Die Hachenburger Franziskaner unter evangelischen Grafen 1705-1799
Auseinandersetzungen mit der burggräflichen Kanzlei
Da abzusehen war, dass nach seinem Tod die Grafschaft wieder protestantisch regiert werden würde, hatte Graf Salentin Ernst einen Erbvertrag mit seinen Töchtern abgeschlossen, um die Stellung der Katholiken zu sichern. Nachdem der Graf am 3. Februar 1705 in Jünkerath gestorben war, übernahm seine Tochter Magdalena Christina zusammen mit ihrer Schwester Franziska Eleonora von Pöttingen in Vormundschaft für Magdalenas Sohn Burggraf Georg Friedrich, die Herrschaft. Alle gehörten der lutherischen Konfession an.
Als 1715 Georg Friedrich (reg. 1715-1749) die Herrschaft übernahm, trat der Konflikt mit den Katholiken und den Franziskanern offen zutage. Mit Einverständnis des Grafen erließ die protestantisch besetzte Kanzleiverwaltung einige Anordnungen zum Nachteil der Franziskaner. Diese beriefen sich auf ihren Stiftungsbrief und geltendes Kirchenrecht und nahmen für sich in Anspruch, nur mit dem Landesherrn direkt zu verhandeln. Da der evangelische Graf auswich und alle Anfragen an seine Kanzlei verwies, versuchte man dort alles, um die Kontrolle über die Franziskaner zu gewinnen. Dieser Kampf sollte mit Unterbrechungen bis 1732 dauern und mit einem "Sieg" der Behörde enden.
Am 28. August 1732 sandte die kirchbergische Kanzlei, vertreten durch Angelinus Brinckmann, den Minister Provincialis, und Reinhard Rohner, eine Anweisung an das Kloster, die auf die vollständige Unterwerfung des Klosters unter den Oberbefehl der Kanzlei abzielte. Es seien vile troublen, mißhelligkeiten und unruhe entstanden, weil die Konventualen ihre schadhafte Kirche und Wohnung ohne Zustimmung des Territorialherrn abgerissen hätten. In Zukunft dürfe aber nur gebaut werden, wenn vorher ein Grundriss bei der Kanzlei zur Genehmigung eingereicht würde. Das Kloster habe sich der Landesherrschaft zu unterwerfen und sämtliche Kanzleiverordnungen zu befolgen. Die Kanzlei nahm für sich das Recht in Anspruch, missliebige Klosterinsassen des Landes zu verweisen und den Guardian jederzeit zum Rapport in die Kanzlei zu bestellen. Zuletzt beanspruchte der Graf Mitspracherecht bei Gottesdiensten, Heiraten und vor allem bei der Bestallung des Schulmeisters in Hachenburg.
Zermürbt gaben die Franziskaner den aussichtslosen Machtkampf auf. Hauptgrund dafür war wohl die Sorge, ohne den Landesherrn den so notwendigen Kirchen- und Klosterumbau nicht realisieren zu können. Am 29. September 1732 verzichtete der Guardian auf alle bisher beanspruchten Rechte und anerkannte den Grafen uneingeschränkt als Landesherrn. Die Franziskaner wollten in Zukunft das Exercitium religionis der Katholiken als bloße Gnade des Landesherrn auffassen und allen Befehlen der burggräflichen Kanzlei Folge leisten. Sie verzichteten auf jegliche Sonderrechte und unterstellten sich der Gerichtsbarkeit des Landesherrn. Daraufhin stellte der Graf dem Kloster einen neuen Schutzbrief aus und vertraute den Franziskanern die Seelsorge im Hachenburger und Altstädter Kirchspiel an.
Neubau der Kirche und des Klosters 1734
Bereits im Jahr 1703 hatte sich die katholische Kirche als zu klein erwiesen. Am 13. September 1703 schrieb Graf Salentin Ernst, die katholische Religion sei in der Grafschaft Sayn-Hachenburg erfreulich gediehen, in der Hachenburger Kirche würde aber ständig Platzmangel herrschen. An Sonn- und Feiertagen würden nicht alle Gemeindemitglieder Platz darin finden. Für einen Neubau mangele es der Gemeinde aber an Mitteln. Nun hätten sich einige Gemeindemitglieder bereit erklärt, in den umliegenden Gemeinden um finanzielle Unterstützung zu bitten.
