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Die erste und die letzte Tagesmahlzeit: Von Morgen-, Abend- und Nachtessen

von Simone Busley

Wie kommt eigentlich das Stück ins Frühstück? Warum wird beim Abendbrot nicht immer Brot verzehrt? Und woher kommt eigentlich der Begriff Vesper für eine Zwischenmahlzeit?

Für die erste und letzte Mahlzeit des Tages kennt die regionale Alltagssprache verschiedene Bezeichnungen, für das Frühstück z. B. Kaffeetrinken, Morgenessen und Frühstück und für das Abendessen Vesper, Abendbrot, Nachtessen und Abendessen. Sie gehen auf frühere Bräuche zurück: Mehrere Haupt- und Zwischenmahlzeiten, zu denen bestimmte Speisen verzehrt wurden, gliederten den Tag.

Datenerhebung und -auswertung

In der Online-Umfrage wurde nach der ortstypischen Bezeichnung für die erste und für die letzte Mahlzeit des Tages gefragt. Die Abfrage hat 394 eindeutige Antworten für das Frühstück und 404 eindeutige Antworten für das Abendessen erbracht. Bei der Auswertung wurden zusammengehörige Varianten eines Typs zusammengefasst, also z. B. Owendesse, Omentääse und Abendessen zum Typ Abendessen. Dabei wurde nicht zwischen Dialekt, regionaler Umgangssprache und Standarddeutsch unterschieden.

Ergebnisse

Karte ‘erste Mahlzeit des Tages’[Bild: Simone Busley, IGL]

Wir beginnen mit der Mahlzeit am Morgen. Wie die Karte zeigt, ist Frühstück die häufigste Bezeichnung und überall in unserem fokussierten Gebiet verbreitet. Sie ist bereits im Mittelhochdeutschen als vruostücke, vrüestücke belegt und heute auch das im Standarddeutschen übliche Wort für das erste Tagesmahl. Das Erstglied Früh- bezieht sich auf die frühe Uhrzeit, den Tagesbeginn, an dem die Mahlzeit eingenommen wird (vgl. auch den Ausdruck in der Frühe ‘am Morgen’). Bei einem Frühstück handelte es sich früher um ein belegtes Stück Brot (vgl. Rheinisches Wörterbuch Bd. 2, Sp. 841), was das Zweitglied des Kompositums erklärt: Auch heute noch wird das Butterbrot in vielen rheinland-pfälzischen Dialekten als Stück bezeichnet (vgl. Busley 2020). Dieses wurde aber üblicherweise nicht als erstes, sondern als zweites Frühstück zwischen neun und zehn Uhr verzehrt und daher z. B. auch Neunuhrbrot (auch Neunuhren oder Neunebrot) oder Zehnuhrbrot (auch Zehnebrot) genannt (vgl. Rheinisches Wörterbuch Bd. 6, Sp. 181; Pfälzisches Wörterbuch Bd. 5, Sp. 134 und Bd. 6, Sp. 1561). [Anm. 1] Der Begriff Frühstück wurde später auf alle morgendlichen Mahlzeiten übertragen.

Die erste Mahlzeit, die zwischen acht und zehn Uhr eingenommen wurde, war in unserer Region bis ins frühe 20. Jahrhundert meist eine Suppe oder ein Brei, z. B. aus Milch mit eingebrocktem Brot oder Hafermehl. Sie wurde insbesondere in der Pfalz und im Saarland als Morgen(s)essen bezeichnet (vgl. Rheinisches Wörterbuch Bd. 5, Sp. 1297 und Bd. 1, Sp. 952; Pfälzisches Wörterbuch Bd. 4, Sp. 1425). Das dazugehörige Verb ist zu Morgen essen (dialektal z. B. z’ Moie esse). Das Wort ist in unseren Daten allerdings nur noch sehr selten belegt. Mit der aufkommenden Sitte, morgens einen Kaffee zu sich zu nehmen, löste Kaffeetrinken (vgl. Pfälzisches Wörterbuch Bd. 4, Sp. 9), das auch heute noch verbreitet ist, das Morgenessen ab.

