Wirges im Westerwald

Zur Geschichte von Wirges

König Otto I. (936-973)

Verschiedene Bodenfunde belegen, dass in der Gegend des heutigen Wirges bereits in der Keltenzeit Menschen gesiedelt haben. Die Ortsnamenforschung weist Wirges aus der Tatsache, dass der Ortsname einen Personnamen (Widhergis) enthält, eine mögliche Entstehungszeit im 9. bzw. 10. Jahrhundert zu.[Anm. 1]

Sicheren historischen Boden betritt man erst, als Wirges im Jahr 958 namentlich genannt wird. Am 29. April 958 weilte König Otto I. (936-973) in Ingelheim. Auf Intervention des Herzogs Burghard von Schwaben schenkte er seinen Besitz im Ort (loco) Wirges (Uuidhergis), seiner Vertrauten Reginlinde, der Witwe des Herzogs Hermann I. von Schwaben.[Anm. 2] Aus der Urkunde geht hervor, dass Wirges im Engersgau (Engrisgouwe) lag, der im Jahr 958 dem ersten Grafen im Engersgau Waltbraht (Uualtbrahtti) unterstand. Herzog Hermann I., im Jahr 948 als Graf im Auelgau belegt, war am 10. Dezember 949 verstorben. Er war im Engersgau reich begütert und besaß vor allem die Burg Humbach (Montabaur) mit einer bedeutenden Grundherrschaft, die wohl aus Reichsgut stammte. Offensichtlich hatte der König nach Hermanns Tod den Besitz wieder eingezogen, um das Gut Wirges jetzt der Reginlinde zu überlassen.[Anm. 3]

Reginlinde vermachte den Königshof in Wirges kurz vor ihrem Tod im August 958 dem von ihrem verstorbenen Ehemann gegründeten Koblenzer Marienstift (Florinsstift).[Anm. 4]

Im Jahr 1018 schenkte Kaiser Heinrich II. (1002-1024) dem Trierer Erzbischof Poppo von Bamberg (1016-1047) die Stadt und den Königshof Koblenz.[Anm. 5] Mit dem Koblenzer Florinsstift kam auch das Obereigentum über die Besitzungen des Stiftes um Montabaur an das Erzstift Trier. Von 1018 an bis zum Jahr 1803 sollte Wirges zum kirchlichen und weltlichen Herrschaftsbereich des Trierer Erzstiftes gehören. Die kirchlichen Belange wurden vom Florinsstift wahrgenommen. Für den Trierer Erzbischof hatte der Erwerb von Koblenz große Bedeutung, denn die Stadt bildete das Verbindungsglied zwischen den alten trierischen Besitzungen an der Mosel und den verstreut liegenden Gütern und Rechten auf dem rechten Rheinufer.[Anm. 6]

Im Laufe der Zeit wird der Ortsname immer wieder einmal anders geschrieben: Widhergis (958), Widergis (1217 und 1220), Widirgiis (1243), Weidergys (1326), Wydergis (1336), Widdirgiz by Montabur (1354) oder Wirgesz (1548).

Die St. Florinskirche in Koblenz[Bild: Willy Horsch]

Dass es sich bei den Trierer Gütern in Wirges um den alten Königshof handelte, zeigt ein Güterverzeichnis des Trierer Erzstiftes von ca. 1220. Das sog. Liber annalium iurium[Anm. 7] nennt einen Fronhof in Widergis. Damit dürfte wohl der ehemalige Königshof gemeint sein. Damals erhielt das Trierer Erzstift aus seinem Wirgeser Fronhof jedes Jahr 3 Scheffel Hafer. Verwaltet und bewirtschaftet wurde der Hof wohl von abhängigen Hübnern des Stiftes St. Florin. Vielleicht sind in der Verwaltung dieses Fronhofs aber auch die Ursprünge der Herrenfamilie von Wirges zu finden. Ob die Herren von Wirges wirklich auf dem Hofgut im Bereich der »Festung« an der »Huh Betz« saßen, lässt sich nicht sagen. Von der Familie, die nur örtliche Bedeutung erlangte, sind nur wenige Nachrichten überliefert: Als im Jahr 1217 der Trierer Erbischof Theoderich II. von Wied (1212-1242) die Burg Humbach in Gedenken an die Kreuzzüge in »Mons Tabor« umbenannte, wurde der Schutz und die Verteidigung der jetzigen Burg Montabaur dem Grafen Heinrich II. von Nassau (um 1180-1247/51) übertragen. Unter dessen Burgmannen wird auch der Ritter Conradus de Widergis genannt. Im Jahr 1218 soll ein »Manegoldus von Wirges« eine Urkunde des Klosters Rommersdorf besiegelt haben.[Anm. 8]

