Bingen unterm Grossherzog: Sonderschau zum Rheinhessen-Jubiläum im Museum
Sonderausstellung vom 19. Mai bis 23. Oktober 2016:
BINGEN. Stadtentwicklung ist teuer. Bingen sollte fit gemacht werden für das 20. Jahrhundert. Auch ein Hafen wurde gebaut. Und die Hafenbahn, die Straßenbahn, neue Straßen, E-Werk, Gaswerk, das Technikum und vieles mehr. Dann war die Stadtkasse sowas von leer, dass den Bürgern vor Sorge die Haare zu Berge standen, die in Scharen zu einer Informationsveran- staltung pilgerten, um Zeugen diverser Spar-Appelle von Karl Horn zu werden.
Drückte Bingen 1871 ein Minus von 100 000 Mark, waren es 1900 sage und schreibe sechs Millionen Mark, die abgezahlt werden mussten. Oberbürgermeister Thomas Feser, der am Donnerstagabend, den19.05.2016, die Ausstellung „Bingen unterm Großherzog. Die Stadt in hessischer Zeit" im Museum am Strom eröffnete, erinnerte amüsiert an den sogenannten „Binger Boxeraufstand", bei dem sich die Bürger über den hohen Schuldenstand der Stadt empörten. Denn Geschichte wiederholt sich, wenn auch unter anderen Vorzeichen. Feser: „Bürgermeister Franz Neff investierte dennoch weiter und schuf bleibende Werte." Und die Schulden? Die Inflation von 1923 machte alle Verbindlichkeiten zunichte. Auch das ist in dieser interessanten und auch kurzweiligen Schau zu erfahren.
Weg in die Moderne
Es ist Dr. Matthias Schmandt und seinem Team gelungen, Bingens Aufbruch in die Moderne beeindruckend zu dokumentieren. OB Feser nannte es „die spezifische historische Bedeutung", die greifbar und begreifbar wird. 100 Jahre Stadthistorie werden komprimiert und in allen Facetten betrachtet. 1816 wurde das Hessische Wappen, der Löwe, angeschlagen. Der Löwe „brüllt" bis heute. Auf diese Weise ist es ganz leicht, Teil der Geschichte Bingens, Teil der Identität dieser kleinen Stadt am Zusammenfluss von Rhein und Nahe zu werden. Die großherzogliche Verwaltung weckte die Stadt aus dem rheinromantischen Dornröschenschlaf und führte sie in die Zukunft. Somit ist die Frage, was die Hessen den Bingern eigentlich gebracht haben, beantwortet. Viele Gäste der Ausstellungseröffnung nutzten die Gelegenheit, sich von Ausstellungsmacher Schmandt durch die einzelnen Stationen der Schau führen zu lassen. Es gibt eine Menge zu sehen, zu lesen und zu bestaunen. Wunderbare Porträts, skurrile Trinkgefäße, die noch heute den Burschenschaftlern das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Handschriftliche Dokumente und eine Büttenrede von Anselm Simon. Interessant auch die Hauptsteuerliste von 1850, als noch das Dreiklassenwahlrecht die Menschen nach ihrem Einkommen sortierte.