Geschichte von Schiesheim
Mittelalter
Die Geschichte von Schiesheim steht im Zusammenhang mit der Gründung des Stift St. Petrus in Kettenbach. Erstmals erwähnt wurde das Stift im Jahr 845, als König Ludwig der Deutsche dem Grafen Gebhard anlässlich der Gründung des Stifts auf dessen Bitte hin das Dorf Lierschied im Einrichgau und ein Gut zu Hahnstätten im Lahngau schenkte.[Anm. 1] Ob der Graf zu diesem Zeitpunkt schon über Besitztümer in Schiesheim verfügte, ist unklar.
Die urkundliche Ersterwähnung von Schiesheim in der Gemündener Stiftungsurkunde wird auf den 9. November 879 datiert. Graf Gebhard schenkte verschiedenen Klöstern Güter und Zehntrechte. Den Stiftsherren übergab er sein Gut im Dorf Kettenbach mit den Hörigen und der Kirche mit den Zehnten im Bezirk der Pfarrei. Zu der Pfarrei gehörte auch Schiesheim. Der Zehnte im kleinen Ort Schiesheim war als einziger der in der Passage der Urkunde benannten Zehnten nicht vollständig, sondern geteilt. Schiesheim wurde unter dem Namen „Schuetzene“ genannt. In der Folgezeit änderte sich der Name von „schuetzene“ über „schussen“ zu „schussne“ und ähnlichen Formen.[Anm. 2] Die zweite urkundliche Erwähnung von Schiesheim erfolgte im Jahr 1375. Der Zehnte von Schiesheim wurde von Lotze, Graf von Heringen, an Agnes von Schönborn verpfändet.[Anm. 3]
Graf Johann von Katzenelnbogen gab Henne Breder von Hohenstein 1431 mehrere Güter und Gülten zum Burglehen. Darunter befand sich ein Weingarten zu Schiesheim, in der Urkunde „Schüchen“ genannt.[Anm. 4] Im Jahr 1443 gehört Schiesheim weiterhin zur Grafschaft Katzenelnbogen.[Anm. 5] Ein Jahr später wurde der Weingarten Schiesheim erneut urkundlich erwähnt.[Anm. 6] Vor 1471 wurde eine Ehe zwischen Graf Philipp von Katzenelnbogen und Ottilie von Nassau und Vianden von den jeweiligen Familien beschlossen und zwischen den Eheleuten geschlossen. Beide Familien erhielten Urkunden, in denen die gegenseitig mit der Heirat zustande kommenden Ansprüche festgehalten wurden. Ottilie sollte unter anderem das Schloss Burgschwalbach als Wohnung sowie die zur Grafschaft Katzenelnbogen gehörenden Leibeigenen verschiedener Dörfer, darunter Schiesheim („Schusen“) erhalten. Da dies 1471 nicht geschehen war, erneuerte ihre Familie die detaillierten Forderungen.[Anm. 7]
Zwischen 1473 und 1720 kam es immer wieder zu Grenzstreitigkeiten zwischen den Gemeinden Schiesheim, Mudershausen und Hahnstätten.[Anm. 8] 1480 gab es weiterhin Weinbau in Schiesheim. Landgraf Heinrich von Hessen gab Philipp Breder von Hohenstein in diesem Jahr einen Weingarten oberhalb von Schiesheim („Schussenn“) zum Erblehen.[Anm. 9]
Frühe Neuzeit
Im Jahr 1500 tauschten Johann von der Leyen mit den Amtleuten von Diez Leibeigene. Die Leibeigene Ghele aus Schiesheim, in der Urkunde "Schushen" genannt, hatte Ludwig aus Netzbach geheiratet. Sie sollte von da an zum Amt Diez gehören und wurde gegen Gueten aus Strintz getauscht. Aus dem Vorgang wird ersichtlich, dass auch derer von der Leyen in Schiesheim über Leibeigene verfügten.[Anm. 10] Im Jahr 1509 gehörte Schiesheim zum Weistum der Mark Wagenscheuer, sonst Bontscheuer genannt.[Anm. 11] Ein Jahr später wurden abermals Leibeigene getauscht. Johann und Siebert von Rheinberg tauschten einige ihrer Leibeigenen samt Nachkommen gegen Leibeigene aus dem Amt Burgschwalbach. Zu Burgschwalbach gehörten die Leibeigene Gere, Tochter des verstorbenen Henne Hachß aus Schiesheim, damals "Schußen" genannt. Alle ihre Nachkommen sollten von da an zu Rheinberg gehören, mit Ausnahme ihres Sohnes Cristmann, der halb zu Burgschwalbach, halb zu ihnen gehören sollte.