Das fränkische Reihengräberfeld
Das Zornheimer Reihengräberfeld lag zwischen der Oberen Pfortenstraße und der Freiherr-vom-Stein-Straße, also in typischer Lage für die Merowingerzeit auf einem ansteigenden Gelände dicht bei der Wohnsiedlung, die sich bei der heutigen katholischen Pfarrkirche befand.
1. Fundgeschichte
Die ersten erhaltenen Funde aus dem Gräberfeld wurden 1893 geborgen und vom Mainzer Altertumsmuseum angekauft. Die drei bemerkenswertesten Grabbeigaben waren ein schlanker Knickwandtopf, verziert mit zwei Rillenlinien und dazwischen einem Rollrädchenmuster aus kleinen Rauten [Abb. a], ein breiter Knickwandtopf mit zwei Reihen Rollrädchenzier [Abb. b] und ein doppelzeiliger Kamm [Abb. c].
Darüber hinaus gelangten in die Museumssammlung sieben Perlen [Abb. 12] und ein eiserner Ring [Abb. 11]. Nachgeliefert wurde noch ein zum Teil zerstörtes, vollständig oxidiertes Glasgefäß mit eingezogenem Hals [Abb. 7].
Beim Bau der Militärbahn vor dem Ersten Weltkrieg wurde im Juli 1914 das Gräberfeld angeschnitten. Die Funde aus den von der Militärbehörde aufgedeckten Gräbern übergab man dem Mainzer Altertumsmuseum: aus Grab 1: eine Eisenlanze und eine einschneidige Schwertklinge, ein sogenannter Sacramasa; aus Grab 2: eine Eisenlanze; aus Grab 3 (das kurze Zeit davor aus einem anstoßenden Acker bei der Anlage eines Spargelfeldes zerstört wurde): ein zerbrochener Knickwandtopf. Aus einem der Gräber stammen noch ein Schädel und die Hälfte eines Tongefäßes.
Nach Fundmeldung der Militärbehörde wurden unter Aufsicht eines Museumsassistenten auf einer Strecke von 30 m zwölf Grabstätten in einer Tiefe zwischen einem halben und einem ganzen Meter freigelegt. Sie waren in Ost-West-Richtung ausgerichtet und lagen in einer Entfernung von 3 bis 10 m voneinander. Außer einigen spärlichen Skelettresten enthielten sie keine Beigaben. Der Kriegsausbruch führte zum sofortigen Abbruch der Nachforschungen.
Weitere Grabfunde traten bei der Bebauung des Geländes zutage. Im Juli 1990 wurden bei der Ausschachtung eines Trockengrabens unmittelbar am Westfundament des Wohnhauses Obere Pfortenstraße 26 drei Grabschächte angeschnitten, die ebenfalls in Ost-West-Richtung ausgerichtet waren. In Grab 1 fand man ausschließlich Gebeine. Grab 2 enthielt ein Eisenfragment, eine einseitige Schwertklinge, die man Sax nennt [Abb. 6], und eine bronzene Niethaube [Abb. 10].
1992 wurde im selben Bereich durch das Landesamt für Denkmalpflege auf einer Fläche von ca. 2 m auf 5 m eine Nachuntersuchung durchgeführt. In einem Grabschacht fand man das Skelett eines Erwachsenen und als Beigabe eine bronzene Riemenzunge [Abb. 8]. Im Gelände wurde noch eine Lanzenspitze [Abb. 5] aufgelesen. Eine weitere Lanzenspitze [Abb. 4] fand man bei der Bauausschachtung des Familienhauses Obere Pfortenstraße 30 im Jahre 1994.
Der Vollständigkeit halber sei noch ein an der Landstraße nach Mommenheim Im Schemel gefundenes Bruchstück eines fränkischen Knickwandgefäßes mit Rollstempeldekor erwähnt. Da es sich um ein isoliertes Lesefundstück handelt, muss offenbleiben, wie das Tongefäß an den dortigen Fundort gelangte.
