Dexheim in Rheinhessen

Zur Geschichte von Dexheim

0.1.Frühe Spuren und erste Besiedlung

Brunnen in der Bornstraße. Bei dem Auffangbecken handelt es sich vermutlich um einen römischen Sarkophag. [Bild: Jessica Boller / [CC BY-NC-ND 4.0]]

Bedingt durch das fruchtbare Land sowie das milde Klima war das Gebiet des heutigen Rheinhessens schon früh besiedelt. Aus der Bronzezeit (1600 – 800 v. Chr.) finden sich mehrere geschlossene Funde in Dexheim. So wurden u.a. im Jahr 1901 insgesamt 31 der frühen Bronzezeit zugehörige Fundstücke, vor allem Schmuck, entdeckt. [Anm. 1]Funde aus keltischer Besiedlung sind selten, aber vorhanden. Beim sogenannten „dicken Stein“ von Dexheim, der sich heute auf dem neu gestalteten Freien Platz befindet, handelt es sich vermutlich um einen Menhir, der für kultische Zwecke benutzt wurde. [Anm. 2] Beim Neubau eines Grundstückes fand man zudem Spuren eines keltischen Gräberfeldes. [Anm. 3]

Die römische Besiedlung Dexheims ist dagegen besser dokumentiert. [Anm. 4]Römische Lager existierten in Mainz (damals: Mogontiacum) und Worms bereits seit der augusteischen Zeit (27 v. – 14 n. Chr.). Die Verbindungsstraße zwischen den beiden Lagern führte am Rhein entlang und damit auch an Nierstein und Dienheim vorbei. Eine Besiedlung Dexheims ist daher in dieser Zeit anzunehmen. [Anm. 5] 1863 fand ein Dexheimer Bürger bei Rodungsarbeiten einen römischen Kindersarg mit dazugehörigen Beigaben. Diese bestanden neben vier goldenen Schmuckstücken aus zwei Ringen, einem Medaillon sowie einem Pendeloque (einem facettierten, in Tropfenform geschliffenem Schmuckstein), alles aus reinem Gold. Zusätzlich befanden sich im Sarg noch drei Tonkrüge, terra-sigillata-Behälter sowie eine Flasche aus dickem Glas. Die Fundstücke wurden dem damaligen Altertumsverein Mainz überlassen und befinden sich noch heute in dessen Besitz. [Anm. 6]Der steinerne Sarkophag blieb im Besitz des Finders. Es wird vermutet, dass es sich bei dem Auffangbecken des Brunnens in der Bornstraße um eben diesen Sarkophag handelt. [Anm. 7]

Bei Rodungsarbeiten eines Weinbergs „Im Weiler“ entdeckte man 1896 Trümmer von Ziegelsteinen. Bei weiteren Grabungen legte man schließlich einen ca. 6-8m hohen und 3m breiten Ofen zum Brennen von Ziegelsteinen frei. Der Fund stützt die These, dass Lehm aus der Gemarkung für römische Ziegel verwendet wurde. Bei weiteren Rodungsarbeiten an angrenzenden Grundstücken fand man Überreste römischer Wasserleitungen sowie ausgedehnte Mauerreste. Diese Funde wurden jedoch nicht fachgerecht dokumentiert und sind heute nicht mehr zu besichtigen, da man die Flächen weiterhin als landwirtschaftliche Nutzflächen bewirtschaftete. [Anm. 8] 

Nach dem Zusammenbruch der römischen Herrschaft und dem Rückzug der Römer aus den Gebieten rund um den Rhein zu Beginn des 5. Jahrhunderts n. Chr. gelang es den Franken, ihre Herrschaft auszubauen und zu stabilisieren. Viele Orte, deren Namen auf –heim enden, wurden im Zuge der sogenannten Fränkischen Landnahme, die bis ins 7. Jahrhundert andauerte, gegründet. Auch Dexheim scheint eine solche Gründung gewesen zu sein, abgeleitet von „Heim des Dechid“. [Anm. 9] Belege, dass sich der Name von dem lateinischen Wort für Ziegel, - tegula -, ableitet,[Anm. 10]gibt es nicht. Sicherer scheint eine Gründung des Ortes durch die Franken, wie sie auch für viele weitere rheinhessische Dörfer belegt ist. Gestützt wird diese These durch die Funde fränkischer Gräberfelder nahe der heutigen evangelischen Kirche und des Friedhofes. [Anm. 11]

