Zur Geschichte von Gau-Weinheim
Frühe Geschichte
Gau-Weinheim liegt im rheinhessischen Hügelland in einer Mulde am südöstlichen Ausläufer des Wißbergs. Die früheste schriftliche Nennung des Dorfes findet sich in einer Schenkungsurkunde aus dem Lorscher Kodex vom 5. Mai 767. Damals schenkte Adalgard dem Kloster Lorsch zwei Weingärten in der Gemarkung von Gau-Weinheim – zu diesem Zeitpunkt noch unter dem Namen „Wigenheim“. Bis in die 780er Jahre finden sich noch weitere Nennungen des Ortes und seiner Gemarkung im Lorscher Kodex. So schenkte beispielsweise 771 Erembert ein halbes Weingut in der Gau-Weinheimer Gemarkung an das berühmte Kloster. Um Verwechslungen mit anderen Orten, vor allem Weinheim bei Alzey, vorzubeugen, wurde das Dorf früher Niederweinheim oder Weinheim bei Wallertheim genannt. Seit 1869 lautet der amtliche Name des Dorfes Gau-Weinheim.
Die Gegend am Wißberg gehört zu den Fundstellen von Ablagerungen des sogenannten Ur-Rheins, dem prähistorischen Vorläufer des modernen Rheins (vor ca. 10 Millionen Jahren). Am Ur-Rhein existierte eine exotische Tierwelt, wie man unter anderem durch Funde bei Gau-Weinheim, Eppelsheim und Dorn-Dürkheim feststellen konnte. Die früheste menschliche Besiedlung am Wißberg stammt hingegen aus dem 5. Jahrtausend v. Chr., wie archäologische Funde der linienbandkeramischen Kultur gezeigt haben. [Anm. 1]
Um Christi Geburt wurden die römischen Legionen aus Innergallien an den Rhein verlegt und die Römer beeinflussten daraufhin über mehrere Jahrhunderte das Leben in Rheinhessen. Nachdem die Römer die Rheinlinie um 400 n. Chr. aufgaben, folgte eine wechselnde Herrschaft der Burgunder und Alemannen in Rheinhessen. Nach Chlodwigs Sieg über die Alemannen 496 zogen sich diese zurück und das Gebiet und die vorhandene Infrastruktur wurde in das fränkische Reich eingegliedert. Die Franken übernahmen dabei die bereits vorhandenen landwirtschaftlichen Strukturen. Im Zuge einer umfangreichen Kolonisierung in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts, der sogenannten fränkischen Landnahme, unter der Herrschaft der Merowinger wurden zahlreiche rheinhessische Ortschaften gegründet. Die Endung des Ortsnamens „-heim“ deutet darauf hin, dass auch Gau-Weinheim im Verlauf dieser Besiedlungswelle entstand. Diese Endung wurde an den Personennamen des jeweiligen Grundherrn angehängt. Für die Herkunft des Gau-Weinheimer Ortsnamens wird daher das „Heim des *Wigo; Wiho“, angenommen. [Anm. 2]
Mittelalter
Schon früh dürfte Gau-Weinheim über eine Kirche verfügt haben. Während es sich bei der ersten Kirche vermutlich, wie in vielen rheinhessischen Ortschaften, um eine bescheidene Holzkirche handelte, wurde um 1180 eine Steinkirche errichtet. Diese war zusammen mit dem danebenliegenden Friedhof als Wehrkirche befestigt und diente in Notfällen der Gau-Weinheimer Bevölkerung als Zufluchtsort. Mit dem sogenannten Gemeindeturm ist auch heute noch ein Turm dieser Friedhofsbefestigung erhalten, die Teil der Ortsbefestigung war. Die Gau-Weinheimer Kirche war der Heiligen Katharina geweiht und gehörte zum Archidiakonat des Mainzer Stiftes St. Maria im Felde (St. Maria in campis) und dem Dekanat Partenheim. Andere Quellen sprechen von einer Zugehörigkeit zum Dekanat Gau-Odernheim, weshalb ab einem unbekannten Zeitpunkt von einem Zugehörigkeitswechsel ausgegangen werden muss. Das Patronatsrecht lag beim Mariengredenstift (Maria ad gradus) in Mainz, das auch über Grundbesitz in Gau-Weinheim verfügte, wie beispielsweise von 1330 überliefert ist. [Anm. 3]
Im Mittelalter gehörte Gau-Weinheim zum Besitz der Pfalzgrafen. 1311 verpfändete Pfalzgraf Rudolf I. die Burg Stromberg und alle dazugehörigen Orte und Gerichte, darunter auch Gau-Weinheim, an Graf Simon von Sponheim für 2000 Pfunde Heller. Nachdem dieses Pfand wieder ausgelöst worden war, fiel Gau-Weinheim wieder an die Kurpfalz zurück. Ab einem unbekannten Zeitpunkt nach 1429 gehörte das Dorf dann zum Oberamt Alzey, wo es bis zur Franzosenzeit (1793/4 – 1815) verblieb.
