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Kardinalsfamilien im Wettbewerb. Eine Serie von Expektativenrotuli zum 1. Januar 1472

von Ulrich Schwarz

Am 19. Dezember 1471 erließ Papst Sixtus IV. eine Kanzleiregel, die als Stichdatum für Anwartschaften auf Pfründen den 1. Januar 1472 festlegte. Schon im August, dem Monat seiner Wahl und Krönung, hatte der neue Papst die unter seinem Vorgänger Paul II. noch offenen Anwartschaften für ungültig erklärt. Sixtus IV. folgte mit diesen Maßnahmen einer gängigen Praxis und setzte mit seiner apertio gratie zum Jahresanfang 1472 erwartungsgemäß eine Lawine von Petitionen um Expektativen in Gang, Petitionen, die von ihm und seinen Referendaren signiert, anschließend von den Skriptoren des Supplikenregisters Wort für Wort abgeschrieben und dann der Kanzlei übergeben wurden, wo man sie für die Ausfertigung der littere expectative benötigte. Mit der littera hielt der supplizierende Kleriker eine Art Anrechtsschein in der Hand, den er bei freiwerdenden Pfründen ins Spiel bringen konnte.[Anm. 1]
An der Kurie herrschte in den Tagen um die Jahreswende 1471/72 Hochbetrieb, so dürfen wir annehmen. Ein Bericht des päpstlichen Zeremonienmeisters Johannes Burckard über eine entsprechende Situation 15 Jahre später, unter Sixtus' Amtsnachfolger im November 1486, zeigt anschaulich, wie besonders die Angehörigen der Kurie, d. h. die Amtsträger und ihre Klientelen, um gratie expectative bemüht waren. .[Anm. 2] Die Kurialen reichten ihren generellen Wunsch nach Gewährung von Expektativen in Gruppensuppliken (Rotuli) ein. In der einzeln auszufertigenden littera expectativa konnte der Petent dann die avisierte Pfründe namhaft machen.[Anm. 3]
Unser Weg soll uns in das „Büro des Supplikenregisters“ führen. Dort gingen zum festgesetzten Expektanzdatum des 1. Januar 1472 in großer Zahl signierte Suppliken ein, die die verschiedenen Skriptoren in Lagen von je zehn Doppelblatt im Großfolioformat zu transkribieren hatten. Einer der Skriptoren hatte seine Lage bereits am 2. Januar zu beschreiben begonnen und nahm sich, nachdem er fünf Blatt ausgefüllt hatte, schließlich eine Supplik vor, die folgendermaßen begann (Zählung vom Verf.):[Anm. 4]

Motu proprio dilectis fi liis 1. Cosme de Ursinis prothonotario nostro, 2. Rainaldo de Ursinis subdiacono nostro, 3. Baptista de Ursinis referendario nostro, 4. Gabrieli Rovira cler. Barchinonen. dioc., 5. Didaco Didaci presb. Silven. dioc., 6. Johanni Pergamenarii presb. Maclovien. dioc. decretorum doctori, 7. Nicolao Graurock presb. Verden. dioc., 8. Donato Blancho presb. Venetiarum, 9. Danieli Cesaris presb. Cameracen. dioc. decretorum doctori, 10. Bettino de Vassalis presb. Brixien. dioc., 11. Petro Angelo de Constanciis presb. Equilin. (Vorlage: Esquilan.) dioc., 12. Johanni Jacobi de Toffi a presb. Sabinen. dioc., 13. Johanni Georgii presb. Tervisin. dioc., 14. Symoni de Buratellis (Baiatellis?) presb. Pensaurien. dioc., 15. Alfonso Ballestor cler. Dertusen. dioc., 16. Stephano de Cursa cler. Majoricen. dioc., 17. Mathie Grasser cler. Frising. dioc., 18. Alfonso Tacon cler. Carthaginen., 19. Judoco Greue cler. Magunt., 20. Johanni Petri presb. Oveten., 21. Galtero de Lunelet cler. Leod. dioc., 22. Bartholomeo de Gindinis (Guidinis?) cler. Paduan., 23. Petro Welker cler. Magunt., 24. Egidio Naghel cler. Cameracen. dioc., 25. Thoma Oszner cler. Herbip. dioc., 26. Alioto (korr. aus Galioto) Aluari cler. Egitanen. (Vorlage: Egiptinen.), 27. Petro Roderici cler. Legionen., 28. Johanni Paulinier cler. Baiocen., 29. Francisco de Surreta alias Castille Toletan., 30. Wilkino de Riuo presb. Magunt. dioc., 31. Stephano Serrain cler. Tullen. dioc., 32. Johanni de Fustis de Itro cler. Gayetan. dioc., 33. Michaeli Laurentii cler. Claromonten. (korr.) dioc., 34. Henrico Renati cler. Leod. dioc., 35. Lamberto Gisberti cler. Leod. dioc., 36. Alfonso de Agreda cler. Conchen. dioc., 37. Johanni Fabri cler. Cameracen. dioc., 38. Didaco Martini cler. Elboren., 39. Petro Butonis cler. Andegaven. dioc., 40. Roderico Sancii cler. Burgen. dioc., 41. Jacobo Balli cler. Tullen. dioc., 42. Danieli Forster cler. Bamberg. dioc., 43. Geldulpho Fridaff cler. Colon. dioc., 44. Johanni Rortdorp (recte Rottdorp) cler. Halberstad. dioc., 45. Egidio Mathei cler. Cameracen. dioc., 46. Johanni Pulman cler. Traiect. dioc., 47. Johanni Gregorii cler. Leod. dioc., 48. Henrico Johannis cler. Traiect. dioc., 49. Johanni Johannis cler. Meten. dioc., 50. Johanni Tadier cler. Avinionen. (Vorlage: Avorinen.) dioc., 51. Jacobo de Gabo de Ceretano cler. Novarien. dioc. et 52. Guill(elm)o Augier cler. Maclovien. dioc., 53. Johanni Guynot cler. Redonen. dioc., 54. Novellos (!) Benedicti de Maliano et eorum cuilibet, qui ut accepimus, venerabilis fratris nostri Latini episcopi Tusculanen. sancte Romane ecclesie cardinalis de Ursinis et camerarii nostri familiares continui conmensales existunt, specialem gratiam facere volentes …###

Erst am Ende der Aufzählung erfahren wir, dass es sich bei den Petenten um die geistlichen Familiaren des Kardinals und apostolischen Kämmerers Latino Orsini handelt. Der Rest des Textes war für den Skriptor dann weitgehend Routine. Den aufgeführten Familiaren wurde eine generelle Anwartschaft auf zwei Kanonikate bis zu einem Wert von 100 Tournosen und auf ein bis zwei Benefi zien eines beliebigen Kollators gewährt. Dazu kamen: eine Dispens auf zwei unvereinbare Pfründen (ad duo incompatibilia), ferner eine Dispens vom Makel unehelicher Geburt (defectus natalium) und bei zu jugendlichem Alter (defectus etatis, unter 21 Jahren). Am Ende des Textblocks fand der Skriptor den eigenhändigen Genehmigungsvermerk des Papstes vor: Fiat ut petitur de expectativis pro continuis commensalibus. F(ranciscus); ein Genehmigungsdatum (datum currens) fehlte. Es folgte das Corpus der Klauseln, die den Inhalt zusammenfassten und präzisierten und die vom Papst gesondert abgezeichnet wurden (Fiat ut supra). An der Spitze der Klauseln stand das allgemeine Expektanzdatum: Et sub data kalendas ianuarii anno primo.[Anm. 5]
Der Rotulus des Orsini soll uns in der verwirrenden Fülle der Überlieferung als Anhaltspunkt dienen, auf den wir im Folgenden immer wieder zurückkommen. Latino Orsini war einer von 18 Kardinälen, die im August 1471 den neuen Papst gewählt hatten (nicht an der Wahl hatten sieben Kardinäle teilgenommen).[Anm. 6] Fast alle Kardinäle – ob Konklave-Teilnehmer oder nicht – haben Rotuli ihrer Familiaren zum 1. Januar 1472 hinterlassen, die in ein und demselben Supplikenregisterband de expectativis aus dem ersten Pontifi katsjahr Sixtus' IV. überliefert sind. Der Band – ein Rarissimum in der päpstlichen Überlieferung des 15. Jahrhunderts! – enthält insgesamt etwa 490 Suppliken um Expektativen, davon etwa 320 Rotuli von Papst- und Kardinalsfamiliaren, Kollegien kurialer Behörden und von Klientelen von Bischöfen und Fürsten aus vielen Teilen Europas.[Anm. 7]
Unser Skriptor hatte, bevor er die Petition der Orsini-Familiaren abschrieb, zwei Rotuli der Familiaren der Kardinäle Bessarion und Angelo Capranica transkribiert.[Anm. 8] Sie unterscheiden sich formal von dem zitierten Text dadurch, dass die Namen der  Familiaren als infrascripti zwischen Textblock und Klauseln ausgeworfen und listenförmig untereinandergesetzt sind. Das ist bei den Rotuli die Regel, wobei die Namenskolonnen, die zum Teil Nomina familiarium sunt hec oder so ähnlich betitelt sind, auch ganz am Ende nach den Klauseln erscheinen können. Der zitierte Rotulus des Orsini ist also formal untypisch für unsere Quellengattung.
Die Wendung Motu proprio und der Genehmigungsvermerk des Papstes Fiat ut petitur schließen sich nur scheinbar aus. Die Klausel Motu proprio war eine besondere Vergünstigung, die gerade auch bei Expektativen gewährt wurde.[Anm. 9] Motu proprio-Rotuli haben keineswegs alle Kardinalsfamiliaren zum 1. Januar 1472 aufzuweisen, sondern nur ein bevorzugter Kreis: das waren die Kardinäle Bessarion, der Kämmerer Orsini, der Großpönitentiar Filippo Calandrini, Angelo Capranica, Giovanni Ammanati, Francesco Todeschini-Piccolomini, Oliviero Carafa, Marco Barbo und Teodoro di Mon ferrato. Dabei wurde den Familiaren der vier Kardinäle Bessarion, Piccolomini, Barbo und Monferrato ausdrücklich Gebührenfreiheit bei der Ausfertigung der Expektativen briefe zugestanden, und zwar rundum (gratis ubique).[Anm. 10]
Bessarion und Barbo, außerdem Carafa waren wiederum besonders privilegiert, da sie für ihre Klientel die Prärogative der Papstfamiliaren bei den Expektanzen erhielten. Unter Papstfamiliaren wird hier der engere Kreis der sog. familiares descripti verstanden, die bei der Kanzlei registriert waren. Zu den familiares descripti gehörten z. B. die Geheimkubikulare in der unmittelbaren Umgebung des Papstes oder die referendarii domestici.[Anm. 11] Die Gleichstellung mit dem engeren Zirkel der Papstfamiliaren bei den Expektanzen durfte letzteren nicht zum Nachteil gereichen (sine tamen illorum preiudicio). Um die Prärogative konnte man auch nachträglich einkommen, so der Vizekanzler Rodrigo Borgia für 83 seiner Familiaren im Juli 1473.[Anm. 12]
Bei den restlichen Kardinälen fehlt sowohl die Motu proprio-Klausel als auch die Bitte um die Prärogative der Papstfamiliaren. Ihre Rotuli zum 1. Januar 1472 beginnen folgendermaßen (ich zitiere die Eingabe von Guillaume d'Estouteville): Supplicat sanctitatis vestre devota creatura vestra Guillermus episcopus Ostiensis Rothomagensis vulgariter nuncupatus in personas dilectorum infrascriptorum familiarium continuorum commensalium et nonnullorum aliorum sibi acceptorum commensalium … Unter diesen Rotuli sind wiederum zwei Gruppen zu unterscheiden:
1. Der Textblock ist relativ kurz. Er beinhaltet die Bitte um Gewährung genereller Expektativen und die Dispense auf den defectus natalium und defectus etatis. Die Dispens ad incompatibilia dagegen entfällt. Solche Rotuli haben die Kardinäle Guillaume d'Estouteville, Berardo Eroli, Niccolò Forteguerri und Thomas Bourchier eingereicht. Ihre Familiaren waren also nicht so gut gestellt wie die Familiaren in den Motu proprio-Suppliken.
2. Der Textblock ist länger und es wird zwischen familiares seculares und familiares quorumcumque ordinum regulares, also zwischen Weltklerikern und Ordens angehörigen unterschieden. Das ist bei den Kardinälen Luis Juan Mila, Rodrigo Borgia, Bartolomeo Roverella, Giovanni Battista Zeno und Giovanni Michiel der Fall. Für die Ordens geistlichen unter den Familiaren galten bei den Expektativen gewisse Einschränkungen, die im Text spezifi ziert werden. So war die Expektative auf ein Benefiz eines beliebigen Kollators für sie auf ein einziges eingeschränkt (und nicht wahlweise auf zwei) und bei der Dispens ad duo incompatibilia, die in diesen Rotuli eingeschlossen ist, sollte nur ein Benefiz in titulum und das andere in commendam verliehen sein. In den Klauseln wird den Ordensmitgliedern eigens zugestanden, dass sie nicht individuell (particulariter et extra rotulum) supplizieren müssen.[Anm. 13] Insgesamt standen sich die Familiaren dieser fünf Kardinäle besser als die Familiaren der vier oben genannten Kardinäle, weil sie eine Dispens ad incompatibilia vorweisen können. Damit kamen sie den Familiaren der Motu proprio-Rotuli sehr nahe.
So lassen die Expektativenrotuli feine Abstufungen zwischen den Kardinälen und eine bemerkenswerte Variationsbreite erkennen. Im folgenden gebe ich eine Übersicht und führe die Kardinäle nach Anciennität und mit ihren Amtsdaten und Titelkirchen auf (zum Stichdatum).[Anm. 14] Ich habe die Familiaren und Protégés (dilecti) jeweils ausgezählt und nenne den Listenersten mit Namen.