 

0.2.Ersterwähnung und Dexheim im Mittelalter

Evangelische Kirche St. Martin[Bild: Jessica Boller / [CC BY-NC-ND 4.0]]

Die erste urkundliche Erwähnung Dexheims erfolgte 774 im Lorscher Codex. Karl der Große schenkte dem Kloster Lorsch ein großes, in der Gemarkung von Techidesheim gelegenes Gut. [Anm. 12] Die erste Erwähnung einer Kirche im Ort ist rund 100 Jahre jünger und stammt aus dem Jahr 889. König Arnolf von Kärnten, aus dem Geschlecht der Karolinger, schenkte die heutige evangelische Kirche, gelegen in Dechidesstein, dem Kloster Fulda. [Anm. 13] Spätere Schreibweisen sind u.a. Dechidisheim (1182), Dechidesheim (1214), Dechisheim (1264) sowie Derisheim (1348). [Anm. 14] So entwickelte sich im Laufe der Zeit aus Techidesheim der Name Dexheim. 

Dexheim bildete zusammen mit Nierstein und Schwabsburg einen Reichsgutkomplex. Als Reichslehen waren die drei Dörfer direkt dem Kaiser unterstellt. Nierstein, Schwabsburg und Dexheim unterstanden dem gleichen Gericht und besaßen zudem gemeinsam die Allmende, also das Gemeingut, an Wald und Weide. Die Allmende befand sich auf dem rechtsrheinischen Kornsand. [Anm. 15] Zahlreiche Adelsfamilien wohnten in Dexheim bzw. waren in der Gemarkung begütert. Freihöfe besaßen etwa die von Gabsheim, Schmidtburg, Gemmingen, Dienheim und das Domstift Mainz. Ein Zweig des Geschlechts von Albig führte sogar den Beinamen „Dexheimer“. [Anm. 16] Die Herren von Dienheim, die Bauherren des Dexheimer Schlosses, waren ein hohes Adelsgeschlecht und sind ab 1360 urkundlich belegt. Wigand von Dienheim, der Ältere, tauchte 1475 als Siegler Dexheimer Urkunden in den Quellen auf. [Anm. 17]

1315 wurde Dexheim von Kaiser Ludwig erstmals an den Mainzer Erzbischof verpfändet. Obwohl das Dorf 1353 an den Kaiser zurückgegeben wurde, kam es wiederholt zu Verpfändungen. 1375 wurde Dexheim von Kaiser Karl IV. an Kurfürst Ruprecht von der Pfalz übergeben. 1398 wurde diese Pfandschaft für erblich erklärt, sodass Dexheim nun ein pfälzisches Dorf war, zugehörig zum Oberamt Oppenheim. [Anm. 18]Diese Zuordnung hatte bis zu den Umwälzungen im Zuge der Französischen Revolution (1789) Bestand. 

 

0.3.Frühe Neuzeit und französische Besatzung

Die beiden Linden am Eingang des Friedhofes stammen aus der Zeit der Gründung des Friedhofes im Jahr 1808. [Bild: Jessica Boller / [CC BY-NC-ND 4.0]]

Der Dreißigjährige Krieg von 1618 bis 1648 verwüstete das Dorf fast vollständig, die Bevölkerung wurde von 36 Familien auf 12 reduziert. [Anm. 19]  Nach einer kurzen Atempause wurde das Dorf im Pfälzischen Erbfolgekrieg im Jahr 1689 von den Franzosen erneut verwüstet, auch das Schloss fiel den Zerstörungen zum Opfer. Die Trümmer des Schlosses wurden ab 1700 für den Wiederaufbau des Dorfes verwendet. [Anm. 20] Heute sind nur noch der Torturm sowie der Stumpf eines Wehrturmes des ehemaligen Schlosses der Herren von Dienheim erhalten. [Anm. 21]

