St. Josefskapelle Görgeshausen
Im Auftrag des Erzbischofs Johannes Hugo von Trier wurde 1684 die Görgeshausener Filialkirche (St. Josef) vom Pastor in Niedererbach geweiht.[Anm. 1] Erzbischof Johann Hugo stimmte in einem Schreiben an den Pastor in Niedererbach dem Kapellenbau zu und vertraute diesem die Gemeinde und den römisch-katholischen Gottesdienst in Görgeshausen an. Gleichzeitig untersagte er ihm, einen weltlichen Priester oder einen Mönch (sacerdotem secularem vel regularem) dort Messe lesen zu lassen. Obwohl die Reformation im Trierischen Kirchenbereich wenig Auswirkungen zeigte, klingen hier Befürchtungen vor der Verbreitunghatte der »falschen Lehre« deutlich an.
Die Kapelle war ein kleiner Saalbau aus Fachwerk mit einem kleinen Haubendachreiter[Anm. 2] und besaß, so wird dies 1723 betont, weder Friedhof (coemeterio) noch Taufbecken (fonte Baptismali). Die Görgeshausener wurden auf dem Friedhof in Niedererbach begraben und in der St. Katharinakirche zu Niedererbach getauft, sofern nicht eine Haustaufe stattfand.
Für die Nutzung der Kirche und die Dienste des Pastors mussten die Görgeshausener der Niedererbacher Gemeinde bzw. dem dortigen Pastor bestimmte Gegenleistungen erbringen: z.B. Brennholz liefern, sich an Reparaturen der Pfarrkirche beteiligen, Fahnen für Prozessionen beisteuern und dem Pastor zu bestimmten Zeiten gestatten, seine Schweine zur Mast auch in die Görgeshausener Waldungen zu treiben. Als 1767 von einem Vertreter des Landkapitels Dietkirchen eine Visitation der Kirche in Niedererbach und der Kapelle in Görgeshausen vorgenommen wurde[Anm. 3], fand man in der Görgeshausener Kapelle lediglich zwei Messgewänder vor. Einen hauptberuflichen Vikar gab es zu dieser Zeit nicht. 1787 wird darauf hingewiesen, dass in der Filiale Görgeshausen monatlich bzw. an vereinbarten Terminen fundirte messen gelesen wurden. Jährlich war vor dem Niedererbacher Pastor und den Sendschöffen eine Abrechnung über Einkünfte und Ausgaben vorzulegen. Eine besondere Stiftung war in der Kapelle nicht vorhanden.[Anm. 4]
Aus dem Jahr 1832 existiert eine genaue Aufstellung der Vermögensverhältnisse der Kapelle zu Görgeshausen, die Pastor Johannes Simon Heibel angefertigt hatte.[Anm. 5] Das Aktiv-Vermögen der Kapelle (Gebäude, Gerätschaften etc.) betrug 1.853 Gulden und 14 Kreuzer. In der Kapelle befanden sich: Ein Altar, 2 Chorstühle nebst einem alten Beichtstuhl und Kommunikantenbank, 15 Kirchenstühle, 6 Stühle auf der Empore, eine Glocke im Wert von 150 Gulden. Diese Glocke sei Eigentum der Kapelle. Das Glockenspiel würde für die seltenen Gottesdienste, ansonsten mehr für das Zivilgeläut verwendet. Es befand sich keine Uhr an der Kapelle. Aufgeführt wurden dann ein Silberkelch mit vergoldeter Kuppel und einem Fußteil aus Messing (Wert 30 Gulden), 2 Blechleuchter, 2 Messkemchen [!], 2 Schellen, 4 Messgewänder, 2 Alben, 4 Altartücher, Kleines Weißzeug (6 Stück), 1 Messbuch, 2 Fahnen, 2 Gewirk (?) für die Messdiener sowie 1 Schrank.
