitgehend verschont. Im Dezember 1944 explodierte ein Blindgänger. Weitere Bomben richteten nur Sachschäden an. Mit dem Einmarsch amerikanischer Truppen am 25. März 1945 endete der Weltkrieg für Gückingen, das 29 Gefallene oder Vermisste zu beklagen hatte.[Anm. 9]
Auf den Weltkrieg folgte abermals die französische Besatzung, unter der vor allem der Gückinger Wald, der lange Zeit eine Haupteinnahmequelle der Gemeinde war, litt. Vor allem aber prägte der Strukturwandel die Zeit seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Landwirtschaft verlor ihre vorherrschende Stellung im Erwerbsleben. Zahlreiche Gückinger, die der Landwirtschaft nur noch im Nebenerwerb nachgegangen waren, gaben die Tätigkeit auf. Zugleich stieg die Fläche der einzelnen landwirtschaftlichen Betriebe erheblich an. Hinzu kam abermals eine Phase signifikanten Bevölkerungswachstums. So hat Gückingen seine Bevölkerungszahl im 20. Jahrhundert abermals verdreifacht und ist inzwischen Heimat von über 1000 Menschen.[Anm. 10]
Verfasser: Christoph Schmieder
Verwendete Literatur:
- Herold, Rudolf: Die Einführung der Reformation im heimischen Raum. In: Agnes Allroggen-Bedel (Hrsg.): Der Rhein-Lahn-Kreis. Landschaft, Geschichte, Kultur unserer Heimat. Oberwesel/Rhein 1987. S. 166–183.
- Kroeller, Richard: Gückingen. Die Geschichte des Dorfes und seiner engeren Heimat. In: Ortsgemeinde Gückingen (Hrsg.): Gückingen. Damals und heute. Gückingen 2008. S. 7-274.
- Ortsgemeinde Gückingen (Hrsg.): Festschrift zum Jubiläum "650 Jahre Gückingen". Gückingen 2017.
Letzte Bearbeitung: 22.04.2020
Anmerkungen:
- Kröller, S. 13; Festschrift 2017, S. 17. Die Urnen befinden sich heute größtenteils im Landesmuseum Wiesbaden, ein Teil verblieb in Gückingen und werden in einer Vitrine des Rathauses aufbewahrt. Zurück
- Kröller, S. 13. Zurück
- Herold, S. 179 Zurück
- Kröller, S. 70. Nach Kröller, S. 144 hatte Gückingen 1716 61 Einwohner in 12 Familien. Zurück
- Kröller selbst nennt fünf Gückinger Bauern, von denen er aber nur vermutet, dass sie ausgewandert sind: Johann Hohlwein, Johannes Kröller, Peter Kröller, Johannes Stamm und Johann Jost Welter. Dazu würden noch einmal zwei Gückinger im Buch „Nassauische Bauern und andere deutsche Siedler in Ostpreußen“ aufgeführt: Anton Welter und Anton Kröller. Ein Hinweis auf einen Anton Kröller konnte in besagtem Buch nicht gefunden werden. Zurück
- Kröller, S. 114f. Zurück
- Kroeller, S. 46, S. 102f., S. 177f.; https://infothek.statistik.rlp.de/MeineHeimat/content.aspx?id=103&l=3&g=0714103049&tp=1027 [22.04.2020]; Festschrift 2017, S. 28. Zurück
- Kroeller, S. 189, S. 257; Festschrift 2017, S. 22. Zurück
- Kröller, S. 190–192; Festschrift 2017, S. 22. Zurück
- Kroeller, S. 50, S. 215, https://infothek.statistik.rlp.de/MeineHeimat/content.aspx?id=103&l=3&g=0714103049&tp=1027 [22.04.2020] Zurück