Zur Geschichte von Sprendlingen
Erste Spuren einer Besiedlung in der heutigen Gemarkung Sprendlingen fanden sich 1978 bei Ausgrabungen auf dem „Fundplatz Sprendlingen“, bei denen ein ca. 20-25.000 Jahre alter steinzeitlicher Zeltplatz entdeckt wurde. Weitere archäologische Untersuchungen förderten 1984 und 2008 mittelbronzezeitliche Kreisgrabenanlagen mit bestatteten Körpern und teilweise auch Grabbeigaben aus dem 15. bis 14. Jahrhundert v. Chr. zutage.[Anm. 1]
Eine dauerhafte Niederlassung von Menschen in Sprendlingen lässt sich erst für das 6. bis 7. Jahrhundert n. Chr. belegen: bei Bauarbeiten auf dem Sprendlinger Bahnhofsgelände fand man 1870 und vor allem 1895 insgesamt mehr als 55 fränkische Gräber aus der Merowingerzeit.[Anm. 2]
In der schriftlichen Überlieferung taucht Sprendlingen erst im 8. Jahrhundert auf: Am 22. April 767 wird der Ort in den Güteraufstellungen des Klosters Lorsch erwähnt: Damals schenkte ein gewisser Ragner dem Kloster Besitzungen in Sprendlingen. Als Gegenleistung erhoffte sich Ragner Seelenheil und ewiges Leben. Bis ins Jahr 844 erfolgten 7 weitere Schenkungen an das Kloster Lorsch. Am 9. Juli 877 bestimmte König Karl der Kahle gewisse Güter des Klosterstiftes der hl. Gertrude zu Nivelles in Brabant zum Nutzen der dortigen Brüder und Schwestern, darunter auch den Herrenhof Sprendlingen (villa Sprendelinga) mit Weinbergen in der Grafschaft Worms.[Anm. 3] Bei dieser Urkunde handelt es sich nicht - wie immer wieder zu lesen ist - um eine erstmalige Schenkung, sondern um eine Bestätigung alter Rechte, die bereits in der Merowinger- oder Karolingerzeit aus Reichsgut an das Kloster gekommen waren. Für den alten Königshof Sprendlingen ist wohl an eine Schenkung in der Merowingerzeit zu denken, da sowohl Nivelles als auch Sprendlingen zu Austrasien gehörten und damals auch andere Kirchen, die zum austrasischen Teilreich gehörten, über Fernbesitz am Mittelrhein verfügten.
Weitere geistliche Grundherren in Sprendlingen waren das Trierer Domkapitel (ab 1251) und die Kloster Allerheiligen vor Oberwesel (ab 1435) und Pfaffen-Schwabenheim (ab 1492). Die Ortsherrschaft übten bis zum Jahr 1251 die Wild- und Raugrafen aus, die von diesen an die Grafen von Sponheim überging.[Anm. 4]
Die Schlacht von Sprendlingen 1279
Die Grafen von Sponheim betrieben eine überaus aktive Güterpolitik. In wenigen Jahrzehnten dehnten sie ihren Herrschaftsbereich von der Stammburg Sponheim über ganz Rheinhessen, Hunsrück, Mosel, Eifel bis an den Niederrhein und im Süden bis weit in die Pfalz hinein aus. Es ist daher kaum verwunderlich, dass die Sponheimer nicht selten Streit mit benachbarten Herrschaftsträgern bekamen.
Nach dem sponheimischen Erbvertrag von 1277 war es zwischen Graf Johann I. und seinem Bruder Heinrich mehrfach zu Unstimmigkeit über die Verwendung einzelner Erbstücke gekommen. Als Heinrich seinen Anteil an der Burg Böckelheim dem Mainzer Erzbischof Werner III. von Eppstein verkaufte, war Johann I. damit keinesfalls einverstanden. Da der Mainzer Erzbischof keinen Grund zum Einlenken sah, beschloss Graf Johann die Angelegenheit militärisch zu regeln. Im Jahr 1279 trafen sich Truppen Graf Johanns I. und Erzbischof Werners auf offenem Feld bei Sprendlingen. Der Sponheimer unterlag und musste sich der Vorherrschaft des Mainzers beugen.[Anm. 5]
In der Schlacht entstand die Legende vom Kreuznacher Metzger Michel Mort, der, als der Graf in arge Bedrängnis geriet, sich schützend vor ihn stellte und dabei sein Leben verlor. Zur Erinnerung an den Helden ließ der Graf auf dem Schlachtfeld ein Denkmal errichten, das im 18. Jahrhundert verfiel und dann ganz verschwand. Beim Bau der Straße von Gau-Bickelheim in Richtung Bingen (heute B 50) wurden 1828 zufällig die Grundmauern des alten Denkmals gefunden. Die Flurbezeichnung Michel Mort erinnert an das Schlachtfeld und den Standort des alten Denkmals.