Im Zuge der Französischen Revolution eroberten Revolutionstruppen 1792 auch die linksrheinischen Gebiete. Mainz und Umland waren von Oktober 1792 bis Juli 1793 französisch besetzt. In diese Zeit fällt auch die Phase der kurzlebigen Mainzer Republik, dem ersten Demokratieversuch auf deutschem Boden, dem Dexheim als kurpfälzische Besitzung jedoch nicht angehörte. Zunächst gelang die Rückeroberung des Gebietes durch österreichische und preußische Truppen. Im Frieden von Campo Formio 1797 wurde der Rhein jedoch als Ostgrenze Frankreichs anerkannt.

Die somit zum französischen Staatsgebiet zählenden, linksrheinischen Gebiete, auch der linksrheinische Teil der Kurpfalz, in dem Dexheim lag, wurden Frankreich angegliedert. Dies wurde 1801 im Frieden von Lunéville nochmals formell bestätigt. Mit der Eingliederung erfolgte auch die Reorganisation der Verwaltung nach französischem Vorbild. Dexheim gehörte nun dem Kanton Oppenheim im neu gegründeten Département du Mont Tonnerre (Département Donnersberg) an. Die Einführung eines für alle nun französischen Bürger gleich geltenden Zivil-und Strafrechts, ersteres festgelegt im Code Civil (auch Code Napoléon genannt), stellte ein Novum dar. [Anm. 22] 

Die neue Friedhofsordnung von 1804 sah zudem vor, dass Tote nicht mehr bei Kirchen bzw. Klöstern beerdigt werden durften. Der bisherige Friedhof bei der evangelischen Kirche musste somit aufgegeben werden. 1808 wurde der neue Friedhof in der Gewann „In den Weidengärten“ angelegt, wo er sich noch heute befindet. Die beiden Linden am Eingang des Friedhofes stammen aus dieser Zeit. [Anm. 23] Auch die Einführung der französischen Sprache sowie französischer Münzen und Maßeinheiten wurde ab 1798 verfügt. [Anm. 24] Die weiteren rechtlichen, sozialen sowie ökonomischen Umwälzungen im Zuge der französischen Herrschaft, wie beispielsweise die Abschaffung des Lehnswesens und der Zehnten, die Einführung eines staatlichen Schulwesens und der Gewerbefreiheit, die mit der Etablierung des Code Civils einhergingen,[Anm. 25] können auch für Dexheim angenommen werden, explizite Erwähnungen finden sich jedoch nicht.  

 

0.4.19. Jahrhundert: Wiener Kongress und Vereinsgründungen

Katholische Kirche Mariä Himmelfahrt[Bild: Jessica Boller / [CC BY-NC-ND 4.0]]

Nach dem Ende der napoleonischen Herrschaft erfolgte 1814/15 auf dem Wiener Kongress eine Neuordnung Europas. Das neu gegründete „Rheinhessen“ wurde 1816 dem Großherzogtum Hessen angegliedert, [Anm. 26] Dexheim kam zum neugegründeten Kreis Mainz.

Im 19. Jahrhundert erfolgten auch die ersten Vereinsgründungen in Dexheim. Der TuS Dexheim 1848 e.V. sowie der MGV Sängerbund-Einigkeit 1885 Dexheim sind bis heute aktiv. Das alte Rathaus bildete zusammen mit dem Gefallenendenkmal von 1870/71 das ortsmitteprägende Ensemble. Heute erinnert nur noch eine Gedenktafel auf dem neu gestalteten Freien Platz an das ehemalige Denkmal und Rathaus. Inwiefern Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur im Ort getroffen wurden, lässt sich nicht zweifelsfrei feststellen. Bis ins Jahr 1972 besaß Dexheim zumindest keine Abwasserkanalisation. [Anm. 27] 1912/13 wurde die katholische Kirche Mariä Himmelfahrt nach Plänen des Mainzer Dombaumeisters Ludwig Becker errichtet, deren Innenausstattung aus der Erbauungszeit bis heute vollständig erhalten ist. [Anm. 28]

0.5.Erster Weltkrieg, erneute französische Besatzung und der Aufstieg der NSDAP

Im Zuge des Ersten Weltkrieges von 1914-1918 wurden auch Dexheimer Männer einberufen. Das Ehrenmal auf dem Dexheimer Friedhof erinnert an 13 gefallene oder vermisste Soldaten. [Anm. 29] Dexheim gehörte zur sogenannten „Heimatfront“, in der zwar immense wirtschaftliche und soziale Einschränkungen herrschten, jedoch keine aktiven Kampfhandlungen stattfanden. Von 1919 bis 1945 gehörte ganz Rheinhessen zum Volksstaat Hessen.