Entsprechende Baupläne des Grafen Salentin Ernst wurden nach seinem Tod 1705 nicht umgesetzt. Auch die Pläne des Jahres 1719, eine Kirche außerhalb der Stadtmauer zu errichten, wurden nicht verwirklicht. Versuche des Kölner Erzbischofs Clemens August, das Bauvorhaben voranzutreiben, scheiterten ebenfalls da das Kompetenzgerangel zwischen Kloster und gräflicher Kanzlei nicht aufhörte. So hatten die Franziskaner – wie oben beschrieben - eigenmächtig die ruinösen Gebäude der Kirche und des Klosters niederlegen und Steine im Steinbruch brechen lassen. Als diese an der geplanten Baustelle angeliefert wurden, schritt Bürgermeister Freudenberg ein. Maurer Beermann, den die Franziskaner von auswärts verpflichtet hatten, wurde der Stadt verwiesen.
Daraufhin nahm sich der in Limburg wohnende Provinzial der Thüringer Franziskanerprovinz Pater Angelinus Brinckmann der Sache an. Ihm gelang es, den Grafen umzustimmen. Am 28. August 1732 wurde der Neubau der Kirche und des Klosters erlaubt. Mit der »Unterwerfung« der Franziskaner unter den Oberbefehl des Grafen und seiner Kanzlei war der Weg zum Bau der Kirche und des Kloster nun endlich frei geworden.
Am 8. Juni 1734 legte der Generalkommissär der deutsch-belgischen Nation Pater Gottfried Stüve den Grundstein für die neue Kirche. Den Bauplan entwarf Martin Ulrich, Hospitalverwalter in Limburg, der auch persönlich die Arbeiten leitete. Die Baukosten trugen die Franziskaner selbst. Von der katholischen Gemeinde konnten sie keine große Hilfe erwarten, auch der evangelische Burggraf dürfte sich zurückgehalten haben.
Johann Moritz von Blankenheim, Erzbischof von Prag, ein Sohn (aus 2. Ehe) des Grafen Salentin Ernst, erklärte sich auf Bitten der Franziskaner bereit, den Hochaltar für die neue Kirche zu stiften, wenn ihm der Altarplatz mit den Maßen oder ein Riss des Altars zugestellt werde. Der fertige Altar muss im Sommer 1738 in Hachenburg angekommen sein.
Über den Bau des Gotteshauses liegen nur wenige Nachrichten vor. In späteren Akten findet sich lediglich eine Skizze des Grundrisses. Zwischen 1734 und 1738 entstand ein kurzer einschiffiger Saalbau mit schmalem, dreiseitig geschlossenem Chor im Barockstil. Die Decke bildete eine flache Korbbogentonne. Die Vorderfront mit ihren hohen toskanischen Pilastern, dem Volutengiebel in Hausteinen sowie das Rundbogenportal und die Freitreppe bilden noch heute die Marktfassade der Kirche. Über dem Portal thront eine Figur des hl. Franziskus, am Volutengiebel sind in einem Stuckmedaillon seine Wundmale dargestellt. Die Kirche besaß keinen Kirchturm. Über dem Chor befand sich lediglich ein haubenverzierter Dachreiter, in dem die beiden Glocken aufgehängt waren, die über Seile vom Chor aus bedient werden konnten.
Der Innenraum der neuen Kirche war wesentlich kleiner als heute, er reichte nur bis zur heutigen Kanzel. Beiderseits des Mittelgangs standen neun Bänke für jeweils sechs Personen. An den schräg gestellten Wänden, die vom breiteren Schiff zum schmaleren Chor überleiteten, waren die beiden Seitenaltäre aufgestellt. Neben dem Seitenaltar auf der Epistelseite befand sich die Kanzel an der Wand. Über die Kirchenorgel zur Zeit des Neubaus ist bisher nichts bekannt. Die Kirche war damals der Regina Apostolorum geweiht, erst nach der Aufhebung des Klosters 1813 wurde sie Mariae Himmelfahrt geweiht.
An der nördlichen Seite der Kirche errichteten die Franziskaner seit dem Frühjahr 1736 ein einfaches dreigeschossiges Klostergebäude, das über einen langen Gang betreten werden konnte, über dessen Eingangstor sich heute der Kirchturm erhebt. Die Arbeiten wurden 1738 vollendet.