Rotuli der Kardinäle zum 1. Januar 1472

Bessarion 1439–1472, ep. Sabinen.
(Motu pr., de prerogativis, gratis ubique) 6 6 f a m. 1. Baltassar de Piscia presb. Lucan. dioc. decretorum doctor, 1 7 dilecti 1. Bissarion (!) de Malvitciis cler. Bononien., S 670, fol. 41r–42v – 8 dilecti (wie oben) 1. Bessarion de Malviciis cler. Bononien., S 670, fol. 89r–90r

Guillaume d'Estouteville 1439–1483, ep. Ostien.
91 fam. (sine dioc.) 1. Johannes Prioris decr. doctor, S 670, fol. 61r–62r – (Motu pr., de prerog.) duodecim fam. (sine dioc.) 1. Johannes Prioris decr. doctor, S 688, fol. 65v–66r, 13. Mai 1473

Latino Orsini 1448–1477, ep. Tusculan.
(Motu pr.) 54 fam. 1. Cosmas de Ursinis prothonotarius [apostolicus], S 670, fol. 45v–46r

Filippo Calandrini 1448–1476, ep. Portuen.
(Motu pr.) 5 0 fam. et dilecti 1. Petrus de Plaza presb. Parmen., S 670, fol. 106v–108r

Alain Coetivy 1448–1474, ep. Praenestin.
66 capellani et fam. et alii dilecti (sine dioc.) 1. Christoforus de Pemmarch, S 670, fol. 104r–105r – 22 capellani et fam. (sine dioc.) 1. Alanus Cozic, S 670, fol. 258r–v – (Motu pr., de prerog.) 1 2 f a m. 1. Nicolaus de Doctiis Senen. (/.) decr. doctor, S 688, fol. 106v–107v, 13. März 1473

Jean Rolin 1448–1483, tit. Stephani in Caelio monte presb. card.
3 dilecti 1. Petrus de Perroria cler. Eduen. dioc., S 670, fol. 15v–16r

Luis Juan Mila 1456–1510, tit. Ss. IV coronatorum presb. card.
41 fam. seculares et regulares (sine dioc.) 1. Petrus Pastoris, S 670,fol. 9r–v

Rodrigo Borja (Borgia), 1456–1492, ep. Albanen., Papst Alexander VI. 1492–1503
121 fam. et 18 dilecti seculares et regulares , fam. (sine dioc.): 1. Johannes de Boria prothonotarius apostolicus, dilecti (sine dioc.): 1. Raymundus Dusan, S 670, fol. 102r–104r – 8 dilecti (bis auf 3 wie oben) 1. Johannes de Medina can. Toletan. in decretis licentiatus, S 670, fol. 26r–v – (de non residendo, disp. ad incompat.) 55 fam. (sine dioc.) 1. Jaufridus Sirra, S 676, fol. 97r–v, 21. Febr. 1472 – (de prerog.) 83 fam. (sine dioc.) 1. Johannes de Boria protho notarius apostolicus, S 693, fol. 241r, 13. Juli 1473 [s. Abbildung]

Angelo Capranica 1460–1478, tit. s. Crucis in Jerusalem presb. card.
(Motu pr.) 47 fam. 1. Lucinus Trott(us) decr. doctor, S 670, fol. 42v–43v

Berardo Eroli 1460–1479, tit. s. Sabinae presb. card.
55 fam. 1. Barnabeus Honofrii presb. Spoletan., S 670, fol. 21v–22v – 5 dilecti 1. Johannes Mulret cler. Camerac. dioc., S 670, fol. 28r

Niccolò Forteguerri 1460–1473, tit. s. Cecilie presb. card.
6 4 fam. et dilecti seculares et regulares (sine dioc.) 1. Michael de Forteguerris de Pistorio, S 670, fol. 85v–87r

Francesco Todeschini-Piccolomini, 1460–1503, tit. s. Eustachii diac. card., Papst Pius III. 1503
136 Ulrich Schwarz (Motu pr., gratis ubique) 82 fam. et dilecti (sine dioc.) 1. Julianus de Bibia, S 670, fol. 65v–67r

Bartolomeo Roverella 1461–1476, tit. s. Clementis presb. card.
8 4 fam. et dilecti seculares et regulares (sine dioc.) 1. Phi liasius Ponerella (statt Roverella?), S 670, fol. 159r–160v

Giacomo Ammannati 1461–1479, tit. s. Chrysogoni presb. card.
(Motu pr.) 51 fam. (partim sine dioc.) 1. Carolus de Salandis cler. Cremonen., S 670, fol. 9v–10v

Thomas Bourchier (Brite) 1467–1486, tit. S. Cyriaci presb. card.
16 dilecti 1. Thomas Hoppe cler. Wormat. dioc. legum doctor, S 670, fol. 7r–v

Oliviero Carafa 1467–1511, tit. S. Eusebii presb. card.
(Motu pr., de prerog.) 35 fam. 1. Gorrellus de la Rocht (darüber Kürzungsstrich) cler. Neapolitan., S 670, fol. 24r–25v

Marco Barbo 1467–1491, tit. s. Marci presb. card.
(Motu pr., de prerog., gratis ubique) 7 2 fam. 1. Johannes de Giglis preb. Lucan. dioc. utriusque iuris doctor, S 670, fol. 62r–63v – (Motu pr., de prerog.) 16 dilecti 1. Jeronimus de Patmis (Patruis? Patinis?) cler. et legum doctor, S 670, fol. 92v– 94r – (Motu pr., de prerog., Fiat pro duodecim) 7 3 f a m. 1. Johannes de Giglis presb. Lucan. dioc. utriusque iuris doctor, S 695, fol. 161r–162r, 15. März 1473

Amico Agnifi lo 1467–1476, tit. s. Mariae trans Tiberim presb. card.
24 fam. 1. Petrus de Guadargniis presb. Montisfl ascon., S 670, fol. 5v–6v

Teodoro di Monferrato 1467–1484, tit. s. Theodori diac. card.
(Motu pr., gratis ubique pro primis duodecim) 45 fam. 1. Henricus de Bellomonte, S 670, fol. 101r–102r

Giovanni Battista Zeno 1468–1501, tit. s. Mariae in porticu diac. card.
63 fam. et 10 dilecti seculares et regulares (sine dioc.), fam.: 1. Leonardus de Matera ep. Mutilen., dilecti: 1. Carolus de comitibus de s. Bonifacio, S 670, fol. 64r–65v

Giovanni Michiel 1468–1503, tit. s. Angeli in foro piscium diac. card.
51 fam. et 5 dilecti seculares et regulares, fam.: 1. Baldasar de Castello protonotarius [apostolicus] Bononien., dilecti: 1. Donatus de Succerea presb. Tervisin. (Vorlage: Travisin.), S 670, fol. 82r–84r

Die beiden Nepoten Sixtus' IV., die der Papst gerade erst am 15. Dezember 1471 zu Kardinälen erhoben hatte, nämlich Pietro Riario (1471–1474) und Giuliano Della Rovere (1471–1503, anschließend als Julius II. Papst), haben keine eigenen Expektativen rotuli zum 1. Januar 1472 hinterlassen und vielleicht auch gar nicht eingereicht. Die Nepoten gehörten zur Papstfamilie, und so sind sie wie andere Angehörige dieses engeren Zirkels (z. B. Kubikulare und Referendare) indirekt mit einigen ihrer Familiaren im Rotulus der „Familiaren der Papstfamiliaren“ vertreten, ohne dass sie selbst in diesem Rotulus namhaft gemacht werden.[Anm. 15]

Die Zahl der Familiaren und Protégés, die um Expektativen supplizieren, ist von Kardinal zu Kardinal unterschiedlich. Nach der Größe ihrer Klientelen lassen sich die Kardinäle wie folgt anordnen (die kursiv gesetzten Zahlen bezeichnen die dilecti).