Im Jahr 1331 war Erpho, der Sohn von Wolfram von Löwenstein, der Pfarrer der Gau-Weinheimer Kirchengemeinde, der die Pfarrei jedoch bereits 1334 wieder abgab. Die Ritterfamilie von Löwenstein muss zu diesem Zeitpunkt also die Pfründe der Gau-Weinheimer Kirche innegehabt haben. Aus dem Jahr 1391 ist überliefert, dass der Ritter Johann von Löwenstein zusammen mit seiner Frau Anna von Oberstein und seinem Sohn Henne (Johann) den Verzicht auf die Pfarrei, die Kirche und den Kirchensatz in Gau-Weinheim erklären. 1395 wurde die Pfarrkirche von Gau-Weinheim, zusammen mit der Kirche des südhessischen Kriftel in die Besitztümer des Mariengredenstiftes in Mainz inkorporiert. [Anm. 4]
Die Neuzeit und die Kriege des 17. Jahrhunderts
Aus dem Jahr 1535 ist das Gau-Weinheimer Weistum überliefert, das neben den gerichtlichen Regelungen, auch eine Müller-, Bäcker- und Feldmesserordnung enthielt. Das Weistum lag immer auf der Bürgermeisterei und war für alle Ortseinwohner*innen zur Ansicht zugänglich. Das Original des Gau-Weinheimer Weistums ging im Zuge des Zweiten Weltkrieges verloren. Eine Abschrift, die 1920 von Franz Joseph Spang angefertigt wurde, ist hingegen heute noch erhalten. [Anm. 5]
Unter Kurfürst Friedrich II. wurde ab 1546 die Reformation in den kurpfälzischen Gebieten vorangetrieben, sodass auch kurpfälzische Dörfer wie Gau-Weinheim bald reformatorisch waren. Die zunehmenden Spannungen zwischen Katholiken und Protestanten boten Anfang des 17. Jahrhunderts den religiösen Vorwand für den blutigen Machtkampf der europäischen Mächte, der 1618 zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges (1618 – 1648) führte. Im Sommer 1620 eroberten spanische Truppen die linksrheinische Pfalz und ließen wieder katholische Gottesdienste in der Umgebung stattfinden. Im Jahr 1630 griff der schwedische König Gustav Adolf in den Krieg ein und überschritt 1631 den Rhein, wodurch der reformierte Glauben in den kurpfälzischen Gebieten wieder Fuß fassen konnte. Nach der Niederlage der schwedischen Truppen 1634 bei der Schlacht von Nördlingen und deren darauffolgender Rückzug wurde erneut der Katholizismus verbreitet. Rheinhessen gehörte im Dreißigjährigen Krieg zu den am stärksten vom Krieg betroffenen Gebieten. Neben den andauernden Kriegsgräueln führten Hungersnöte, mangelnde Hygiene und die Verwilderung der Umgebung zu Problemen für die Bevölkerung und viele Dörfer wurden für die Zeit des Krieges komplett verlassen. Erst mit dem Westfälischen Frieden 1648 wurde die Kurpfalz und die reformierte Kirche in Rheinhessen wieder hergestellt.