Der Fronhof in Wirges wird später noch einmal genannt. Im Jahr 1243 tauschte der Propst von St. Florin ein Stück Land, die sog. »Landshube«, die zu seinem Hof (curia) Wirges gehörte, an Herrn Heinrich III. von Isenburg (lebte 1215-1290), gegen dessen Eigengüter zu Hundsdorf.[Anm. 9]

Das Erzstift Trier und der jeweilige Herr in Humbach-Montabaur, zu dessen Grundherrschaft Wirges gehörte, bezogen Einnahmen aus Wirges. Doch es gab weitere Rechteinhaber im Ort. Bekannt sind kleiner Besitzungen der Donner von Lorheim um Wirges.[Anm. 10] Zwischen 1690 und 1694 ist eine Korngülte der Pfarrei Kirberg (Hünfelden) in Wirges belegt, auf die offensichtlich auch die Herren von Reifenberg Ansprüche erhoben.[Anm. 11] sowie die Abtei Fulda, die Güter bzw. Rechte in Wirges besaß.[Anm. 12]. Das Stift St. Florin in Koblenz war bis 1803 Zehntherr in Wirges. Es hatte Anteile am Zehnten verlehnt bzw. verpachtet. Im Jahr 1367 ist eine solche Verpachtung des Zehnten bekannt. Im Jahr 1385 wird festgelegt, dass 2/3 des Zehnten von Wirges dem Florinsstift zustehen, während das restliche Drittel vom Stift als Lehen an Adelsfamilien übertragen war.[Anm. 13]

Mit den Vogteien über den Besitz des Koblenzer St. Castorstiftes trug Graf Johan von Nassau-Hadamar (1334-1365) im Jahr 1352 auch die Vogtei Windesheim vom Erzstift Köln zu Lehen. Die Ursprünge dieser Vogtei sind nicht bekannt.[Anm. 14] Die Vogtei Windesheim hat, nachdem der Ort bei Heiligenroth aufgegeben worden war, mehrfach den Namen gewechselt. Graf Ruprecht von Nassau trug sie 1389 als Vogtei Wirges vom Kölner Erzstift zu Lehen. Von Nassau-Dillenburg waren Dietrich von Grenzau (1398-1414) und nach ihm 1449 seine Schwiegersöhne Friedrich Hilchen von Lorch und Wilhelm von Staffel mit der Vogtei belehnt. Seit 1485 besaßen die Hilchen von Lorch dieses Lehen alleine und zogen es an ihren Burgsitz Dernbach, nachdem die Vogtei 1547 auch Vogtei Dernbach genannt wurde.[Anm. 15]

Wirges in neuerer Zeit

Kurfürstliche Burg in Montabaur[Bild: Stefan Grathoff]

