St. Peter und Paul in Westhofen
An der Stelle, die heute die katholische Kirche St. Peter und Paul einnimmt, lag der Friedhof Westhofens. In unmittelbarer Nähe stand im Mittelalter eine kleine Friedhofskapelle, die dem Hl. Erzengel Michael geweiht war und die 1496 im Wormser Synodale genannt wird. An sie war ein kleines Beinhaus angebaut.[Anm. 1] Während der wiederholten Zerstörung Westhofens im Dreißigjährigen Krieg wurde die Kapelle wohl schwer beschädigt und nach Ende des Kriegs aufgegeben. Die Kapelle wurde zum Steinbruch und ihre Steine für andere Bauten wiederverwendet.[Anm. 2]
Mit der kurpfälzischen Kirchenteilung von 1705 ging die bis dahin simultan genutzte Kirche Westhofens in den alleinigen Besitz der reformierte Gemeinde.[Anm. 3]Die Mutterkirche der Katholiken Westhofens wurde die Kirche in Monzernheim. Der katholische Pfarrer blieb wegen der großen Gemeinde – damals 212 Katholiken – im Pfarrhaus von Westhofen. Den katholischen Christen wurde im Rathaus auf dem Gänsemarkt ein Kapellenraum zur Verfügung gestellt. Darüber berichtet Oberfauth Pattberg am 18. November 1755: Alß Ehedessen bey vorgewesener Kirchen=Theilung denen reformierten die allhiesige Kirch zu Theill gefallen, so ist das Dahemahlen gantz alte hiesige Rath=Haus...zur Haltung ihres Gottesdienstes denen Catholischen angewiesen worden; Weillen Mann dann aus lauther Forcht des zu befahrenden umbfalls in sothanes rath=Hauß nicht länger gehen konnte, so beschlossen die Katholiken eine neue Kirche zu erbauen. Da die Liebfrauenkirche auf dem Kirchhof gantz unbrauchbar, auch zu weit vom Flecken abgelegen war, so ließ Pfarrer Johannes Heinrich Barck den Neubau errichten in anno 1712.[Anm. 4]Der Zustand war also nicht befriedigend, da der Raum baufällig war und deshalb nur unter schwierigen Bedingungen die Hl. Messe gefeiert werden konnte. Die Gemeinde wäre in die alte Liebfrauenkirche ausgewichen, von ihr stand aber nur noch eine Ruine und sie lag außerdem sehr abgelegen am Ortsrand. Eine Wiederherstellung der Kirche wäre mit hohen Kosten verbunden gewesen, was die kleine Gemeinde nicht leisten konnte. Bis 1712 musste sich die katholische Gemeinde im Rathaus versammeln, dann entschied sich der amtierende katholische Priester Johannes Heinrich Barck (Amtszeit: 1702–1714) eine ganz neue Kirche zu bauen. Als Bauplatz wurde die Stelle der abgetragenen Friedhofskapelle St. Michael zur Verfügung gestellt. Die Bauzeit der Kirche ist heute noch in einem Chronogramm über der Eingangstür ablesbar. Die Inschrift des Chronogramms lautet: Ab aeterne pater rpgp te Miserere peCantIs Da nVLLae pererant oVes et pastor – Io. Henr. Barck p.t. decanus et pastor post reintroductionem rel. cath. primus.[Anm. 5]Auf dem Türrahmen steht ebenfalls eine Inschrift: En peCCator DoMVs refVgII.[Anm. 6]Der Kirchbau wurde aus Almosen finanziert. Die Unterhaltung der Kirche oblag der geistlichen Administration in Heidelberg. Die Kirche erhielt in den Folgejahren ihre Ausstattung. Zu den aus der Erbauungszeit stammenden und im Verlauf des 18. Jahrhunderts noch erhaltenen Objekten gehört eine Monstranz von 1712.[Anm. 7]Die Orgel wurde um 1750 von Johann Nikolaus Stumm (1694–1769) erbaut.[Anm. 8]