Die Friedenszeit währte nur wenige Jahre, bevor die Eroberungspläne des französischen Königs Ludwig XIV. zum Ausbruch des Französisch-Niederländischen Krieges (1672 – 1678) führte und erneut Konflikte an den Rhein brachte. Nur wenige Jahre später brach der Pfälzische Erbfolgekrieg (1688 – 1697) aus und das linksrheinische Gebiet wurde erneut von französischen Truppen besetzt. Als sich ein längerer Krieg abzeichnete, ließ der französische König die rechtsrheinische Pfalz und die angrenzenden Gebiete systematisch brandschatzen und Dörfer, Burgen und Festungen zerstören. Später folgte auch die systematische Zerstörung des linksrheinischen Gebietes und vor allem der Oberämter Oppenheim und Alzey, zu dem auch Gau-Weinheim gehörte. Nach dem Frieden von Rijswijk 1697 dauerte es Jahrzehnte, bis die zerstörten Orte wieder vollständig aufgebaut werden konnten.
Trotz der langjährigen Kriegsgräuel in den linksrheinischen Gebieten, nahmen die religiösen Spannungen in den pfälzischen Dörfern nur wenig ab. Am 29. Oktober 1698 ließ der pfälzische Kurfürst Johann Wilhelm für die Kirchen seines Herrschaftsbereiches das Simultaneum einrichten, sodass alle Kirche von Reformierten, Katholiken und Lutheranern gleichzeitig genutzt wurden. So wurde auch die Gau-Weinheimer Kirche St. Katharina über mehrere Jahre simultan genutzt. Ab 1705 wurden die pfälzischen Kirchen in der Pfälzischen Kirchenteilung zwischen Reformierten und Katholiken aufgeteilt. Da der Anteil von Katholiken und Reformierten in Gau-Weinheim etwa gleich groß waren, wurde per Los entschieden, dass die Gau-Weinheimer Kirche den Katholiken zugesprochen wurde. Die reformierte Gemeinde richtete sich daraufhin eine alte Scheune in der Nähe des Pfarrhauses als Gotteshaus her und wurde der Gemeinde in Wolfsheim als Filialgemeinde zugeordnet.
Im Jahr 1740 wurde die katholische Kirche St. Katharina unter Wiederverwendung älteren Baumaterials umgebaut und durch einen barocken Chor erweitert. 1749 gestaltete man auch den Gemeindeturm um, der mit einem verschieferten Helm versehen und zu einem Glockenturm umgebaut wurde. In der Folge diente sein Geläut für mehrere Jahrzehnte beiden Gau-Weinheimer Kirchengemeinden gemeinsam. [Anm. 6]
Die französische Herrschaft und das 19. Jahrhundert
Am 20. April 1792 erklärte das revolutionäre Frankreich den Krieg und nahm im September die linke Rheinseite in Besitz. Bereits zuvor hatten sich die revolutionären Ideen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit in Rheinhessen verbreitet und durchaus Befürworter gefunden. Bis zum Ende der Auseinandersetzungen verlief die Kriegsfront mehrfach durch das rheinhessische Gebiet, worunter die Landbevölkerung massiv zu leiden hatte. Der Frieden von Campo Fornio 1797 beendete den Krieg und das linksrheinische Gebiet wurde offiziell von Frankreich annektiert.