Im Bereich des Erzstiftes Trier stand seit Ausgang des Mittelalters ein Heimberger an der Spitze einer sog. Zeche, wie man die Unterabteilung des übergeordneten Amtes in Montabaur nannte. Der Heimberger wurde vom Trierer Erzbischof ernannt. Er war, wenn wie in Wirges die Zeche weitgehend mit der Gemeinde zusammenfiel, gleichzeitig Ortsvorsteher. Er hatte die landesherrlichen Verordnungen zu verkünden, Frohnden zu verteilen sowie Steuern und Abgaben zu vereinnahmen und mit der herrschaftlichen Verwaltung abzurechnen. Er musste, wenn sein Amt es erforderte, zum Amtmann reisen, um die herrschaftlichen Anweisungen in Empfang zu nehmen. Für seinen Dienst war er üblicherweise von allen landesherrlichen Abgaben und Diensten befreit, später wurde ihm eine Aufwandsentschädigung bzw. ein Gehalt zugebilligt. Die Zeche Wirges ist zwischen 1488 und 1803 mehrfach belegt. Auch einige Heimberger sind namentlich bekannt: Losenhenn (1541), Friedrich Kleibues (1589), Johan Kleybers (1604-1612), Johannes Klebusch (Kleibusch) (1629-1655?), Johannes Kleibusch (1666-1678= 1689-1694?), Peter Kleibusch (1695-1711), Peter Müller (1716-1730), Peter Mans (1731-1733), Johannes Müller (1734-1756), Johan Jakob Claß (1757-1768), Peter Müller (1769-1782) und Johannes Claß (1783-1702).[Anm. 16]

Die Einwohnerzahl von Wirges war ständigen Änderungen unterworfen. Im Jahr 1495 gab es in Wirges 16 Feuerstätten, d. h. 16 Familien hatten einen eigenen Herd im Haus, 1563 besaß Wirges 53 Feuerstätten. Nach den Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) war die Zahl der Familien auf 29 gesunken. Ende des 18. Jahrhunderts war die Zahl der Familien wieder auf über 100 angewachsen, die ihre Häuser zwischen Unter- und Oberbach um die Kirche herum erbaut hatten.Geschichte der Pfarrei.

Die reformatorischen Erneuerungsbestrebungen, die im Reich seit dem Jahr 1517 unternommen wurden, zeigten im katholischen Wirges, das nach wie vor im Trierer Erzstift lag, keine spürbare Wirkung.

Wohl im Jahr 1584 hat es in Wirges einen größeren Brand gegeben, in dessen Verlauf weite Teile des Dorfes ein Opfer der Flammen wurden. Während der Kirchturm stehenblieb, musste das Kirchenschiff wiederaufgebaut werden. Die Kirche war im Jahr 1587 vollendet. Nur widerwillig hatte sich St. Florin an den Baukosten beteiligt. Das Pfarrhaus wurde erst 1603 wiederhergestellt, nachdem man ein Bürgerhaus entsprechend umgebaut hatte. Dieses Pfarrhaus stand im Bereich der »Festung« an dem Platz, der noch lange »Pfarrgarten« genannt wurde.[Anm. 17]

Aus einem Register der Leibeigenen des Amtes Montabaur aus dem frühen 17. Jahrhundert[Anm. 18] geht hervor, dass in Wirges noch sehr viele trierische Leibeigene lebten, die persönlich unfrei waren und ihrem Leibherrn direkt unterstanden. Unter ihnen befanden sich auch die Heimberger Johan Kleybers und Johannes Klebusch (Kleibusch) (s.o.), die demnach nicht nur von ihrem Amt her, sondern auch persönlich mit ihren Familien vom Trierer Erzstift bzw. dem Amt Montabaur abhängig waren.

Aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) gibt es in Wirges nur eine mündliche Überlieferung, die in der Geschichte der Pfarrei festgehalten ist: Im Jahr 1633 soll ein in Wirges einquartierter schwedischer Oberst den Befehl gegeben haben, den Ort anzuzünden, weil die Einwohner geflüchtet waren und Vieh und Habseligkeiten mitgenommen hatten. Da offensichtlich Nordwind herrschte, wurden das Feuer an der »Unnerbach« gelegt, damit der Luftzug das Feuer in das Oberdorf zwischen Kirche und Oberbach tragen konnte. Erneut sollen weite Teile des Ortes mit dem Pfarrhaus verbrannt sein. Nur die Kirche und der obere Ort seien verschont geblieben. Mit dem Pfarrhaus sollen auch die alten Urkunden und Kirchenbücher des Ortes vernichtet worden sein.[Anm. 19]

