Die Ursprünge
Der Westerwald war bis in die Bronzezeit hinein nur an wenigen Stellenbesiedelt. Ein Grund, warum Menschen das siedlungsfreundliche Rheintal verließen und auf die unwirtlichen Höhen zogen, waren dieWesterwälder Eisenerzvorkommen, die seit der frühen Latènezeit (450 bis 15 v. Chr.) mehr oder weniger systematisch abgebaut wurden. Auf diesen Zusammenhang weisen etwa frühe Siedlungsspuren bei Freusburg, Betzdorf und Daaden hin. Auch der Ringwall auf dem Dornberg bei Frickhofen belegt, dass schon um die Zeitenwende Menschen im Westerwald gelebt haben. Doch abgesehen von verstreut liegenden Dörfern und Weilern der einheimischen Bevölkerung, endete eine dichtere Besiedelung des Westerwaldes in römischer Zeit (40 v.Chr. –ca. 450 n.Chr.) in etwa an der Limesgrenze.
In der Zeit der »Völkerwanderung« (ca. Ende des 4. bis Mitte des 6. Jahrhunderts) sind nennenswerte Siedlungen im Neuwieder Becken, an den Randhöhen des Westerwaldes im Westen und im Limburger Becken zu erkennen, während das Wied- und Nistertal sowie der Nordwesterwald noch nahezu völlig siedlungsfrei waren. Zu rau und feucht war das Klima, zu dicht der Wald, um kontinuierlich Ackerbau betreiben zu können, nur wenige Kulturpflanzen konnten auf der Höhe gedeihen. Dies änderte sich erst, nachdem Neuerungen in der Landwirtschaft es immer mehr Menschen ermöglichten, auf dem Westerwald ihr Auskommen zu finden. Nahezu alle Siedlungen, deren Namen auf -heim, -dorf, -feld, -bach, -scheldt und -berg enden, sind zwischen dem 5. und 9. Jahrhundert gegründet worden. Die Siedlungsplätze konzentrierten sich nach wie vor im Wesentlichen auf das Neuwieder und das Limburger Becken, doch weisen die »-bach-Orte« in der Umgebung Hachenburgs, wie etwa Kroppach, Müschenbach, Mudenbach und Merkelbach sowie die »-hausen-Orte« wie etwa Giesenhausen und Bretthausen daraufhin, dass auch hier in dieser Zeit Siedlungen entstanden.
Seit dem 9. Jahrhundert kommen die »-rod-Orte« hinzu, die ihren Ursprung einer Rodungsepoche in der Zeit der Könige aus dem Karolingischen Haus (768-911) verdanken. Erst danach entstanden in der Regel solche Orte, deren Namen auf -stein, -berg, -fels, -eck und -burg enden. Ihre Entwicklung vollzog sich überwiegend im Zusammenhang mit der Entstehung einer Burg.
Zu diesen im 12. Jahrhundert entstandenen Orten gehörte auch Hachenburg.
Archäologische Funde
Die Siedlungsspuren, die archäologische Grabungen im Bereich Hachenburgs zutage gefördert haben, lassen sich nur schwer zur Festlegungder Entstehungszeit des Ortes heranziehen. So könnte der sog. Altstädter Kugeltopf darauf hinweisen, dass um die Wende des 10. zum 11.Jahrhunderts Menschen im Bereich der heutigen Bartholomäuskirche gewohnt haben. Beweisen lässt sich dies anhand des Fundes allerdings nicht. Auch der sog. Löwenstein, der 1970 bei Erdarbeiten im Bereich des Hachenburger Schlosses aufgefunden wurde, verrät nichts über die frühe Besiedelung Hachenburgs. Das Kapitell trägt nämlich zwei Wappen. Im ersten befinden sich der doppelschwänzige saynsche Löwe, imzweiten ein Schlüssel und drei Muscheln. Dies sind Attribute der Ehefrau Graf Gerhards II. (reg. 1452-1493), Elisabeth von Sierck (1435-1489). Ihre Familie trug im silbernen Wappenfeld einen roten Schlüssel (Herrschaft Montclair) und im goldenen Wappenfeld einen roten Balken mit drei silbernen Muscheln. Der Stein wurde also offensichtlich nach 1484 als Dank für die Unterstützung des Grafen beim Kirchenbau eingesetzt und bei der Generalrenovierung 1775 wieder entfernt, da er nicht mehr gebraucht wurde.
Zeitlich nicht einordnen lässt sich eine Urne, die man 1872 auf dem Gebiet der heutigen Brauerei entdeckt hat. Der Fund beinhaltete Scherben alter Krüge, eine Lanzenspitze, einen tief in das Erdreich eingerammten Eichenstamm sowie Rohre einer Wasserleitung. Von größerer Aussagekraft sind die gut erhaltenen Mauerreste aus rotgebrannten Ziegelsteinen, auf die man 1954 bei Ausschachtungsarbeiten im Baugelände »Auf den Stühlen« stieß. Erste Untersuchungen der Bodendenkmalpflege in Koblenz ergaben, dass man zwei übereinanderliegende Brandschuttschichten gefunden hatte. Die Häuser, die hier einst gestanden hatten, wurden also zweimal zerstört. Erste Analysen weisen darauf hin, dass die Funde, zu denen auch Scherbenreste gehören, in das 11. Jahrhundert zu datieren sein dürften. Damit würde der Bereich »Auf den Stühlen« in Verbindung mit der nahen Bartholomäuskirche den Ausgangspunkt der Siedlungsgeschichte Hachenburgs und Altstadts bilden.