Mit dieser Annexion änderten sich auch die politischen Verhältnisse. Gau-Weinheim wurde Teil des Kanton Wörrstadt im Département du Mont Tonnerre (Donnersberg) und war der Mairie (Bürgermeisterei) von Wallertheim zugeordnet. Dies ging mit gesellschaftlichen Veränderungen einher, sodass die alten feudalen Vorrechte abgeschafft, die Rechtsgleichheit aller Bürger eingeführt und Heirats- sowie Niederlassungsfreiheiten gewährt wurden. Die französische Herrschaft endete mit der Niederlage Napoleons in den Befreiungskriegen und der Neuordnung Mitteleuropas im Wiener Kongress 1814/15. Gau-Weinheim gehörte damit ab 1816, wie das gesamte linkrheinische Gebiet um Bingen, Alzey, Mainz und Worms zur Provinz Rheinhessen im Großherzogtum Hessen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Gau-Weinheim eine Bevölkerungsgröße von 406 Einwohner*innen. [Anm. 7]
Im Laufe des 19. Jahrhunderts erhielt Gau-Weinheim wie andere Gemeinden auch Necknamen. So wurde Gau-Weinheim auch „Bell-Weinem“ genannt, weil dort angeblich viele „Bell-Leute“ – arme Bettel-Leute – ansässig waren. Während dieser Neckname auch anderen Ortschaften zugeordnet wurde, ist der Beiname Giegemer (Giegheimer) für Gau-Weinheim einzigartig in der rheinhessischen Umgebung. Dieser Name geht auf die umgangssprachliche Bezeichnung „giegsen“ oder „gieksen“ zurück, was stechen bedeutet. So wurde dem kleinen Ort nachgesagt, dass dort viele Messerstechereien ausgetragen worden seien. Während heute unklar bleibt, wie wahr diese Anschuldigung tatsächlich war, ist aus dem Jahr 1828 tatsächlich eine Messerstecherei in Gau-Weinheim überliefert. So erstach in diesem Jahr Johann Adam Borninger an der Kerb (Kirchweihe) im Streit um ein Mädchen einen Nebenbuhler und wurde daraufhin zum Tode verurteilt und hingerichtet. [Anm. 8]
Im Jahre 1848 erhoben sich die liberalen, bürgerlich-demokratischen Bewegungen, um entgegen den Restaurationsbestrebungen der Fürsten einen deutschen Nationalstaat zu gründen. Im Zuge des Pfälzischen Aufstandes kam es am 14. Juni 1849 bei Kirchheimbolanden zu einem Gefecht der preußischen Armee gegen pfälzische Freischärler, die gegen die Übermacht der preußischen Truppen nicht bestehen konnten und mehrere Tote und Verletzte zu beklagen hatten. Unter den Gefallenen befand sich auch der einundzwanzig Jahre alte Philipp Metzger aus Gau-Weinheim. Sein Name wurde auf dem Denkmal der Gefallenen in Kirchheimbolanden verewigt.
Nachdem das evangelische Gotteshaus in Gau-Weinheim 1860 wegen Baufälligkeit abgerissen werden musste, wurde mit der Planung eines Neubaus begonnen. Zwischen 1863 und 1864 entstand am westlichen Rand des Ortskerns die neue evangelische Kirche, die am 17. Oktober 1864 eingeweiht wurde. Der gewestete Rechtecksaal im Rundbogenstil wurde nach Plänen des Großherzoglichen Kreisbaumeisters Lindt aus Oppenheim und des Baumamtskandidaten Wetter errichtet. Dieselben Pläne lagen auch der fünften Synagoge von Oppenheim zugrunde, die im Zuge der Reichspogromnacht 1938 vollständig ausbrannte und zerstört wurde.
Die Ortschaft, die bisher meist Niederweinheim oder Weinheim bei Wallertheim genannt wurde, um Verwechslungen zu vermeiden, wurde am 24. Februar 1868 offiziell in Gau-Weinheim umbenannt. Die Gau-Weinheimer Bevölkerung wuchs in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunächst langsam an. Während das Dorf 1866 eine Bevölkerung von 500 Personen aufwies, wuchs der Ort bis zur rheinhessischen Volkszählung 1875 auf 531 (241 Männer und 290 Frauen) Einwohner*innen an. Bis 1905 sank die Bevölkerungsgröße durch Auswanderungen jedoch wieder auf 503 Einwohner*innen, von denen 313 dem evangelischen und 190 dem katholischen Bekenntnis angehörten. [Anm. 9]
Das 20. Jahrhundert und die Weltkriege
Der Beginn des 20. Jahrhunderts war vor allem durch eine Modernisierung der rheinhessischen Ortschaften geprägt. So wurde ab 1904 eine Wasserversorgung für das Selz-Wiesbachgebiet gebaut und 1905 der Wasserbehälter nördlich des Dorfgebietes (Flur: Auf dem Heiligenkreuz) errichtet.
