Hachenburg im Westerwald

Der Alte Markt in Hachenburg

Wenn man heute auf dem Alten Markt steht, braucht es nicht viel Phantasie, um sich das geschäftige Treiben vorzustellen, das früher an den Markttagen hier geherrscht hat: die Stände der Getreide-, Salz- und Häutehändler, die Fleischbänke der Metzger, die Verkaufsbuden der Händler, Krämer und Handwerker, die Rufe der Viehhändler, die ihre Pferde, Rinder, Ochsen, Kühe, Ziegen und Schafe feilboten. Hochbetrieb herrschte an Markttagen auch an der Woll- und der Katharinenwaage. Alles geschah unter den wachsamen Augen der Marktverwaltung, die ihr Wachthaus neben dem Brunnen hatte.
An der Stelle, an der sich heute der Brunnen mit dem saynschen Löwen und dem Stadtwappen befindet, befand sich früher der Marktpütz, aus dem man das Wasser aus der darunter verlaufenden Wasserleitung schöpfen konnte. Unterhalb des Marktpütz‘ stand einst das Alte Kaufhaus, später das "Schiff". Direkt an die Marktseite der alten Katharinenkirche angebaut hat Jahrhunderte lang das Schulgebäude der Stadt gestanden. An der Ecke Herrnstraße gegenüber der Stadtkirche befand sich viele Jahre lang das Rathaus. An der Stelle, an der heute die katholische Kirche steht, haben im 17. Jahrhundert Franziskanermönche ein Kloster gegründet.

Der Markt als zentraler Versammlungsort

Auf dem Marktplatz fand jedes Jahr am 1. Mai die öffentliche Wahl des neuen Bürgermeisters statt. Die ganze Stadt war dann versammelt, um den Rechenschaftsbericht des alten Bürgermeisters anzuhören und der Wahl des neuen Bürgermeisters beizuwohnen. Auch die öffentlichen Bekanntmachungen der Herrschaft wurden zuerst auf dem Marktplatz mit der "Schelle" verkündet. Am Rathaus bzw. an der Halle waren die aktuellen Marktpreise angeschlagen. Auf dem Marktplatz fand sich das "Volk" auch zusammen, wenn nach einer Verhandlung des "Peinlichen Gerichts", die Pranger- oder Prügelstrafe oder gar die Todesstrafe vollzogen wurde.

Der erste Marktplatz und die Abtei Marienstatt

Erstmals erwähnt wird der Hachenburger Marktplatz im 14. Jahrhundert. Damals befand er sich noch vor dem Burgtor (Schloßberg). Ursprünglich gehörte der marckplatz zu Hachenburg der Abtei Marienstatt. In einem Schreiben des Marienstatter Kellers Stephan Driesch aus dem Jahr 1802 wird mitgeteilt, der Marktplatz sei vor 1381 in einem Vertrag der Stadt Hachenburg überlassen worden. Als Gegenleistung habe die Stadt zugesichert, künftig einen Gulden, Hachenburger Währung, dies entsprach einem halben Reichstaler, an die Abtei zu entrichten. Jedes Jahr scheint der Bürgermeister der Stadt diese Zahlung geleistet zu haben. Erst 1745 entstand Streit bezüglich dieser Pflicht, die von der Stadt 1751 zunächst anerkannt, 1752 aber erneut bestritten wurde.[Anm. 1] Mit der Aufhebung des Klosters im Jahr 1808 scheint diese uralte Verpflichtung "eingeschlafen" zu sein.

Erweiterung des Marktplatzes

Nach dem Stadtbrand am 9. März 1439 wurde der Marktplatz von seinem ursprünglichen Standort vor dem Schlosstor an seine heutige Stelle verlegt und das dortige Areal erweitert. Am westlichen Ende des kleinen Platzes waren etliche Gebäude, darunter das Alte Kaufhaus abgebrannt. Diese Häuser wurden nicht bzw. nicht an derselben Stelle wieder aufgebaut, sondern man nutzte die Gelegenheit, um den Marktplatz zu vergrößern.
Das eigentliche Marktgeschehen hatte sich bis 1439 auf einer Freifläche vor dem Schlosstor (Schlossgasse) abgespielt. Nach dem großen Stadtbrand verlegte Graf Dietrich den Markt vom Standort vor dem Schloss auf den Platz um den Pütz herum.[Anm. 2]
Eine weitere Umgestaltung erfuhr der Platz nach dem Stadtbrand von 1484. Graf Gerhard gewährte der Stadt einige Privilegien, die sie in die Lage versetzte, die Brandschäden zu beseitigen. Gleichzeitig überließ der Graf der Stadt alle seine Rechte an den Hofplätzen unterhalb der Kirche (undigt der kirch hehr).[Anm. 3] Die dort stehenden Gebäude wurden abgerissen und der Marktplatz nach Süden hin erweitert. Jetzt war der Raum geschaffen worden, um den Durchgangsverkehr von der Straße über den steilen Schlossberg nach Süden in die flachere Obergasse (Friedrichstraße) verlegen zu können. Im Jahr 1488 konnte auf der entstandenen freien Fläche vor der Katharinenkirche das neue Schulgebäude errichtet werden. Im Zuge der damaligen Baumaßnahmen wurden auch einige Straßen so verbreitert, dass sich zwei Wagen auf ihnen begegnen konnten.[Anm. 4]
Am 27. Oktober 1499 wiesen Schultheiß und Schöffen der Stadt Hachenburg darauf hin, dass der Graf von Sayn - wohl wegen der Brandgefahr - verboten hatte, den Marktplatz zwischen der Kirche und dem Brunnen Elgin Dilner zu bebauen.[Anm. 5]
Inwieweit die Wiederaufbauarbeiten nach den bedeutenden Bränden von 1594 und 1654, von denen auch der Marktplatz nicht verschont blieb, sich auf Form und Größe des Marktplatzes auswirkten, wird aus den Schriftquellen nicht ersichtlich.
Nachdem man von den Erben des Georg Prißen ein Grundstück für 9 Gulden erworben hatte, wurde 1766/67 der Marktplatz noch einmal geringfügig erweitert.[Anm. 6]