Borgia121+18+3142
D'Estouteville 91
Barbo 72+16 88
Coetivy 66+22 88
Roverella 84
Bessarion 66+17 83
T.-Piccolomini 82
Zeno 71
Forteguerri 64
Eroli 55+5 60
Michiel 56
Orsini 54
Ammannati 51
Calandrini 50
Capranica 47
Monferrato 45
Mila 41
Carafa 35
Agnifi lo 24
Bourchier 16
Roulin 3
Summe: 1275

Im Umfang ihrer geistlichen Klientel behaupten einige der dienstältesten Kardinäle wie D'Estouteville, Coetivy und Bessarion eine Spitzenstellung, werden aber deutlich überrundet vom Vizekanzler Rodrigo Borgia (seit 15 Jahren Kardinal), der es in seinem Hauptrotulus auf 121 Familiaren und 18 dilecti bringt. Nahezu gleichauf mit D'Estouteville und Coetivy zieht Marco Barbo, der nahe Verwandte des gerade verstorbenen Papstes Paul II., der erst seit vier Jahren Kardinal ist. Anciennität von Kardinälen und Zahl der Familiaren geht nicht ohne weiteres parallel. Auch bei Francesco Piccolomini, dem Neffen Pius' II., und bei dem von Pius II. kreierten Bartolomeo Roverella stechen die hohen Zahlen heraus.
Die geistliche Klientel eines Kardinals war je nach Funktion im Haushalt und Nähe zum Patron vielfach abgestuft, was die Expektativenrotuli kaum erkennen lassen.[Anm. 16] Immerhin wird in den Rotuli gelegentlich zwischen familiares continui commensales, im wörtlichen Verständnis den Tischgenossen des Kardinals, und den dilecti, einem weiteren Kreis von Protégés, unterschieden. In den großen Rotuli des Borgia und des Bessarion werden die dilecti gesondert aufgeführt oder es werden kleine Rotuli für die dilecti nachgereicht, z. B. von Marco Barbo und Berardo Eroli und wiederum von Borgia. Aber diese gesonderten Auflistungen fallen zahlenmäßig nicht ins Gewicht. Meistens werden die Familiaren pauschal als continui commensales und familiares c. c. et dilecti bezeichnet. Es ist wenig wahrscheinlich, dass der Vizekanzler wirklich 121 Tisch genossen um sich hatte, der Begriff scheint zur bloßen Formel abgeflacht.[Anm. 17]
Die Expektativenrotuli dokumentieren ausschließlich Kleriker, also keineswegs das gesamte personelle Umfeld eines Kardinals. Die Klerikerfamiliaren der Kardinäle finden sich in den Rotuli zusammen, um Expektativen zu erlangen. Wieweit sie bei der Durchsetzung ihrer Anwartschaften erfolgreich sein werden, interessiert hier nicht, sondern es geht nur um die Frage, wieweit die Rotuli Rückschlüsse auf Umfang und Zusammensetzung der Kardinalsklientelen zulassen. In älterer Zeit waren Begrenzungen der Petentenzahl in den Expektativenrotuli üblich. So beschränkte Papst Martin V. 1418 die Zahl der begünstigten Kardinalsverwandten und -familiaren auf 30 pro Kardinal und sah auch bei ihren Protégés (dilecti) eine Kontingentierung vor.[Anm. 18] Die Expektativenrotuli zeigen damals also nur einen Teil der jeweiligen Kardinalsklientel. Unter Sixtus IV. ist dagegen jede Beschränkung gefallen, keine Norm reduziert den Namens bestand. Damit steigt der Quellenwert unserer Rotuli, und es werden zwischen den Kardinälen große Unterschiede sichtbar.[Anm. 19]
Zeitgenossen bestätigen, dass herausragende Kardinäle viele Familiaren um sich scharten. Branda Castiglioni (gest. 1443) aus Piacenza soll 80 Personen in seinem Haushalt gezählt haben, Francesco Gonzaga aus Mantua im Jahr 1462 82 Personen. Diese Zahlen erfassen auch Laienfamiliaren und das Gesinde (bassa famiglia). Wie andere Kardinäle war auch Gonzaga in Rom zunächst nicht sehr stabil untergebracht, sein Gefolge lebte in wechselnden Quartieren, bis es schließlich bei San Lorenzo in Damaso dauerhaft unterkam.[Anm. 20]
Die Rotuli bilden Klientelverhältnisse zu einem einzigen Stichdatum ab und ermöglichen damit vergleichende Untersuchungen, was unter den Vorgängern Sixtus' IV. nicht möglich ist.[Anm. 21] Die Kardinalsfamiliaren müssen nicht mühsam aus Einzelbelegen zusammengesucht werden (wobei deren gleichzeitiges Verweilen im Haushalt oft nicht nachgewiesen werden kann), sondern sie treten gemeinsam auf einen Schlag ins Licht der Überlieferung. Ob sich in einer solchen Momentaufnahme gewachsene oder zukünftig tragfähige Bindungen niederschlagen, bleibt vorerst offen, denn an der Kurie gab es viel Fluktuation. Von einzelnen Kardinälen (z. B. D'Estouteville, Borgia, Barbo) sind Rotuli vom März und Juli 1473 überliefert, in denen in Teilen die gleiche Klientel erneut an den Papst herantritt. Gegen Ende seines Pontifi kats setzte Sixtus IV. ein neues Expektanzdatum fest (17. November 1481), was wiederum einen Überlieferungsschub zur Folge hatte, und so supplizierten auch Kardinäle, die schon beim 1. Januar 1472 dabei waren. Ein Vergleich könnte einen harten Kern von Familiaren erkennen lassen, die über einen Zeitraum von zehn Jahren beim gleichen Kardinal geblieben sind.[Anm. 22] Schließlich hilft das Repertorium Germanicum, langfristige Familiarenverhältnisse nach zuweisen, denn in den Expektativenrotuli tummeln sich zahlreiche Kleriker aus den Diözesen des Reiches. Wenn man Glück hat, stößt man in diesem Quellenwerk auf Pfründenbiographien solcher Kleriker, in denen sie ihren Familiarenstatus zu verschiedenen Daten dokumentieren.[Anm. 23]
Die Rotuli der Kardinäle nennen keine Funktionen einzelner Familiaren im Kardinals haushalt, sondern beschränken sich auf die Angabe des Vornamens, Namens und allenfalls der Herkunftsdiözese. Wenn der französische Kardinal Alain Coetivy in seinen beiden Rotuli seine Familiaren pauschal als capellani et familiares bezeichnet, so ist damit wenig anzufangen. Aber in Einzelsuppliken werden Ämter und Funktionen durchaus benannt, und da kommen neben dem capellanus der camerarius, cancellarius, secretarius, notarius, maior domus, sigillifer, parafrenarius, magister stabuli bis hin zum cocus vor.[Anm. 24] Doch auch die Rotuli lassen uns nicht ganz im Stich, denn die parafrenarii, die die Aufsicht über die Stallungen und Pferde hatten, treten überraschend als Petentenkollektiv in einem eigenen Rotulus zum 1. Januar 1472 hervor.
Am Papsthof war das Amt des parafrenarius fest verankert. Dieser leistete einen wichtigen Beitrag zum Zeremoniell, hatte er doch den Zelter zu betreuen, auf dem der Papst öffentliche Auftritte absolvierte.[Anm. 25] Mit den parafrenarii traten auch die Kardinäle an die Öffentlichkeit. Der erwähnte Branda Castiglioni soll 80 Pferde besessen haben. Unter Pius II. galten 40 Gespanne (cavalchature), vier parafrenarii und 20 scudieri für einen Kardinal als angemessen. Francesco Gonzaga begleitete im Frühjahr 1462 Pius II. mit 54 Pferden und Maultieren nach Viterbo, und als er im Sommer 1472 als Legat nach Bologna aufbrach, soll er um die 80 Pferde bei sich geführt haben. Vier parafrenarii bedachte er in seinem Testament von 1483.[Anm. 26]
In der Namenskolonne des erwähnten Rotulus sind jedem Kardinal zwei parafrenarii zugeordnet.[Anm. 27] Ich führe die Namen im Folgenden einzeln auf, u. a. auch deshalb, um – wie bei den Namen im Rotulus des Orsini – die charakteristische „internationale“ Mischung bei den Familiaren zu zeigen (Zählung vom Verf.).[Anm. 28] Der Rotulus ist in der Motu proprio-Form abgefasst, sogar die Prärogative der Papstfamiliaren wird erbeten.