Seit Ende des 17. Jahrhunderts war der Bann Montabaur im Sprachgebrauch der Menschen in die Bänne Wirges und Hollar geteilt, wobei dieser Unterteilung im Zuge der Verwaltung keine Bedeutung zukam. Zum Bann Wirges wurden die Zechen Wirges sowie die Ortschaften Dernbach, Ebernhahn, Eschelbach, Heiligenroth, Helferskirchen, Leuterod und Moschheim gerechnet.[Anm. 20]

Mitte des 17. Jahrhunderts wütete wieder einmal die Pest im Westerwald. Zum Gedenken an diese Epidemie wurde in Wirges, wie in anderen Orten auch, im Jahr 1777 eine Sebastianus-Bruderschaft als Nothilfevereinigung gegründet. Der St. Sebastiansaltar in der Pfarrkirche (1779 von der Bruderschaft gestiftet) erinnert noch heute an die besondere Verehrung, die dem Heiligen aus Mailand in Wirges zuteil wurde.[Anm. 21]

Im heutigen Rathaus war früher die Schule untergebracht[Bild: Gemeinfrei]

Der Einmarsch der französischen Revolutionstruppen besiegelte das Schicksal des Trierer Kurstaates. Die rechtsrheinischen Teile des aufgehobenen Erzstiftes wurden nach dem sog. Reichsdeputationshauptschluss (1803) an das Herzogtum-Nassau übergeben. Somit fiel mit dem Amt Montabaur auch Wirges unter nassauische Herrschaft. Die dem Florinsstift seit alters her zustehenden Güter, Gülten, Zehnten usw. gingen ebenfalls an das Haus Nassau-Weilburg über. Im Jahr 1806 vereinigten sich die beiden nassauischen Fürstentümer Dillenburg und Weilburg zum Herzogtum Nassau.

Im Kirchspiel Wirges starben im Jahr 1814 insgesamt 212 Personen an der sog. »Russischen Krankheit«, wie man damals eine Typhusepidemie nannte. Russische Soldaten waren ab November 1813 bis 1814 den abziehenden französischen Truppen gefolgt und in Wirges einquartiert gewesen.[Anm. 22]

Nach der militärischen Niederlage in der Entscheidungsschlacht bei Königgrätz im Jahr 1866, in der die preußische Armee diejenigen Österreichs und Sachsens besiegte, wurde das Herzogtum Nassau durch das Königreich Preußen annektiert. Wirges kam unter preußische Landeshoheit. Die neue Provinz Hessen-Nassau wurde in die Regierungsbezirke Wiesbaden (für die das ehemalige Herzogtum Nassau) und Kassel (für das Kurfürstentum Hessen) aufgeteilt. Der Unterwesterwaldkreis entstand 1867 aus dem nassauischen Ämtern Montabaur und Selters. Wirges gehörte nun zum Unterwesterwaldkreis im Regierungsbezirk Wiesbaden.

Als im Jahr 1884 die Westerwaldbahn ihren Betrieb aufnahm und Wirges seinen Bahnhof erhielt, erlebte Wirges einen wirtschaftlichen Aufschwung. In dem jahrhundertelang landwirtschaftlich geprägtem Ort war bereits im 19. Jahrhundert die Tongewinnung und das Handwerk der Krugbäcker heimisch geworden. Nun entstanden eine Fabrik feuer- und säurefester Produkte AG (1891/94), eine Schamotteproduktion (1894) und eine Glasfabrik (1895), die später weiter ausgebaut wurde. Um Wohnraum für die vielen Arbeiter zu schaffen, wurde der damals noch bewaldete »Dornberg» (Dornberg I) und die Flur »Vor der Asbach« (Asbach I und II) bebaut. Für die Glasfabrik mussten Fachleute aus allen Teilen des Deutschen Reiches angeworben werden. Zum alten Siedlungskern im Umfeld der Kirche, kamen jetzt Arbeitersiedlungen hinzu. Die beiden Siedlungszentren prägen noch heute das Ortsbild von Wirges.

