Tobias Jaecker: Die Gründung des Rheinischen Bundes 1254 in Mainz
Einleitung
In vorliegender Arbeit möchte ich die Gründung des Rheinischen Bundes 1254 in Mainz analysieren. Vor allem werde ich untersuchen, welche Akteure sich hier zusammenschlossen und welche Motive sie zu ihrem Handeln trieben. Auf der anderen Seite möchte ich auf die Ziele eingehen, die mit der Gründung des Bundes verwirklicht werden sollten. Dazu erscheint es mir zunächst unerlässlich, kurz die politische Lage im Reich und vor allem in den Städten zu beschreiben, um die gegebenen Voraussetzungen erfassen zu können und die politischen Kräfteverhältnisse vor Augen zu haben. In einem kleinen Exkurs möchte ich anschließend auf den Initiator des Rheinischen Bundes, Arnold Walpot, eingehen, da sich an seiner Person die Interessenlage der Stadtbürger ablesen lässt, die wohl mit entscheidend zur Gründung des Rheinischen Bundes beigetragen hat. Da der Schwerpunkt der Arbeit auf den Voraussetzungen und der Gründung des Rheinischen Bundes liegt, werde ich mich nicht eingehend mit den überlieferten Quellen auseinandersetzen. Nichtsdestotrotz scheint es mir aber unerlässlich, die wesentlichen Konstitutionen des Rheinischen Bundes zusammenzufassen, dies jedoch auf der Basis der einschlägigen Sekundärliteratur. Zum Schluss möchte ich, um das Bild abzurunden, das schnelle Ende des Bundes skizzieren. Auf diese Weise wird es dem Leser möglich, die hauptsächlichen Schwachstellen des Bundes ansatzweise zu erkennen.
Die Gründung des Rheinischen Bundes
Im April des Jahres 1254 schlossen sich die drei rheinischen Städte Mainz, Worms und Oppenheim zu einem Bündnis zusammen. Erklärter und beschworener Zweck sollte die Wiederherstellung des verletzten Friedens sein sowie die wechselseitige Gewährung von Rat und Hilfe. Alle Bevölkerungsteile sollten gleichermaßen geschützt und Streitigkeiten der Mitglieder untereinander durch einen Ausschuss von je vier Gewählten und Geschworenen beigelegt werden. Dieses auf einem früheren Bündnis der Städte Mainz und Worms basierende Dreistädtebündnis wird allgemein als „Keimzelle" des großen Rheinischen Bundes angesehen, der im Juli 1254 mit einem beschworenen Bündnis zahlreicher Städte gegründet wurde und dem in der Folgezeit zahlreiche Kleriker, Grafen und Herren der Umgebung beitraten.
Ursachen für die Gründung: Die politische Lage im Reich
Seit den vierziger Jahren des 13. Jahrhunderts hatte sich im Reich ein Zustand eingestellt, unter dem „nur das Recht des Stärkeren galt". Bei diesem „Kampf aller gegen alle" betätigte sich der niedere Adel vornehmlich als Raubritter und schadete damit vor allem den Kaufleuten. Durch die Erhebung hoher Zölle war der Handelsverkehr am Rhein stark erschwert. Auf dem Land wurden die Bauern mit überhöhten Abgaben bedrückt. Ursächlich für die unruhige politische Lage war der abermalige Streit um die deutsche Krone, durch den das Land in eine Stauferpartei und in eine Partei der Kirche gespalten war. König Konrad IV., der Sohn Friedrichs II., kämpfte gegen den Thüringer Landgrafen Heinrich Raspe und Graf Wilhelm von Holland, die vom Papst protegierten Gegenkönige („Pfaffenkönige") und deren Anhänger. Nutznießer dieser Entwicklung, welche die Bildung eines geschlossenen Königsterritoriums am Rhein verhinderte, waren in erster Linie die fürstlichen Landesherren am Rhein, die Erzbischöfe von Köln, Mainz, Trier und die Pfalzgrafen bei Rhein. Ihr Ziel bestand in der weiteren Einverleibung adliger Herrschaften und Städte, um ihre Territorien zu vergrößern. Da sie als Kurfürsten zum Kreis der Königswähler gehörten, nutzten sie zudem die Möglichkeit, ihnen „genehme, d. h. ‘schwache' Thronkandidaten ohne Hausmacht im Rheingebiet, zu favorisieren". Diese wiederum waren auf eine Rückgewinnung des Reichsguts am Rhein angewiesen, um ihre Machtposition zu stärken. So drohte das Land am Rhein, von Krieg und Fehdezügen verheert, in chaotische Zustände hinabzusinken. Die Hauptleidtragenden der jahrelangen Kämpfe war die Masse der schutzbedürftigen Bevölkerung. Vor allem die Bauern wurden hart getroffen. Oftmals wurden ihre Dörfer gebrandschatzt und ihr Hab und Gut vernichtet. Hungersnöte und Teuerung waren die Folge.
