Die V2 im Westerwald 1944-1945
Schon 1943 hatte die NS-Propaganda die Bombardierung Englands mit "Vergeltungswaffen" angekündigt. Auf diese Weise wollte man die Moral der Zivilbevölkerung und den Kampfgeist der Soldaten aufrechterhalten. Die "Wunderwaffe", die den Menschen weismachen sollte, das NS-Regime verfüge über ein neues, überlegenes Waffensystem, war auch im Raum Hachenburg stationiert, wo ausschließlich V2-Raketen zum Einsatz kamen.[Anm. 1]
Am 20. September 1944 fand eine erste "Erkundung neuer Feuerstellungen im Raume Hachenburg" durch SS-Gruppenführer Kammler und Kommandeur Major Weber statt. Am 27. November 1944 wurde die Quartiermacher nach Hachenburg geschickt. Pioniere begannen damit, die geplanten Stellungen auszubauen.[Anm. 2] Die Artillerie Abteilung (Art. Abt.) (mot) 836, das späterer Art. Rgt. (mot) z.V. 901) war bis März 1945 im Hachenburger Raum im Einsatz.[Anm. 3]
Der Führer der Gruppe, Major Weber, wohnte bei Pfarrer Dr. Meister im Pfarrhaus in der Salzgasse. Seine Truppe, 17 Offiziere, 11 Unteroffiziere und 35 Soldaten, bezogen acht Geschäftszimmerräume im Finanzamt, im Rathaus, im Luftschutzhaus (ehemalige Synagoge), im HJ-Heim und im Hotel Westend.[Anm. 4]
Bereits am 26. September 1944 war die erste V2 aus dem Westerwald aus dem Roßbacher Wald abgeschossen worden.[Anm. 5] Weitere Abschussstellen gab es in Helferskirchen und Hillscheid.[Anm. 6] Insgesamt wurden bis Kriegsende aus dem Westerwald 432 V2-Raketen gestartet.[Anm. 7] Zielgebiete waren in der ersten Einsatzphase Diest, Hasselt, Maastricht und Lüttich, in der zweiten und dritten Antwerpen und Lüttich.[Anm. 8]
Abschussstelle Gehlert und Kirburg
Von den drei Abschussplätzen im Wald zwischen Gehlert und Hachenburg [Anm. 9]wurden seit dem 15. Dezember 1944 insgesamt 200 Raketen abgeschossen.[Anm. 10] Zwischen dem 9.12.1944 und 5.2.1945 gingen von Gehlert 166 Raketen ab (davon 19 "Kurzschüsse"). Eine traf Lüttich, die anderen zielten auf Antwerpen. Pro Tag wurden ca. zwei Raketen abgefeuert. In der Zeit vom 11.2. bis 16.3. 1945 starten in Gehlert 34 V2-Projektile (darunter drei "Kurzschüsse").[Anm. 11] In der sog. dritte Phase zwischen dem 11.2. und 24.3.1945 war die Abschussstelle Gehlert nur noch bedingt einsatzbereit, weil es an Nachschub fehlte, die Anlage unter Fehlfunktionen litt und die Wege zur Rampe nur noch schlecht passierbar waren.[Anm. 12]
Im Bereich Kirburg wurden Ende Februar 1945 drei Abschussstellen eingerichtet, aber "nur" 19 Raketen (eine als "Kurzschuss") abgeschossen.[Anm. 13]
Vom Entladebahnhof Korb wurden die Raketen - noch ohne Treibstoff und Gefechtskopf - zum "Technischen Bereich" hinter der Ziegelhütte vor Alpenrod gefahren. Teilweise waren die Rakten einfach grün, einige mit bräunlicher Tarnfarbe gestrichen. Manchmal kamen auch Zugmaschinen mit Tankanhängern an, die mit flüssigem Sauerstoff beladen waren. Diese Wagen mit ihren vereisten Ventilen und den Dampfschwaden des flüssigen Sauerstoffs verfehlten ihre Wirkung bei den Einwohnern Hachenburgs nicht.
