Schloss Waldthausen
0.1.Familie Waldthausen
Die Familie Waldthausen stammte ursprünglich aus Afferde bei Hameln. Um 1569 erwarben sie durch Kaiser Maximilian II die „Bestätigung des rittermäßigen Adels und der Wappenbesserungen“ und durften sich von nun an von Waldthausen nennen Nach ihrem Umzug nach Essen um 1679 und die Familie durch den Kohle- und Stahlhandel im 19. und frühen 20. Jahrhundert wohlhabend. Weitere Angehörige gründeten Mitte des 19. Jahrhunderts ein Bankgeschäft, erwarben Grubenunternehmen, gehörten zu den Initiatoren des 1892 eröffneten Grillo-Theaters in Essen und waren wichtige Finanziers des Kaiser Wilhelm Denkmals in Essen.[Anm. 1]. Der spätere Bauherr des Schlosses in Budenheim, Martin Wilhelm von Waldthausen, wurde am 30. November 1875 als Sohn von Albert von Waldthausen (1834-1924) und Maria Luise Julie Henriette Bährens (1835-1918) in Essen geboren. Um 1901 wurde er zunächst Leutnant, dann Rittmeister des Husarenregiments Nr. 13 in Mainz. Das 13. Regiment war die Elitegruppe des Mainzer Militärs, die durch ihre hochwertigen Uniformen und gezwirbelten Schnurrbärte erkennbar waren[Anm. 2]. Bereits nach wenigen Jahren musste Martin Wilhelm von Waldthausen aufgrund seines tadelhaften Verhaltens das Regiment jedoch verlassen und in die Schweiz fliehen. Das Schlüsselereignis dafür geschah vermutlich bei einer Parade um 1904, bei der er Kaiser Wilhelm II beleidigte. „Der Kaiser soll, als er das 13. Husarenregiment passierte, dessen 2. Escardron, in dem Waldthausen Dienst tut, inspiziert und dabei dessen nicht ganz korrekte Uniform kritisiert haben. Ein Uniformknopf soll nicht ganz geschlossen gewesen sein. Diese Kritik soll Waldthausen zutiefst in seiner Soldatenehre gekränkt haben. Als der Kaiser später an Waldthausens Truppenteil vorbeiritt, soll dieser ihm das berühmte Zitat des Götz von Berlichingen[Anm. 3] nachgerufen haben.[Anm. 4]
„Vor Ihro Kayserliche Majestät hab ich, wie immer, schuldigen Respect. Er aber, sags ihm, er kann mich im Arsch lecken."[Anm. 5]
Um sich einer Strafverfolgung zu entziehen, floh Martin Wilhelm von Waldthausen in die Schweiz. Dort erlangte er die Staatsbürgerschaft und erwarb in Liechtenstein den Freiherren-Titel. Bereits um 1905 zog er wieder nach Deutschland und heiratete Klara Elise Theodore Korte (1871-1940)[Anm. 6]. Gemeinsam hatten sie drei Kinder, die jedoch alle im Kindes- oder jungen Erwachsenenalter starben.
0.2.Schloss Waldthausen
Um 1908 erwarb Martin Wilhelm von Waldthausen (1875-1928) 378 Morgen Wald von der Gemeinde Budenheim und ließ zwischen 1908 und 1910 das prunkvoll ausgestattete Schloss errichten. Möglicherweise um den Kaiser zu brüskieren, ließ Martin Wilhelm von Waldthausen sein Schloss nach dem Residenzschloss in Posen errichten, welches Kaiser Wilhelm II. zwischen 1905 und 1913 bauen ließ. Das Schloss wurde vom Architekten Hans Bühling[Anm. 7] im Stil der „staufischen Burgen- und Pfalzenarchitektur“[Anm. 8] errichtet, ganz im Sinne der „für die wilhelminische Epoche charakteristische Vorliebe für romanische Bauformen[Anm. 9]. Die Wahl des Architekten entschied sich durch einen Wettbewerb, den Waldthausen hatte ausschreiben lassen. Im Mainzer Anzeiger (1908) heißt es:
„Einen Wettbewerb um Entwürfe für eine schlossartige Villa in der Nähe von Mainz auf der Höhe eines nach dem Rhein abfallenden Geländes schreibt der Bauherr von Waldthausen in Mainz aus und stellt 3 Preise von 3.5000, 2.500, 1.500 Mark in Aussicht. 5 weitere Entwürfe können für je 500 Mark angekauft werden. Einlieferungsfrist bis zum 1. April d.J. Preisrichter ist der Bauherr, dem ein künstlerischer Beirat zur Seite steht […]“[Anm. 10]
