Hachenburg im Westerwald

Armenfürsorge – Armenfonds - Almosenwesen

Seit frühesten Zeiten hat sich die Stadt in wechselnder Intensität und unterschiedlicher  Zielsetzung um die "Ortsarmen" gekümmert. Diese Unterstützung bezog sich zunächst auf eine Grundversorgung, die zusammen mit der Herrschaft organisiert wurde.
In der Stadtrechnung  1530/1531 wird erstmals die Tatsache erwähnt, dass die Ortsarmen "wie gewohnt" regelmäßig - zu Fronfasten (Osterzeit) und am Michaelstag (29. September) - ein Malter Korn im Wert von 4 Gulden erhielten.[Anm. 1] Dies wurde auch 1626/27 noch so gehandhabt.[Anm. 2]
Im Jahr 1598/99 ließ Bürgermeister Adam Balthes - wie seine Vorgänger - zu Weihnachten und Pfingsten für die Armen der Stadt Brote backen, während der Graf dies an den althergebrachten Tagen Fronfasten und Michaelis vornehmen ließ.[Anm. 3] 1573 befahl Graf Hermann von Sayn seinem Schultheißen, wegen der derzeitigen Hungersnot, die unter dem gemeinen mann in dieser Zeit herrsche, die Stiftungsgelder, über die die Stadt verfügte, zum Kauf von Getreide zu verwenden und dieses unter den Bedürftigen verteilen zu lassen.[Anm. 4] Diese Stiftungsgelder unterschiedlicher Herkunft, Strafgelder,[Anm. 5] Verkaufserlöse[Anm. 6] und natürlich auch andere Einnahmen der Stadt, flossen in den Armenfonds. Aus dieser Kasse wurden Almosen für die Ortsarmen[Anm. 7] und Flüchtlinge[Anm. 8] gezahlt, bedürftige Soldaten unterhalten,[Anm. 9] Unterstützungszahlungen an Schüler und Studenten geleistet. Bei außergewöhnlichen Belastungen kamen auch Kranke,[Anm. 10] Unfallopfer,[Anm. 11] und finanziell Geschädigte[Anm. 12] in den Genuss jener Gelder, die die Stadt für gemeinnützige Zwecke reserviert hatte. Bettler waren in der Stadt nicht gerne gesehen. Sie wurden gewöhnlich nicht durch das Tor gelassen. Gelegentlich schickte ihnen der Bürgermeister aber einen Almosen vor die Stadt.[Anm. 13] Zuweilen unterstützte die Stadt auch Personen, denen vom Schloss keine Hilfe zuteil werden konnte. So gab die Stadt 1756/57 auf Bitten des Grafen "einem armen türkischen Prinzen" 5 Gulden 8 Albus und ließ ihn mit vier Postpferden nach Altenkirchen bringen.[Anm. 14] Aus dem Armenfonds wurden auch andere Stadtausgaben bestritten, wie etwa kirchliche Bauten,[Anm. 15] aber auch Nachbarschaftshilfen für Brandopfer, so in Obermörsbach[Anm. 16] und auf gräflichen Befehl in Bracht.[Anm. 17] Zwischen 1591/92[Anm. 18] und 1619[Anm. 19] ist in der Stadt ein bei der Herrschaft angestellter Almosenpfleger bezeugt. Almosenpfleger werden u.a. 1601,[Anm. 20] 1604[Anm. 21] und 1617[Anm. 22] genannt. Der Almosenpfleger verwaltete wohl in Zusammenarbeit mit der städtischen Organen[Anm. 23] den herrschaftlichen Anteil der Almosengelder. Er war vereidigt[Anm. 24] und musste jährlich vor einem gräflichen Beamten abrechnen.[Anm. 25] Der Lokalarmenfonds war noch 19. Jahrhundert unter städtischer Verwaltung.[Anm. 26] Die Bruderschaften, besonders die an der Bartholomäuskirche angesiedelte Liebfrauenbruderschaft, trugen mit ihren Beiträgen wesentlich zur Armenfürsorge in Hachenburg bei.