Aus dem "Technischen Bereich" wurde die V2-Raketen mit montiertem Gefechtskopf mit sog. Meilleranhängern zu den Abschussrampen geschafft. Alle Transporte fanden wegen der Tiefflieger nachts oder unter Vernebelung statt. Für die Meilleranhänger war in der Alten Ziegelei (im Ziegeleiweg) eine Werkstatt eingerichtet worden.[Anm. 14]
Aufgabe der Standorte Gehlert und Kirburg
Am 7. März 1945 erreichten die Amerikaner den Rhein.[Anm. 15] Am 16. März starteten bei der II. Abt. Kirburg drei und bei der III. Gehlert vier letzte Raketen in Richtung Antwerpen. Damit ist um 14.58 Uhr das letzte Gerät aus dem Einsatzgebiet Hachenburg verschossen (...) hieß es in einem Einsatzbericht. Die Abteilungen erhielten Befehl zum Abbau bzw. zur Sprengung der Stellungen. Gleichzeitig wurde angeordnet, die Vorbereitungen für die Verlegung in den Raum Marburg zu treffen.
Bis zum heutigen Tage haben sich Spuren der totbringenden Anlagen im Wald erhalten.
Redaktioneller Hinweis: Die hier vorgestellten Ausführungen sind inhaltliche Ergänzungen und Erweiterungen der entsprechenden Abschnitte des Buches „Geschichte der Stadt Hachenburg“. Die zugehörigen Basis-Informationen sind u.U. nur in der Druckausgabe zu finden. Die Inhalte dieser Seiten entsprechen also nicht denjenigen des Buches.
Anmerkungen:
- Jungbluth, Hitlers Geheimwaffen, S. 14. Zurück
- Jungbluth, Hitlers Geheimwaffen, S. 63. In der Nacht vom 30.11. zum 1.12.1944 wechselten die 1/836, die 4/91 und die Kf. Abt. 899 die Stellung von Hermeskeil in den Raum Hachenburg. Die anderen Teile folgen und am 8. Dezember 1944 befand sich die Gruppe Süd vollständig im Westerwald (Jungbluth, Hitlers Geheimwaffen S. 72). Zurück
- Jungbluth, Hitlers Geheimwaffen, S. 90. Zurück
- In Altstadt war die Stabbatterie, Leutnant Hellner-Ivers mit 2 Offizieren, 23 Unteroffizieren und 125 Mann untergebracht. Weitere Orte siehe Jungbluth, Hitlers Geheimwaffen, S. 67f. Zurück
- Jungbluth, Hitlers Geheimwaffen, S. 63. Zurück
- Vgl. dazu Vgl. Jungbluth, Hitlers Geheimwaffen, S. 14, 63, 67. Zurück
- Jungbluth, Hitlers Geheimwaffen, S. 14. Es sind zwischen dem 22.9.-3.10.1944 insgesamt 23 Abschüsse, in der Zeit vom 1.12.-24.3.1945 zusammen 409 Abschüsse dokumentiert. (Jungbluth, Hitlers Geheimwaffen, S. 90). Zurück
- Jungbluth, Hitlers Geheimwaffen, S. 14 und 63. Zurück
- Vgl. dazu Gückelhorn/Paul S. 83ff, S. 89 und S. 91. Zurück
- 13 sog. "Kurzschüsse" verfehlten ihr Ziel. Die Abschüsse in Gehlert im Einzelnen (Jungbluth, Hitlers Geheimwaffen, S. 86). Zurück
- Jungbluth, Hitlers Geheimwaffen, S. 14, 72, 74 und 82. Zurück
- Jungbluth, Hitlers Geheimwaffen, S. 78; Struif, Hachenburg S. 223. Zurück
- Jungbluth, Hitlers Geheimwaffen, S. 14. Jungbluth, Hitlers Geheimwaffen, S. 86 die Abschüsse in Kirburg im Einzelnen. Zurück
- Gückelhorn/Paul S. 91. Zurück
- Jungbluth, Hitlers Geheimwaffen, S. 82. Zurück