Viele Mainzer Handwerksbetriebe profitierten von dem luxuriösen Bau (Bembé[Parkett], Hettergott [Dachdecker], Struth [Sägewerk, Zimmerei und Schreinerei]). Durch ihre Einbeziehung konnte das Schloss innerhalb von zwei Jahren fertiggestellt werden. Da die Baumaterialien und Einrichtungsgegenstände aus weit entfernten Gegenden und sogar aus dem Ausland kamen (zum Beispiel Sandstein aus Maulbronn oder eine Hausorgel aus England), beliefen sich die Gesamtkosten auf ca.18. Mio. Goldmark. Durch den Ankauf von Waldgebieten um das Anwesen herum um 1913 sorgte Martin Wilhelm von Waldthausen dafür, dass niemand mehr einen Blick auf das Schloss werfen konnte – auch nicht vom Forsthaus „ Ludwigshöhe“[Anm. 11]. Nach dem Ersten Weltkrieg beschlagnahmten französische Truppen für kurze Zeit das Schloss. Mit dem Tod von Martin Wilhelm und seiner Frau Klara verkauften die Erben die Villa am 9. Januar 1941 an die NSV, die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt in Berlin. Im Rahmen der Kinderlandverschickung wurden während des Zweiten Weltkriegs Kinder und Mütter dort einquartiert. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs beschlagnahmte zunächst die amerikanische, danach die französische Besatzung die Villa. Der französische General Marie- Pierre Koenig (1898- 1970) ließ die Villa für 5 Mio. Mark zu seiner Residenz umbauen, die er jedoch wegen seines Rückrufs nach Frankreich nicht mehr nutzen konnte. 1956 übernahm der Bund das Gelände für die Bundeswehr. Ende der 70er Jahre erwarb die Stadt Mainz das Schloss und verkaufte es am 6. Dezember 1982 an den Sparkassen- und Giroverband des Landes, der ein Bildungszentrum einrichtete. Heute ist das Gelände für jeden frei zugänglich, in der Villa finden öffentliche Veranstaltungen sowie Ausstellungen statt.
Das Schloss kann durch ein großes Eingangstor betreten werden, an das ein Pförtnerhaus angrenzt. In diesem wohnte zu Lebzeiten des Bauherrn der Pförtner „Hobel“ mit zwei Doggen[Anm. 12]. Man sagt, dass Martin Wilhelm von Waldthausen des Öfteren seine Gäste auf der Terrasse verabschiedete, um dann über einen unterirdischen Gang zur Eingangspforte zu gelangen und mit Blumen auf seine Gäste zu warten[Anm. 13]. Von der Pforte gelangt man über eine breite Kastanienallee zum Schloss. Charakteristisch für das Hauptgebäude ist ein Vierkantturm, der einem Bergfried ähnelt. Weitere Gebäude befanden und befinden sich im weitläufigen Schlosspark, der dieses umgibt.
0.3.Pferdeboxen aus Marmor? - Die prachtvollen Nebengebäude
Südlich des Schlosses befinden sich verschiedene Nebengebäude, die ursprünglich als Wasch- und Maschinenhaus genutzt wurden. Sie waren zwar kleiner als das Herrenhaus, d.h. sie besaßen weniger Geschosse, waren jedoch ebenfalls mit teuren Buckelquadern verkleidet. In diesen Gebäuden befanden sich neben der Wäscherei auch eine Schmiede und eine Werkstatt, die unterirdisch mit dem Schloss verbunden waren. Es gab Wasserpumpen für Wasser aus eigenen Quellen, die durch einen Gasmotor betrieben wurden. Im oberen Stockwerk des Waschhauses gab es Wohnungen für die Bediensteten, wie Kutscher und Maschinisten. Von den vielen Nebengebäuden ist heute nur noch das Pförtnerhaus in seiner alten Form vorhanden. Die anderen Nebengebäude wurden entweder in Neubauten integriert oder abgerissen[Anm. 14]. Heute befindet sich ein Casino im umgebauten Gebäude. Auch einen Pferdestall gab es auf dem Schlossgelände. Dieser besaß einen Ehrenhof, den man durch einen Torbogen betrat und wirkte wie ein eigenes Schloss. Das hier verwendete Material war jedoch nicht so kostspielig wie das des Herrenhauses. Das Erdgeschoss wurde durch rote Ziegel verblendet und das Obergeschoss bestand aus Fachwerk. Die Boxen waren mit Marmor verkleidet, die Tröge bestanden gänzlich aus Marmor[Anm. 15]. Im Obergeschoss wohnte Otto Kirsch, der Oberkutscher der Familie von Waldthausen. Er fuhr die Familie in einer offenen Chaise mit einem Gespann von vier Pferden zu sämtlichen Anlässen. Nachdem Waldthausen um 1906 den Führerschein gemacht hatte, galt seine Vorliebe nicht mehr vornehmlich den Pferden, sondern den Autos. Um seine vier Wagen unterzubringen, ein belgisches, zwei französische Modelle und ein Opel, ließ er eine eigene Wagenhalle erbauen. Für die Autos wurden ein Chauffeur sowie ein Automobilreiniger beauftragt [Anm. 16]
0.4.Die Inneneinrichtung
Die Inneneinrichtung war ebenso prunkvoll wie die der Bau von außen versprach. Selbst eine Konzertorgel hatte Martin Wilhelm von Waldthausen in sein Schloss einbauen lassen. Die Einrichtung und Wandverkleidungen wurden überwiegend von der Firma Bembé aus Mainz gebaut. Neben einer Galerie gab es ein Musik- und Spielzimmer, einen Festsaal und einen eigenen Gästeflügel. Der Festsaal war durch einen eigenen Speiseaufzug mit dem Keller verbunden, in dem sich zwei Großküchen, Weinkeller und Wirtschaftsräume befanden[Anm. 17].