Gegen Ende des 1. Weltkrieges (1914-1918) zogen deutsche Gruppen auch durch Wirges. Ihnen folgten amerikanische Verbände, die Wirges besetzten. Insgesamt sind im ersten Weltkrieg 107 Männer aus Wirges umgekommen. 1921 wurde zu ihrem Gedenken am »Reginlindispark« neben dem früheren Bürgermeisteramt ein Gefallenendenkmal vom Bildhauer Karl von Hörde aus Niederlahnstein errichtet und im November von Pfarrer Josef Ignaz Luschberger eingeweiht. Beim Bau des Gedenkkreuzes auf dem neuen Südfriedhof entfernte man das Kriegerdenkmal wieder.[Anm. 23]

Als am 26. März 1945 erste Panzerspähwagen der Amerikaner in Wirges auftauchten, hissten die des Krieges müden Wirgeser weiße Fahnen zum Zeichen des Friedens. Am Morgen des 27. März besetzten die Amerikaner den Ort. Die Übergabeverhandlungen wurden mit Pfarrer Robert Flink geführt, auf dessen Vorschlag die Amerikaner Edmund Eschenauer zum Bürgermeister bestimmten. Im 2. Weltkrieg (1939-1945) haben 289 Wirgeser ihr Leben verloren. Der Ort war von allen Kampfhandlungen verschont geblieben. Im Sommer 1945 wurden die amerikanischen Besatzungstruppen durch die Franzosen abgelöst.[Anm. 24]

Der Unterwesterwaldkreis wurde Teil der französischen Besatzungszone. Das Bundesland Rheinland-Pfalz entstand 1946. Seit 1971 ist Wirges Sitz der Verbandsgemeinde Wirges mit 12 zugehörigen Ortschaften (Neben Wirges sind dies Bannberscheid, Dernbach (Westerwald), Ebernhahn, Helferskirchen, Leuterod, Mogendorf, Moschheim, Niedersayn, Ötzingen, Siershahn und Staudt). 1974 wurden im Zuge der rheinlandpfälzischen Gebiets- und Verwaltungsreform der Ober- und der Unterwesterwaldkreis aufgelöst. Seit diesem Jahr gehörte Wirges zum neu geschaffenen Westerwaldkreis. Am 10. Mai 1975 wurden Wirges Stadtrechte verliehen.

Zur Geschichte der Kirchen in Wirges

Pfarrkirche St. Bonifatius in Wirges[Bild: Gemeinfrei]

Die Pfarrei Wirges ist ebenso, wie die Pfarreien Heiligenroth, Arzbach, Kirchähr und Esten-Holzappel aus der Pfarrei Humbach (Montabaur) erwachsen. Als König Heinrichs II. (1002-1024) im Jahr 1018 die Stadt Koblenz an Erzbischof Poppo von Trier verschenkte und damit auch der Bann Humbach an das Erzstift Trier überging, wurde Wirges wahrscheinlich aus der Urpfarrei Umbach herausgelöst und als Filialkirche nach St. Florin inkorporiert. Somit war der Propst von St. Florin, der Hauptpfarrer in seinem Archidakonat war, auch für die Kirche in Wirges zuständig.

Eine erste Kirche in Wirges entstand wohl zwischen 1150 und 1200. Sie bestand aus Holz und stand an der Stelle der heutigen Kirche. Die Zehntherren von Wirges waren für den Bau und die Unterhaltung der Kirche verantwortlich. So dürfte die Kirche wohl vom St. Florinsstift als dem Zehntherrn maßgeblich finanziert worden sein. Als erster Pfarrer ist »plebanus Arnoldus de Wedergis« genannt. Die neue Kirche dürfte wohl schon das Bonifatiuspatrozinium getragen haben. Das Patrozinium geht vermutlich auf eine Schenkung zurück, die ein gewisser Regenmar im 9. Jahrhundert dem Kloster Fulda mit Gütern im Engersgau machte.[Anm. 25] Dazu gehörte auch das Dorf Butinebrunnen, womit wohl das spätere, heute ebenfalls verschwundene Desper (bei Ebernhahn) gemeint ist, das zu den Wirgeser Gütern zählte. Ein sicherer Beleg für das Bonifatiuspatrozinium der Pfarrkirche zu Wirges ist das allerdings erst für das Jahr 1660 gegeben.[Anm. 26] Filialen der Pfarrkirche Wirges waren zur Zeit des Pfarrers Arnoldus die Kirchen in Dernbach, Ebernhahn, Siershahn, Staudt, Bannberscheid, Moschheim, Leuterod und Ötzingen. Seitdem Wirges nun eine eigene Kirche hatte, dürften die Wirgeser ihre Toten nicht mehr auf dem Friedhof in Humbach, sondern auf einer Begräbnisstätte bei ihrer Pfarrkirche in Wirges begraben haben.