Parafrenarii der Kardinäle zum 1. Januar 1472
(Motu pr., de prerog.), S 670, fol. 22v–24r

Bessarion (Nicenus): 1. Jacobus Releue Nanneten. dioc., 2. Johannes Danci cler. Leod. dioc.
Guillaume d'Estouteville (Rothomagen.): 3. Stephanus Compain cler. Tullen. dioc.,4. An tonius Joy cler. Cameracen. dioc.
Latino Orsini (Ursinus): 5. Mathias Gresser cler. [Frising. dioc.], 6. Galiotus Aluari cler. Egitanen. dioc.
Filippo Calandrini (Bononien.): 7. Gerardus Huillem cler. Tullen., 8. Henricus Johannis de Verois cler. Tullen. dioc.
Rodrigo Borgia (vicecancellarius): 9. Johannes d'Olade (Dolade ?) cler. Calaguritan. dioc., 10. Petrus de Gormani cler. Caesaraugusten. dioc.
Angelo Capranica (Reatinus): 11. Gauffridus Dayolis (d'Ayolis?) cler. Valentin. dioc., 12. Dionisius Flech cler. Veneten. dioc.
Berardo Eroli (Spoletan.): 13. Mathias Sartoris cler. Colon. dioc., 14. Johannes Cardonis Trever. dioc.
Niccolò Forteguerri (Theanen.): 15. Fernandus de Villamenta cler. Palentin. (? Polen.?) dioc., 16. Desiderius Jeusom cler. Virdunen. dioc.
Bartolomeo Roverella (Ravenaten.): 17. Johannes des Aluarches cler. [sine dioc.], 18. Judocus Conisitis cler. Trever. dioc.
Giacomo Ammannati (Papien.): 19. Gisbartus Andree cler. Leod., 20. Johannes Prunier Traiect. dioc.
Oliviero Carafa (Neapolitan.): 21. Michael de Pratis cler. Atrebaten. dioc., 22. Robertus Stouch cler. Patavien.
Marco Barbo (Aquilegien): 23. Johannes de Virgas cler. Hispalen. dioc., 24. Stephanus Heborici de Mespel cler. Caurien. dioc.
Amico Agnifi lo (S. Marie, Vorlage s. Marci, sonst Aquilan.): 25. Gauffridus du Boys Murquis Maclovien. dioc., 26. Andreas de Vergara cler. Hispalen. dioc.
Francesco Piccolomini (Senen.): 27. Johannes Nantey cler. Tullen. dioc., 28. Robertus de Monte Cameracen. dioc.
Francesco Gonzaga (Mantuan.): 29. Johannes Caneti cler. Tullen. dioc., 30. Petrus Vissentini cler. Brixien. (Vorlage: Bressen.) dioc.
Teodoro di Monferrato (Montisferrati): 31. Franciscus Jacobi de la Tomente cler. Tullen. dioc., 32. Johannes Rheusse cler. Arben. (? Arlen.= Arelaten.?)
Giovanni Battista Zeno (Sancte Marie in Porticu): 33. Johannes de Monasterio [sine dioc.], 34. Johannes de Villa Vinosa cler. Oveten. (Vorlage: Ouietan.) dioc.
Giovanni Michiel (Sanct Angeli): 35. Antonius de Querigo Dolen. dioc., 36. Balduinus Johannis cler. Traiect.

Einige der parafrenarii treffen wir in den Rotuli der einzelnen Kardinäle wieder und dort meist im Mittelfeld oder am Ende. Die parafrenarii des Orsini zum Beispiel, nämlich der Deutsche Mathias Gresser (sonst: Grasser) aus der Diözese Freising und der Portugiese Galiotus Alvari aus der Diözese Guarda, erscheinen erst an 17. und 26. Stelle seines Rotulus, diejenigen des Borgia an 64. und 65. Stelle und diejenigen der Kardinäle Jacopo Ammannati und Amico Agnifi lo jeweils ganz am Ende des jeweiligen Rotulus. Galten die parafrenarii innerhalb der Kardinalsfamilia weniger als extern?
Es fragt sich, nach welchen Gesichtspunkten die Namenskolonnen in den Rotuli der Kardinäle zusammengestellt wurden. Wer erscheint auf den vorderen Plätzen? Der zitierte Rotulus des Kardinals Latino Orsini nennt gleich drei Orsini, also Verwandte des Kardinals, die zugleich am Papsthof eine mehr oder weniger herausragende Funktion einnahmen und später Karriere machten: Cosmas de Ursinis, als päpstlicher Protonotar benannt, wird 1478 als dritter Orsini in Folge das Erzbistum Trani erhalten und 1480 von Papst Sixtus IV. zum Kardinal erhoben werden; Rainaldus de Orsini, als päpstlicher Subdiakon aufgeführt, wird 1474 zum Erzbischof von Florenz als Nachfolger des verstorbenen Papstnepoten Pietro Riario aufrücken; [Johannes] Baptista de Ursinis, als päpstlicher Referendar hervorgehoben, wird bald Kammerkleriker werden, und Papst Innocenz VIII. wird ihm 1483 den Kardinalspurpur verleihen.[Anm. 29] Auch der Vizekanzler Rodrigo Borgia nennt an erster Stelle seines Rotulus einen Nepoten, den Protonotar Johannes de Borja; zwanzig Jahre später, als der Vizekanzler Papst wird, steigt der Nepot zum Kardinal auf.[Anm. 30] Niccolò Forteguerri, Tesoriere generale des Papstes, nennt seinen Verwandten Michael de Forteguerris de Pistorio an erster Stelle, es folgen sieben weitere Landsleute aus Pistoia. Einen päpstlichen Protonotar an der Spitze des Rotulus kann auch Giovanni Michiel vorweisen: Baldasar de Castello aus Bologna, der in den Kreis der päpstlichen Referendare eintritt.[Anm. 31]
Häufiger kommt es vor, dass an erster Stelle graduierte Familiaren stehen. So benennen Bessarion, Guillaume D'Estouteville und Angelo Capranica je einen decretorum doctor, Thomas Bourchier einen legum doctor und Marco Barbo einen utriusque iuris doctor als Listenersten. Marco Barbo eröffnet seine Familiarenliste sogar mit einer ganzen Riege von acht Universitätsabsolventen. Aber auch Angelo Capranica und der Groß pönitentiar Filippo Calandrini führen gleich mehrere Graduierte auf.[Anm. 32]
Verwandtschaftliche Nähe zum Patron, Stellung an der Kurie und akademische Qualifikation rücken diese Familiaren nach vorne. Wenn bei den anderen Kardinälen solche Hinweise fehlen, dann deshalb, weil auf nähere Angaben zur Person in den Rotuli an sich verzichtet werden kann, auch die Angabe der Herkunftsdiözese ist nicht zwingend. Einzelheiten zum Petenten kommen erst im auszufertigenden Expektativenbrief zur Sprache.[Anm. 33] Die besondere Qualifikation einzelner Familiaren bleibt in den Namenskolonnen meist verborgen.
Latino Orsini nennt an fünfter und sechster Stelle seines Rotulus den Portugiesen Didacus Didaci (Diöz. Silves) und den Franzosen Johannes Pergamenarii (Diöz. St. Malo), der auch decretorum doctor ist. Diese beiden Kleriker erscheinen gleichzeitig auch im Rotulus der sog. Konklavisten, einem weiteren Spezialrotulus zum 1. Januar 1472.[Anm. 34]

Papst Sixtus IV. war im Konklave im August 1471 gewählt worden. Gleich am Anfang der Supplik nimmt er in der Motu proprio-Form auf seine Wahl Bezug und benennt den Familiar des Orsini, Johannes Pergamenarii (hier Pargamenarii):

Motu proprio etc. singulis secularibus et regularibus dilectis fi liis, qui nobis et sancte Romane ecclesie cardinalibus in conclavi, in quo fuimus divina favente clementia ad summum apostolatus apicem assumpti, servierunt, necnon dilecto filio Johanni Pargamenarii presbytero Macloviensis diocesis decretorum doctori per venerabilem fratrem nostrum Latinum episcopum Tusculanum camerarium nostrum loco Cristofori de Formello laici, qui eidem episcopo in eodem conclavi deserviendo interfuit, ad infrascripta nominato familiari continuo commensali eiusdem episcopi, quem ex nunc loco eiusdem Cristofori, pro eo quod laicus est, assumimus et pro conclavista volumus in omnibus reputari ac eisdem prerogativis, quibus ceteri conclaviste potientur et gaudebunt, gaudeat et potiat in omnibus et per omnia, de duobus canonicatibus sub expectatione duarum prebendarum (…) providemus …

Wie aus dem Text hervorgeht, hatte der Familiar des Orsini am Konklave gar nicht teilgenommen, mochte aber gleichwohl als conclavista gelten. Das wird ihm dadurch ermöglicht, dass ein anderer Familiar des Orsini, Cristoforus de Formello, aus der Liste der conclaviste getilgt wird mit der Begründung pro eo quod laicus est (womit endlich einmal ein Laie als Kardinalsfamiliar nachgewiesen wäre). Johannes Pergamenarii rückte bald nach dem Konklave in den Kreis der päpstlichen Kubikulare auf.[Anm. 35]
Die Namenskolonne des Konklavistenrotulus wird eröffnet vom Bischof von Città di Castello, Johannes de Glanderonibus (Gianderoni), den Sixtus IV. zum Referendar ernennen wird, und den beiden päpstlichen Zeremonienmeistern, dem Franzosen Antonius Rabioli (Diöz. Toulon) und dem Italiener Dominicus de Galera aus der Umgebung von Rom (Diöz. Porto).[Anm. 36] Der Franzose Johannes Pergamenarii erscheint an 11. Stelle erwartungsgemäß loco Cristofori de Formello, und vor ihm rangiert der Portugiese Didacus Didaci. Dass sie beide Familiaren des Orsini waren, wird in der Aufl istung nicht angegeben. Auch bei den anderen Konklaveteilnehmern muss erst erschlossen werden, zu wessen Klientel sie gehörten.[Anm. 37] Jeder Kardinal ließ sich anscheinend von zwei seiner Familiaren begleiten. Für die Konklavisten soll Gratisexpedition, aber nicht die Prärogative der Papstfamiliaren gelten.[Anm. 38]