Nachweise
Verfasserin: Jasmin Gröninger
Verwendete Literatur:
- Bücholdt, Ulrich: Eintrag: Bühling, Hans. In: „archthek“, Historisches Architektenregister, Abschnitt Bubenheim – Buffer., URL:http://www.kmkbuecholdt.de/historisches/personen/architekten_bu.htm (Stand vom 04.08.2016) Aufruf am 08.01.2017.
- Goethe, Johann Wolfgang von : Götz von Berlichingen, Dritter Akt, Ausgabe 1773, S. 133.
- Landesamt Denkmalpflege (Hrsg.): Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz. Band 18.1: Kreis Mainz-Bingen. Bearb. v. Dieter Krienke, Worms 2007.
- Mainzer Anzeiger, Jg. 1908.
- Schauspiel Essen: Grillo- Theater, URL: www.schauspiel-essen.de/orte/grillo-theater.html (Aufruf am 13.12.2016);
- Historischer Verein für Stadt und Stift Essen e.V.: Historisches Portal Essen, Friedrich Grillo, URL: historischesportal.essen.de/historischesportal_namen/friedhof/friedhofsfuehrer/friedhofsfuehrer_detailseite_876966.de.html (Aufruf am 13.12.2016).
- Rheinhessischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz (Hrsg.): Schloss Waldthausen bei Mainz. In: Rheinhessische Kunststätten, Nr.154, Köln 2009.
Aktualisiert am:10.01.2016
Anmerkungen:
- Schauspiel Essen: Grillo- Theater, URL: http://www.schauspiel-essen.de/orte/grillo-theater.html (Aufruf am 13.12.2016); Historischer Verein für Stadt und Stift Essen e.V.: Historisches Portal Essen, Friedrich Grillo, URL: https://historischesportal.essen.de/historischesportal_namen/friedhof/friedhofsfuehrer/friedhofsfuehrer_detailseite_876966.de.html (Aufruf am 13.12.2016). Die Familien Grillo und Waldthausen gründeten 1855 gemeinsam die Aktiengesellschaft „Neu Esse“ und legten zwei Grubenfelder zusammen Zurück
- Rheinhessischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz: Schloss Waldthausen bei Mainz. In: Rheinhessische Kunststätten, Nr.154, Köln 2009, S.3. Zurück
- "Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand" ist ein Theaterstück von Wolfgang von Goethe, das auf die Figur des schwäbischen Ritter Gottfried basiert. Das Stück gilt als eines der bekanntesten Werke aus der "Sturm und Drang"-Epoche und wurde 1774 uraufgeführt Zurück
- Zit. nach: Rheinhessischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz: Schloss Waldthausen bei Mainz. In: Rheinhessische Kunststätten, Nr.154, Köln 2009, S.4. Zurück
- Zit. nach: Johann Wolfgang von Goethe: Götz von Berlichingen, Dritter Akt, Ausgabe 1773, S. 133. Zurück
- Klara Elise Theodore Korte ist die Tochter des Bankiers Carl Theodor Korte und Amalie Caroline Leopoldine, geb. Freyse. Zurück
- Bücholdt, Ulrich: Eintrag: Bühling, Hans. In: „archthek“, Historisches Architektenregister, Abschnitt Bubenheim – Buffer., URL:http://www.kmkbuecholdt.de/historisches/personen/architekten_bu.htm (Stand vom 04.08.2016) Aufruf am 08.01.2017. Zurück
- Zit nach: Landesamt Denkmalpflege (Hrsg.): Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz. Band 18.1: Kreis Mainz-Bingen. Bearb. v. Dieter Krienke, Worms 2007, S.222. Zurück
- Ebd Zurück
- Zit. nach: Rheinhessischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz: Schloss Waldthausen bei Mainz. In: Rheinhessische Kunststätten, Nr.154, Köln 2009, S.6., Vgl. Mainzer Anzeiger, Jg. 1908. Zurück
- Das Forsthaus wurde Ende 1913 abgetragen und als "Wendelinusheim" neben der Gonsenheimer Wendelinus-Kapelle wieder aufgebaut. Zurück
- Rheinhessischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz: Schloss Waldthausen bei Mainz. In: Rheinhessische Kunststätten, Nr.154, Köln 2009, S.12. Zurück
- Ebd. S.13. Zurück
- Landesamt Denkmalpflege (Hrsg.): Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz. Band 18.1: Kreis Mainz-Bingen. Bearb. v. Dieter Krienke, Worms 2007, S.222. Zurück
- Ebd, S.25. Zurück
- Ebd.S.26. Zurück
- Rheinhessischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz: Schloss Waldthausen bei Mainz. In: Rheinhessische Kunststätten, Nr.154, Köln 2009, S.20, 21. Zurück