Des Weiteren existiert eine aus Holz geschnitzte Figur der Maria Immaculata, die dem Mainzer Bildhauer Johann Georg Biterich zugeschrieben wird und wohl aus den 1770er Jahren stammt.[Anm. 9]Sie befindet sich gegenwärtig im Pfarrhaus. Die Figur Mariens in Westhofen gilt als eine der Schönsten im Oeuvre von Johann Georg Biterich und zeichnet sich durch ein sehr schön proportioniertes Gesicht und elegantem Faltenwurf der Kleidung sowie feinem langen Haar aus. Pfarrer Ebersmann spricht in seinen Ausführungen über die Muttergottesstatue als eine sehr ansehliche Barockarbeit.[Anm. 10]
Die von Ebersmann noch 1909 aufgeführten Epitaphien sind mit einer Ausnahme nicht mehr in der Kirche vorhanden. Allein das Denkmal zu Ehren des Pfarrers Johann Peter Götz (1679–1723) steht noch in einem sehr guten Zustand an der Südwand unter dem Bildnis des Hl. Wendelin. Die lateinische Inschrift lautet: Ioannes Petrus Gotz Bingensis. Anno 1723 II ma die Nov. obiit pie in Domino ad modum reverendus et doctissimus D: Dominus Ioas Petrus Gotz Bing: cler: scec: in comunis sacerdos loci huius pastor vigil venerabilis cap Dalsheimensis quondam decanus natus erat Bingae ao:1679:21:Novemb: cuius anima requiescat in pace.[Anm. 11]
In einem Brief vom 22. Juni 1746 warnt der Werkmeister Kuntzelmann, dass wegen des Kellergewölbes – damit ist das ehemalige Beinhaus gemeint – die Kirche ruinös werde. Die Schäden wurden zwar repariert, jedoch zeigten sich keine 50 Jahre später neue Schäden, so dass die kurpfälzische Regierung beschlossen hatte, eine neue Kirche bauen zu lassen. Zudem war die Kirche für die angewachsene Gemeinde zu eng geworden. Das Vorhaben wurde, durch die Umwälzungen der Französischen Revolution bedingt, nicht ausgeführt. 1810 war die Kirche einstürzgefährdet, so dass 1811 vom Bischöflichen Vikariat in Worms bei Herrn Pfarrer Johannes Mons (Amtszeit: 1810-1822) verfügt wurde, dass die Werktagsmesse nicht mehr in der Kirche sondern im Pfarrhaus gelesen wurde. An Sonn- und Feiertagen sollten die Gläubigen in die Kirche nach Monzernheim oder in die umliegenden Ortschaften gehen, wo es katholische Kirchen gab.[Anm. 12]1812 wurde von katholischen Kirchenvorstand sogar zusammen mit den Reformierten und Lutheranern ein Vertrag geschlossen, der es den Katholiken gestattete die reformierte und lutrherische Kirche in Westhofen vierteljährlich für eine liturgische Handlung zu nutzen. Dieser Zustand hielt bis 1822 an und die katholische Kirche stand unbenutzt da. Da der Unterhalt der kurpfälzischen Administration durch die Auflösung des Staates weggefallen war, musste die Kirche durch Almosen finanziert werden. Dafür wurde eine Kollekte in Westhofen initiiert, die 303 fl. 31 kr. einbrachte. Mit dem Gesamtpreis von 403 fl. 19 kr. Wurde die Kirche wieder instandgesetzt. Am 22. Oktober 1822 gab das Ordinariat in Mainz die Erlaubnis zur Benediktion der Kirche. Sie war 60 Schuh lang und 30 Schuh breit und endete im Osten in einem dreiseitig geschlossenen Chorraum. Die Kirche erhielt eine Flachdecke. Von den drei Altären, die in der Kirche standen, behielt man nur den Hochaltar bei. Die Nebenaltäre zu Ehren der Muttergottes und des Hl. Johannes Nepomuk (um 1350-1393) wurden entfernt. Bis 1866 hatte die Kirche nur einen Hochaltar bis dem Wunsch der Gemeinde stattgegeben wurde, einen neuen Seitenaltar zu Ehren der Muttergottes aufzustellen. Dieser wurde in der Werkstatt von G. Ebinger in Worms gefertigt wurde. Der Altar stand wieder an derselben Stelle, wo ehedem der Marienaltar stand. Eine Kanzel stand auf der Epistelseite.[Anm. 13]