Stiftungen

Wichtiger Bestandteil der städtischen Armenfürsorge waren private Stiftungen, deren Erträgnisse von der Herrschaft bzw. der Bürgermeisterei verwaltet und entsprechend zugeteilt wurden.
Im Jahr 1564 stiftete Wilhelm Steinebach aus Altenkirchen, Priester und Altarist des St. Johannesaltars in der Altstadt, 120 Rädergulden, die der Stadtschultheiß Jakob Brender und die Schöffen so anlegen sollten, dass sie eine jährliche Rente in Höhe von fünf Gulden erbrachten. Von diesem Geld sollten am Karfreitag Brote beim Bäcker gekauft und im Anschluss an den Gottesdienst den Armen in der Kapelle ausgeteilt werden: 100 Weißbrötchen (Weck), 50 Weckbrote, 10 weitere Weck- oder Osterbrote. In der Kapelle sollen die Türen geschlossen werden, und die Armen durch nur eine verbliebene offene Tür hinausgehen und so den Almosen empfangen können.[Anm. 27]
Am 16. Mai 1582 machte Bürgermeister Adam Leuth in der großen Stube des Rathauses sein Testament. Er gedachte darin auch der Armen, denen er ein Kapital von 421 Gulden zudachte.[Anm. 28] Einträgliche Geldrenten, die in verschiedenen Orten der Grafschaft und ihrer Nachbarschaft eingingen, stifteten vor 1584 Johann Apel und Gerhard Leuth. Aus diesen Erträgnissen wurden nicht nur die Armen der Stadt Hachenburg unterstützt, sondern es wurden, wie 1581 aus der Liste der Almosenempfänger hervorgeht, auch Bedürftige in den anderen Kirchspielen der Grafschaft unterstützt.[Anm. 29]
Im Jahr 1605 war Junker Hans Hermann Bertram von Herschbach zu Bellen in Hachenburg begütert. Er veräußerte 1616 sein Haus gegenüber der Oberpforte und erwarb 1622 ein Haus auf der Niederstraße bei der Niederpforten, das er vor 1647 den Armen der Stadt vermachte.[Anm. 30]
Es gab noch weitere Stiftungen, so etwa eine gräfliche Stiftung für Kindbetterinnen[Anm. 31] oder die des Bürgermeisters Zeppenfeld,[Anm. 32] die von der Stadt verwaltet wurden. Andere Stiftungen galten zielgerichtet nur einer bestimmten Person, wie möglicherweise die des Ehepaars Kloisser.[Anm. 33]

Redaktioneller Hinweis: Die hier vorgestellten Ausführungen sind inhaltliche Ergänzungen und Erweiterungen der entsprechenden Abschnitte des Buches „Geschichte der Stadt Hachenburg“. Die zugehörigen Basis-Informationen sind u.U. nur in der Druckausgabe zu finden. Die Inhalte dieser Seiten entsprechen also nicht denjenigen des Buches.


Anmerkungen:

  1. Söhngen S. 49. Zurück
  2. Söhngen S. 780f. Zurück
  3. Söhngen S. 66. Diese Art der Unterstützung ist 1612/1613 ebenfalls erwähnt (Söhngen S. 69). Zurück
  4. Söhngen S. 28. Zurück
  5. 1591/92 verwendete die Stadt Strafgelder vom Markt für die Armenfürsorge (Söhngen S. 58ff.f.). Zurück
  6. 1622 machte das Ehepaar Anastasius und Apolonia Zwirn aus dem Verkaufserlös eines Hauses u.a. für die Armen eine Schenkung von 76 Gulden (HHStAW 340 Urkunden Nr. 13949a vom 13.1.1622). Zurück
  7. "1689 ist Christina von Bellingen aus dem Hadamarischen so hier von Kindtauf bis an die 80 Jahr als ein Fremdling sich aufgehalt  und von der Stadt Einwohner meistheit versorgt worden." (Ev. Kirchenbuch Hachenburg. Freundliche Mitteilung durch Volker Ecker (Merkelbach). Zurück
  8. Aus der Pfalz und auch aus Koblenz waren 1694/95 einige Flüchtige nach Hachenburg gekommen, die von der Stadt unterstützt wurden (Söhngen S. 12015 und 118ff.). Die Stadt wendete 1761/62 über 30 Gulden auf, weil in diesem Jahr sehr viele, durch den Krieg ruinierte Kollektanten nach Hachenburg kamen (Söhngen S. 350). Zurück
  9. Als 1623/24, also mitten im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648), vier arme Soldaten, die den Braunschweigern in der Schlacht entronnen und in Hachenburg hängen blieben, gab ihnen die Stadt 19 ½ Albus (Söhngen S. 753ff.). Zurück
  10. 1754/55 wurde dem Juden Löb das jährlich fällige "Judengeld" erlassen, weil seine Frau krank war (Söhngen S. 1454f.). Zurück
  11. 1683/84 gab man einem Jungen, der auf der Schneidmühle (Nistermühle) in Mechanik geraten war und dabei eine Hand verloren hatte, zwei Gulden (Söhngen S. 11008ff.). Zurück
  12. Weil dem Jakob Motzfeld zwei Kühe verunglückt waren und er nicht imstande war, neue zu kaufen, bewilligte ihm der Magistrat 1779 zehn Gulden (Söhngen S. 1697). 1788 gingen eine ganze Reihe von Tieren ein. Ärmeren Leuten vergütete die Stadt dafür 3-4 Gulden (Söhngen S. 1787f.) Zurück
  13. So ist es 1751/52 belegt (Söhngen S. 1421f.). Zurück
  14. Söhngen S. 1487f. Zurück
  15. 1596/97 wurden aus der Almosenrechnung ein kleiner Betrag zum Bau des Kirchturms verwendet (Söhngen S. 665f.). Zurück
  16. 1757/58 stiftete die Gemeinde 54 Gulden 24 Kreuzer (Söhngen S. 149). Zurück
  17. Den Verbrannten im Dorf Bracht (Kirchspiel Hamm), musste die Stadt 1765/66 auf Regierungsbefehl 11 Gulden 7 4/5 Kreuzer beisteuern (Söhngen S. 156). Zurück
  18. Söhngen S. 6058ff.. Zurück
  19. Der verstorbene Almosenpfleger Gerlach Hohen sowie der nach 1619 angestellte, jetzige Pfleger Jakob Birckenbeull werden genannt (HHStAW Abt. 360 Hachenburg Nr. 4). Zurück
  20. Der Kirchen- und Almosenrechner Weil wird nach 1601 erwähnt (HHStAW Abt. 360 Hachenburg Nr. 4). Zurück
  21. Söhngen S. 66. Zurück
  22. Brommer, Inventar Nr. 161. Zurück
  23. Thonges Bestges und Ehefrau Kunigunde schuldeten am 12.11.1608 den Armen der Stadt 40 Radergulden. Sie zahlten dem Almosenmeister deswegen jährlich an Martini (11.11) zwei Radergulden (Brommer, Inventar S. 64 Nr. 160). Zurück
  24. Der Wortlaut des Almosenpflegereides findet sich im HHStAW Abt. 360 Hachenburg Nr. 10 pag. 61 –61v, der des Armenprovisors im HHStAW Abt. 360 Hachenburg Nr. 10 pag. 62. Zurück
  25. 1598 unterschrieb der herrschaftliche Schultheiß Johann Birmbach die Rechnung des Almosenpflegers (Söhngen S. 29). Zurück
  26. Gensicke, Geschichte S. 54. Zurück
  27. Einem "armen Haußmann", der Frau und Kind, ebenso einer Frau, die Mann und Kind zu Haus hatte, sollte ein Brot gegeben werden. Ein Alleinstehender, Mann oder Frau, sollte ein etwas kleineres Brot bekommen. Erschienen Frau und Mann mit Kindern gemeinsam zum Gottesdienst, sollte die Familie ein besonders großes Brot erhalten. Waren nicht genügend große Brote vorhanden, wurden die kleineren Brote doppelt ausgeteilt. Ferner sollte jedem Familienmitglied noch ein kleines Brot überreicht werden. Waren bedürftige Personen mit ihren Kindern nicht in der Lage, zur Kirche zu kommen, wurde ihnen die Brotspende nach Hause gebracht (Brommer, Inventar S. 43f. Nr. 118 und 128); Vgl. Söhngen S. 27f. und 239f. Die Stiftung Steinebach, die auf zahlreiche Güter angelegt worden war, wurde noch 1581 genutzt (Brommer, Inventar Nr. 153). Zurück
  28. HHStAW 1098/I Nr. 221 und ebd. 340 Urkunden 1582 Mai 16; Söhngen S: 57. Zurück
  29. Gensicke, Geschichte S. 54. Zurück
  30. Gensicke, Geschichte S. 31ff. Zurück
  31. Söhngen S. 158. Zurück
  32. Er stiftete 1773 insgesamt 75 Gulden für die Armen der Stadt. Die Stadt übernahm das Kapital und zahlte davon jährlich 5 % Zinsen an den derzeitigen Almosenpfleger (Söhngen S. 162). Zurück
  33. Johann Kloisser und seine Frau Ursel  hatten von Heinrich Fogel und dessen Frau Berte einen Hof gekauft. 1514 verpflichteten sich Johann und Ursel für Heinrich und Berte ein Häuschen mit Herd und genügend Räumen hinten auf ihrem neuen Grundstück zu bauen. Sollte dieses Haus abbrennen, wollten sie es wieder aufbauen (HHStAW Abt. 340 Urkunden vom 3.3.1514). Ob hier wirklich eine private Stiftung initiiert wurde, oder "nur" verwandtschaftlichen oder anderen Verpflichtungen nachgekommen wurde, lässt sich allerdings nicht entscheiden. Zurück