Hachenburg im Westerwald

Die Ratsstube im ehemaligen Rathaus am Markt zu Hachenburg

Früher wurde der große Saal des Rathauses von der Stadt immer wieder für Festlichkeiten aller Art zur Verfügung gestellt.
Am 16. April 1729 hatte der Stadtrat die große Ratstube für 1 Gulden an einen ortsfremden Mann verpachtet, der dort ein Theaterstück aufführte.[Anm. 1] Auch 1779[Anm. 2] und 1783 war die Rathausstube für einen Abend an einen Marionettenspieler verpachtet.[Anm. 3] ebenso 1788.[Anm. 4]
Über die Qualität der Darbietungen gab es wohl unterschiedliche Meinungen. In einem Brief an ihren Freund Johann Heinrich Merck bat Albertine von Grün am 26. Dezember 1784 darum, ihr doch anlässlich ihres kommenden Besuches in Darmstadt eine Konzert auszurichten denn ich habe seit den drei Jahren, die ich hier [in Hachenburg] bin, keins gehört. Wir haben zwar auch Musikanten hier, die eine Symphonie noch so ziemlich zusammendonnern können, und Musikliebhaber, die ein Solo geigen können, so zart wie Klosterzwirn. Auch ist alle Winter ein Konzert, aber dahin dürfen keine Damen gehen. Die Hauptgottheit, der meine Landsleute opfern, ist Herr Bacchus. Es wird im Konzert Tabak geraucht und brav Wein getrunken. Das Damenverbot käme daher, dass vor einigen Wochen junge Leute ihre Geliebten und Schwestern zum Konzert mitgebracht und lieber beim Wein geplaudert als dem Konzert gelauscht hätten. Darüber begab sich's, daß der Herr vom Konzerthaus, der ein Weinwirt ist, den Damen sagen ließ, daß, wenn sie sich erkühnten, noch einmal seine Schwelle zu betreten, wollte er sie alle zum Haus hinauswerfen lassen.[Anm. 5]
Auch über einen Theaterabend weiß Albertine von Grün im selben Schreiben zu berichten:[Anm. 6] "Hanswurst" war diesen Sommer wieder hier und kramte alle Abend ein neues Stück heraus.

Als "Hanswurst" wird seit dem frühen 16. Jahrhundert (Narrenschiff 1519) eine derb-komische Gestalt der Stegreifkomödie bezeichnet. Als populäre bäuerliche Figur trat der Hanswurst in Stücken des Jahrmarktstheaters und der Wanderbühnen auf. "Hanswurst" war auch als Spott- und Schimpfwort in Gebrauch, der auch von Martin Luther verwendete wurde. Luther 1541 die Streitschrift "Wider Hans Worst". Im 16. und 17. Jahrhundert trifft man diesen Figurennamen gelegentlich in Fastnachtsspielen und Komödien an.

Albertine berichtet weiter, das Rat- und Schauspielhaus habe ihrem Haus (Beustsches Haus) gerade gegenüber gestanden. Man habe auf dem ersten Platz 2 Stüber, auf dem letzten 1 Stüber Eintritt zahlen müssen. Alle Abende drängten sich Scharen von Menschen in das unvergleichliche Spektakel. Nur die "Bettelkinder" hätten dagestanden und die reichen Kinder beneidet, denen der Eintritt von ihren Eltern bezahlt worden sei.
Albertine schlich sich zuweilen an die Haustüre und verteilte Stüber an die armen Kinder, mit dem ausdrücklichen Befehl, in die Komödie zu gehen. Daraufhin regte sich ein Hachenburger auf, der gesehen hatten, dass die armen Kinder das Eintrittsgeld bezahlt hatten, alles, alles so beschwerte er sich, lief [den Marionettenspielern] zu, sogar die Bettelkinder hätte er herauskommen sehen, das Volk, das einen so plagte. Daraufhin klärte Albertine, die fürchtete, den Armen könnten der Almosen wegen Verschwendung weggenommen werden, den Mann auf, dass das Geld von ihr stamme. Das Gesicht hätten sie sehen sollen endet Albertine ihren Bericht.[Anm. 7] Theatervorstellungen scheinen auch in der Folgezeit immer wieder in der Stadt gegeben worden zu sein. Solche Vergnügungen waren sehr beliebt und wurden besonders vermerkt, wie etwa 1788, als ein Marionettenspieler sieben Tage auf dem Markt Vorstellungen gab[Anm. 8]

Redaktioneller Hinweis: Die hier vorgestellten Ausführungen sind inhaltliche Ergänzungen und Erweiterungen der entsprechenden Abschnitte des Buches „Geschichte der Stadt Hachenburg“. Die zugehörigen Basis-Informationen sind u.U. nur in der Druckausgabe zu finden. Die Inhalte dieser Seiten entsprechen also nicht denjenigen des Buches.


Anmerkungen:

  1. Stadtrechnung 1729/30 Söhngen S. 125ff. Zurück
  2. Söhngen S. 167ff. Zurück
  3. Söhngen S. 172f. Zurück
  4. In diesem Jahr spielte ein Marionettenspieler auf dem Markt. Er blieb sieben Tage und musste pro Tag 45 Kreuzer an die Stadtkasse zahlen. (Söhngen, Geschichte S.177f.) Zurück
  5. Schneider, Albertine S. 134. Zurück
  6. Schneider, Albertine S. 134. Zurück
  7. Der Brief an Merck wird auch bei Bach, Albertine S. 6 zitiert. Zurück
  8. Söhngen S. 79. Zurück