Bereits im Jahr 1752 wird mit der Planung zum Bau einer neuen Kirche in Wirges begonnen. Die alte Kirche wurde als zu klein angesehen und war darüber hinaus teilweise baufällig. Doch die Bauarbeiten begannen erst im Jahr 1773. An den Baukosten beteiligten sich der Haupt-Zehntherr St. Florin in Koblenz, der Graf von Walderdorff, die Herren von Stein, der Herr von Sohlern und der Graf von Elz-Rübenach sowie die Pfarrherren von Wirges und Helferskirchen. Für die Altäre und die Inneneinrichtung musste das gesamte Kirchspiel aufkommen. Das Kirchenschiff wurde niedergelegt und ein basilikaähnliches Langhaus im Stil des Spätbarock an den Turm angesetzt. 1775 wurde die Kirche eingeweiht.

1848 wurde bereits der Bau einer neuen Kirche erwogen. Der jetzige Haupt-Zehntherr, die herzoglich-nassauische Domänenverwaltung, der Graf von Walderdorff zu Molsberg, der Freiherr von Heddesdorf zu Winningen und die Gräfin von Gieck zu Nassau als Rechtsnachfolgerin der Freiherren vom Stein waren verpflichtet, ihren Anteil an den kommenden Baukosten beizutragen. Als man sich nicht einigen konnte, musste der Kirchenvorstand 1854 die Gerichte bemühen. Es kam zu längeren Rechtsstreitigkeiten, die von politischen Veränderungen überlagert wurden. Denn im Jahr 1866 wurde die nassauische von der preußischen Landeshoheit abgelöst wurde. Die Arbeiten gingen erst 1879 weiter. Der Kirchturm wurde abgerissen und durch einen neuen Turm ersetzt. Schiff und Chor der alten Kirche blieben erhalten, der 1878 bereits begonnene Erweiterungsbau wurde fortgeführt.

Der Bau der Kirche und die Abhaltung von Gottesdiensten wurden durch den sog. »Kulturkampf«, die Auseinandersetzungen zwischen dem Königreich Preußen bzw. dem Deutschen Reich und der katholischen Kirche beeinträchtigt. Im Jahr 1883 waren wegen des »Kulturkampfes« viele Pfarreien der Diözese Limburg verwaist, unter ihnen auch die Pfarrei Wirges.

Im Jahr 1884 wurde der Neubau bzw. der Weiterbau der Pfarrkirche nach den Plänen des Architekten Max Meckel beschlossen. Noch 1884 wurde mit dem Abriss der alten Kirche begonnen, 1885 erfolgte die Grundsteinlegung durch Pfarrer Bernhard Feldmann. Die Steine für den Neubau wurde von Bauern des Ortes mit Fuhrwagen aus dem nahen »Hölzbrich» geholt. Der 1879 erstellte Anbau blieb erhalten. Langhaus und Turm wurden neu errichtet. Im Jahr 1887 war der Kirchenbau vollendet. Es folgte die feierliche Weihe durch den Limburger Bischof Karl Klein (1886-1898).[Anm. 27]

Seit jeher war der Pfarrer gleichzeitig Glöckner und Lehrer in der Pfarrschule. Eine solche wird 1664 unter Pfarrer Adam Osters eingerichtet. Der Unterricht fand in einem kleinen Bauernhaus statt. Das Gebäude existierte noch Anfang des 20. Jahrhunderts. Es hatte zunächst nur ein Stockwerk, wurde später aber aufgestockt, um Raum für ein zweites Klassenzimmer zu schaffen. Unter nassauischer Herrschaft wurde aus der alten Pfarrschule eine Volksschule, in der in 8. Jahrgängen ganzjährig Unterricht stattfand[Anm. 28] In dem Gebäude der Alten Schule befindet sich heute das Rathaus. An Schulen sind heute die staatliche Theodor-Heuss-Grundschule, die Theodor-Heuss-Realschule plus und die private Katharina-Kasper-Schule zu finden.