Die Konklavisten zum 1. Januar 1472 (Motu pr., gratis ubique), S 670, fol. 7v–8v

1. Dominus episcopus Civitatis Castelli sacrista.
2. Antonius Rabioli presb. Tolonen. dioc. magister cerimoniarum.
3. Dominicus de Galera presb. Portuen. magister cerimoniarum.
4. M(agister) Arpinus de Collis.
5. Raphael Baldolus de Fulgineo [Bessarion].
6. Johannes Franciscus de Bentivolis de Saxoferrato [Bessarion].
7. Magister Valerius de Viterbio.
8. Antonius Sbedardi cler. Montisfl asconen. dioc.
9. Hugo Jacobi presb. Remen. dioc. [d'Estouteville].
10. Didacus Didaci presb. Silven. dioc. [Orsini].
11. Johannes Pargamenarii presb. Maclovien. dioc. loco Cristofori de Formello [Orsini].
12. M(agister) Antonius Nochis.
13. Baldassar Jacobi presb. Lucan. (Lucen.?) dioc. [Calandrini].
14. Johannes Baptista Andree de Sachia cler. Parmen. [Calandrini].
15. Johannes de Vincurollis de Ameba.
16. Petrus de Canis.
17. Johannes Palmerii de Spoleto.
18. Matheus Manni Antonii de Mannis cler. Florentin. [Eroli].
19. Paulus Johannis de Civitate Castelli [Forteguerri].
20. Philippus Francisci de Luca.
21. Bartholomeus Podius de Luca [Roverella].
22. Bonadeus presb. Brixien. [Roverella].
23. Carolus de Salandis de Cramona [!] [Ammannati].
24. Fortiguerra de Franchis de Luca [Ammannati].
25. Nicolaus Thome de Neapoli [Carafa].
26. Petrus Ursuleo de Capua [Carafa?].
27. Nicolaus Jacobi de Curmmello.
28. Johannes Carnarius de Borgamo [!].
29. Jacobus Petri de sancto Laurentio.
30. Franciscus Baufrenos [Barbo].
31. Franciscus Garnerius cler. Auximan. [Barbo].
32. Petrus de Remero cler. Saonen. dioc.
33. Petrus de Mantua.
34. Bartholomeus Vallescarii [Borgia].
35. Bartolomeus Martini [Borgia] (gestrichen, am Rand Jacobus Casanova [Borgia], additum loco cassati supra(scripti) de mandato domini nostri pape per me Johannem de la Fiera).
36. M(agister) Ludovicus Agnelli [Gonzaga].
37. M(agister) Franciscus de Maffeis [Gonzaga].
38. Franciscus de Padua.
39. Simon Contarenus subdiaconus apostolicus (gestrichen).
40. Nardus Palmerius accolitus apostolicus [Zeno] (gestrichen, am Rand Petrus Calzanachis [Zeno], Philippus de Fanagrossis, corr(ectio) de mandato domini nostri pape in originali rotulo fact(a) per me Johannem d(e) T. [?]).
41. Baldasar de Blandrate.
42. Antonius Ursus (Michiel).
43. M(agister) Jacobus de Gotifredis.

Bessarion, D'Estouteville und Rodrigo Borgia waren die einzigen Nichtitaliener unter den anwesenden Kardinälen. Auch bei den diensttuenden Familiaren gab es nur Kardinalsfamiliaren im Wettbewerb 145 wenige Ausländer, so dass die Italiener bei der Papstwahl weitgehend unter sich waren. Das war ein Novum gegenüber den vorangegangenen Papstwahlen.[Anm. 39]
Zu den Karrieren von Konklavisten mögen zwei Hinweise zum Kardinal Gonzaga genügen. Ludovico Agnelli, der aus einer Mantuaner Adelsfamilie stammte, gehörte bereits 1460 der Familia des Gonzaga an, unter Sixtus IV. wird er zum Gubernator des Patrimonium Petri aufsteigen und 1478 zum Kammerkleriker ernannt werden. Francesco Maffei, aus einer Veroneser Familie, zusammen mit seinem Bruder Agostino Maffei schon vor 1460 Kanzleiskriptor an der Kurie, wird im Dienst des Kardinals Ende der Siebziger Jahre zu dessen maior domus aufrücken.[Anm. 40]
Viele der Konklaveteilnehmer erscheinen auch in den Rotuli der Kardinäle. Die beiden conclaviste des Kardinals Orsini, Didacus Didaci und Johannes Pergamenarii, rangieren in seinem Rotulus sehr weit vorne (an fünfter und sechster Stelle). Raphael Baldolus de Fulgineo (5.) und Johannes Franciscus de Bentivolis de Saxoferrato (6.) stehen bei Kardinal Bessarion auf Platz zwei und drei, Carolus de Salandis de Cremo na (23.) bei Kardinal Giacomo Ammannati auf Platz eins und Bartolomeus Vallescarii (35.) beim Vizekanzler Borgia auf Platz drei. Andere erscheinen etwas weiter nach hinten gerückt, so z. B. bei Marco Barbo an die 9. und 10. Stelle, bei Eroli an die 11. Stelle (Bartholomeus Podius de Luca) und bei Roverella an die 13. und 14. Stelle. Die Konklavisten sind also in den Rotuli im Unterschied zu den parafrenarii auf jeden Fall gut platziert. Die doppelte "Inrotulierung" von Familiaren ist zur Zeit Sixtus' IV. eher selten. Sie greift spätestens zu Anfang des 16. Jahrhunderts um sich und wird als Miss brauch angeprangert.[Anm. 41]

Im Licht der Rotuli auf den 1. Januar 1472 gewinnt eine zweite Serie von Expektativenrotuli an Gewicht, die in den Pontifi kat Pauls II., des Vorgängers Sixtus' IV., zurückführt. Sie ist in dem einzigen erhaltenen Supplikenregisterband de expectativis dieses Papstes überliefert.[Anm. 42] Es geht in diesem Band, der aus dem sechsten Pontifikatsjahr stammt (1469/1470), um Nachbesserungen und um die rückwirkende Erlangung von Expektativen zum 1. April 1465, dem allgemeinen Expektanztermin Pauls II. (zugleich Krönungstag des Papstes).[Anm. 43] Unter den Bittstellern sind auch die Kardinäle, die wir schon kennen.[Anm. 44] Sie supplizieren um die Modifizierung und Erweiterung von Expektativen und um die üblichen Dispense für ihre Familiaren, außerdem durchweg um die Prärogative der Papstfamiliaren. Die Zahl der Familiaren beträgt in diesen Rotuli ohne Ausnahme zwölf. Der Papst genehmigte die Bittschriften, die durchgängig in der Motu proprio-Form gehalten sind, mit der Einschränkung, dass die Gratisexpedition jeweils nur für vier (nicht näher bezeichnete) Familiaren gelten solle.[Anm. 45]

Rotuli der Kardinäle für je 12 Familiaren, 1470
(Expektanztermin 1. April 1465; Motu pr., de prerog., gratis ubique pro 4 fam.)

Bessarion ep. Sabinen. 1. Fernandus Sancii presb. Conchen. dioc. baccalaureus in decretis, S 653, fol. 105r–107v, 9. April 1470
Guillaume d'Estouteville ep. Ostien. 1. Johannes Chameau cler. Andegaven. dioc., S 653, fol. 96v–99r (datum currens fehlt)
Latino Orsini ep. Tusculan. 1. Didacus Didaci presb. Silven. dioc., S 653, fol. 202r–204v, 19. Mai 1470
Filippo Calandrini ep. Albanen. 1. Pelegrinus Vialis decretorum doctor presb. Albinganen. dioc., S 653, fol. 183r–185v, 15. Mai 1470
Alain Coetivy ep. Praenestin. 1. Henricus Hilarii cler. Veneten. dioc., S 653, fol. 138v–140v, 15. Mai 1470
Rodrigo Borgia, tit. S. Nicolai in carcere Tulliano diac. card. 1. Franciscus Johannis de Boria, S 653, fol. 112v–113v, 27. April 1470
Richard Olivier de Langueil 1456–1470, tit. s. Eusebii presb. card. 1. Robertus de Granvilla ex utroque parente de militari genere procreatus dicti card. consanguineus, S 653, fol. 187r–189v, 15. Mai 1470
Berardo Eroli, tit. s. Sabinae presb. card. 1. Benevenutus de Vancio decr. doctor cler. Paduan., S 653, fol. 174v–177r, 4. Mai 1470
Niccolò Forteguerri, tit. s. Cecilie presb. card. 1. Michael de Forteguerris de Pistorio, S 653, fol. 193r–195v, 19. Mai 1470
Francesco Todeschini-Piccolomini, tit. s. Eustachii diac. card. 1. Antonius de Romagnano decr. doctor Taurinen. dioc., S 653, fol. 125r–127r, 9. April 1470
Francesco Gonzaga 1461–1483, tit. s. Mariae Novae diac. card. 1. Franciscus de Grignano prior domus s. Antonii Mantuan., S 653, fol. 122r–124r, 9. April 1470
Giacomo Ammannati, tit. s. Chrysogoni presb. card. 1. Carolus de Salandis cler. Cremonen., S 653, fol. 129v–131v, 27. April 1470
Oliviero Carafa, tit. s. Marcellini et Petri presb. card. 1. Nicolaus Thomasius presb. Neapol., S 653, fol. 109r–111r, 14. April 1470
Marco Barbo, tit. s. Marci presb. card. 1. Leonellus de Chirrecatis utriusque iuris doctor, S 653, fol. 156r–159r, 15. Mai 1470
Francesco della Rovere 1467–1471, tit. s. Petri ad vinc. presb. card. (ab 1471 Papst Sixtus IV.) 1. Johannes de Montemirabili decretorum doctor, S 653, fol. 162r–164v, 13. April 1470
Amico Agnifi lo, tit. s. Mariae trans Tiberim presb. card. 1. Franciscus de Rocha cler. Aquilan. dioc. (gestrichen, am Rand: Martinus Ahawser cler. Bamberg. dioc., cassatum et additum), S 653, fol. 196v–199r, 26. Mai 1470
Teodoro di Monferrato, tit. s. Theodori diac. card. 1. Georgius de Provanis, S 653, fol. 171r–173r, 27. April 1470
Giovanni Battista Zeno, tit. s. Mariae in porticu diac. card. 1. Leonardus electus Sarnen., S 653, fol. 207r–208v, 26. Mai 1470
Giovanni Michiel, tit. s. Angeli in foro piscium diac. card. 1. Antonius Ursus decretorum doctor presb. Venet., S 653, fol. 214r–215v, 15. Mai 1470