Ursachen für die Gründung: Die Situation der Städte
Auch die Städte hatten unter der unruhigen politischen Situation zu leiden. Im Rheingebiet hatte sich eine „Städtelandschaft ‘par excellence'" entwickelt. Die Einwohner der alten Bischofsstädte, die Bürger, hatten sich vielfach von ihren Stadtherren, den Bischöfen, selbständig gemacht. Die Entstehung sogenannter freier Städte war die Folge, in denen Gewerbe, Handel und Geldwirtschaft florierte. Die große Wirtschaftskraft gab den Städten ein starkes politisches Gewicht. Die rheinischen Städte kontrollierten den Warenverkehr und standen in Handelsverbindungen mit anderen europäischen Städtelandschaften. So wurde die Rheinachse zu einer der bedeutendsten Verkehrswege des Mittelalters. In den Städten bildeten sich für ihre Zeit höchst moderne Gemeinwesen mit eigenen politischen Organen und Gerichten sowie einer geregelten Selbstverwaltung. Von den politischen Wirren und der allgemeinen Unsicherheit wurden die Städte „am unmittelbarsten und am empfindlichsten getroffen". Viele Städte wurden mehrfach belagert, wodurch die Außenbeziehungen empfindlich eingeschränkt wurden. Vor allem die Kaufleute, meist eine bedeutende Gruppe in der Führungsschicht der großen Städte, und auch die handeltreibenden Handwerker wurden von erheblichen Störungen der Verkehrsverbindungen betroffen, die einen sicheren und geregelten Handel unmöglich machten. Der König wie auch die Fürsten waren zu sehr mit ihrer eigenen Machtpolitik beschäftigt und daher nicht in der Lage, diesem Zustand Abhilfe zu schaffen.
Der Initiator des Rheinischen Bundes: Arnold Walpot
Als Initiator des Rheinischen Bundes wird in den chronikalischen Nachrichten immer wieder der Mainzer Bürger Arnold Walpot genannt. Welche Ämter Arnold Walpot im einzelnen innehatte, ist unklar. Als sicher gilt, dass er das Amt eines Walpoden ausführte. Dieses vom Erzbischof verliehene Amt wurde bisher vor allem von bischöflichen Ministerialen und Amtleuten erfüllt. Ob die Bestellung des Bürgers Arnold Walpot mit der Errichtung des Mainzer Stadtrates im Jahre 1244 zusammenhängt, ist nicht geklärt. Zu den Aufgaben des Walpoden gehörte es, über Diebe und einen Teil der Zünfte zu richten, er nahm also richterliche Funktionen im weitesten Sinne wahr und war damit ein bedeutender Repräsentant der Stadt. Arnold Walpot muss als besonders reicher Bürger angesehen werden. So weist ihn seine Grabschrift als Gründer des Dominikanerklosters in Mainz aus. Ob Walpot der Stifter war, ist zwar ungewiss. Als gesichert gilt jedoch seine außergewöhnliche finanzielle Hilfe und Unterstützung der Dominikaner. Wiederholt ist zudem bekundet, dass Walpot als Bürge für die Stadt auftrat. Außerdem war er Besitzer von Häusern und Läden. Da dieser Wohlstand kaum vom Amt des Walpoden herrühren kann, muss man annehmen, dass Arnold Walpot einer wirtschaftlich führenden Familie angehörte und Fernhändler war. Das große Ansehen, das Arnold Walpot auch in der Umgebung genossen haben muss, tritt um so mehr hervor, als er oftmals als Zeuge zur Beurkundung von Rechtsgeschäften genannt wird. Arnold Walpot war also durch sein Amt, Ansehen und Reichtum ausgezeichnet. Da er vermutlich Fernhandelskaufmann