Evangelische Kirche in Wirges[Bild: Ulrich Neumann]

Auf Postkarten, die um 1900 entstanden, ist auf dem Dornberg am Rande der neu errichteten Arbeiterkolonie ein evangelisches Kirchengebäude mit dem Pfarrhaus zu sehen. Das in weißer Farbe gehaltene Langhaus, mit rötlich absetzten Mauerrändern, ist von einem Satteldach gedeckt, über dessen einem Ende sich ein Dachreiter mit spitz zulaufendem schiefergedecktem (?) Helmdach als Turmersatz erhebt.[Anm. 29]

Juden sind in Montabaur schon zu Beginn des 14. Jahrhunderts ansässig gewesen. In Wirges wird ein jüdischer Mitbürger erstmals 1855 erwähnt, als Josef Kahn aus Wirges beantragte, der Synagoge in Mogendorf zugeteilt zu werden, da der jüdische Gottesdienst in Montabaur, wohin die Familie bisher immer gegangen war, zu unregelmäßig stattfand. Im Jahr 1895 waren drei Menschen jüdischen Glaubens in Wirges ansässig.
In den Jahren der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft (1933-1945) drängten bereits im Jahr 1933 SS-Männer die jüdische Familie Isselbächer aus ihrem Haus in Wirges, warfen deren Privatbibliothek auf die Straße und zündeten sie an.Siehe dazu ausführlich: Joachim Jösch: In Wirges gibt es keine Juden mehr. In: Jösch/Jungbluth, Juden S. 240-242. Im Jahr 1938 war ein SS Mann aus Wirges bei der Drangsalierung der jüdischen Bevölkerung und der Verwüstung der Synagoge in Mogendorf beteiligt. Im selben Jahr haben SA Männer aus Wirges dabei geholfen, jüdische Mitbewohner in Herrschbach zu vertreiben.[Anm. 30]

Nachweise

Verfasser: Stefan Grathoff

Literatur:

  • Hellmuth Gensicke: Landesgeschichte des Westerwaldes. (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau.13). ND Wiesbaden 1999.
  • Die Geschichte der Katholischen Pfarrei Wirges (ca. 300-1988 n. Chr.. Online unter: www.winfried-schlotter.privat.t-online.de/Wirges.htm. In dieser chronologischen geordneten Sammlung von Nachrichten fehlen häufig nachprüfbare Quellennachweise. Gleichwohl haben wir Nachrichten aus dieser Chronik übernommen (zuletzt eingesehen am 2.5.2020), da sie nur hier zu finden sind. Die einzelnen Textstellen sind unter der jeweiligen Jahresangabe aufzufinden. Die Angaben dieser Chronik wurden in die Wikipedia übernommen: de.wikipedia.org/wiki/St._Bonifatius_(Wirges)., zuletzt eingesehen am 2.5.2020.
  • Jösch, Joachim und Uli Jungbluth (Hg.): Juden im Westerwald. Leben, Leiden und Gedenken. Montabaur 1998.
  • Bildarchiv Neumann, darin: Zur Geschichte von Wirges: www.bildarchiv-neumann.de/Eibainhalt.htm
  • Dehio Rheinland-Pfalz Saarland. 2. bearbeitete und erweiterte Ausgabe. Darmstadt 1985, S. 1141.

Lesetipps

  • 887–1987. 100 Jahre Pfarrkirche St. Bonifatius Wirges. Festbuch anläßlich der 100-Jahrfeier der Pfarrkirche St. Bonifatius Wirges. Herausgegeben von der kath. Kirchengemeinde St. Bonifatius Wirges, Wirges 1987.