Mit der Vollendung des Baus begann ein langes Tauziehen um die Einweihung der Kirche. Am 30. Juni 1738 teilten der Guardian Marcus Kern und der Franziskanerkonvent dem Grafen mit, ihrer neu erbauten Kirche die [...] nöthige hohe licentz angedeihen zu lassen, damit sie eingeweiht und benediziert werden könne.
Doch der Graf bestand darauf, dass der weihende Bischof sich bei ihm ausdrücklich um die Erlaubnis bemühen müsse. Erzbischof Clemens August von Köln schrieb aus Bonn am 2. September 1741 an den Burggrafen von Kirchberg und Hachenburg: Er habe vernommen, dass die Franziskaner die Einweihung ihrer neuen Kirche durch den Kölner Weihbischof vornehmen lassen wollten. Dies entspreche dem Kirchenrecht. Er gehe davon aus, dass Kirchberg dies nicht verhindern werde. Doch der Burggraf reagierte nicht, die Sache blieb in der Schwebe. 1746 baten die Franziskaner den Grafen nochmals, die Konsekration der Altäre durch den Weihbischof zu erlauben. Der Graf erklärte sich nur unter der Bedingung einverstanden, dass dies in der Stille ohne große Beteiligung der Gemeinde geschehe. Da entsprechende Nachrichten fehlen, bleibt ungewiss, ob damals zumindest die Altäre geweiht wurden. Die Kirche selbst wurde erst 1909 konsekriert.
Nachspiel: Auflösung des Klosters 1813
Im Jahr 1799 fiel die Grafschaft Sayn-Hachenburg an das Haus Nassau-Weilburg. Der damalige Fürst Friedrich Wilhelm erklärte 1803, er denke nicht daran, alle Männerklöster aufzuheben. Er habe ja auch in Sayn-Hachenburg die katholischen Kirchen und Klöster nicht "zerstört". Zehn Jahre später gab er jedoch Order, das Hachenburger Kloster zu schließen.
Am 19. Februar 1813 abends um 21 Uhr erhielt Justizrat Magdeburg den schriftlichen Auftrag, die Aufhebung des Franziskanerklosters zu vollziehen. Magdeburg wies auf den schlechten Gesundheitszustand des Guardian P. Emmanuel Schmitt hin, der an Wassersucht erkrankt sei. Man möge doch einem so würdigen Priester kurz vor seinem absehbaren Ende nicht ein solches Ungemach zufügen. Man fürchte, dass die Nachricht von der Säkularisation seines Klosters den Guardian umbringen würde. Da die Angelegenheit nicht eile, könne man mit dem Vollzug der Säkularisation doch die wenigen Tage bis zum Tod des Guardians warten. Deshalb bat Magdeburg den Fürsten bzw. den Staatsminister, seinen Auftrag einige Tage hinauszögern zu dürfen.
Wohl in der Nacht zum 22. Februar 1813 starb der Guardian. Am folgenden Morgen, gleich um 9 Uhr, begab sich Justizrat Magdeburg in das Kloster und versammelte die anwesenden Priester. Er eröffnete ihnen seinen Auftrag, las ihnen die herrschaftliche Vollmacht vor, erklärte den Klosterverband für aufgehoben und das gesamte bewegliche und unbewegliche Vermögen des Klosters zum Eigentum des Herzogs von Nassau. Dann ließ Magdeburg sich die Bücher des Klosters und die Schlüssel von Keller und Speicher aushändigen.
Die Klosterinsassen, Patres wie Laienbrüder, wurden mit einem Geldbetrag abgefunden bzw. durch Dekret vom 31. März 1813 mit Ruhegehältern bedacht. Die verbliebenen Barmittel flossen in die Kommissionskasse. Man inventarisierte das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Klosters und stellte das Klosterarchiv und die Klosterbibliothek sicher. Das Archiv wurde für wertlos erklärt, man wollte es pfundweise als Makulatur verkaufen. Am 6. Mai 1813 wurden das bewegliche Gut (fahrnisse) der Klostereinrichtung versteigert. Der Wert des dreistöckigen Klostergebäudes, in das 1817 die Elementarschule einzog, taxierte man mit 15.032 Gulden.
Redaktioneller Hinweis: Die hier vorgestellten Ausführungen sind inhaltliche Ergänzungen und Erweiterungen der entsprechenden Abschnitte des Buches „Geschichte der Stadt Hachenburg“. Die zugehörigen Basis-Informationen sind u.U. nur in der Druckausgabe zu finden. Die Inhalte dieser Seiten entsprechen also nicht denjenigen des Buches.