war, muss er an der Sicherheit der Handelswege und der Beseitigung ungerechter Zölle ein besonderes Interesse gehabt haben. Arnold Walpot repräsentierte jedoch nicht nur die bürgerlichen Kaufleute, die durch die ungefestigte Lage im Reich unter zahlreichen Einschränkungen zu leiden hatten und die sich von einem Städtebund eine Verbesserung ihrer persönlichen Situation erhoffen konnten. Walpots Einsatz für den Bettelorden der Dominikaner erhärtet die Vermutung, dass ihm vor allem der Frieden Motivation gewesen sein muss, ihn zur Initiative der Gründung des Rheinischen Bundes zu veranlassen. Sein diesbezügliches Engagement hing nicht mit seinem Amt zusammen, doch half ihm wohl vor allem seine allseitige Anerkennung, sich bei Mitbürgern, Klöstern, Herren und in Nachbarstädten mit seiner Idee durchzusetzen. So gelang es ihm beispielsweise, durch seine bisherige Zusammenarbeit auch Erzbischof Gerhard von Mainz zum Beitritt zum Bund zu bewegen. Welchen unmittelbaren Anteil Arnold Walpot bei der Abfassung der Bündnisverträge hatte, ist unklar. In der Urkunde des Dreistädtebündnisses zwischen Mainz, Worms und Oppenheim ist jedoch der Name Arnoldus Walpodo mit aufgeführt. Seine Bedeutung für den Bund zeigen auch drei Urkunden der Städte Mainz, Würzburg und Nürnberg über die Aufnahme Regensburgs im Jahre 1256. Dort wird Walpot als Anreger und entscheidende Persönlichkeit des Rheinischen Bundes dargestellt, so dass sich das Bild der führenden Stellung Walpots bei der Gründung und für die Zeit darüber hinaus, als Fürsten und Herren dem Bund beitraten, ergibt.
Die Gründung des Bundes und seine Mitglieder
Zu den Städten, die im Juli 1254 zur „Selbsthilfe" griffen und den Rheinischen Bund gründeten, zählten unter anderen Mainz, Köln, Worms, Speyer, Straßburg und Basel. Dies ist umso erstaunlicher, als die Städte „nicht zum traditionellen Kreis der Inhaber politischer Macht" zählten und „wegen ihrer Vereinzelung auch militärisch" schwach waren. Auch die Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier traten in der Folgezeit bei, ebenso die Bischöfe von Worms, Straßburg, Metz und Basel sowie zahlreiche Grafen und Herren der näheren und ferneren Umgebung - „ob aus Überzeugung, ob unter politischem Druck oder wohl mehr aus taktischen Motiven". Aber auch die Städte hatten erkannt, „dass ihnen eine wirksame Friedenssicherung nur mit Hilfe der mächtigen Feudalgewalten gelingen würde". Bereits das Bündnis zwischen Mainz und Worms vom Februar 1254 sollte den alten Streit der beiden Städte beenden. Zu diesem Zwecke verbanden sie sich auf ewig in einem gegenseitigen Hilfs- und Einigkeitsbündnis, das ihre Einwohner in Bezug auf Rechtsstatus, Gericht und Abgaben jeweils einander gleichstellte. Streitfälle und Klagen sollten von einem gemeinsamen Schiedsleutegremium durch Vergleich oder Rechtsspruch beigelegt werden. Dieses bestand aus je vier gewählten Männern pro Stadt und kann als „eine Art Höchstgerichtsbarkeit" betrachtet werden. Wann und wie sich aus dem Zweierbündnis durch das Hinzukommen weiterer Partner ein größeres Bündnis entwickelte, lässt sich nicht mehr sagen. Doch ist bereits der Wortlaut des im April 1254 geschlossenen Bündnisses zwischen