[Anm. 12] In der Mitte des 16. Jahrhunderts verfügten die Adelsgeschlechter Nassau-Weilburg, Nassau-Saarbrücken, die Landgrafschaft Hessen sowie Kurtrier über Leibeigene in Schiesheim.[Anm. 13] Den Kirchenzehnten in Schiesheim zogen im Laufe des 16. Jahrhunderts die Rode von Burg Schwalbach ein. Bezeugt ist dies für das Jahr 1526. Das Adelsgeschlecht der Rode starb 1599 im Mannesstamm aus.[Anm. 14] Zuletzt, von 1593 bis 1599, hatte Bernhard Horneck von Weinheim, Oberamtmann zu Idstein, den Zehnten zu Schiesheim an Georg Rod zu Weilburg verpfändet.[Anm. 15] Über Güter derer von der Leyen in Schiesheim gibt eine Urkunde aus dem Jahr 1597 Aufschluss. Sie wurden als Pfand für eine Schuld gegenüber dem Landgrafen Moritz von Hessen-Kassel festgelegt. In diesem Zuge findet auch wieder der Stift Gemünden Erwähnung, mit dem der Landgraf wohl eine Auseinandersetzung hatte.[Anm. 16]
Zwischen 1656 und 1657 wurde Johann Gottfried Kempfer zu Schiesheim des Ehebruchs bezichtigt. In der Folge kam es zu einer Güterabtrennung, über die in den vorhandenen Urkunden berichtet wird.[Anm. 17] Für die Zeit von 1637 bis 1729 liegen Dokumente über Grenzstreitigkeiten zwischen den Häusern Nassau-Diez und Nassau-Idstein bei Schiesheim, Burgschwalbach, Hahnstätten und Kaltenholzhausen sowie über die nachbarlichen Beziehungen zwischen Nassau-Diez und Nassau-Idstein vor.[Anm. 18] 1682 stritt die Gemeinde Schiesheim mit Nassau-Idstein über den Weidgang der Gemeinde.[Anm. 19] Zwischen 1697 und 1710 häufen sich die Meldungen über juristische Auseinandersetzungen den Zehnten zu Schiesheim betreffend. Neben die gängige Praxis der Vergabe von Zehntrechten trat für Schiesheim erstmals 1707 die Versteigerung des Zehnten. Auch im Nachbarort Mudershausen wurde im selben Jahr der Zehnte versteigert.[Anm. 20] Für das Jahr 1724 ist die Veranstaltung einer Jagd durch nassau-idsteinische Jagdbedienstete in Schiesheim bezeugt.[Anm. 21] Gemeinsam mit der Nachbargemeinde Hahnstätten erweiterte Schiesheim 1730 den Aarbach.[Anm. 22] Zwischen 1767 und 1776 kam es zu einer Überschwemmung des selben Baches bei Mudershausen und Schiesheim.[Anm. 23] Als die Pfarrscheune von Hahnstätten abbrannte, weigerte sich Schiesheim 1742 Holzabgaben zum Wiederaufbau zu liefern.[Anm. 24] Holz schien auch 1767 ein Problem zu sein, als sich die Gemeinde über übermäßiges Holzschlagen für den herrschaftlichen Gebrauch beschwerte.[Anm. 25]
Zwischen 1717 und 1720 kam zwischen Schiesheim und der Nachbargemeinde Rückertshausen zu Streit um den gemeinsamen Grenzverlauf. Auch um die Nutzung von Äckern gab es Auseinandersetzungen. Im Jahr 1720 wurde der Grenzverlauf auf einer Karte dokumentiert.[Anm. 26] Fünf Jahre später setzten Bürger aus Rückertshausen einen Fisch- und Krebsstock auf den Würzgartenwiesen bei Schiesheim, was für eine juristische Auseinandersetzung sorgte.[Anm. 27] Für das gesamte 18. Jahrhundert sind zahlreiche solcher Auseinandersetzung mit den Nachbardörfern Burgschwalbach, Mudershausen und Rückertshausen und auch mit den Landesherren dokumentiert.[Anm. 28] Neben der Anfertigung mehrerer Karten[Anm. 29] wurde versucht, dem Problem mit der Setzung von Grenzsteinen in der Burgschwalbacher Au zwischen 1757 und 1762 zu begegnen.[Anm. 30]