Der Pastor schrieb, die von einem Schieferdach gedeckte Kapelle sei in einem sehr schlechten Zustand. Dabei erfährt man auch näheres über die Größe der Kapelle: Ihre Länge wurde mit 42 Schuh, die Tiefe mit 21, die Höhe mit 17, die Dachhöhe mit 12 Schuh und ihr Flächeninhalt mit 2 Ruthen 8 Schuh Länge und 1 Ruthe 6 Schuh Breite angegeben.
Für den Unterhalt der Kapelle hatten einige Bewohner aus Görgeshausen und Niedererbach Geld beigesteuert, das mit 5% verzinst wurde. Die Namen der Gläubiger aus Görgeshausen waren Joh. Bach, Christ Itmer, Joh. Schaaf Witwe, J. Jakob Schaefer, Adam Seck, Johannes Seck, Adam Simon Witwe, Johannes Simon d.J., Ad. Speyer Andreas Steth und Adam Zingel sowie einige Bewohner aus Niedererbach[Anm. 6] und Christ Weimar aus Hundsangen.[Anm. 7] Generell wurde die Finanzierung der Kapelle wie folgt sichergestellt. Sollten die Einnahmen für die Bestreitung der Kosten nicht ausreichen, mussten die Gemeindemitglieder Gelder zuschießen oder die notwendige Summe floss aus der Gemeindekasse.
Verbindlichkeiten entstanden der Kapelle aus Schreibgebühren des Rechnungsführers und der Besoldung des Kapellendieners (10 Kreuzer). Es wurde hinzugefügt, dass dieser Dienst unentgeltlich vom Lehrer vorgenommen würde. Hinzu kämen Kosten für den Ausbau und Reparaturarbeiten an dem Gebäude.
Nachdem sich die Görgeshausener Bürger 1952 eine neue Kirche gebaut hatten, wollte man die ausgediente Kapelle abreißen. Doch dazu gab es zunächst keine Abrissgenehmigung, da sie unter Denkmalschutz stand. In den letzten Tagen des Monats März 1958 wurde die alte ehrwürdige Kapelle schließlich doch abgebrochen. Wie sehr die Görgeshausener an dem vertrauten Bauwerk hingen, zeigt der Eintrag in der Schulchronik, den Lehrerin Hemming 1952 nach der Fertigstellung der neuen Kirche machte:
Vor meinem Fenster trauert das alte Kapellchen. Eben sprach ich eine alte Frau, die herauskam tränenden Auges: Leergebrannt ist die Stätte, meinte sie, gewiß, es muß ja sein, aber wenn man drin getauft worden ist, Hochzeit hatte, - es tut einem doch zu weh. Auch ich traure dir nach, altes Kapellchen... Wenn Deine Tür geöffnet war, konnte ich vom Zimmer aus den Tabernakel sehen; und diese nächste Nachbarschaft des lieben Herrgotts hatte etwas unendlich Beglückendes für unsere ganze Familie. Doch er wohnt ja nicht viel weiter. Möchten aus der neuen Kirche so viele Gnaden in die Gemeinde fließen, wie aus dir, altes Kapellchen!
Neubau der Kirche 1952
Schon vor dem 1. Weltkrieg gab es Pläne zu einem Kirchenneubau, doch wurde daraus nichts. 1932 gründete man einen Kapellenbauverein, der den Bau einer neuen Kapelle unterstützen sollte. Doch dann brach der Krieg aus und der Gemeinderat konnte sich erst nach Krieg mit dem Projekt befassen. E wurde einer neuer Steinbruch angelegt, um die richtigen Steine für das Gotteshaus zu erhalten.
Am 1. September 1948 besichtigte der Bischof den Bauplatz der neuen Kapelle. Am Kirmestag, dem 1. Mai 1949, wurde der Grundstein zur neuen Kapelle gelegt und die feierliche Handhabung im Beisein der ganzen Gemeinde und vieler Gäste durch Pastor Bellinger aus Niedererbach vorgenommen. Als Architekt konnte man den Diözesanbaumeister Johann Broer gewinnen, und in den darauffolgenden Jahren arbeiteten die Görgeshausener, Männer und Frauen, unentgeltlich in Tausenden von Arbeitsstunden an dem Bauwerk. Immer wieder mussten die Arbeiten unterbrochen werden, da das Geld für den Weiterbau fehlte.