Mainz, Worms und Oppenheim „fast vollständig in das erste Dokument des großen Friedensbundes eingegangen". Es wurde die Verabredung getroffen, dass Mainz die südlichen Städte, Worms dagegen die nördlichen Städte über alles Wichtige schriftlich zu unterrichten habe. Die beiden Städte fungierten damit als Vororte. Die Gründungsurkunde ist nicht im Original überliefert. Es existieren lediglich eine so genannte Aktensammlung und Urkunden sowie die Berichte der zeitgenössischen Chronisten Albert von Stade und Hermann von Niederaltaich. Bereits am 6. Oktober fand in Worms der zweite Bundestag statt. Dort wurde ein gewisser Regelungsbedarf sichtbar und durch eine Vielzahl von Bestimmungen befriedigt, so daß die Versammlung „geradezu den Charakter eines ‘Programm-Bundestages'" gewann. Von den insgesamt 21 verabschiedeten Artikeln betrafen die meisten Maßnahmen der aktiven oder passiven Kriegsführung.
Selbstverständnis und Ziele des Bundes
Die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen, auf denen der Rheinische Bund basierte, waren im wesentlichen geprägt durch den Verfassungszustand des Heiligen Römischen Reiches im Jahre 1254, der seinerseits wiederum maßgeblich durch die staufische Reichsordnung des 13. Jahrhunderts und den Zusammenbruch der staufischen Herrschaft und dem davon herrührenden Verfall der Ordnung bestimmt wurde. Die wichtigsten Konstitutionen der staufischen Reichsordnung, namentlich des Mainzer Reichslandfriedens aus dem Jahre 1235, wurden nun, knapp zwanzig Jahre später, vom Rheinischen Bund übernommen.
Wiederherstellung und Wahrung von Frieden und Recht
Die „Wiederherstellung des Friedens und Rechts und die Wahrung von Frieden und Recht für einen Zeitraum von 10 Jahren" wurde vom Rheinischen Bund als dessen „Hauptzweck" angesehen. Die Gründungsurkunde führte weiter aus, dass der beschworene Frieden für jeden innerhalb des Bundes Geltung haben müsse, für Arme und Reiche, Ordens- und Weltgeistliche, Laien wie auch Juden gleichermaßen. Im Abschied der Wormser Bundesversammlung vom 6. Oktober 1254 lässt sich eine ähnliche Beobachtung für die Bestimmungen zum Schutz der geistlichen Personen und des Kirchenvermögens machen. Auf derselben Bundesversammlung wurde die Vorschrift erlassen, dass Fehdezüge gegen Friedensbrecher nur mit Zustimmung aller Städte zulässig seien. Ein Vorgehen gegen Friedensbrecher dürfe erst nach ordnungsgemäßer Klageerhebung vor dem zuständigen königlichen Gericht stattfinden. Zur Ausübung der Gerichtsbarkeit beschloss der Bund am 10. November 1955 in Oppenheim die Verpflichtung der Fürsten und Herren des Bundes zur Vermeidung von Streitigkeiten mit den Städten und die Anweisung, von ihren Gerichten nur nach Recht und Gesetz Gebrauch zu machen. Auch über die Verhängung der Acht wurden Vorschriften erlassen. So sollte derjenige, der den Frieden nicht wahrte, aus der allgemeinen Friedens- und Rechtsgemeinschaft des Bundes ausgeschlossen werden. Zudem wurden Vorschriften über das Verbot von Hilfeleistungen, der Geldleihe und der Kreditgewährung an Friedensbrecher erlassen. Bürger, die diesen Vorschriften zuwiderhandelten, sollten für immer aus der Stadt ausgewiesen und wie Friedensbrecher behandelt werden.