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges war Rheinhessen von französischen Truppen besetzt. Durch deren rigide Besatzungspolitik wurde ein Erstarken radikaler Parteien, wie beispielsweise der NSDAP, behindert. Die Fremdbesatzung war jedoch vielen ein Dorn im Auge. Angeheizt von einer katastrophalen wirtschaftlichen Lage und einer hohen Arbeitslosigkeit - vornehmlich auf dem Land -  wurde vor allem die landwirtschaftliche Bevölkerung empfänglich für das Programm der NSDAP. Die ökonomische Krise 1923, bedingt durch die französisch-belgische Ruhrbesetzung und die mit dem passiven Widerstand einhergehende Hyperinflation, verschärfte die Situation vieler Landwirte weiter. [Anm. 30]  Regional agierende Ortsgruppen der NSDAP entstanden bis Ende 1930 in ganz Rheinhessen. [Anm. 31] 

Zur Geschichte des Nationalsozialismus in Dexheim bestehen noch große Forschungslücken. Eine Ortsgruppe in Dexheim wird im Einzelnen nicht erwähnt, ihre Entstehung kann jedoch angenommen werden. Nach dem Abzug der Franzosen 1930 erweiterte sich der Spielraum der NSDAP, die jetzt raschen Zuwachs verzeichnete. Bei der Reichstagswahl 1930 wurde sie bereits die drittstärkste Kraft in Rheinhessen. Bei der Reichstagswahl im November 1931 erhielt die NSDAP 35% der Stimmen und wurde damit stärkste Partei in Rheinhessen. [Anm. 32]

0.6.Zweiter Weltkrieg

Ehrendenkmal für die Soldaten des Ersten und Zweiten Weltkrieges auf dem Dexheimer Friedhof[Bild: Jessica Boller / [CC BY-NC-ND 4.0]]

Auch der Zweite Weltkrieg verschonte Dexheim nicht: 44 Männer, die auf dem Ehrendenkmal auf dem Friedhof gelistet sind, galten als gefallen oder vermisst. [Anm. 33]  Viele Soldaten befanden sich in Kriegsgefangenschaft und kehrten erst Jahre später nach Dexheim zurück. Über das Ausmaß der Zerstörungen in Dexheim liegen keine gesicherten Daten vor. Größere Gebäude, wie die evangelische und katholische Kirche, das historische Backhaus oder das Rathaus wurden zumindest nicht komplett zerstört. So wurde das Rathaus in der Ortsmitte, erbaut 1830 im klassizistischen Stil, erst 1974 abgerissen, um die Ortsdurchfahrt zu verbreitern. [Anm. 34] Die katholische Kirche Mariä Himmelfahrt erhielt 1955 vier, die evangelische Kirche St. Martin 1958 drei neue Glocken, nachdem diese im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen worden waren. [Anm. 35] 

Eine jüdische Gemeinde in Dexheim kann nicht nachgewiesen werden. Während in den Nachbarorten jüdische Gemeinden bezeugt sind, [Anm. 36] lässt sich dies für Dexheim nicht gesichert sagen. Brilmayer spricht 1905 von „737 Einwohner(n), darunter 524 Evangelische, 211 Katholiken und zwei eines sonstigen Bekenntnisses (..)“. [Anm. 37] Weitere Ausführungen, auch ob es sich bei den zwei genannten Personen um Jüdinnen oder Juden handelte, finden sich nicht. 