2. Zeitliche Einordnung der Grabfunde
Die Grabbeigaben aus dem Zornheimer Gräberfeld erlauben eine zeitliche Einordnung der Bestattungen und damit indirekt auf die der fränkischen Besiedlung.
2. Hälfte des 6. Jahrh.:
Tongefäß [Abb. 1], Glasgefäß [Abb. 7] und Lanzenspitze [Abb.4]
um 600:
Perlen [Abb. 12]
ab 600:
bronzene Niethaube [Abb.10]
610 - 640:
Tongefäß [Abb. 2], Lanzenspitze [Abb. 5], Schwertklinge [Abb. 6] und Riemenzunge [Abb. 8]
640 - 670:
Tongefäß [Abb. 3]
ohne sichere zeitliche Festlegung:
Kamm [Abb. 9] und Ring [Abb. 11]
3. Auswertung
Da die ältesten Beigaben bis ins mittlere 6. Jahrhundert zurückreichen, darf man die Gründung der Zornheimer Siedlung mit großer Sicherheit in dieser Jahrhunderthälfte ansetzen.
Die spärlichen Funde erlauben nur wenige Aussagen über die Kleidung der Bestatteten. Erhalten sind lediglich eine Riemenzunge und eine bronzene Niethaube, mit der man eine eiserne Gürtelplatte auf dem Leibgurt befestigte. An Waffen wurden zwei Lanzenspitzen und eine Schwertklinge (Sax) geborgen. Die in Farbe und Form unterschiedlichen sieben Perlen zeigen die damalige Vielfalt dieses Schmuckes, der von den Frauen vornehmlich als Kette um den Hals getragen wurde. Ob der zweireihige Kamm mit einer feinen und einer gröberen Zahnreihe ebenfalls einem Frauengrab zuzuordnen ist, muss offenbleiben, da solche Kämme auch in Männergräbern gefunden wurden. Waffen und Schmuck belegen, dass die damaligen Dorfbewohner der sozialen Schicht der Freien oder Minderfreien angehörten.
Was die Beerdigungssitten betrifft, wurde in Zornheim von Anfang an nicht mehr in der heidnischen Nord-Süd-Richtung, sondern in der vom Christentum eingeführten Orientierung mit dem Kopf nach Westen und dem Blick nach Osten bestattet. Auch das Fehlen von Beigaben in einigen Gräbern geht möglicherweise auf christlichen Einfluss zurück. Dennoch war man immer noch dem heidnischen Glauben verhaftet, wie der Brauch der Speisebeigaben belegt. Diese wurden meist in Knickwandtöpfen zu Füßen des Toten abgestellt. Deren Veränderungen in Form und Verzierung je nach Zeitgeschmack dokumentieren anschaulich die Zornheimer Funde. Insgesamt belegen Grabbrauch und Speisebeigaben eine Mischung von heidnischem und christlichem Gedankengut, wie sie typisch für das Christentum im Merowingerreich sind.
(Gottfried Kneib)
Nachweise
Verfasser: Gottfried Kneib
Redaktionelle Bearbeitung: Jonathan Bugert
Weiterführende Literatur:
- Gemeinde Zornheim (Hg.): 1200 Jahre Zornheim: 771 - 1971. Beiträge aus der Geschichte der Gemeinde, Zornheim 1971.
- Kneib, Gottfried: Zornheim. Geschichte eines rheinhessischen Dorfes. Zornheim 2016.
- Knöchlein, Ronald: Vorgeschichte - Römerzeit - Fränkische Zeit. Das Zornheimer Gebiet auf der Grundlage der archäologischen Quellen. In: Ochs, Heidrun (Hg.), Themenheft Zornheim, Neu-Bamberg 2015 (Mitteilungsblatt zur rheinhessischen Landeskunde Jg. 15), S. 5 - 21.
- Weitere Literatur
Aktualisiert am: 28.05.2021