Wörrstadt in Rheinhessen

Das ehemalige Tagelöhnerhaus

Ehemaliges Tagelöhnerhaus. Errichtet um 1750. Auf Initiative des Kulturkreises Wörrstadt e.V. restauriert und erhalten.
Ehemaliges Tagelöhnerhaus. Errichtet um 1750. Auf Initiative des Kulturkreises Wörrstadt e.V. restauriert und erhalten.[Bild: Waltraud Zorn [CC BY-SA 4.0]]

Das Tagelöhnerhaus in Wörrstadt entstand um 1750 als eingeschossiges Fachwerkhaus, der weniger wohlhabenden Bevölkerungsschicht des Ortes. Das Haus befindet sich auf einem Natursteinfundament und ist nicht unterkellert. In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Gebäude umgebaut und die maroden Fachwerkaußenwände durch neue Wände aus Lehm- und Backsteinen ersetzt. Der Giebel des Hauses besteht noch immer aus Fachwerk. Bis 1983 wurde das Tagelöhnerhaus als Wohnhaus genutzt, bevor es als Denkmal vom Wörrstädter Kulturkreis e.V. übernommen und nach Denkmalschutzrichtlinien restauriert wurde.

Nachdem die Bevölkerung der rheinhessischen Ortschaften durch Kriege und Krankheiten im 17. Jahrhundert stark dezimiert wurde, führte eine hohe Geburtenrate und stetige Zuwanderung zu einem großen Bevölkerungsanstieg im 18. Jahrhundert. Mit der wachsenden Bevölkerung veränderte sich auch die Sozialstruktur der einzelnen Ortschaften. Während 1721 nur durchschnittlich 47% der Bevölkerung der Unterschicht angehörten, stieg der Anteil bis 1797 auf 70% an. Die Unterschicht verdiente ihren Unterhalt durch Tagelohn bei den örtlichen Landwirten, ungelerntem Handwerk und einem geringen Landbesitz, der nicht zur Subsistenzwirtschaft ausreichte.

Obwohl ein großer Anteil der Bevölkerung dieser unteren Vermögensschicht angehörte, finden sich heute nur noch selten Zeugnisse von ihren Lebensumständen. Viele Unterkünfte der Unterschicht wurden im Verlauf des 19. Jahrhunderts abgerissen oder um ein oder zwei Stockwerke aufgestockt. Aus diesem Grund ist das in Wörrstadt erhaltene Tagelöhnerhaus ein Zeugnis eines fast vollständig verschwundenen Haustyps.

Durch eine Zeitungsnotiz im Jahr 1989 wurde der Kulturkreis Wörrstadt e.V. auf das vom Abriss bedrohte Tagelöhnerhaus aufmerksam. Eine förmliche Unterschutzstellung des wissenschaftlich interessanten Hauses fand im Frühjahr 1990 statt. 1992 kaufte die Kreisverwaltung Alzey-Worms das Anwesen auf und das Haus wurde endgültig unter Denkmalschutz gestellt. In den folgenden Jahren konnten zunächst nur provisorische Arbeiten am maroden Haus durchgeführt werden, um den Verfall des Hauses zu verhindern. Dies änderte sich, als Ende 1993 Franz Schmand das Haus der Kreisverwaltung abkaufte. In der Folge konnte mit den dringend benötigten Restaurierungsarbeiten begonnen werden. Dabei wurden umfangreiche Untersuchungen durchgeführt und nichts verändert, ohne den Ursprungszustand zu dokumentieren. Bei den Untersuchungen ließen sich so Farb- und Putzschichten feststellen, die bis in die Entstehungszeit zurückdatiert werden können. Authentische Baummaterialien, alte Zimmermannszeichen und eine alte Herdstelle vermitteln Einblicke in die historische Bauweise.

Das Wörrstädter Tagelöhnerhaus ist jedes Jahr am Tag des offenen Denkmals für Besucher geöffnet.

Nachweise

Redaktionelle Bearbeitung: Jonathan Bugert

Verwendete Literatur:

Aktualisiert am: 11.10.2021