Handelssicherheit und finanzpolitische Stabilität
Die Sicherung der wirtschaftlichen Grundlagen war „von jeher [...] das Ziel der Städte" gewesen. Die Gründungsurkunde des Rheinischen Bundes bezeichnete die allgemeine Unsicherheit auf Straßen und Wegen gar als einzigen Grund für die Errichtung des Bündnisses. Um das „Nahziel", die Sicherung der wichtigen Handelswege entlang des Rheins, zu erreichen, wurden deshalb in der Folge Fürsten, Grafen und Herren verpflichtet, auf sämtliche rechtswidrig erhobenen Zölle zu verzichten. Der Bund nahm hier also die Rolle einer „Selbsthilfeorganisation" ein. Dennoch wird man der Politik des Bundes nicht gerecht, „wenn man sie nur auf die Beseitigung des Zollunwesens ausgerichtet sieht". Ferner griff der Bund das Verbot der Münzrechte aus dem Mainzer Reichslandfrieden wieder auf. Zur Pfändung wurde am 6. Oktober 1254 die Vorschrift erlassen, dass jedermann berechtigt sei, in den Städten des Bundes zu pfänden. Als Voraussetzung der Pfändung wurde jedoch eine richterliche Erlaubnis als notwendig erachtet. Mit einem allgemeinen Zinsverbot kam der Bund vor allem Herren, Bauern und Handwerkern entgegen, die alle unter dem bislang üblichen Zinswucher bei Krediten zu leiden hatten.
Die Politik gegenüber den unteren Bevölkerungsgruppen
Die Politik des Rheinischen Bundes gegenüber den Bauern wies „trotz vieler kompromißlerischer Züge aus Rücksicht gegenüber den Feudalherren auf Möglichkeiten des Zusammengehens von Bürgern und Bauern zur Verteidigung ihrer gemeinsamen Interessen hin". Die Bauern wurden dem Schutz des Bundes unterstellt. Ihre Flucht in die Städte wurde akzeptiert, wenn damit keine Störung des Friedens verbunden war. Der Bund ging damit „als einer der wenigen deutschen Städtebünde [...] nicht ganz an der Mehrheit der Bevölkerung, den Bauern, vorbei". Die seit Jahrzehnten üblichen Abgaben und Dienste mussten die Bauern jedoch auch weiterhin leisten. Am feudalen Grundverhältnis zwischen Feudalherren und Bauern wurde also nicht gerüttelt. Auf zwei Bundesversammlungen beschloss der Bund eine Armensteuer, die zur Osterzeit von den wohlhabenden Bürgern der Stadt entrichtet und, von der Behörde der jeweiligen Stadt verwaltet, an die bedürftigen Bürger verteilt werden sollte. Die Tatsache, dass dies die einzigen Fälle waren, in denen der Rheinische Bund überhaupt eine Steuer erhob, unterstreicht die Bedeutung der sozialen Gerechtigkeit innerhalb des Bundes. Auf mehreren Bundesversammlungen wurde ein Pfahlbürgerverbot ausgesprochen. Personen sollte es nicht mehr erlaubt sein, außerhalb der Stadtmauern zu wohnen, aber das Bürgerrecht zu erlangen und sich dadurch dem Rechtsanspruch anderer Herren zu entziehen. Für das Pfahlbürgerverbot findet sich keine spezifische Begründung. Es lag jedoch „im Interesse der Feudalgewalten" und kann deshalb als Entgegenkommen der Städte an die Herren gedeutet werden.