Der Rotulus des Kardinals Francesco Todeschini-Piccolomini beginnt folgendermaßen: Motu proprio dilectis fi liis infrascriptis dilecti fi lii nostri Francisci sancti Eustachii diaconi cardinalis familiaribus continuis commensalibus per eum (ad effectum utendi certis prerogativis singulis duodecim singulorum cardinalium concessis) in certo rotulo nominatis et in certo cancellarie apostolice libro descriptis specialem gratiam facientes … Das ist ein klarer Hinweis darauf, dass es sich bei den aufgeführten Bittstellern um die bei der päpstlichen Kanzlei registrierten Familiaren, die descripti des Piccolomini handelt.[Anm. 46] Der Zweck der Registrierung war, bestimmten Familiaren Prärogativen bei den Expektanzen zu sichern. So handhabten es alle Kardinäle. Der Papst selbst ließ den engeren Kreis seiner Familiaren ebenfalls in der Kanzlei einschreiben, weshalb die Angehörigen dieses Zirkels familiares descripti genannt werden, um deren Prärogative so oft nachgesucht wurde.[Anm. 47] Im Unterschied zu den Papstfamiliaren war die Zahl der familiares descripti bei den Kardinälen auf zwölf Personen pro Kardinal begrenzt.[Anm. 48]
Die Kardinäle ließen die zwölf bei den Expektativen bervorzugten Familiaren, die ihnen zustanden, anlässlich ihrer Erhebung zum Kardinal bzw. bei Beginn eines neuen Pontifi kats in das Kanzleibuch einschreiben. Die Eintragungen mussten in der Folge ständig aktualisiert werden, denn es gab Familiaren, die aus dem Kreis der descripti ausschieden, und andere, die hinzukamen. Wie bei einer Pfründe trat Vakanz bei Todesfall ein, aber auch aus anderen Gründen schieden einzelne descripti aus. Das bezeugen Einzelsuppliken aus der Zeit Pauls II. So berichtet der Kardinal Calandrini im Januar 1469, dass einer seiner deutschen Familiaren seinen Expektativenbrief nicht hatte ausstellen lassen und derartiges auch nicht mehr beabsichtigte, wie er dem Kardinal mündlich versichert hatte (qui … gratiam suam expectativam expedire non curavit neque curat, prout ipsi cardinali viva voce asseruit). Das genügte, um ihn zu disqualifi zieren; ein Nachrücker unter den Familiaren des Calandrini stand bereit.[Anm. 49] Neu eingetragene Familiaren wollten sichergehen, dass sie gegenüber den schon im Kanzleibuch registrierten nicht benachteiligt würden, und so findet sich in einem anderen Fall die Formulierung, der Supplikant solle in den Genuss der Prärogative kommen, als ob er schon seit Pontifikatsbeginn registriert gewesen sei – zu einem Zeitpunkt nämlich, an dem sein Patron noch gar nicht zum Kardinal erhoben war (acsi a principio per eundem cardinalem nominatus et in dicto libro descriptus ipseque cardinalis tempore kalendarum aprilis pontifi catus nostri [sc. Pauli II] anno primo cardinalis ac prefatus N. N. ipsius cardinalis familiaris continuus commensalis fuissent).[Anm. 50] Derartige Rückversicherungen sind in den Suppliken gang und gäbe. Die in den angeführten Einzelsuppliken als Nachrücker ausgewiesenen Familiaren sind in den Rotuli von 1470, wie zu erwarten, als Supplikanten vertreten.[Anm. 51]
Welche zwölf Familiaren benennt der Kardinal Orsini im Jahr 1470? Sein Rotulus enthält folgende Namen:

1. Didacus Didaci presb. Silven. dioc., 2. Johannes Pergamenarii presb. Maclovien. dioc., 3. Daniel Cesaris cler. Cameracen. dioc., 4. Petrus Angelus presb. Esu lan. dioc., 5. Raphael de Stephanis presb. Albingonen., 6. Petrus Roderici cler. Legionen. dioc., 7. Henricus de Gusto cler. Leod. dioc., 8. Mathias Grasser cler. Frising. dioc., 9. Johannes Philippi cler. Tullen., 10. Guillermus Augier cler. Maclovien. dioc., 11. Johannes Jacobi de Toffi a presb. Sabinen. dioc., 12. Judo cus Greue cler. Magunt. (die letzten beiden Kleriker sind gestrichen, am Rand: Petrus Vellier [sonst Welker] cler. Magunt., Tomas Oszner cler. Herbip. dioc. Addita hec duo nomina et cassata alia duo de mandato domini nostri pape per me Jo(hannem) de la Fiera).    

An erster und zweiter Stelle stehen der Portugiese Didaci und der Franzose Pergamenarii. Wir erinnern uns, dass einer von ihnen den Kardinal ein Jahr später ins Konklave begleitete und der andere sich nachträglich zum Konklavisten erklären ließ.[Anm. 52] Es überrascht nicht, dass diese beiden Familiaren und weitere acht aus der Gruppe der zwölf sich im Rotulus der 54 Familiaren des Kardinals zum 1. Januar 1472 wiederfinden.[Anm. 53] Teils erscheinen sie dort unter den ersten zwölf Familiaren, teils erst später im vorderen Feld oder im Mittelfeld. Vergleicht man die Rotuli von 1470 und 1472 bei anderen Kardinälen, so ergibt sich ein ähnliches Bild.
Interessanter ist jedoch ein Vergleich der Zwölferrotuli mit dem Rotulus der Konklavisten. Da zeigt sich, dass nicht nur der Kardinal Orsini sondern auch weitere zehn Kardinäle mindestens einen ihrer Familiaren, den sie zum Konklave im August 1471 mitnahmen, aus dem Kreis der zwölf Petenten von 1470 wählten und dass diese künftigen Konklaveteilnehmer unter den zwölf auf den vordersten Plätzen rangierten.[Anm. 54] Der Kreis der zwölf schloss also wirklich Familiaren ein, die dem jeweiligen Kardinal persönlich sehr nahe standen.[Anm. 55]

Es wäre auf jeden Fall verfehlt, die Expektativenrotuli einfach als Spiegelbild interner Hierarchien innerhalb der Kardinalsklientel zu nehmen. Die Familiaren treten an der Kurie als Petentenkollektive auf, die sich dem Wettbewerb um die Expektativen stellen. Da gelten Gesichtspunkte sui generis, wie wir gesehen haben, und so kommt es, dass zum Beispiel Persönlichkeiten, die zugleich Papstfamiliaren waren, oder die am Konklave teilgenommen hatten, an der Spitze der Rotuli stehen. Dass Graduierte auf den vorderen Plätzen rangieren, passt gut ins Bild, denn Akademiker waren beim Pfründen erwerb bevorzugt[Anm. 56]. Vielleicht kam man, je weiter oben man auf dem Rotulus rangierte, um so schneller bei der Expedition der littera expectativa zum Zuge. Und wahrscheinlich spielte bei der Zusammenstellung der Expektativenrotuli auch die Anciennität der Familiaren eine wichtige Rolle.[Anm. 57]

Anmerkungen:

  1. Während der Arbeit am Repertorium Germanicum in Rom und danach in Niedersachsen habe ich von Brigide Schwarz ("weder verwandt noch verschwägert") viel lernen dürfen. Es ist mir eine Freude, im Folgenden das Thema der Rotuli wiederaufzugreifen. – U. SCHWARZ, Die Papstfamiliaren der ersten Stunde. Zwei Expektativenrotuli für Sixtus IV. (1. Januar 1472), in: QFIAB 73 (1993) S. 303–386, hier S. 314 f. (zum 1.1.1472). Zu den Expektativen im 15. Jh. s. A. MEYER, Arme Kleriker auf Pfründensuche. Eine Studie über das "in forma pauperum"-Register Gregors XII. von 1407 und über päpstliche Anwartschaften im Spätmittelalter (Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht 20), Köln u. Wien 1990; DERS., Spätmittelalterliches Benefizialrecht im Spannungsfeld zwischen päpstlicher Kurie und ordentlicher Kollatur. Forschungsansätze und offene Fragen, in: St. CHODOROW (Hg.), Proceedings of the Eight International Congress of Medieval Canon Law, San Diego 21–27 August 1988, Monumenta Iuris Canonici, Series C: Subsidia 9, Città del Vaticano 1991, S. 247–264 (ediert im Anhang Kanzleiregeln Papst Nikolaus' V. von 1453/54 über Expektativen). Kanzleiregeln Sixtus' IV. über Expektativen ("regulae expectativarum") abgedruckt in: Decisiones Rotae, 1543 (BAV, Stampe Barberini, EE.II.51), fol. 161r–162v. Zurück
  2. Johannis Burckardi Liber notarum ab anno 1483 ad annum 1506 a cura di E. CELANI, I (RIS 32), Città di Castello 1907–1910, S. 167 ff.  Zurück
  3. Die Expeditionstermine der "litterae" waren sechsfach gestaffelt, s. L. SCHMITZ-KALLENBERG (Hg.), Practica Cancellariae apostolicae saeculi XV exeuntis. Ein Handbuch für den Verkehr mit der päpstlichen Kanzlei, Münster 1904, S. 48. Expektativenbriefe sind "in partibus" sehr selten überliefert, s. Nachweise bei B. SCHWARZ (Bearb.), Regesten der in Niedersachsen und Bremen überlieferten Papsturkunden 1198–1503 (Quellen und Untersuchungen zur Geschichte Niedersachsens im Mittelalter 15 = Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 37), Hannover 1993, S. 657 ("littera expectativa"). Briefregister" de expectativis" der Kurie sind ebenfalls selten erhalten, s. SCHWARZ, Papstfamiliaren (wie Anm. 1) S. 312, Anm. 38. – Im 14. Jh. und bis in die Mitte des 15. Jh. hinein weisen die Expektativenrotuli gestufte Daten auf, außerdem enthalten sie nähere Angaben über Pfründenwünsche und -bestand eines jeden Petenten, was ihnen einen hohen Quellenwert verleiht, s. A.-M. HAYEZ, Les "rotuli" presentés au pape Urbain V durant la première année de son pontifi cat, in: MEFRM 96 (1984) S. 327–394 (zum Jahr 1361/62); SCHWARZ, Papstfamiliaren, S. 307 ff.; besonderes Interesse fi nden Expektativenrotuli im Rahmen der Universitätsgeschichte, s. W. J. COURTENAY/E. D. GODDARD (ed.), Rotuli Parisienses. Supplications to the Pope from the University of Paris, Bd. 1: 1316–1349, Bd. 2: 1352–1378 (Education and Society in the Middle Ages and Renaissance 14–15), Leiden, Boston u. Köln 2003, 2004; J. SCHMUTZ, Erfolg oder Mißerfolg? Die Supplikenrotuli der Universitäten Heidelberg und Köln 1389–1425 als Instrumente der Studienfi nanzierung, in: ZHF 23 (1996) S. 145–167. Zurück
  4. ASV, Reg. Suppl. 670 (zitiert künftig S 670), fol. 45v–46r. Vgl. SCHWARZ, Papstfamiliaren (wie Anm. 1) S. 315 f. Die Namen der Diözesen wurden nach K. EUBEL, Hierarchia catholica medii aevi, Monasterii 1913–1914, normalisiert, die Abkürzungen von Diözesen des Reiches erfolgt nach den Gewohnheiten im Repertorium Germanicum, s. zuletzt RG IX, 1–2, Paul II., bearb. v. H. HÖING, H. LEERHOFF und M. REIMANN, Tübingen 2000. – Thomas Bardelle, Rom, hat viele Lesungen von Eigennamen überprüft und Kopien besorgt. Dafür gilt ihm mein besonderer Dank. Zurück
  5. Textteil und Klauseln einer derartigen Gruppensupplik siehe z. B. bei B. KATTERBACH, Specimina supplicationum ex registris Vaticanis, Subsidiorum tabularii Vaticani vol. II extra, Romae 1927, S. 25, Nr. 34; SCHWARZ, Papstfamiliaren (wie Anm. 1) S. 361 f., 368 f. (Rotulus der „Familiaren der Papstfamiliaren“). Zurück
  6. L. VON PASTOR, Geschichte der Päpste im Zeitalter der Renaissance von der Thronbesteigung Pius' II. bis zum Tode Sixtus' IV., Freiburg u. Rom 131955, S. 452 ff.; K. EUBEL, Hierarchia catholica medii aevi, Bd. 2, Monasterii 21914, S. 15, Anm. 9 (das Konklave dauerte vom 6.–10. August). Unter den abwesenden Kardinälen waren z. B. Alain Coetivy, Luis Juan Mila. Francesco Todeschini-Piccolomini und Thomas Bourchier (Brite). Zurück
  7. SCHWARZ, Papstfamiliaren (wie Anm. 1) S. 316, 331 f. Zur fragmentarischen Überlieferung von Supplikenregistern "de expectativis" im 15. Jh. s. ebd., S. 305 mit Anm. 7. Zurück
  8. S 670, fol. 41r–43v. Die Fundstellen der sonstigen Kardinalsfamiliarenrotuli sind im Überblick weiter unten nachgewiesen, auf den jeweils für das folgende verwiesen sei. Zurück
  9. . MEYER, Das Wiener Konkordat von 1448 – eine erfolgreiche Reform des Spätmittelalters, in: QFIAB 66 (1986) S. 108–152, hier S. 135 ff. (für die Zeit Nikolaus' V.).  Zurück
  10. D. h. Abbreviatoren-, Skriptoren-, Siegel-, Registertaxe entfi elen, s. die Klausel am Ende des jeweiligen Klauselcorpus, z. B. S 670, fol. 42v (Bessarion): "Et quod littere super premissis omnibus et singulis confi ciende gratis ubique de mandato nostro etiam quoad taxam abbreviatorum expediantur pro omnibus et singulis suprascriptis (sc. familiaribus)". Monferrato erhielt "gratis ubique" nur "pro primis duodecim" seiner Familiaren (S 670, fol. 102r). Vgl. B. SCHWARZ, Die Organisation kurialer Schreiberkollegien von ihrer Entstehung bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts (BiblDHIR 37), Tübingen 1972, S. 31, 260 (Nr. 5); SCHMITZ-KALLENBERG, Practica (wie Anm. 3) S. 51, 60 ff. (Gebühren für Expektativen im Einzelnen); RG VIII, 1–2, Pius II., bearb. v. D. BROSIUS, U. SCHESKEWITZ und K. BORCHARDT, Tübingen 1993, hier Bd. 2, Sachindex, S. 677 f. Zum Ausufern der Gratisexpedition vgl. G. FRAGNITO, Le corti cardinalizie nella Roma del Cinquecento, in: Rivista storica italiana 106 (1994) S. 5–41, hier S. 11 f. (1517). Zurück
  11. Sie supplizierten ihrerseits exklusiv im sog. "primus rotulus" der Papstfamiliaren um Expektativen, s. SCHWARZ, Papstfamiliaren (wie Anm. 1) S. 317 ff., 326 ff. Zurück
  12. Siehe die Abbildung und die Übersicht unten, auch bei D'Estouteville und Marco Barbo.  Zurück
  13. Vgl. Kanzleiregel in Decisiones Rotae (wie Anm. 1) fol. 161v. Zurück
  14. Von den Kardinälen Jean Jouffroy (Johannes Gaufridi), Francesco Gonzaga und Jean Balue habe ich keine Expektativenrotuli gefunden. Für einige Kardinäle kann ich ohne Anspruch auf Vollständigkeit spätere Rotuli (meist "de prerogativis") von 1472 und 1473 nennen, die vereinzelt in den allgemeinen Supplikenregistern überliefert sind. Zurück
  15. SCHWARZ, Papstfamiliaren (wie Anm. 1) S. 346 f. Zurück
  16. Vgl. zur Kardinalsfamilia idealtypisch B. SCHWARZ, Über Patronage und Klientel in der spätmittelalterlichen Kirche am Beispiel des Nikolaus von Kues, in: QFIAB 68 (1988) S. 284–310, hier S. 299 ff. Zurück
  17. Vgl. Ch. SCHUCHARD, Die Deutschen an der päpstlichen Kurie im späten Mittelalter (1378–1447) (BiblDHIR 65), Tübingen 1987, S. 29. SCHWARZ, Papstfamiliaren (wie Anm. 1) S. 325, 359 (zu "veri et non fi cti familiares"). Zurück
  18. MEYER, Benefi zialrecht (wie Anm. 1) S. 252 ff. mit Anm. 17. Zurück
  19. In Reformbullen (meistens nicht publiziert) versuchten die Päpste im 15. Jh. wiederholt, die Größe der Kardinalshaushalte zu reglementieren, s. G. FRAGNITO, „Parenti“ e „Familiari“ nelle corti cardinalizie del Rinascimento, in: C. MOZZARELLI (Hg.), „Familia“ del principe e famiglia aristocratica, Roma 1988, Bd. 2, 1988, S. 565–587, hier S. 566 f.; M. VÖLKEL, Römische Kardinalshaushalte des 17. Jahrhunderts. Borghese – Barberini – Chigi (BiblDHIR 74), Tübingen 1993, S. 50. Die Regelungen für die Expektativenrotuli stehen auf einem anderen Blatt. Zurück
  20. SCHUCHARD, Deutsche (wie Anm. 17) S. 51 f.; D. S. CHAMBERS, A Renaissance Cardinal and his Worldly Goods: The Will and Inventory of Francesco Gonzaga (1444–1483) (Warburg Institute Surveys and Texts 20), London 1992, S. 20; vgl. auch die Aufsatzsammlung: DERS., Renaissance Cardinals and their Wordly Problems (Variorum Collected Studies Series 553), Aldershot 1997 (mit Postscript, Ergänzungen und Index); VÖLKEL, Kardinalshaushalte (wie Anm. 19) S. 43 ff. Vom deutschen Kardinal Nikolaus von Kues sind insgesamt 48 Familiaren bekannt, s. B. SCHWARZ, Patronage (wie Anm. 16) S. 304. Zurück
  21. SCHUCHARD, Deutsche (wie Anm. 17) S. 5 beklagt, dass in der ersten Hälfte des 15. Jh. kumulative Quellen für die Kurialen fehlen. Zurück
  22. D'Estouteville (S 803, fol. 25v, 59r–v), Borgia (ebd., fol. 41r–42r), Piccolomini (ebd., fol. 43v–44r), Carafa (ebd., fol. 133v–134r), Barbo (ebd., fol. 133r–v), Zeno (ebd., fol. 5r–6r). – Von den 51 Familiaren des Kardinals Ammannati im Jahre 1472 kann P. CHERUBINI (Bearb.), Jacopo Ammannati Piccolomini. Lettere (1444–1479), Bd. 1–3 (Pubblicazioni degli Archivi di Stato 25), Roma 1997, hier Bd. 1, S. 173 ff. über zwölf in den Briefen des Kardinals identifi zieren, die im Rotulus Platz 1–4, 6, 8, 11, 13, 15, 19, 20, 25 etc. einnehmen. Unter Einbeziehung des Rotulus ermittelt Cherubini insgesamt 141 Familiaren aus der Gesamtzeit des Kardinalats. Zurück