Webadressen:

Erstellt am: 02.05.2020

Anmerkungen:

  1. Gensicke, Landesgeschichte rechnete S. 5 Wirges zu den ältesten Orten des Westerwaldes, während er S. 15 die Entstehungszeit von Wirges in das 9. oder 10 Jahrhundert setzt. Zurück
  2. Monumenta Germaniae Historica, Diplomata Ottos I. Nr.193 mit der Jahreszahl 959: Dat. III kal. Mai anno DCCCCLVIIIIZurück
  3. Möglich ist aber auch, dass nach Herrmans Tod zunächst sein Schwiegersohn Liudolf, ein Sohn König Ottos, das Gut als Erbe des Herzogtums übernahm. Als Liudolf am 6. September 957 dann selbst verstarb, wäre der Hof erst jetzt an König Otto I. zurückgefallen. Zurück
  4. Gensicke, Landesgeschichte S. 102; Geschichte der Pfarrei zum Jahr 958; Historisches Lexikon der Schweiz s.v. Reginlinde = https://hls-dhs-dss.ch/, eingesehen am 1.5.2020). Zurück
  5. MG DD H II Nr. 397. Zurück
  6. Gensicke, Landesgeschichte S. 67. Zurück
  7. Gedruckt bei: Heinrich Beyer, Leopold Eltester und Adam Goerz (Bearb.): Urkundenbuch zur Geschichte der jetzt Preussischen Provinzen Coblenz und Trier bildenden Territorien. Bd. 2. Koblenz 1865, Nr. 15 S. 415f. Zurück
  8. Die Angaben aus der »Geschichte der Pfarrei« konnten bisher bei Albert Hardt: Urkundenbuch der Abtei Rommersdorf. Wolfenacker 1997 bzw. im Staatsarchiv Wiesbaden (HHStAW) Best. 162 Urkunden nicht überprüft werden. Zurück
  9. Gensicke, Landesgeschichte S. 48, 102; 1249 wird ein Hof des Stiftes in Wirges erwähnt (Geschichte der Pfarrei). Zurück
  10. Gensicke, Landesgeschichte S. 67f. und 233. Zurück
  11. Staatsarchiv Wiesbaden (HHStAW) Best. 352 Nr. 1657. Zurück
  12. Geschichte Pfarrei Zurück
  13. Geschichte der Pfarrei. Zurück
  14. Gensicke, Landesgeschichte S. 241 und 286. Zurück
  15. Gensicke, Landesgeschichte S. 159f. Zurück
  16. Gensicke, Landesgeschichte S. 500. Zurück
  17. Geschichte der Pfarrei. Zurück
  18. HHStAW Best. 116 Nr. 283, eine digitale Abschrift in HHStAW Best. 1199/049 Nr. 50000, online unter https://argewe.lima-city.de/Personenlisten/Leibeigene_Wirges-Helferskirchen/Wirges-W.htm. Zurück
  19. Geschichte der Pfarrei. Zurück
  20. Gensicke, Landesgeschichte S. 412 und S. 459f. Zurück
  21. Geschichte der Pfarrei zum Jahr 1666-1668. Zurück
  22. Geschichte der Pfarrei. Zurück
  23. Geschichte der Pfarrei. Zurück
  24. Geschichte der Pfarrei. Zurück
  25. Gensicke, Landesgeschichte S. 85. Zurück
  26. Gensicke, Landesgeschichte S. 86, 104 und 179. Zurück
  27. Die Angaben zum Kirchbau folgen den Angaben bei: Geschichte der Pfarrei bzw. der Darstellung bei: https://de.wikipedia.org/wiki/St._Bonifatius_(Wirges). Zurück
  28. Geschichte der Pfarrei. Zurück
  29. www.bildarchiv-neumann.de/Wirges-dornberg.htm. Über die Geschichte dieses Gebäudes, das wohl an der Stelle der heutigen Evangelischen Kirchengemeinde stand, konnte bisher noch nichts in Erfahrung gebracht werden. Zurück
  30. Jösch/Jungbluth, Juden S. 35, 104f. und 187. Zurück