Kurz vor der geplanten Rheinüberquerung der amerikanischen Truppen bei Nierstein kam es am 21. März 1945 zu den sogenannten Kornsand-Morden. Sechs als „politisch missliebig“ angesehene Personen, Mitglieder der KPD sowie der SPD, wurden auf Befehl von NSDAP-Funktionären ermordet. Unter den Opfern befand sich mit Georg Eberhardt auch ein gebürtiger Dexheimer. Aufgewachsen in der heutigen Dalheimer Straße, zog er erst nach seiner Heirat nach Nierstein. [Anm. 38] Wenige Tage später erreichten amerikanische Besatzungstruppen Dexheim.

0.7.Französische Besatzungszone und Wiederaufbau

Im Zuge der Aufteilung Deutschlands in vier Besatzungszonen wurde der Bezirk Rheinhessen allerdings französische Besatzungszone. Dies resultierte aus der Bildung der französischen Besatzungszone aus Teilen der sowohl von französischen als auch von amerikanischen Truppen eroberten west-und südwestdeutschen Gebiete. Mit der Berliner Erklärung vom 5. Juni 1945 wurden die südwestdeutschen Gebiete, wozu auch Dexheim zählte, an die Franzosen übergeben. Seit 1946/7 gehörte Rheinhessen zum, unter Aufsicht der französischen Militärregierung neu gegründeten, Bundesland Rheinland-Pfalz. 

Mit der Schaffung der französischen Besatzungszone auf der linken und der amerikanischen Besatzungszone auf der rechten Rheinseite wurde der Rhein zur Grenze. In die französische Besatzungszone kehrten im Rahmen von NATO-Planungen ab 1951 teilweise wieder amerikanische Truppen zurück. Die Kaserne der US-Amerikaner bei Dexheim wurde 1951 gebaut. 1953 bezog das 17. Ingenieur-Battalion, das zur in Bad Kreuznach stationierten 2. Panzerdivision gehörte, die „Anderson Barracks“. [Anm. 39] Das Verhältnis zur Zivilbevölkerung war durch eine schrittweise Annäherung geprägt. Auf dem rund 75ha großen Gelände befanden sich letztlich, einer Zählung aus dem Jahr 2005 zufolge, 950 US-Soldaten, 50 Zivilbeschäftige, 61 deutsche und ausländische Zivilbeschäftige sowie rund 800 US-Familienangehörige. 2009 wurde das Gelände nach dem Abzug der US-Amerikaner an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben übergeben. [Anm. 40] 

0.8.Wirtschaftsaspekte: "Valtinche" und Weinbau

Weinlese im Jahr 1960[Bild: Privatbesitz Brüchert / [CC BY-NC-ND 4.0]]

Wirtschaftlich gesehen gelang mit dem Bau der Nebenbahnstrecke Nierstein-Köngernheim, an die auch Dexheim mit einer eigenen Station angeschlossen war, der Anschluss an die überregionale Infrastruktur. Die Strecke wurde nach langer Planung 1900 eingeweiht. Im Volksmund wurde sie „Valtinche“ genannt, nach dem Fuhrmann Valentin, der diese Strecke vorher befuhr, um Milch von den umliegenden Bauernhöfen nach Nierstein zu bringen. Die 10,3 km lange Strecke bestand bis 1960. [Anm. 41] Konrad Adenauer besuchte 1957 das Kurfürstliche Schloss in Mainz zu einer Wahlkundgebung. Auf dem Rückweg befuhr er ab Nierstein die Bahnstrecke nach Köngernheim und übernachtete vom 1. auf den 2. August 1957 in Dexheim. [Anm. 42] Die Bahnstrecke sowie das Bahnhofsgebäude, das sich auf dem Gelände des heutigen Kinderspielplatzes befand, wurden 1974 abgerissen, die Bahnstrecke zu einem Wirtschafts-und Fahrradweg ausgebaut.