Nach der Julikrise brach im August 1914 der Erste Weltkrieg aus. Am 1. August 1914 wurde offiziell mit der Rekrutierung und Generalmobilmachung der deutschen Truppen begonnen. Auch aus Gau-Weinheim wurden zahlreiche Männer in die Armee des Kaisers rekrutiert und dienten an den Fronten des Großen Krieges. 18 Soldaten aus Gau-Weinheim fielen im Verlauf des Ersten Weltkrieges. Auch die Zivilbevölkerung musste unter dem harten Kriegsalltag leiden und hatte viele Abgaben zu leisten. Im Laufe des Krieges wurden so auch die Glocken der evangelischen und katholischen Gemeinden für die Kriegswirtschaft des Ersten Weltkriegs beschlagnahmt. Im November 1918 ging der Erste Weltkrieg mit einer militärischen Niederlage des deutschen Kaiserreiches zu Ende.
Mit dem Ende des Weltkrieges wandelte sich das Deutsche Kaiserreich im Zuge der Novemberrevolution zur Weimarer Republik (1918 – 1933). Auch das Großherzogtum Hessen wurde zum republikanischen Volksstaat Hessen. Am 6. Dezember kamen die ersten französischen Truppen nach Wörrstadt und die Besetzung der Umgebung begann. Der Krieg hinterließ eine schwierige wirtschaftliche Situation, die durch Hyperinflation und hohen Reparationszahlungen verschlimmert wurde. Erst in der Mitte der 1920er Jahre verbesserte sich die Situation. In Gau-Weinheim führte dies dazu, dass wieder neue Anschaffungen getätigt werden konnten. So konnten die evangelische Gemeinde 1926 und die katholische 1929 neue Glocken anschaffen, um die im Ersten Weltkrieg beschlagnahmten Glocken zu ersetzen. Auch die Gau-Weinheimer Kirchen wurden im Zuge der wirtschaftlichen Stabilisierung renoviert und umgebaut. So wurde zwischen 1928 und 1930 die katholische Kirche St. Katharina grunderneuert und erhielt im Westen einen neuen Chor und einen Turm auf quadratischem Grundriss. 1930 erhielt die evangelische Kirche eine umfangreiche Innenrenovierung. Die evangelische Kirche konnte am 7. September 1930 wieder eingeweiht werden; die katholische Kirche zwei Tage später, am 9. September 1930. [Anm. 10]
Am 30. Januar 1933 übernahm Adolf Hitler das Amt des Reichskanzlers und bei der Reichstagswahl im März 1933 erhielt die NSDAP mit 47,4% der Stimmen die Mehrheit im Volksstaat Hessen. Innerhalb der nächsten Jahre häuften der Reichskanzler und seine Partei immer neue Sonderrechte an, gestalteten das politische System schrittweise um und entfernten politische Gegner aus wichtigen Positionen. Auch das Vereinsleben wurde schrittweise gleichgeschaltet, sodass auch die Gau-Weinheimer Vereine, wie der Turn- und Sportverein, ab 1933 nach den nationalsozialistischen Vorstellungen reorganisiert wurden.