In der Nacht zum Freitag dem 14. November 1952 wurde heimlich eine Glocke in den Turm gebracht, die am Sonnabend bei der Abendfeier zum ersten Mal läuten sollte. Am Vorabend der Einweihung zog vom Niedererbacher Weg ein von Musik begleiteter Fackelzug zur bereits festlich geschmückten Kirche, die von drei Scheinwerfern angestrahlt wurde. Bei einer kleinen Feierstunde mit Dankesansprachen erklang die Glocke zum ersten Mal. Anschließend traf man sich im Saal Kaiser. Bürgermeister Bendel ließ die Entstehung der Kirche noch einmal kurz Revue passieren und dankte dem Kapellenbauverein und anderen Förderern der Kirche.
Am Sonntagmorgen, dem 16. November 1952, nahmen die Görgeshausener mit einer letzten heiligen Messe, gehalten von Pastor Bellinger, Abschied von ihrer alten Kapelle, die zu dieser Zeit noch im Schatten der neuen Kirche stand. Die Feierlichkeiten an der neuen Kirche begannen um 9 Uhr. Als Priester und Konsekrator fand sich Prälat Merkel ein, der von Pastor Bellinger aus Niedererbach, dem Pfarrseelsorger von Görgeshausen, assistiert wurde. Prälat Merkel benedizierte das Haus und konsekrierte den Altar. Die Reliquien zweier römischer Märtyrer, des hl. Christian und der hl. Coelestina, wurden aus dem Gruppenraum der Kolpingfamilie, wo des Nachts die Reliquienwache gehalten worden war, in die Kirche gebracht und in die schwere Altarplatte aus Westerwälder Trachyt eingemauert. Während der sich anschließenden ersten heiligen Messe in der dem Schutzpatron St. Josef geweihten Kirche sang der MGV zusammen mit Frauen und Orchester unter der Leitung von Herrn Schäfer die »Deutsche Messe« von Franz Schubert. Danach begaben sich die Ehrengäste zu einem Festessen in die Gaststätte Münz. Seit diesem Tag müssen die Görgeshausener am Sonntag nicht mehr zur heiligen Messe nach Nentershausen (oder früher nach Niedererbach). Aus Anlass der Kircheneinweihung war der Montag schulfrei. Am 23. November 1952 fand die erste Trauung statt (Melitta Rörig und Wilhelm Weidenfeller) und wurde das erste Kind getauft (Renate Maria Münz).
Die Vollendung der neuen Kirche
Das alte Harmonium, das den Kirchensaal klanglich nicht mehr auszufüllen vermochte, hatte bald ausgedient. Am 31. Juli 1960 bekam die Kirche eine Orgel (15.000 Mark), die von den Gemeindemitgliedern finanziert und von der Firma Wagenbach aus Limburg gebaut wurde. Domkapellmeister Pabst aus Limburg kam, um die Orgel einzuweihen, und der bekannte Organist Freistühler aus Wirges durfte sie zum ersten Mal spielen. Zur Verschönerung des Gottesdienstes trugen zwei Lieder des MGV Concordia unter Leitung von Jupp Schäfer bei.
Nach anderthalbjährigen Renovierungsarbeiten, die größtenteils durch zahlreiche Gemeindemitglieder geleistet wurden, konnte die Kirche St. Josef in einem feierlichen Gottesdienst durch Pfarrer Toni Sode der Gemeinde wieder übergeben werden. Das frisch bemalte Gotteshaus erhielt eine neue Chorwand, ein neues Kirchenfenster, einen Anbetungswinkel mit Sakramentshäuschen, neue Tabernakeltüren und neue Dachbinder; der Altarraum wurde umgestaltet.