Alter Markt im Jahr 1888

Wilhelm Heuzeroth hat eine Beschreibung des Marktplatzes vom Jahr 1888 überliefert. Laut dieser Beschreibung standen oberhalb der Westerwaldbank bis zur Herrnstraße vier schmalgiebelige Holzhäuser. Da sie baufällig waren, wurden sie abgerissen. Die evangelische Kirche hatte damals ein Notdach auf dem Turm. Oben am Turm war die Stadtuhr mit ihren drei nach verschiedenen Richtungen zeigenden Ziffernblättern eingebaut.[Anm. 7] Vor der Kirche standen die Friedenslinde von 1871 und das Kriegerdenkmal.[Anm. 8]
Im Jahr 1884 war die "Straße", die aus der Untergasse, dem Markt und der Obergasse bestand, zu Ehren der kaiserlichen Majestäten in Wilhelmstraße, Wilhelmsplatz und Friedrichstraße umbenannt worden.[Anm. 9] Während die Straßennamen erhalten blieben, konnte sich die Bezeichnung Wilhelmsplatz nicht durchsetzen.[Anm. 10] Das Haus Schrankel am Schlossberg wurde abgerissen. Das Schlosstreppchen war der Hauptfußweg zwischen Schloss und Obergasse.[Anm. 11]

Alter Markt in neuer Zeit

Das seit 1933 bestehende Kaufhaus Sassenrath wurde 1953 abgerissen bzw. umgebaut. Damals verschwand das alte Fachwerkhaus, das auf alten Bildern noch zu sehen ist. Auch das neben dem Alten Rathaus stehende Textilhaus Zimmermann mit seiner  Fachwerkfassade wurde abgerissen und musste einem Neubau weichen.[Anm. 12]
Seit Beginn des Autozeitalters wälzten sich PKW und LKW durch die Unter- und Obergasse. Der Marktplatz musste als Parkplatz herhalten. Doch mit der Zeit setzten sich besonnene Zeitgenossen durch. Die Autos wurden seit 1. Juni 1974 schrittweise aus der Innenstadt verbannt.[Anm. 13] 1981 wurden - zusätzlich zur Wilhelmstraße - der Alte Markt, der Schloßberg und die Friedrichstraße zur Fußgängerzone umgestaltet und im April 1983 dann offiziell als solche umgewidmet.[Anm. 14] Auch benachbarte Gassen wurden nach und nach für den Autoverkehr gesperrt. Die Parkraumsituation in der Innenstadt und die Beteiligung der Anwohner an den Kosten eines ansehnlichen Fußgängerbereiches sorgten in der Stadt für Gesprächsstoff.
Seit 1996 gab es immer wieder einmal Überlegungen, den Marktplatz zu terrassieren, um den Lokalen bessere Möglichkeiten zum Aufstellen von Tischen und Stühlen zu bieten. In diesem Jahr wurden auch die zahlreichen von Achim Reineck gestalteten Schilder im Ortskern mit Hinweisen und Erklärungen zu historischen Bauwerken aufgestellt.[Anm. 15]
Unter den Bürgermeistern Hendrik Hering und Peter Klöckner wurde der Marktplatz für kulturelle Veranstaltungen »fit« gemacht. Der Platz vor der evangelischen Kirche wurde so gestaltet, dass er auch als Bühne genutzt werden kann. Kirmes, Martinsfeier, Neujahrsfest und viele Veranstaltungen der KulturZeit finden auf diesem Stadtmittelpunkt statt.

Redaktioneller Hinweis: Die hier vorgestellten Ausführungen sind inhaltliche Ergänzungen und Erweiterungen der entsprechenden Abschnitte des Buches „Geschichte der Stadt Hachenburg“. Die zugehörigen Basis-Informationen sind u.U. nur in der Druckausgabe zu finden. Die Inhalte dieser Seiten entsprechen also nicht denjenigen des Buches.


Anmerkungen:

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  10. In der Lagerbuchskarte von 1902/1903 (StAH) wird der Alte Markt als Wilhelmsplatz bezeichnet. Zurück
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