Eine Kapelle - Keimzelle Hachenburgs
Abgesehen von den spärlichen Grabungsfunden liegen für die Frühgeschichte Hachenburgs keine direkten Quellen vor. Die Geschichte der Stadt lässt sich erst etwas besser verfolgen, nachdem um 1100 im Bereich der heutigen Bartholomäuskirche eine kleine Kapelle entstand. Um diese Kapelle dürften sich einige Gebäude gruppiert haben, in denen Reisende zusätzlich zum geistlichen Zuspruch auch Unterkunft und Verpflegung finden konnten. Der Standort der Kirche und Gebäude war gut gewählt, trafen hier doch zwei wichtige Durchgangsstraßen zusammen. Zum einen verlief ein Stück oberhalb auf der Bergkuppe die aus dem Kölner Raum herkommende und nach Thüringen und Sachsen führende »Köln-Leipziger-Straße«. Zum anderen zog der von Limburg kommende Eisenweg direkt an der Kirche vorbei, um oben auf der Kuppe die Köln-Leipziger-Straße zu kreuzen und dann weiter ins Siegerland zu führen.
Ob diese wohl in Holzbauweise errichtete Kapelle älteren Ursprungs war und bereits um das Jahr 900 an dieser Stelle stand, ist nicht zu beweisen. Entsprechende Annahmen gründen auf der Überlegung, dass der später namengebende Schutzpatron der Kirche, der Heilige Bartholomäus, von den ostfränkischen karolingischen Königen, die zwischen 768 und 911 regierten, mehrfach als Schutzheiliger von Kirchen gewählt wurde.12 Doch abgesehen davon, dass die Kirche keine Königsgründung gewesen sein dürfte, ist das Hachenburger Bartholomäuspatrozinium erst für das Jahr 1393 zweifelsfrei belegt. Es ist also keineswegs sicher, ob die Kirche bei ihrer Gründung dem hl. Bartholomäus geweiht war. Als die Kirche erstmals genannt wird, ist sie eine »namenlose« Filiale der Pfarrkirche in Altenkirchen.
Die Kirche in Altenkirchen, die ihren Pfarrsprengel Ende des 8. und Anfang des 9. Jahrhunderts ausbildete, scheint schon früh in der Verfügungsgewalt des Bonner Stiftes St. Cassius und Florentinus gewesen zu sein. Seit dem 9. Jahrhundert hatte das Stift schrittweise grundherrliche Rechte im Auelgau erworben.13 Papst Innozenz II. (1130-1143) bestätigte am 31. März 1131 dem Stift alle seine Besitzungen. Zum Gut des Stiftes in Altenkirchen zählten damals auch ein Hof, gewisse Zehntrechte, sowie einige Kapellen,14 die nicht namentlich genannt werden. Als aber Papst Innozenz III. (1198-1216) am 11. Juni 1199 die Rechte erneut bestätigte, werden die Kirchen Almersbach (Almerspach), Altenkirchen (Aldenkirchen), Kroppach (Crophac) und ein gewisses Umgeriffen genannt, die mit anderen Rechten zum Besitz des Stiftes St. Cassius und Florentinus gehörten.
Dieses Dorf Umgeriffen wird gerne mit der Ursiedlung von Hachenburg in Verbindung gebracht.16 Doch ist die Identität des Dorfes Umgeriffen keineswegs gesichert, zumal die Urkunde Papst Innozenz III. nur als Abschrift aus der Mitte des 16. Jahrhunderts erhalten ist,17 und ein Ort Umgeriffen in der bekannten Überlieferung nie wieder auftaucht. Auch Gensicke setzte Umgeriffen mit Ur-Hachenburg gleich, nimmt aber an, dass der Name verfälscht wiedergegeben worden ist. Jäger möchte den Namen Umgeriffen als Ungersiffen lesen. Unger stehe mundartlich für »Unter «, Siffen sei die alte Schreibweise für Siefen bzw. Seifen. Noch 1819 sei auf einer nassauischen Landkarte das Feuchtgebiet oberhalb von Gehlert mit die Strieffen bezeichnet worden.### Neben diesem »Unterseifen« wurden auch andere Bezeichnungen für »Ur-Hachenburg« ins Spiel gebracht, wie etwa Rothenbach (nach demgleichnamigen Bach) oder Dersch (nach dem ehemaligen Hofgut),19 ohne dass hierfür ein Beweis angetreten werden konnte.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass um bzw. vor dem Jahr 1100 im Bereich der heutigen Bartholomäuskirche eine Kapelle und einige Wirtschaftsbauten standen, die als Rast-, Übernachtungs- und vielleicht als Handelsstation dienten. Gleichzeitig stellte die Siedlung für Reisende einen Etappenort auf dem Weg von Altenkirchen nach Königshofen (Stein-Neukirch) dar. Der Name der Siedlung, der wohl zur Grundherrschaft des Stiftes St. Cassius und Florentinus in Bonn gehörte, ist unbekannt. Die Ost-West-Durchgangsstraße führte über den sumpffreien Bergrücken, südlich am noch unbebauten Hackenberg-Felsen vorbei. Wer in »Ur-Hachenburg« Rast machen wollte, musste in den (späteren) Eisenweg einbiegen und die wenigen 100 Meter zur Siedlung am Rothenbach heruntersteigen. Nur hier war genügend Wasser für Mensch und Tier zu finden.
Redaktioneller Hinweis: Die hier vorgestellten Ausführungen sind inhaltliche Ergänzungen und Erweiterungen der entsprechenden Abschnitte des Buches „Geschichte der Stadt Hachenburg“. Die zugehörigen Basis-Informationen sind u.U. nur in der Druckausgabe zu finden. Die Inhalte dieser Seiten entsprechen also nicht denjenigen des Buches.