  23. Bei den Orsini-Familiaren v. a. Nicolaus Graurock (Nr. 7), s. RG VI, 1–2: Nikolaus V., bearb. v. J. F. ABERT u. W. DEETERS, Tübingen 1985, Nr. 4449; RG VII, 1–2: Calixt III., bearb. v. E. PITZ, Tübingen 1989, Nr. 2222; RG IX (wie Anm. 4) Nr. 4747; künftig RG X (Sixtus IV.). Zurück
  24. S. RG VIII, 2 (wie Anm. 10) S. 637 und RG IX, 2 (wie Anm. 4) S. 620 f. (Indices der Wörter und Sachen). Zurück
  25. G.-R. TEWES, Die römische Kurie und die europäischen Länder am Vorabend der Reformation (BiblDHIR 95), Tübingen 2001, S. 231, Anm. 19; SCHWARZ, Papstfamiliaren (wie Anm. 1) S. 335, Anm. 128 (über Pferd bei der Fronleichnamsprozession); zu den "parafrenarii" des Papstes auch SCHUCHARD, Deutsche (wie Anm. 17) S. 135 f. Zurück
  26. SCHUCHARD, Deutsche (wie Anm. 17) S. 51; CHAMBERS, Renaissance Cardinal (wie Anm. 20) S. 20 f., bes. Anm. 133, 135 f. (Nr. 27 am Ende). Kardinallegaten führten bis zu hundert Reit- und Lasttiere und Wagen mit sich, s. C. MÄRTL, Kardinal Jean Jouffroy (gest. 1473). Leben und Werk (Beiträge zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters 18), Sigmaringen 1996, S. 199. Vgl. auch VÖLKEL, Kardinalshaushalte (wie Anm. 19) S. 41, Anm. 67: "Parafrenarii, qui in assiduo sunt motu …" (1514). Zurück
  27. Zum zweiten Expektanzdatum Sixtus' IV., dem 17. November 1481, reichen wiederum die "parafrenarii" einen Expektativenrotulus ein, diesmal sogar mit drei Personen pro Kardinal: S 803, fol. 22r–23v. Zurück
  28. Die "parafrenarii" stammen zumeist aus französischen und spanischen Diözesen und aus Diözesen des Reiches. Nur ein einziger Italiener ist darunter (aus Brescia, im Dienst des Gonzaga). Von den aus dem Reich stammenden Petenten ist Robertus Stouch (Nr. 22) schon 1466 als "para frenarius" belegt, und zwar im Dienst des Kardinals Juan Carvajal, s. RG IX, 1 (wie Anm. 4) Nr. 5399. Zurück
  29. Cosmas: EUBEL, Hierarchia (wie Anm. 6) Bd. 2, S. 19, Nr. 25; Rotulus für seine Familiaren zum 17. November 1481, S 803, fol. 80r–v. Rainaldus: Th. FRENZ, Die Kanzlei der Päpste der Hochrenaissance (1471–1527) (BiblDHIR 63), Tübingen 1986, S. 438, Nr. 2020. Baptista: B. KATTERBACH, Referendarii utriusque signaturae a Martino V ad Clementem IX et praelati signaturae supplicationum a Martino V ad Leonem XIII (Studi e Testi 55), Città del Vaticano 1931, S. 53; P. PARTNER, The Pope's Men. The Papal Civil Service in the Renaissance, Oxford 1990, S. 243. Zurück
  30. FRENZ, Kanzlei (wie Anm. 29) S. 364, Nr. 1155, G. DE CARO, in: DBI, Bd. 12, Roma 1970, S. 713 ff. Zurück
  31. FRENZ, ebd., S. 294, Nr. 310. Zurück
  32. Barbo (nach dem Listenersten): 2. Leonellus de Clericactis cler. Vicentin. decr. doctor, 3. Cesar de Naiocis (1473: Nactis) cler. Amelien. legum doctor, 4. Stephanus Millon cler. Maclovien. dioc. legum doctor, 5. Bartholomeus de Caricinis presb. Ferrarien. decr. doctor, 6. Johannes Laurentius cler. Venetiarum utriusque iuris doctor, 7. Tanus de comitibus Saluaroli (1473: Saluardi) cler. Concordien. decr. doctor, 8. Michael de Ursinis presb. Venetiarum legum doct. (zum Vergleich der Namensformen wurde der Rotulus von 1473 herangezogen, S 695, fol. 161r–162r). Bei Orsini haben die zum Priester geweihten Familiaren Vorrang. Zurück
  33. "Et quod omnium premissorum" [sc. familiarium] "cognomina, dioceses, gradus, nobilitates et alie qualitates exprimi et specifi cari in expeditione litterarum possint", wie es in den Klauseln heißt, s. z. B. S 670, fol. 9v (Mila). Zurück
  34. S 670, fol. 7v–8v. Belege für "rotuli conclavistarum" s. MEYER, Benefi zialrecht (wie Anm. 1) S. 253, Anm. 17; SCHWARZ, Papstfamiliaren (wie Anm. 1) S. 309 (11. Nov. 1378); RG IX, 1 (wie Anm. 4) Nr. 746, 2970; Johannis Burckardi Liber notarum (wie Anm. 2) S. 168, Z. 15 ff. ("expeditio" der "conclaviste"). Zurück
  35. Als Kubikular "in palatio apostolico continue non residens" erwähnt in dem von SCHWARZ, Papstfamiliaren (wie Anm. 1) S. 320, Anm. 64, herangezogenen Rotulus (1. Jan. 1472), außerdem später ebd., S. 319, Anm. 61 (1474). Zurück
  36. Zum Bischof von Città di Castello (Johannes de Glanderonibus) s. FRENZ, Kanzlei (wie Anm. 29) S. 374, Nr. 1259. Zurück
  37. Das ist mit Hilfe der sonstigen Rotuli der Kardinäle zum 1. Januar 1472 möglich, denn die Namen vieler Konklaveteilnehmer kehren dort wieder. Außerdem habe ich die Rotuli der "descripti" von 1470 unter Paul II. berücksichtigt, s. Übersicht unten. Zurück
  38. Formal gesehen weicht der Rotulus von den übrigen Sammelsuppliken der Kardinäle dadurch ab, dass er nicht nur einen Textblock mit Klauselteil, sondern deren vier aufweist, die jeweils eigens vom Papst signiert werden. Nach der üblichen generellen Expektanz auf zwei Kanonikate und zwei Benefizien eines beliebigen Kollators folgt die Dispens "de non residendo", die Dispens "ad incompatibilia" und die" licentia resignandi". Zurück
  39. S. oben Anm. 6 (V. PASTOR). Zurück
  40. FRENZ, Kanzlei (wie Anm. 29) S. 291, Nr. 263 und S. 331, Nr. 744; CHAMBERS (wie Anm. 20) S. 15 ff.; PARTNER, Pope's Men (wie Anm. 29) S. 216 f. Zurück
  41. FRAGNITO, Corti (wie Anm. 10) S. 12. Zurück
  42. S 653, ausgewertet im Hinblick auf deutsche Petenten neuerdings im Repertorium Germanicum, s. RG IX, 2 (wie Anm. 4) Fundstellen S. 966. In der Forschung stärker beachtet ist ein Briefregister "de expectativis" aus der Zeit Pauls II. (Reg. Vat. 541), s. N. GOTTERIGRAMBERT, Les clercs français dans les expectatives "in forma pauperum" de 1462 et 1465, in: Archivum Historiae Pontifi ciae 12 (1974) S. 125–155; weitere Literaturangaben bei SCHWARZ, Papstfamiliaren (wie Anm. 1) S. 312, Anm. 38. Zurück
  43. MEYER, Arme Kleriker (wie Anm. 1) S. 71 f. Vgl. RG IX, 2 (wie Anm. 4) Daten der Registereinträge S. 836 f. und Sonstige Kalenderdaten S. 870 f. Zurück
  44. Neu hinzukommen die Kardinäle Richard Olivier (stirbt noch 1470), Francesco Gonzaga (fehlt 1472) und Francesco Della Rovere, der künftige Papst (zu dessen Vorzugsfamiliaren als Kardinal s. SCHWARZ, Papstfamiliaren [wie Anm. 1] S. 323 mit Anm. 82). Gegenüber 1472 fehlen Rolin, Mila, Capranica, Roverella, Bourchier. Zurück
  45. Auf weitere Feinheiten und vor allem Unterschiede bei den Rotuli kann hier nicht eingegangen werden. Die Textblöcke der Suppliken sind in der Regel dreimal so lang wie bei den Rotuli zum 1. Januar 1472. Zurück
  46. Ausdrückliche Hinweise auf die zwölf "familiares descripti" der Kardinäle finden sich auch in den Rotuli, die mit dem Wort Cupientes beginnen (z. B. bei Coetivy und Carafa). Dort heißt es im Verlauf des Textes "… quodque illi ex infrascriptis, qui per dictum N. N. cardinalem nominati et in certo cancellarie apostolice libro ad ipsius nominationem inter 12 familiares suos nominatos descripti reperiantur, omnibus et singulis antelationum prerogativis privilegiis et indultis, quibus ipsi 12 familiares continui commensales descripti utuntur, potiuntur et gaudent, unacum prerogativis supradictis" [d. h. der Papstfamiliaren] "etc. uti, frui possint pariter et gaudere, concedimus, indulgemus et declaramus" (S 653, fol. 139v). Sollte die Wendung "illi ex infrascriptis" eine Einschränkung bedeuten, d. h. zählten nicht alle "infrascripti" zu den "descripti?" Vgl. die Klausel "Et cum clausula, quod possint uti prerogativis per nos singulis 12 familiaribus cardinalium concessis." Zurück
  47. S. oben Anm. 11. Zurück
  48. Es fragt sich, seit wann die Regelung galt. SCHUCHARD, Deutsche (wie Anm. 17) S. 54, Anm. 154 erwähnt die zwölf "descripti" der Kardinäle pauschal (für ihren Untersuchungszeitraum vor 1447). Zurück
  49. RG IX, 1 (wie Anm. 4) Nr. 4480 (28. Jan. 1469). Mathias Boman aus der Diözese Worms, der Michael Stephani aus der Diözese Passau ersetzen sollte, hatte der Kanzlei längst eine besiegelte "cedula" präsentiert, war aber gleichwohl nicht registriert worden. – Vgl. ebd., Nr. 1313: Friedrich Molner, Familiar des Bessarion (19. Nov. 1467); in der Supplik wird als Vakanzgrund ebenfalls die vernachlässigte Briefexpedition genannt. Zurück
  50. Nämlich Teodoro di Monferrato, Kardinal ab 1467. Nachrücker war der Kapellan des Kardinals, Melchior Truchsess, s. RG IX, 1, Nr. 4530 (1. Aug. 1469). Vgl. ebd., Nr. 3465: Johannes Mont, Familiar des Piccolomini (23. Jan. 1468). Vgl. ebd., Nr. 1105: Egidius Dass, Familiar des Eroli (10. Jan. 1470). Zurück
  51. Im Rotulus des Calandrini erscheinen sowohl der Passauer als auch der Wormser als Petenten. Es hatte also dem Wormser ein anderer weichen müssen. Zurück
  52. S. oben Anm. 35. Zurück
  53. Es fehlen Raphael de Stephanis und Johannes Philippi. Zurück
  54. Bessarion, Calandrini, Borgia, Eroli, Forteguerri, Ammannati, Carafa, Barbo, Zeno, Michiel. Zurück
  55. Auch in den Rotuli aus der Zeit Sixtus' IV. fi nden sich Hinweise auf die zwölf Vorzugsfamiliaren, s. die obige Übersicht, bei D'Estouteville; vgl. auch die Zwölfzahl bei Coetivy, Barbo und Monferrato. Zurück
  56. Vgl. MEYER, Benefizialrecht (wie Anm. 1) S. 254, 260 (Absatz 4); Bestimmungen der "regulae expectativarum" Sixtus' IV. zur verschiedenen Taxierung ihrer Pfründen im Einzelnen in: Decisiones Rotae (wie Anm. 1) fol. 161v. Zurück
  57. Vermutlich wurden bei den Kardinälen interne Rotuli über die Familiaren geführt (wie das auch am Papsthof üblich war, vgl. den "rotulus familie" Pius' II., SCHWARZ, Papstfamiliaren [wie Anm. 1] S. 351 f.); zu ruoli aus der zweiten Hälfte des 16. Jh. s. FRAGNITO, „Parenti“ (wie Anm. 19) S. 581, Anm. 35. Zurück