Ab dem Frühjahr 1939 bereitete sich das NS-Regime und die Wehrmacht auf einen bevorstehenden Krieg vor. Man begann frühzeitig mit den ersten Requirierungen und ließ ab Mitte Mai 1939 auch in Gau-Weinheim die Pferde der landwirtschaftlichen Betriebe für die Nutzung durch die Wehrmacht einberufen. Am 1. September 1939 begann mit dem deutschen Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg. In der Folge kam es bald zu Lebensmittelrationierungen und in vielen ländlichen Orten zu Flüchtlingen aus den größeren Städten. Seit 1940 begannen die nächtlichen Luftangriffe der alliierten Luftstreitkräfte auf deutsche Städte, die sich ab 1942 noch weiter verstärkten. In der Nacht vom 11. auf den 12. September 1944 wurde Darmstadt, die Hauptstadt des Volksstaats Hessen, von britischen Bombern in der sogenannten „Brandnacht“ weitgehend zerstört. Bei diesen Zerstörungen ging auch das Gau-Weinheimer Gemeindearchiv verloren, das man vor 1938 dem Staatsarchiv Darmstadt zur sicheren Verwahrung übergeben hatte. Heute sind nur noch jüngere Archivalien, sowie ein sechsseitiges Verzeichnis der Archivalien mit einem Anhang über den Inhalt des verbrannten Archivguts erhalten. Im März 1945 näherten sich schließlich die amerikanischen Truppen Gau-Weinheim und nahmen den Ort am 19. März 1945 ein. Damit endete der Zweite Weltkrieg für Gau-Weinheim einige Monate vor dem offiziellen Kriegsende. Insgesamt 32 Männer aus Gau-Weinheim, die als Soldaten gekämpft hatten fielen im Zuge des Zweiten Weltkrieges und weitere gerieten in Kriegsgefangenschaft oder wurden vermisst. [Anm. 11]
Nachkriegszeit bis heute
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gehörte Gau-Weinheim zur französischen Besatzungszone. Ein allgemeiner Mangel an Lebensmitteln und anderen lebensnotwendigen Dingen erschwerten die Situation in der direkten Nachkriegszeit. Erst die Währungsreform 1948 konnte die wirtschaftliche Lage schließlich nachhaltig entspannen. Einige der nach Gau-Weinheim geflüchteten oder evakuierten Menschen verblieben auch nach dem Ende des Krieges im Ort und siedelten sich dauerhaft an. Die Franzosen verwalteten ihre Zone nach militärischen Regeln und verließen sich weitgehend auf unbelastete Deutsche, die nicht für das NS-Regime gearbeitet hatten. Die erste Gemeindewahl der Nachkriegszeit fand in Gau-Weinheim am 15. September 1946 statt. Bereits am 30. August 1946 war auf französische Verordnung das Bundesland Rheinland-Pfalz gegründet worden, dessen Verfassung am 18. Mai 1947 angenommen wurde. An diesem Termin fand auch die erste Landtagswahl des neugegründeten Bundeslandes statt, bei der in Gau-Weinheim die CDU mit 131 Stimmen (von 180 gültigen Stimmen) eine deutliche Mehrheit erhielt.
Nachdem es bereits 1945 nach offiziellem Ende der Kampfhandlungen eine Selbsthilfeorganisation für Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene gegeben hatte, wurde 1950 der Gau-Weinheimer Ortsverband VdK (Verband der Kriegs- und Wehrdienstopfer, Sozialhilfe- und Rentenempfänger Deutschland e.V.) gegründet. Im Jahr 1956 wurde in Gau-Weinheim ein Ehrenmahl für die Gefallenen und Verschollenen des Ortes in beiden Weltkriegen errichtet, das noch im selben Jahr feierlich eingeweiht werden konnte. [Anm. 12]
1967 konnte das 1200-jährige Jubiläum der urkundlichen Erstnennung von Gau-Weinheim gefeiert werden. 1969 wurde das neue katholische Jugend- und Pfarrheim eingeweiht und die Innenrenovierung der Pfarrkirche abgeschlossen. 1970 wurde die Gau-Weinheimer Volksschule aufgelöst und die Gau-Weinheimer Schulkinder gehörten nun zum neugegründeten Schulverband Wallertheim. Im Jahr 1972 trat die rheinland-pfälzische Verwaltungsreform in Kraft. Seitdem ist Gau-Weinheim zusammen mit Armsheim, Ensheim, Gabsheim, Partenheim, Saulheim, Schornsheim, Spiesheim, Sulzheim, Udenheim, Vendersheim, Wallertheim und Wörrstadt Teil der Verbandsgemeinde Wörrstadt.