Rheinhessen zählt mit zu den wärmsten und trockensten Gebieten Deutschlands, was eine intensive agrarische Nutzung bereits in der Frühgeschichte ermöglichte. Vor allem der Wein-und Obstanbau wurde hiervon begünstigt. In Dexheim ist der Weinanbau bereits seit dem 8. Jahrhundert in Urkunden belegt. In den 1950er Jahren setzte ein, für viele rheinhessische Dörfer typischer, Strukturwandel ein: anstelle der ursprünglich 32 existieren heute noch 19 Weinbaubetriebe. [Anm. 43] Der Weinbau prägt bis heute das Erscheinungsbild Dexheims: von den rund 583ha, die Dexheim heute umfasst, werden 166ha als Rebland bewirtschaftet. [Anm. 44]  Dexheim liegt zudem im größten deutschen Weinanbaugebiet, welches eine Rebfläche von rund 26.000 Hektar umfasst und den Namen Rheinhessen bis heute beibehalten hat. Als politische Einheit ist Rheinhessen seit der Auflösung aller Regierungsbezirke im Zuge der Umstrukturierung der rheinland-pfälzischen Landesverwaltung im Jahr 2000 nicht mehr existent. [Anm. 45]

0.9.Dexheim in der Moderne

Das Backhaus von 1656 dient heute dem Vereins-und Gemeinschaftsleben.[Bild: Harald Strube]

1972 wurde die Gründung der Verbandsgemeinden eingeleitet. Im Zuge dessen kam Dexheim zur Verbandsgemeinde Nierstein-Oppenheim. Seit der Zusammenlegung der Verbandsgemeinden Nierstein-Oppenheim und Guntersblum im Jahr 2014 gehört Dexheim der neu gegründeten Verbandsgemeinde Rhein-Selz an.

Gefördert durch ein schnelles Wachstum entstanden zahlreiche Vereine, die das Gemeindeleben bis heute gestalten und prägen. [Anm. 46]  Seit 1982 befindet sich auch das historische Backhaus von 1656 in Gemeindebesitz. Nach umfangreichen Renovierungen steht es heute dem Vereins-und Gemeinschaftsleben wieder zur Verfügung. Dank der Initiative des Dexheimer Geschichtsvereins e.V. wurde zudem der Torturm des ehemaligen Schlosses wieder instandgesetzt. Neben der Nutzung als Vereinsheim ist hier zudem ein Heimatmuseum untergebracht, welches Exponate mit Bezug zur Dexheimer Geschichte ausstellt. 

 

0.10.Bevölkerungsentwicklung

JahrBevölkerung
1687182
1784323
1794407
1815473
1830638
1900737
1939740
1950927
1961791
1970793
19871.023
19941.311
20011.496
20091.574
20161.467
[Anm. 47]

Nachweise

Verfasser: Jessica Boller 

Redaktionelle Bearbeitung: Sarah Traub, Simeon Thomas Pfeiffer

Verwendete Literatur:

  • Bertram, Ursula: Die Gefallenen von Dexheim. In: Dexheimer Geschichtsblätter 2014, S. 6-7.
  • Bertram, Ursula: Die evangelische Kirche St. Martin in Dexheim. In: Dexheimer Geschichtsblätter 2007, S. 18-25.
  • Blödel, Gerhard: Aus der Vorgeschichte Dexheims. Ein frühbronzezeitlicher Hortfund, der Dexheim in der Archäologie verewigte. In: Dexheimer Geschichtsblätter 2015, S. 27-30.
  • Blödel, Gerhard: Gemarkungswanderung „Von Steinbruch zu Steinbruch“. In: Dexheimer Geschichtsblätter 2010a, S. 4-7. 
  • Blödel, Gerhard: Teil 2 – Die Kelten in Dexheim. In: Dexheimer Geschichtsblätter 2010b, S. 26-27.
  • Blödel, Gerhard: Gemarkungswanderung „Vom Schinnerbrunnen zum Dalheimer Brunnen“. In: Dexheimer Geschichtsblätter 2009, S. 6-9.
  • Böhner, Kurt: Nierstein, Dexheim, Schwabsburg. In: Nördliches Rheinhessen. Ingelheim, Bingen, Bad Kreuznach, Alzey, Oppenheim, hg. v. Römisch-Germanischen Zentralmuseum Mainz, Mainz 1969 (Führer zu vor-und frühgeschichtlichen Denkmälern, Bd. 12), S. 237-246.
  • Brilmayer, Karl Johann: Rheinhessen in Vergangenheit und Gegenwart. Geschichte der bestehenden und ausgegangenen Städte, Flecken, Dörfer, Weiler und Höfe, Klöster und Burgen der Provinz Rheinhessen nebst einer Einleitung, Gießen 1905.
  • Dolata, Jens: „Ein reichlicher Fund“ in der Dexheimer Gemarkung im März 1863. In: Niersteiner Geschichtsblätter 10 (2004), S. 2-11.
  • Gallé, Volker: Rheinhessen. Blätter zum Land 68, Mainz 2015.
  • Klumbach, Hans: Rheinhessen zur Römerzeit. In: Nördliches Rheinhessen. Ingelheim, Bingen, Bad Kreuznach, Alzey, Oppenheim, hg. v. Römisch-Germanischen Zentralmuseum Mainz, Mainz 1969 (Führer zu vor-und frühgeschichtlichen Denkmälern, Bd. 12), S. 42-49.
  • Krieg, Jürgen: Dexheim. Ein Dorf verändert sich. In: Zwischen Rhein und Selz. Geschichte und Geschichten aus 40 Jahre Verbandsgemeinde Nierstein-Oppenheim 1972-2012, hg. v. Verbandsgemeinde Nierstein-Oppenheim, Oppenheim 2012, S. 88-91.
  • Krieg, Jürgen: Zur Geschichte der Anderson Barracks Dexheim. In: Dexheimer Geschichtsblätter 2011, S. 15-18.
  • Krieg, Jürgen (u.a.): Die Linden am Dexheimer Friedhof. In: Dexheimer Geschichtsblätter 2009, S. 24-28.
  • Krieg, Jürgen: Alter Bahnhof und das verschwundene „Valtinche“. In: Dexheimer Geschichtsblätter 2008a, S. 10-22.
  • Krieg, Jürgen: Der Dokumentenstein vom Dexheimer Schloss. In: Dexheimer Geschichtsblätter 2008b, S. 32-34.
  • Krienke, Dieter: Kreis Mainz-Bingen. Verbandsgemeinde Nierstein-Oppenheim, Worms 2011 (Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz, Bd. 18.3).
  • Mahlerwein, Gunter: Rheinhessen 1816-2016. Die Landschaft – Die Menschen, Mainz 2015.
  • Schiltz, Karl-Ludwig: 100 Jahre Maria-Himmelfahrt. Einweihung durch Bischof Kirstein im September 1912. In: Dexheimer Geschichtsblätter 2012, S. 30-35.
  • Stein, Johanna: Stolperstein für einen Dexheimer. Kornsand-Opfer Georg Eberhardt. In: Dexheimer Geschichtsblätter 2013, S. 26-28.
  • Stein, Johanna: Die Kelten – eine Spurensuche. In: Dexheimer Geschichtsblätter 2011, S. 1-7.
  • Tamm, Gerd Ulrich: Konrad Adenauer übernachtet in Dexheim. In: Dexheimer Geschichtsblätter 2015, S. 44.
  • Tamm, Gerd Ulrich: Dexheimer Bürger unter den Kornsand-Opfern vom 21. März 1945. In: Dexheimer Geschichtsblätter 2010, S. 33-35.
  • Wernher, Hellmut: Schon vor 6.000 Jahren besiedelt. Die wechselvolle Geschichte zwischen Rhein und Selz. In: Zwischen Rhein und Selz. Geschichte und Geschichten aus 40 Jahre Verbandsgemeinde Nierstein-Oppenheim 1972-2012, hg. v. Verbandsgemeinde Nierstein-Oppenheim, Oppenheim 2012, S. 10-12.
  • Würz, Markus: Der Aufstieg der NSDAP in Rheinhessen 1922 bis 1933. In: Rheinhessen – Identität – Geschichte – Kultur, hg. v. Michael Mattheus, Stuttgart 2016 (Geschichtliche Landeskunde, Bd. 72), S. 151-163.

