Hachenburg im Westerwald

Die Pestkatastrophe von 1636

Bisher war Hachenburg mehrfach von Seuchen heimgesucht worden, die mehr oder wenige viele Opfer geforderte hatte. [zum Aufsatz von Volker Ecker] Diese Schicksalsschläge verblassten aber vor der  Pestwelle des Jahres 1636, die mehr als die Hälfte der Hachenburger Bevölkerung dahinraffte.
Vor allem die Pest setzte der Stadt mächtig zu. Das Sterben sei, so meldet das Hachenburger Totenbuch, so stark gewesen, dass man Särge auf dem Markt feilgeboten habe.[Anm. 1]
Damals herrschten unhaltbaren Zustände in Hachenburg. Zahlreiche Truppen der im "Großen Krieg" streitenden Parteien hatten sich in der Stadt einquartiert oder lagerten in ihren Zelten vor der Stadtmauer. Das Kommen und Gehen so vieler Soldaten, die unzähligen Flüchtlinge, die sich in den Straßen der Stadt drängten, verursachten den wirtschaftlichen und sozialen Kollaps der Stadt. Die ohnehin problematischen hygienischen Verhältnisse der Stadt gerieten völlig aus den Fugen. Nicht nur, dass Fäkalien, Abwässer, und sonstiger Unrat die Entsorgungssysteme der Stadt überforderten, auch die mangelhafte Versorgung der Stadt mit Lebensmitteln und Dingen des täglichen Bedarfs trugen dazu bei, dass die körperliche Widerstandsfähigkeit der Menschen aufs äußerste geschwächt war. Dazu kam, dass nach dem Tod des jungen Grafen Ludwig am 16. Juli 1636, der Kölner Lehnsherrn seinen Parteigänger, den katholischen Bischof Franz Wilhelm von Osnabrück, als neuen Herrn in der Stadt platzierte. So kamen zu den physischen auch psychische Momente hinzu, die das evangelische Hachenburg zusätzlich schwächten.
Der "schwarze Tod" zog in viele Häuser. Die Felder blieben unbestellt, der Handel kam zum Erliegen. Wo noch Feldfrüchte standen oder Waren vorhanden waren, ritten fremde Kriegsvölker das Getreide nieder oder requirierten das Wenige, was der Stadtbevölkerung geblieben war.
Über die Hälfte der Hachenburger Bürgerschaft wurde damals von der Pest hinweggerafft.[Anm. 2] Im Evangelische Kirchenbuch sind einige Pest-Begräbnisse beurkundet. So wurden am 25. Mai 1636 sechs Personen vom Land auf dem Friedhof bei der Bartholomäuskirche begraben. Vier Leichen seien mit einem Karren herausgeführt worden. Am 3. Februar 1737 sei ebenfalls eine in Stroh gebundene Leiche, Holzsärge waren anscheinend nicht mehr verfügbar, auf einem Eselskarren zum Friedhof gefahren worden.[Anm. 3] Der "schwarze Tod" traf vor allem Frauen und ältere Bürger, deren Widerstandskraft wohl am geringsten war. Abgesehen von den traurigen persönlichen Schicksalen, brachte das Massensterben das gesamte Gemeinwesen in Bedrängnis. Dieser Niedergang betraf nicht nur wirtschaftliche oder demographische Belange. Als die Pestwelle abgeklungen war, sah sich Schultheiß Hans Gerhard Birckenbeuel am 20. Mai 1637 veranlasst, zusammen mit Bürgermeister Thunes Frantz, mehreren Schöffen und zahlreichen anderen Überlebenden der Pest eine Gemarkungsbegehung zu machen. Da vor allem die älteren Bürger, so klagte er, im vergangenen Jahr durch die abscheüliche geschwinde pest von Gott dem allmächtigen abgefordert worden und verstorben seien, müsse man nun tätig werden, damit die jungen Leuten über die Grenzen und die Befindlichkeit der Gemarkung in Kenntnis gesetzt würden.[Anm. 4] In einer Zeit, wo altes Herkommen und Gewohnheitsrechte ausschließlich durch mündliche Überlieferung von Vater auf den Sohn, vom scheidenden Amtsinhaber auf den Nachfolger überliefert wurden, war das plötzliche Sterben so vieler alten Menschen für das "Gedächtnis der Stadt" eine Katastrophe. Um in Zukunft gegen ähnliche Vorfälle gewappnet zu sein, wurde Stadtschreiber Johann Henrich Helt beauftragt, alle Urkunden der Stadt und alle schriftlichen Nachweise zu den wichtigen Angelegenheiten zusammenzustellen und zu archivieren.[Anm. 5]

Anmerkungen:

  1. Rötich, Geschichte Hachenburg o.S.; Jäger, Einblicke S. 41f.; Gensicke, Landesgeschichte . S. 338ff.; Fuchs Hachenburg S. 108; Spielmann, Geschichtliches S. 12; Keller, Drangsale S. 317. Zurück
  2. Söhngen S.83 Zurück
  3. Für diese Mitteilung danke ich Herrn Volker Ecker (Merkelbach), der für sein "Bürgerbuch" die evangelischen Kirchenbücher systematisch auswertet. Zurück
  4. HHStAW Abt. 360 Hachenburg Nr. 9 fol. 57-82; Söhngen S, 85. Zurück
  5. Gensicke, Geschichte S. 52; Söhngen, Geschichte S.83. Zurück