1982 wurde durch den Beschluss des Ortsgemeinderates das Ortswappen eingeführt. Dieses geht auf das überlieferte Gerichtssiegel von 1536 und 1596 zurück. Das Wappen zeigt auf einem silbernen Grund eine gehenkelte blaue Weinkanne zwischen zwei roten Weinleitern. Diese Weinleitern waren noch nicht Teil der frühneuzeitlichen Gerichtssiegel, bei denen die Weinkanne von zwei Weinbäumen flankiert war. Das Ortswappen zeigt die deutliche Verbindung der Ortschaft mit dem Weinbau, dem Hauptgeschäftszweig der Einwohner*innen, und ist gleichzeitig ein Symbol für den Ortsnamen.
Die Gau-Weinheimer Bevölkerung wuchs nach den Verlusten des Zweiten Weltkriegs bis 1955 wieder zu etwa 500 Einwohner*innen an. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stieg dies noch weiter an, sodass 1968 527 Einwohner*innen in Gau-Weinheim lebten. Dieses Wachstum führte zur Ausweisung von Neubaugebieten. 1989 wurde das Neubaugebiet „Im Wallertheimer Weg“ und zwischen 1995 und 2004 das Neubaugebiet „Am Böllberg“ ausgewiesen. Die Bevölkerungsgröße von Gau-Weinheim wuchs bis 2016 auf 597 Bewohner*innen und Ende 2020 auf 602 Einwohner*innen an.
Das 1250-jährige Ortsjubiläum konnte 2017 festlich begangen werden.
Nachweise
Redaktionelle Bearbeitung: Jonathan Bugert
Verwendete Literatur:
- Ortsgemeinde Gau-Weinheim. In: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz. 20. Kreis Alzey-Worms. 4. Kreis Alzey Worms: Verbandsgemeinden Wöllstein und Wörrstadt. Hrsg. von der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, Direktion Landesdenkmalpflege, unter Mitarbeit von Ingrid Westerhoff. Worms 2021. S. 142–145.
- Gottschlich, Erwin; Klein, Gabriele: Gau-Weinheim, am Fuße des Wißbergs. In: Heimatjahrbuch Landkreis Alzey-Worms 39 (2004), S. 125–128.
- Gottschlich, Erwin: 767 – 2017. 1250 Jahre Gau-Weinheim. Gau-Weinheim 2017.
- Ortschronik Gau-Weinheim. In: Internetseite der Ortsgemeinde Gau-Weinheim, URL: https://www.gau-weinheim.de/geschichte/ortschronik/ortschronik.html (aufgerufen am 01.04.2022)
Aktualisiert am: 01.04.2022
Anmerkungen:
- Vgl. Gottschlich: 1250 Jahre Gau-Weinheim. 2017. S. 11 – 18; Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz 2021, S. 142. Zurück
- Vgl. Gottschlich: 1250 Jahre Gau-Weinheim. 2017. S. 26; S.84. Zurück
- Vgl. Gottschlich: 1250 Jahre Gau-Weinheim, S. 31–32; Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz 2021, S. 142–143. Zurück
- Vgl. Gottschlich: 1250 Jahre Gau-Weinheim, S. 32–37; Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz 2021, S. 142. Zurück
- Vgl. Spang: Die wichtigste Urkunde für Weinheim ist das Weistum (aufgerufen am 01.04.2022) Zurück
- Vgl. Gottschlich: 1250 Jahre Gau-Weinheim, S. 60 – 63; Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz 2021, S. 143. Zurück
- Vgl. Gottschlich: 1250 Jahre Gau-Weinheim, S. 70 – 74. Zurück
- Vgl. Gottschlich: 1250 Jahre Gau-Weinheim, S. 74 – 75. Zurück
- Vgl. Gottschlich: 1250 Jahre Gau-Weinheim, S. 81 – 82, 119; Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz 2021, S. 144 Zurück
- Vgl. Gottschlich: 1250 Jahre Gau-Weinheim, S. 119–198; S. 266–267. Zurück
- Vgl. Gottschlich: 1250 Jahre Gau-Weinheim, S. 199 – 225; S. 266 – 267. Zurück
- Vgl. Gottschlich: 1250 Jahre Gau-Weinheim, S. 226 – 294. Zurück