Aktualisiert am: 04.09.2018

Anmerkungen:

  1. Blödel, 2015, S. 28; Krienke, 2011, S. 68.  Zurück
  2. Blödel, 2010b, S. 26.  Zurück
  3. Stein, 2011, S. 2. Zurück
  4. Krienke, 2011, S. 68.   Zurück
  5. Klumbach, 1969, S 42. Zurück
  6. Dolata, 2004, S. 3.  Zurück
  7. Blödel, 2009, S. 6f. Zurück
  8. Blödel, 2010a, S. 5f. Zurück
  9. Krienke, 2011, S. 68. Zurück
  10. Blödel, 2010a, S. 7. Zurück
  11. Böhner, 1969, S. 244; Krienke, 2011, S. 68. Zurück
  12. Brilmayer, 1905, S. 100. Zurück
  13. Bertram, 2007, S. 18. Zurück
  14. Brilmayer, 1905, S. 100; Krienke, 2011, S. 68. Zur Namensetymologie siehe zudem Greule, Albrecht: Die Ortsnamen Nierstein, Dexheim und Schwabsburg. In: Nierstein. Beiträge zur Geschichte und Gegenwart eines alten Reichsdorfes, hg. v. Hildegard Friess-Reichmann und Sigrid Schmitt, Alzey 1992, S. 96-97.  Zurück
  15. Böhner, 1969, S. 244. Zurück
  16. Brilmayer, 1905, S. 101. Zurück
  17. Krieg, 2008b, S. 33. Zurück
  18. Wernher, 2012, S. 100; Brilmayer, 1905, S. 100; Krienke, 2011, S. 68.   Zurück
  19. Krienke, 2011, S. 69. Zurück
  20. Krienke, 2011, S. 69. Zurück
  21. Krienke, 2011, S. 76. Zurück
  22. Wernher, 2012, S. 12; Mahlerwein, 2015, S. 103. Zurück
  23. Krieg, 2009, S. 24 sowie S. 28. Zurück
  24. URL: https://www.regionalgeschichte.net/rheinhessen/aktive-in-der-region/dexheimer-geschichtsverein-ev/dexheimer-geschichte-und-geschichten/ein-querschnitt-durch-die-geschichte-dexheims.html (Letzter Aufruf 29.08.2018). Zurück
  25. Gallé, 2015, S. 2. Zurück
  26. Wernher, 2012, S. 12. Zurück
  27. Krieg, 2012, S. 88. Zurück
  28. Schiltz, 2012, S. 32ff.  Zurück
  29. Bertram, 2014, S. 6. Zurück
  30. Würz, 2016, S. 151f. Zurück
  31. Würz, 2016, S. 158f. Zurück
  32. Würz, 2016, S. 159f. Zurück
  33. Bertram, 2014, S. 6f. Zurück
  34. Krieg, 2012, S. 89. Zurück
  35. Bertram, 2007, S. 23 sowie Schiltz, 2012, S. 34. Zurück
  36.  Weiterführende Informationen zur Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum finden sich unter http://www.alemannia-judaica.de/index.htm. Dort sind u.a. Einträge zu Nierstein, Oppenheim und Dalheim vorhanden, ein Eintrag zu Dexheim existiert nicht. Zurück
  37. Brilmayer, 1905, S. 100. Zurück
  38. Tamm, 2010, S. 33; Stein, 2013, S. 26f. Zurück
  39. Krieg, 2011, S. 15. Zurück
  40. Krieg, 2011, S. 17f. Zurück
  41. Krieg, 2008, S. 15. Zurück
  42. Krieg, 2008, S. 18; Tamm, 2015, S. 44. Zurück
  43. Krieg, 2012, S. 88. Zurück
  44.  URL: http://www.dexheim.de/de/heute.html (Letzter Aufruf 24.08.2018)  Zurück
  45. Gallé, 2015, S. 19. Zurück
  46. Krieg, 2012, S. 90f.  Zurück
  47. Daten bis einschließlich 1900 aus Krienke, 2011, S. 68-70; Daten ab 1939 aus http://infothek.statistik.rlp.de/MeineHeimat/tscontent.aspx?id=103&l=3&g=0733907011&tp=1026&ts=tsPop01 (Letzter Aufruf 04.09.2018) Zurück