Sprendlingen in der Neuzeit
Das Verlöschen der Sponheimer Linie im Jahr 1437 führte zu einer Teilung der Ortsherrschaft durch die Kurpfalz und die Markgrafschaft Baden, wobei 3/5 des Ortes an die Kurpfalz gingen. Um die Wende zum 17. Jahrhundert hatte Sprendlingen unter zwei Dorfbränden und mehreren Krankheitsepidemien zu leiden. Der Ort wurde im Dreißigjährigen Krieg von Spaniern geplündert und im Pfälzischen Erbfolgekrieg durch französische Truppen teilweise in Brand gesteckt (1671).
Nach dieser eher schwierigen Zeit begann im 18. Jahrhundert eine Phase des Aufschwungs: Nach einer Besitzteilung 1707 wurde Sprendlingen ganz der Markgrafschaft Baden überlassen und wurde markgräflich-badische Amtsstadt (Badische Kellerei). Daraufhin entwickelte es sich wirtschaftlich zu einem Marktort mit regionaler Bedeutung. Die mittelalterliche Stadtmauer wurde zu großen Teilen abgetragen und der sie umgebende Graben aufgefüllt.[Anm. 6]
1792/3 und ab 1797 wurde Sprendlingen von französischen Revolutionstruppen besetzt und in die Französische Republik eingegliedert. In dieser Zeit wurde auf einem Hügel in Ortsnähe eine Station der Optischen Telegraphenlinie Metz-Mainz eingerichtet, die im Jahr 2014 an einem anderen Standort als "Napoleonsturm" nachgebaut wurde.[Anm. 7]
Nach dem Wiener Kongress (1815) wurde Sprendlingen mit weiteren Territorien dem Großherzogtum Hessen zugeteilt. Die linksrheinischen Gebiete des Großherzogtums wurden fortan als Rheinhessen bezeichnet. 1835-1852 gehörte es zum Kreis Bingen, danach bis 1938 zum Kreis Alzey. Im 19. Jahrhundert stieg die Bevölkerungszahl des Ortes stark an, was sich in zahlreichen Bauprojekten niederschlug: eine neue Kirche, die von Protestanten und Katholiken simultan genutzt wurde (1829/1830), eine Synagoge (1825), ein Damm (1850), mehrere große Ziegeleien (1860-1870), ein Bahnhof als Anschluss an das Eisenbahnnetz (1870; Strecke Bingen-Alzey), eine Volksschule (1890), eine katholische Pfarrkirche (1899/1900) und mehrere Gasthäuser (unter anderem das heute als Rathaus genutzte Gasthaus aus dem Jahr 1894) wurden erbaut.[Anm. 8] Ein Kriegerdenkmal von 1896 auf dem Marktplatz bezeugt die Teilnahme Sprendlinger Soldaten am Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71.[Anm. 9]
Zur Zeit des Nationalsozialismus wurde die Synagoge verwüstet, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr als jüdisches Gotteshaus genutzt wurde. Ansonsten konnte der Ort den 2. Weltkrieg weitestgehend unbeschadet überstehen, da seine Einwohner vor den anrückenden amerikanischen Truppen kapitulierten.
Sprendlingen wurde 1938 wieder dem Kreis Bingen zugeteilt, bis dieser 1969 mit dem Landkreis Mainz zum Kreis Mainz-Bingen zusammengefasst wurde. 1972 wurde der Ort zum Sitz der Verbandsgemeinde Sprendlingen-Gensingen.[Anm. 10] Seit 1964 unterhält Sprendlingen eine Partnerschaft mit den burgundischen Gemeinden Gentis und Longecourt-en-Plaine.[Anm. 11]
Nachweise
Redaktionelle Bearbeitung: Stefan Grathoff, Dominik Kasper, Sebastian Schneichel
Verwendete Literatur:
- Brilmayer, Karl Johann: Rheinhessen in Vergangenheit und Gegenwart. Geschichte der bestehenden und ausgegangenen Städte, Flecken, Dörfer, Weiler und Höfe, Klöster und Burgen der Provinz Rheinhessen nebst einer Einleitung. Gießen 1905.
- Gauweiler, Wolfgang: 1200 Jahre Sprendlingen. Neustadt 1967.
- Krienke, Dieter: Kreis Mainz-Bingen. Städte Bingen und Ingelheim, Gemeinde Budenheim, Verbandgemeinden Gau-Algesheim, Heidesheim, Rhein-Nahe und Sprendlingen-Gensingen. Worms 2007. (Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz, Bd. 18.1).
- Website der Gemeinde Sprendlingen. URL: www.sprendlingen.de (Aufruf am 29.09.2015).
Aktualisiert am: 08.10.2015
Anmerkungen:
- Vgl. www.sprendlingen.de. Zurück
- Vgl. Gauweiler [o.J.], S. 75. Zurück
- Vgl.Krienke 2007, S. 680 und Brilmayer 1905, S. 422. Zurück
- Vgl. Krienke 2007, S. 681. Zurück
- Vgl. Brilmayer 1905, S. 424. Zurück
- Vgl. Krienke 2007, S. 681f. Zurück
- Vgl. www.sprendlingen.de. Zurück
- Krienke 2007, S. 682f. Zurück
- Vgl. Brilmayer 1905, S. 422. Zurück
- Vgl. Krienke 2007, S. 681. Zurück
- Vgl. Gauweiler [o.J.], S. 85. Zurück