Ebenfalls 1762 kam es zur Beanspruchung eines Wegebaus durch die herrschaftliche "Anspannwiese" durch die Gemeinde Schiesheim.[Anm. 31] Sechs Jahre später stritten sich Schiesheim und Mudershausen um die Beweidung eben jener Wiese.[Anm. 32]
Für den Zeitraum von 1768 bis 1777 ist für Schiesheim die Erhebung einer "Wolfs-Gült", also einer Wolfssteuer, belegt.[Anm. 33] 1775 wurde ein Brandsteuerkataster für Schiesheim erstellt.[Anm. 34]
Das Haus Nassau-Usingen tauschte 1790 mit dem Haus Nassau-Oranien das Dorf Mensfelden und mehrere Zehnten gegen das Dorf Schiesheim und dessen Zehnte. Die Ausfertigung für das Haus Nassau-Usingen trägt neben der in Den Haag ausgestellten Ratifikation des Prinzen Wilhelm von Oranien auch die eigenhändige Unterschrift des Prinzen.[Anm. 35] Es kam zur Zahlung einer Ausgleichssumme von Nassau-Oranien an Nassau-Usingen anlässlich des Austauschs.[Anm. 36] Die Grenzregulierungen von Mensfelden, Schiesheim und Hahnstätten wurden in den folgenden beiden Jahren festgehalten.[Anm. 37] Im Zuge dessen wurden Hoheitsgrenzsteine gesetzt.[Anm. 38] Einige der durch den Austausch an Nassau-Usingen gelangten Grundstücken in der Gegend des sogenannten Burgschwalbacher Hammers[Anm. 39] am Burgschwalbacher Zollhaus wurden 1794 versteigert.[Anm. 40] Man fertigte im selben Jahr eine Karte der von der Landesherrschaft beim Austausch mit Mensfelden und Schiesheim erworbenen Grundstücke an.[Anm. 41]
Eine Überlieferung über die Einbindung von Schiesheim in die europäische Geschichte des 18. Jahrhunderts findet sich im Jahr 1794. Während des Ersten Koalitionskriegs gegen das revolutionäre Frankreich stellte Schiesheim einen Antrag auf Umlage der Kriegskosten, wie in anderen Orten des Amtes Burgschwalbach üblich, auf die Güterschatzung und nicht auf die Kopf- und Viehsteuer.[Anm. 42] Drei Jahre später beantragte die Gemeinde eine Befreiung vom Wildbrettragen,[Anm. 43] einem Frondienst der Untertanen bei der herrschaftlichen Jagd.[Anm. 44]
Das 19. und 20. Jahrhundert
Akten aus der Zeit von 1806 bis 1812 geben Aufschluss über die Einkünfte der Schulen in Hähnstätten, Schiesheim und Kaltenholzhausen.[Anm. 45] Schiesheim hatte jedoch sehr wahrscheinlich keine eigene Schule. 1818 wurde die Frage aufgeworfen, welchem Schulbezirk der bisher zu Hahnstätten gehörige Ort Schiesheim zuzulegen sei.[Anm. 46] Noch im Jahr 1825 hatte die Gemeinde Schiesheim Anteile an dem gemeinschaftlichen Schulvermögen zu Hahnstätten.[Anm. 47]
Im Zeitraum von 1858 bis 1944 wird Schiesheim in den Schul-Akten des benachbarten Amt Wehen genannt.[Anm. 48] Möglicherweise gingen während dieser Zeit Kinder aus Schiesheim in eine Schule in diesem Amt und nicht mehr nach Hahnstätten im Amt Diez. Zudem befinden sich in den Akten des Unterlahnkreises für die Jahre von 1900 bis 1902 Akten zur Schule in Schiesheim[Anm. 49] und für die Zeit von 1907 bis 1908 Akten zu den Schulverhältnissen in Schiesheim.[Anm. 50]
1828 wurde ein Plan des Wiesentals entlang der Aar in den Gemarkungen Schießheim und Burgschwalbach zur Regulierung der Aar und der Errichtung von Bewässerungsgräben der Wiesen im Amt Diez angelegt.[Anm. 51] Es folgten 1834 drei Flurbereinigungskarten der Germarkung Schiesheim mit den Namen "Fergerwiese"[Anm. 52], "Hafergarten"[Anm. 53] und "Plötz".[Anm. 54] Für den Zeitraum von 1834 bis 1846 existieren Akten zur Konsolidation der Gemarkung.[Anm. 55] In dieser Zeit lebten 61 Menschen in Schiesheim. Sie verteilten sich auf 13 Familien in 10 Häusern. Alle waren evangelisch. Mit 439 Morgen Land war die Gemeinde sowohl auf die Fläche als auch auf die Einwohner bezogen der zweitkleinste Ort der 39 Gemeindebezirke des Amtes Diez.[Anm. 56]