Die reichspolitischen Vorstellungen des Bundes
Beim Rheinischen Bund handelte es sich um ein Bündnis, das nicht im Namen oder im Auftrag des Reiches, sondern ohne reichsrechtliche Legitimation gegründet worden war, dessen „Zweck allerdings ausschließlich reichsrechtlich war, nämlich als Surrogat der Reichsgewalt die Verfassung des Reiches wiederherzustellen und zu sichern". Die Städte übernahmen „aus Selbsterhaltungstrieb die Hauptaufgabe der Zentralgewalt, die Sorge für den Reichsfrieden" und handelten auf diese Weise so, „als sei ihre Einung ein Organ der Reichsverfassung". Bereits auf dem Wormser Bundestag erkannte der Bund Wilhelm von Holland als Oberhaupt des Reiches an. Den Mitgliedern des Bundes wurde es verboten, im Falle einer zukünftig erfolgenden erneuten Doppelwahl einen der gewählten Könige anzuerkennen und mit ihm zusammenzuarbeiten. Nach dem Tod Wilhelms von Holland fasste der Bund „Beschlüsse von historischer Tragweite", als er das Reichsgut, die materielle Grundlage der Königsmacht, für die Zeit der Thronvakanz unter seinen Schutz nahm. Die Wahlfürsten forderte er zu einstimmiger Königswahl auf. Damit wurde der Bund in einem Bereich tätig, „der weit jenseits aller bisherigen Ziele und Ambitionen" lag.
Die weitere Entwicklung des Rheinischen Bundes
Die Zeit nach der Gründung des Rheinischen Bundes war gekennzeichnet durch den Beitritt zahlreicher neuer Mitglieder. Ende 1255 gehörten dem Bund mehr als 30 Fürsten und Herren und über 100 Städte aus allen Teilen des Reiches mit Ausnahme des Südostens an. Wiederholt wurden Bundesversammlungen in Mainz, Worms, Oppenheim und Würzburg abgehalten, auf denen die bisherigen Übereinkünfte präzisiert und ausgeweitet wurden. Den Friedensbeschwörungen der Städte „folgten bald energische Schritte gegen adlige Friedensbrecher" in der Form gemeinsamer militärischer Aktionen des Bundes. So gingen bereits im Jahre 1254 Mitglieder des Bundes gegen Werner von Bolanden und andere adelige Herren aus der Umgebung von Mainz vor, um die Erhebung unrechtmäßiger Zölle und Abgaben zu beenden. Doch auch das Verhältnis der Bundesmitglieder untereinander blieb wegen der unterschiedlichen Klassenzugehörigkeit nicht ohne „Spannungen". Zum „Höhepunkt" der Entwicklung des Rheinischen Bundes wurde die Bundesversammlung im November 1255 in Oppenheim mit der Teilnahme König Wilhelms, auf der das im Juli 1254 beschworene Bündnis mit königlicher Bestätigung versehen wurde. Von diesem Zeitpunkt an war der Bund eine „Organisation mit reichsrechtlicher Legitimation, die als Organ, zumindest aber als Instrument des Reiches zur Aufrechterhaltung und zum Schutz der Reichsverfassung" fungierte. Mit dem königlichen Ansehen, aber mit der von den Bundesmitgliedern verkörperten Macht konnte man sich ein effektiveres Vorgehen gegen Friedensverletzer erhoffen. Die letzten bedeutenden Versammlungen des Bundes fanden im März 1256 in Mainz und im August 1256 in Würzburg statt. In Mainz wurden unter anderem Maßnahmen beschlossen, die den Frieden nach dem Tode König Wilhelms aufrechterhalten sollten. Wichtigster Bestandteil war der Beschluss, dass im Falle einer Doppelwahl des Königs keine dem Bund angehörende Stadt einen der beiden Gewählten anerkennen und mit diesem zusammenarbeiten sollte. Ein einhellig gewählter König sollte hingegen ohne Einschränkung anerkannt werden. Außerdem sollten alle Städte Gesandte zur bevorstehenden Königswahl entsenden, um für eine einhellige Wahl durch die Wahlfürsten einzutreten. Das Ende des Bundes verlief „eher ruhmlos". Entscheidend für sein Ende war die nach dem Tode Wilhelms von Holland 1256 trotz aller Bemühungen des Bundes durchgeführte Doppelwahl von Alfons von Kastilien und Richard von Cornwall. In der Folgezeit öffneten nach und nach alle Städte des Bundes entgegen der Übereinkunft dem einen der beiden Gewählten, Richard von Cornwall, ihre Tore. Eine Verfolgung wegen dieses wenige Monate zuvor noch als Friedensbruch bezeichneten Verhaltens blieb jedoch aus. Die nach den Quellen letzte gemeinsame Aktion des Rheinischen Bundes war eine im Mai 1257 erlittene militärische Niederlage der Städte bei Selz in Baden gegen den Markgraf von Baden. Neben den unterschiedlichen Interessen und traditionellen Bindungen der Städte trugen zum Zerfall des Bundes „auch seine heterogene Zusammensetzung und lockere Organisationsform bei. Der Mangel an Finanzen und Exekutivorganen lähmte seine Wirksamkeit". Eine förmliche Auflösung des Bundes wurde jedoch nie beschlossen. Mit dem Bruch der Beschlüsse über das Verhalten bei der Doppelwahl war dem Bündnis offensichtlich die Grundlage entzogen.