1892 war die katholische Kirche von Westhofen abermals zu klein geworden und fasste kaum noch die gesamte Gemeinde. So wurde die Erweiterung der Kirche nach Osten hin beschlossen. Damit verbunden wurde auch eine tiefgreifende Renovierung. Den Umbau und die Renovierung leitete der bischöfliche Baumeister Joseph Lukas aus Mainz. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 18.902, 61 RM.[Anm. 14] Das Dach mit dem kleinen Türmchen und der Ostchor wurden niedergelegt. Im Osten wurde ein größerer Chor mit zwei Seitenapsiden gebaut. Die Kirche erhielt ein neues Dach und den heutigen Dachreiter. Der Innenraum wurde prächtig und farbenfroh durch den Westhofener Maler Peter Wagner gestaltet. Es wurden neue Altäre aufgestellt, allerdings noch ohne Altaraufbauten.[Anm. 15]Am 9. August 1984 wurde die fertiggestellte Kirche durch den Mainzer Bischof Paul Leopold Haffner (1829-1899; Amtszeit: 1886-1899) konsekriert. In den neuen Hochaltar wurden Reliquien der Hl. Märtyrer Bincentius (wohl Vinzentius), Donatus und Modesta eingeschlossen. In den darauffolgenden Jahrzehnten erfolgte die schrittweise Verschönerung der Kirche durch notwenige Neuanschaffungen wie z.B. die Kreuzwegstationen, die 1904 von Wohltätern der Gemeinde anlässlich der Volksmission gestiftet wurden oder ein 1909 im neugotischen Stil gefertigter Taufstein.[Anm. 16]
Die Altäre der Kirche hatten bis 1919 keine Retabelaufbauten. Sie wurden dann bei der Werkstatt von Georg Busch d.J. (1862-1943) in Steinheim am Main in Auftrag gegeben und aufgestellt. Im teilvergoldeten, polychromen und filigran geschnitzen Hochaltarretabel nehmen biblische Szenen Bezug auf das Hl. Meßopfer. Aus dem Alten Testament ist das die Szene des Opfers des Melchisedech, aus dem Neuen Testament das letzte Abendmahl. Thronend über dem Tabernakel sitzt der Herr Jesus Christus mit ausgebreiteten Armen und sein göttliches Herz zeigend. Ihn flankieren zwei Engel. Im Mittelteil des Retabels zu beiden Seiten des Tabernakels stehen wachend vier Heilige. Es sind innen die zwei Kirchenpatrone, die Hll. Apostel Petrus (gest. um 65) und Paulus (gest. um 65). Links außen steht die Hl. Katharina von Alexandria (gest. um 300) in fürstlichem Gewand und Krone sowie das Rad zu ihrer linken. Rechts außen steht der Kirchenpatron von Heßloch, der Hl. Jakobus der Ältere (gest. um 44). Der alte Marienaltar von 1866 war wohl bereits während der Erbauungszeit der aktuellen Kirche weggeschafft worden. Er wurde in der Kapelle des Schwesternhauses neu aufgestellt.[Anm. 17] Die in der Kirche aufgestellten Heiligenfiguren sind alle im neugotischen Stil gehalten. Sie stammen wohl vom Beginn des 20. Jahrhunderts.[Anm. 18] Die Heiligenfiguren auf den Seitenaltären stellen die Altarpatrone dar. Der Hl. Joseph steht auf dem Altar der Epistelseite. Eine Skulptur der Muttergottes mit dem Jesuskind steht auf dem gegenüberliegenden Altar. Sie ist eine Besonderheit, da sie eine in Holz ausgeführte dreidimensionale Version der Ikone der Immerwährenden Hilfe ist. Nahe bei den Altären stehen der Hl. Antonius von Padua (um 1195-1231) und der Hl. Aloysius von Gonzaga (1568-1591). Über dem Epitaph des Pfarrers Götz steht auf einer Konsole der Patron der Hirten, der Hl. Wendelin (gest. um 617). Vor einer Skulptur der Pietà zünden die Kirchenbesucher Kerzen an und bitten um Fürsprache.
