Die Wallertheimer Effen
STATION 11
„Effe“ ist der im Rheinhessischen gebräuchliche Name für die Ulme, hierzulande meist eine Flatterulme (Ulmus laevis, früher Ulmus effusa). Diese Bäume werden bis zu 35 m hoch und liefern ein sehr gutes, zähes Holz („Rüster“). Hiesige Ulmen haben oft einen interessanten geschichtlichen Hintergrund! So ist z.B. bekannt, dass sie oft Begräbnisstätten aus der Frankenzeit (5. Bis 7. Jahrhundert) kennzeichnen (s. Text Rolf Raible). Ob dies damit zusammenhängt, dass die Ulme schon im antiken Griechenland als Baum des Todes und der Trauer galt (s. Wikipedia „Ulmen“), ist aber wohl eher unwahrscheinlich.
Wallertheim besaß im Mittelalter keine befestigte Dorfumwehrung, wie z.B. Armsheim. Dazu war Wallertheim wohl nicht bedeutend genug. Nichtsdestotrotz war der Ort von einem Wassergraben und einem „Effenkranz“ umgeben, wie viele andere Dörfer Rheinhessens. Diese Effen standen auf einem Wall und waren i.d.R. eng gepflanzt, so dass kein Pferd hindurchkonnte. Dieser Dorfgraben wurde stets gepflegt, denn er wurde noch im Jahre 1700 von sogenannten "Seegräbern" vor der Verlandung bewahrt, also regelmäßig in seiner Breite und Tiefe erhalten. Auch war es bei Strafe verboten, einen Steg zu errichten, also z.B. ein Brett darüber zu legen. Über den Graben und durch den Effenkranz führten drei Pforten, heute noch kenntlich in den Namen Oberport (zur Neustraße hin und in die Bahnhofstraße überleitend), Stegport (Steggasse in Richtung Schimsheimer Straße) und Wasserport (nach Gau-Weinheim führend). Die Pforten waren von Torwächtern bewohnt, welche die Tore täglich öffneten und schlossen. Der „Effengarten“ ist ein noch heute erhaltener Flurname. Er lag nahe der Wasserport gleich links am Weg nach Gau-Weinheim. Der Name dieses Feldes zwischen Dorfgraben und Wiesbach erinnert wohl an die Effen, die dort am Grabenrand gestanden haben.
Noch im Jahre 1770 standen auch Ulmen am Dorfgraben vor der Stegport. Überreste des Grabens sind nicht mehr vorhanden. Nach allem, was betreffs der Gräben sowie den zahlreichen Bäumen an ihren Rändern, auf der Dorfgasse, am Rathaus, auf dem Clappes und in den Gerichtsakten der Gemeinde Wallertheim zu finden ist, bot das Dorf dem Auge ein ganz anderes Bild als heute. Es lag um 1600 und später noch im dichten Kranze seiner Effen, und selbst zwischen seinen Giebeln und Dächern lugte das Grün verschiedener Baumgruppen hervor.
Erwähnenswert sind aber vor allem zwei einzelne, inmitten des Dorfes gepflanzte Effen. Die eine, genannt die Freiheitseffe, wurde vermutlich 1792 anlässlich der „Befreiung“ der rheinischen Lande durch französische Truppen auf dem Marktplatz gepflanzt, quasi am Vorabend der „Mainzer Republik“ oder damit im engeren Zusammenhang stehend. Eine weitere, 1813 anlässlich der Befreiung von der napoleonischen Herrschaft gepflanzt, stand am Kirchplatz.
Diese beiden Bäume – vor allem das Exemplar am Marktplatz muss mit 1,80 m Durchmesser sehr beeindruckendes gewesen sein – litten irgendwann an Altersschwäche und an der Ulmenkrankheit. Das Entfernen abgestorbener Teile, die herunter zu fallen drohten, war bereits eine Arbeit, die einiges an Wagemut erforderte (Heimatzeitung 1922 (3) S.12: Beherzter Wallertheimer entfernt morsches Geäst aus der „Obergässer Effe“). Insbesondere weil durch einen Blitzeinschlag stark geschwächt musste die Freiheitseffe dann leider beseitigt werden. Die Fällung der Freiheitseffe geschah am 1. März 1932. Diese Begebenheit erfolgte unter starker Anteilnahme der Bevölkerung und wurde auch fotografisch dokumentiert. Auch in der Wallertheimer Heimatzeitung (Ausgabe 1932 (3) S. 9 ff.) wurde sie ausführlich beschrieben. Um den gewaltigen Baum fachgerecht und ohne Schaden für die Häuser am Marktplatz zu fällen, musste erst ein Holzarbeiter „aus dem Bayrischen“ verpflichtet werden, also wohl aus der damals bayrischen Pfalz. Zusammen mit seinen Helfern benötigte er acht Stunden für seine Arbeit.
Einige Jahre später folgte auch die Effe auf dem Kirchplatz.