Fazit
Möglicherweise hat Arno Buschmann Recht, wenn er den Rheinischen Bund als „wohl bedeutendste[n] Zusammenschluß [...] von Städten, Fürsten und Herren im Hoch- und Spätmittelalter" bezeichnet, handelte es sich doch um den Versuch einer Wiederbelebung und Neuordnung der Reichsverfassung. Allseits vertreten wird mittlerweile These, dass der Bund auf städtische Initiative hin gegründet wurde. In einer Zeit, in der das Königtum als Machtfaktor auszuscheiden begann und an Einfluß verlor, war zunächst niemand in der Lage, dieses herrschaftliche Vakuum auszufüllen. Raub und Fehde waren alltäglich, die allgemeine Lage folglich von Unsicherheiten geprägt. Dem Versuch, mit dem Rheinischen Bund die im Mainzer Reichslandfrieden bestimmte staufische Reichsordnung des 13. Jahrhunderts unter den veränderten Bedingungen des Jahres 1254 wiederherzustellen und den Zustand zu beseitigen, der durch den Zusammenbruch der staufischen Herrschaft entstanden war, muss deshalb zweifellos eine große Bedeutung zugeschrieben werden. Dies umso mehr, als sich Herren und Fürsten bald gezwungen sahen, dem mächtiger werdenden Bund beizutreten. Auf das Verhältnis der Bundesmitglieder zum König konnte hier nicht ausführlicher eingegangen werden, doch wurde ansatzweise deutlich, daß die Beschlüsse zur Unterstützung des Königs ein „eindrucksvolles Beispiel" für das Zusammengehen von Zentralgewalt und Stadtbürgertum im 13. Jahrhundert abgeben. Ursächlich für die Gründung des Rheinischen Bundes waren freilich nicht zuletzt auch die ureigenen wirtschaftlichen Interessen der Städte, die sich vom Zusammenschluss eine Sicherheit für den Handel erhofften. Und doch sollte man den Bund keineswegs „lediglich als Bündnis zur Bekämpfung rechtswidrig erhobener Zölle qualifizier[en]". Die reichspolitischen Vorstellungen, namentlich die Beschlüsse zur einhelligen Königswahl, legen die Vermutung nahe, dass den Mitgliedern des Bundes an einem dauerhaften Landfrieden für alle Bevölkerungsgruppen viel gelegen war, auch wenn die Behauptung Julius Weizsäckers wohl zutrifft, dass es ganz natürlich sei, wenn ein Bund, der sich ursprünglich gegen Raub und Gewalt im Zollwesen gerichtet habe, sehr bald eine Tendenz zur Bewahrung des Landfriedens entwickle. Auf den schnellen Verfall des Rheinischen Bundes konnte hier in der gegebenen Kürze nicht näher eingegangen werden. Vermutlich bestand der Bund nicht lange Zeit genug, als dass die traditionellen Bindungen und divergierenden Interessen der einzelnen Mitglieder ausreichend hätten zurückgedrängt werden können. So blieben die gemeinsamen Interessen vergleichsweise schwach, und der Bund zerfiel erstaunlich lautlos und unspektakulär.
Text: Tobias Jaecker. Quelle: http://www.jaecker.com/; redakt. Bearb. S.G.