Die katholische Kirche von Westhofen, obwohl man versucht hat zu suggerieren, dass sie eine einheitliche Kirchenausstattung aus der Zeit der letzten Erweiterung hat, wird dem wachsamen Auge ihre bewegte Geschichte über die Jahrhunderte mitteilen können.
Nachweise
Verfasser: Alexander Wißmann M.A.
Verwendete Literatur:
- Döry, Ludwig Baron: Der Mainzer Bildhauer Johann Georg Biterich (1724–1789), in: Mainzer Zeitschrift 76, 1981, S. 59–75.
- Ebersmann, Jakob: Geschichte von Westhofen, Monzernheim und Blödesheim, Worms 1909.
- Ecker, Diana: Kirchen, Kapellen & Heiligenhäuschen. Katholische Glaubensorte in Rheinhessen, Bad Kreuznach 2016.
- Grünewald, Christoph Julius Johannes: Von Westhofener Häusern und Leuten, Westhofen 1984.
- Wormser Synodale. Registrum synodale omnium et singularum ecclesiarum ruralium Wormatiensis dioecesis. Heidelberg? 16.-18. Jahrhundert. Universitätsbibliothek Heidelberg. Online aufrufbar auf: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/heidhs131/0081
- Wörner, Ernst: Kunstdenkmäler im Großherzogthum Hessen. Provinz Rheinhessen. Kreis Worms, Darmstadt 1887.
Aktualisiert am: 03.04.2017
Anmerkungen:
- Siehe Ebersmann 1909, S. 43 sowie Wormser Synodale, S. 73. Zurück
- Siehe Grünewald, S. 49f. Zurück
- Siehe a.a.O., S. 50. Zurück
- Ebersmann 1909, S. 43. Zurück
- A.a.O., S. 44. Ewiger Vater, ich bitte Dich, erbarme Dich des Sünders; gib, dass keine Schäflein verloren gehen und auch nicht der Hirte. Johann Heinrich Barck, z.Z. Dekan und erster Pfarrer nach Wiedereinführung der katholischen Religion. Zurück
- Ebd. Siehe da, o Sünder, das Haus deiner Zuflucht. Zurück
- Siehe a.a.O., S. 46. Zurück
- Siehe Ecker 2016, S.252. Zurück
- Siehe Döry 1981, S. 61. Zurück
- Siehe Ebersmann 1909, S. 46. Zurück
- Siehe ebd. Am 11. November starb fromm in dem Herrn der hochwürdige und gelehrte Herr Johann Peter Götz aus Bingen, Mitglied der in Gemeinschaft lebenden Weltpriester, Priester und wachsamer Pfarrer dieses Ortes, ehemals Dekan des ehrwürdigen Dalsheimer Kapitels. Er war geboren zu Bingen am 21. November 1679. Möge seine Seele in Frieden ruhen. Zurück
- Siehe a.a.O., S. 44. Zurück
- Siehe a.a.O., S. 45. Zurück
- Siehe ebd., S. 45. Zurück
- Siehe Grünewald 1984, S.52 Zurück
- Siehe Ebersmann 1909, S. 46. Zurück
- Ebersmann erwähnt, dass der Marienaltar sich gegenwärtig im Schwesterhaus befinde (1909). Siehe ebd. Zurück
- Siehe Ecker 2016, S. 252. Zurück