Insgesamt setzt sich in der Alltagssprache zunehmend Frühstück für das erste Essen des Tages durch, im Pfälzischen wohl besonders durch den Einfluss des Standarddeutschen (vgl. Pfälzisches Wörterbuch Bd. 2, Sp. 1624). Auch unsere Fragebogen-Daten zeigen, dass nur noch in den älteren Generationen Kaffee getrunken statt gefrühstückt wird.


Im angrenzenden luxemburgischen Sprachraum ist Kaffeetrinken (lux. Kaffi drénken) oder einfach Kaffi die üblichste Variante, dicht gefolgt vom Morgenessen (lux. Moiesiessen). Hier hat sich das standarddeutsche Frühstück noch nicht so stark durchgesetzt, wird in jüngeren Generationen jedoch ebenfalls zunehmend verwendet (s. Kaffi drénken a Co.).

Karte ‘letzte Mahlzeit des Tages’[Bild: Simone Busley, IGL]

Wir kommen zur letzten Mahlzeit des Tages, bei deren Bezeichnung es, anders als beim Frühstück, regionale Präferenzen gibt. Allgemein ist in unserem Gebiet das Abendessen verbreitet. Dem Deutschen Wörterbuch (Bd. 1, Sp. 129) zufolge hat sich das Wort ausgehend vom Westmitteldeutschen, Westniederdeutschen und Bairischen im Standarddeutschen durchgesetzt. Allerdings bezog es sich in denjenigen Regionen, die auch Nachtessen (s. u.) kennen, ursprünglich nicht auf das letzte Essen des Tages, sondern auf eine Zwischenmahlzeit um vier Uhr (vgl. Pfälzisches Wörterbuch Bd. 1, Sp. 21 und Bd. 2, Sp. 1380). Diese war meist eine Scheibe Brot, womit sich auch das Abendbrot erklärt (früher in den Dialekten auch Vieruhressen oder Vieruhrbrot genannt). Dieses muss heute nicht mehr unbedingt eine Brotmahlzeit sein, sondern der Begriff kann jegliches, wenn auch in der Regel eher ein bescheideneres Gericht bezeichnen, das am Abend gegessen wird.

Insbesondere südlich der Hunsrück-Schranke ist heute noch die Bezeichnung Nachtessen für die letzte Tagesmahlzeit bekannt (vgl. Pfälzisches Wörterbuch Bd. 5, Sp. 27). Wie unsere Fragebogen-Daten zeigen, nimmt in jüngeren Generationen jedoch insgesamt der Gebrauch von Abendessen und Abendbrot zu.


Die Bezeichnung Vesper, die auf unserer Karte mit nur wenigen Belegen vertreten ist, ist besonders im süddeutschen Raum verbreitet. Hier gilt das Wort sowohl für das zweite Frühstück als auch für das Abendessen. Es handelt es sich um eine frühe Entlehnung des lateinisches Wortes vespera ‘Abend, Abendzeit, Abendgegend’, das im kirchlichen Kontext das Gebet oder den Gottesdienst am Nachmittag bzw. frühen Abend bezeichnete. Seit dem 18. Jahrhundert wird Vesper schließlich synonym für das oben erwähnte Vieruhrbrot, auch Vesperbrot genannt, gebraucht (vgl. Rheinisches Wörterbuch Bd. 9, Sp. 100; Pfälzisches Wörterbuch Bd. 2, Sp. 1329). Der Begriff wurde dann auch auf andere Zwischenmahlzeiten übertragen.

Nachweise

Verfasserin: Simone Busley

Literatur:

 

Anmerkungen:

  1. Eine Karte zu heutigen regionalen Bezeichnungen für das zweite Frühstück findet sich im Atlas zur deutschen AlltagsspracheZurück