Von 1845 bis 1848 wurde eine Verbesserung des Stauwehres und des Aarbettes zwischen Burgschwalbach und Schiesheim durchgeführt.[Anm. 57] Zwischen 1846 und 1847 verweigerten die Einwohner von Schiesheim die Jagdfronden, wobei es sich um die Jagd betreffenden Frondienste handelte.[Anm. 58]
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sollte der Bahnhof Zollhaus nahe Schiesheim erweitert werden. In den Jahren 1873-1874 wurden für dieses Vorhaben Enteignungen von schiesheimer Ländereien durchgeführt.[Anm. 59] In den Akten der Eisenbahn werden Veräußerung von Ländereien in Hahnstätten und Schiesheim in den Jahren 1871 bis 1888 genannt.[Anm. 60] Ob dies zwei unterschiedliche Bezeichnungen für den selben Vorgang sind, oder es mehrere Besitzänderungen in dieser Zeit gab, bleibt offen. Fest steht, dass Schiesheim eine eigene Rubrik in den Akten der Königlichen Eisenbahn-Direktion Wiesbaden bzw. ab 1874 in denen der Königlichen Eisenbahn-Direktion Frankfurt am Main für den Zeitraum von 1870 bis 1911[Anm. 61] sowie für den Zeitraum von 1891 bis 1924 hat.[Anm. 62]
Von 1892 bis 1896 wurde der Prozess des Hammerwerksbesitzers Heinrich Reinewald zu Wiesbaden gegen den Direktor der Aktiengesellschaft Johannisbrunnen Jean Eigel zu Schiesheim wegen Besitzstörung geführt. Kläger war der Eigentümer des Burgschwalbacher Hammers nebst umliegender Grundstücke. Dazu gehörte auch der sogenannte Hammergraben, der das zum Hammerbetrieb notwendige Wasser aus der Aar führte, und der daneben liegende Damm. Um 1892, also zu Beginn des Prozesses, wurde ein kolorierter Situationsplan über einen Abschnitt des Burgschwalbacher Hammergrabens angefertigt. Der Beklagte hatte laut Zivilprozessakten Eingrabungen an dem Damm vorgenommen und die Erde weggeführt sowie Gehölze auf dem Damm entfernt.[Anm. 63] Über den Ausgang des Prozesses ist dem Autor leider nichts bekannt.
Eine Bearbeitung der Ortsgeschichte im 20. Jahrhundert steht noch aus.
Schiesheim wurde Teil des am 30. August 1946 gegründeten Bundeslandes Rheinland-Pfalz. Im Jahr 1950 hatte es 152 Einwohner. Zwanzig Jahre später waren es 204, im Jahr 1990 dann 231 Einwohner. 2005 hatte sich die Zahl auf 260 erhöht[Anm. 64], 2011 waren es 254 Einwohner.[Anm. 65] Im Jahr 2019 hatte sich die Einwohnerzahl im Vergleich zu 1999 um -6,8% und im Vergleich zu 2009 um -11,2% auf 246 verändert.[Anm. 66]
Nachweise
Autor: Konstantin Arnold
Verwendete Literatur:
N.N.: Akten zu Schiesheim im Hessischen Landesarchiv.
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Erstellt am 03.08.2020
Anmerkungen:
- Struck, Wolf-Heino: Das Erzbistum Trier 5. Die Stifte St. Severus in Gemünden, St. Maria in Diez mit ihren Vorläufern. St. Petrus in Kettenbach. St. Adelphus in Salz. In: Max-Planck-Institut für Geschichte (Hg.): Germania Sacra. Historisch-Statistische Beschreibung der Kirche des Alten Reichs, NF 25. Berlin / New York 1988. S. 30. URL: http://germania-sacra-datenbank.uni-goettingen.de/files/books/NF%2025%20%20Struck%20St.%20Severus,%20St.%20Maria.pdf (Aufgerufen am 30.07.2020). Zurück
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- Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz: Datentabelle: Bevölkerungsstand 31.12.2019 (Gemeindeebene). URL: http://geodaten.statistik.rlp.de/mapbender/stala/showdatasheet.php?lingo=deutsch&tab_id=258 (Aufgerufen am 31.07.2020). Zurück