Hermann Gottfried, Künstler aus Bergisch Gladbach, schuf das Altarbild. Zusammengeklappt zeigt das einem mittelalterlichen Flügelaltar nachempfundene Werk den gekreuzigten Jesus mit den das Kreuz umstehenden Maria, Maria Magdalena auf der einen und Johannes auf der anderen Seite. Aufgeschlagen zeigt das dreiteilige Bild im Mittelteil den Ostermorgen mit Christus, der als Sieger über den Tod das Grab verlässt. Die linke Seite hat die Verkündigungsszene zu Bethlehem mit Maria und dem Erzengel Gabriel zum Inhalt, die rechte Seite die Taufe Jesu im Jordan durch Johannes den Täufer.
An der Nordseite des Gotteshauses fand eine von den Geschwistern Theo und Anneliese Degen aus Höhr-Grenzhausen aus heimischem Ton geschaffene, etwa einen Meter hohe Plastik des heiligen Josef, Namenspatron der Kirche, Platz. Zu seinen Füßen eine Abbildung der Kirche St. Josef.
Glockenweihe 1990
Erstmals in ihrer Geschichte nennt die dem heiligen Josef geweihte Kirche von Görgeshausen ein eigenes Geläut ihr Eigen. Für das seltene Ereignis der feierlichen Glockenweihe versammelte sich nahezu die gesamte Gemeinde vor der Kirche. Bei strahlendem Sonnenschein weihte Domkapellmeister Hans Bernhard im Auftrag von Bischof Franz Kamphaus die drei Glocken dem heiligen Josef, der Friedenskönigin Maria und der heiligsten Dreifaltigkeit.
Pfarrer Toni Sode eröffnete den Wortgottesdienst mit einem kurzen Rückblick auf die Geschichte der Glocken von Görgeshausen. So besaß schon die vormalige kleine Kapelle eine Glocke, die nach dem Krieg aber nicht mehr auffindbar war. Als Ersatz liehen sich die Görgeshausener eine Glocke vom Glockenfriedhof in Hamburg. Diese gehörte jedoch eigentlich der Kirche von Fröbel in Oberschlesien, an die sie zurückgegeben werden sollte. Außerdem gab es in Görgeshausen eine kleine Glocke vom ehemaligen Sankt-Vincenz-Krankenhaus in Limburg: da sie klanglich nicht zusammenpassten, konnten die beiden Glocken nie zusammen geläutet werden.
Nach der Weihe ließ der Domkapellmeister mit Hammerschlägen zum ersten Mal die Glocken erklingen, welche die folgende Inschriften tragen: »Maria Königin des Friedens«, »Heiliger Josef Schutzpatron bitte für uns« und »Zu Ehren der heiligsten Dreifaltigkeit«. Sie wiegen 456, 759 und 567 Kilogramm und sind für die Tonarten ais, fis und gis ausgelegt. Gegossen wurden sie in der Glockengießerei Rincker in Sinn.
Feierlich umrahmt wurde die Glockenweihe von den beiden Chören aus Görgeshausen, dem Männergesangverein und dem Frauenchor. Zum ersten Mal läuten sollten die Glocken beim Pfarrfest am 10. Juni 1990. Kurz vorher war der zum größten Teil in Eigenleistung entstandene neue Glockenstuhl montiert.[Anm. 8]
Verfasser: Stefan Grathoff
Veröffentlicht am: 01.06.2017
Verwendete Literatur:
Siehe das Verzeichnis: Quellen und Literatur
Anmerkungen:
- Daum, Geschichte S.9. Die Urkunde soll sich bei den Pfarrakten in Niedererbach befinden. Zurück
- Gensicke, Dorfchronik S.27. Zurück
- LHAKo Best. 1 C Nr.11311 pag. 211-213 vom Jahr 1767. Zurück
- HessStaWi Abt.116 Nr. III2d. Zurück
- HessStAWi Abt. 211 Nr.1072 vom Jahr 1832. Zurück
- Johannes Bach, Andreas Kelter, Jacob Kleer, Johannes Simon, Jacob Simon und Joh. Ställer. Zurück
- Am 4. August 1843 bestätigte Pastor J. Heibel, dass die Gelder zurückgezahlt worden seien. Zurück
- Westerwälder-Zeitung vom 6.6.1990. Zurück