0.1923: "Separatismus" im oldenburgischen Landesteil Birkenfeld unter französischer Militärverwaltung im Spiegel französischer Quellen
Der Autor dankt dem Niedersächsischen Landesarchiv (Abteilung Oldenburg) und dem Stadtarchiv Idar-Oberstein für die Bereitstellung und Abdruckgenehmigung von Bildmaterial. Sein besonderer Dank gilt dem Niedersächsischen Landesarchiv sowie dem Landeshauptarchiv Koblenz für wertvolle Hinweise auf ihre umfangreichen Bestände zum oldenburgischen Landesteil Birkenfeld unter französischer Besatzung 1918-1930. Die Übersetzungen aus dem Französischen ins Deutsche wurden, falls nicht anders angegeben, vom Autor vorgenommen.
"Lawinenartig wuchs...die separatistische Bewegung, proportional der Inflation. Das Rheinland stand damals, geschlossen wie ein Mann, zu dem, der besser zahlte. Die Beamten, die Großbanken, die Geistlichen warteten auf ihren Augenblick. Zu Frankreich hinüber wollte keiner, bei Preußen bleiben wenige. Was sie wollten und wozu sie damals auch ein Recht hatten, war Befreiung aus der Hölle der Inflation und Schaffung einer eigenen Währung, einer eigenen autonomen Republik." [Anm. 1]
Es gibt für uns kein trefflicheres Zeitzeugnis als diese Einschätzung von Kurt Tucholsky (1880-1935), einem der scharfsinnigsten Beobachter und engagiertesten Publizisten der Weimarer Republik (1918-1933). Wenn wir seinen Rückblick von 1929 auf das Krisenjahr 1923 mit besonderem Interesse lesen, so weil er Geschehnisse und Zeitgeist anders wahrnimmt als dies gemeinhin nicht nur im damaligen politischen und historischen Diskurs, sondern zum Teil noch nach dem Zweiten Weltkrieg (1939-1945) in der Bundesrepublik Deutschland der Fall ist. Walter Rummel weist 2020 im von ihm mitherausgegebenen Begleitband zur Wanderausstellung „Der gescheiterte Friede. Die Besatzungszeit 1918-1930 im heutigen Rheinland-Pfalz“ auf die lange „Tradition der Diffamierung“ der Autonomiebewegungen unter französischer Besatzung nach dem Ersten Weltkrieg hin: „Abgesehen vom Versailler Vertrag (‚Schanddiktat‘) und der Anwesenheit von Kolonialtruppen Frankreichs und Belgiens im Besatzungsgebiet (‚Schwarze Schmach‘) hat kein Thema die nationalistische und anti-französische Stimmung in Deutschland so aufgeheizt wie jene Bestrebungen im linksrheinischen Gebiet in den Jahren 1919-1924, die auf regionale Autonomie und Versöhnung mit bzw. Anlehnung an Frankreich zielten. Noch Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges galten Anführer und Anhänger dieses Konzepts als ‚Separatisten‘ oder ‚Sonderbündler‘, ungeachtet ihrer Verfolgung in der NS-Zeit, als Verräter am Vaterland“. [Anm. 2]
Diese Feststellung erstreckt sich auch auf die historische Forschung, ja selbst die Landesgeschichte, die sich „von der grundsätzlich negativen Einschätzung der ‚Separatisten‘ lange Zeit nicht gänzlich freimachen können […]. Nur ein einziger Politiker der Weimarer Zeit konnte sich von den ihm nachgesagten ‚separatistischen‘ Neigungen und dem damit verbundenen Vorwurf der ‚Untreue‘ gegenüber dem eigenen Volke einigermaßen befreien: Konrad Adenauer der erste Kanzler der Bundesrepublik Deutschland“. [Anm. 3]
Wenn wir Tucholskys Zeugnis im Hinblick auf die historische Wahrheitsfindung für besonders beredt halten, so deswegen, weil er die Geschehnisse als Phänomen eines komplexen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Krisenzusammenhangs betrachtet. Dagegen suggeriert die negative Rezeption der Autonomiebewegungen eine allzu simplifizierte Lesart: sie zieht eine Trennlinie ideologisch-politischer Natur zwischen einer Minderheit von angeblich manipulierten „vaterlandslosen Gesellen“, die der Besatzungsmacht zuarbeite, und der großen Mehrheit der patriotisch eingestellten Bevölkerung, die in großen Teilen deutsch-nationalem Denken anhänge.
Wenn das Rheinland 1923 „geschlossen wie ein Mann, zu dem [stand], der besser zahlte” (Tucholsky), so darf gefolgert werden, dass im gegebenen Kontext vor allem die Besatzungsmacht Frankreich und die Berliner Reichsregierung als Zahlmeister in Betracht kommen. Wie schon in unserer Untersuchung der Autonomiebewegung unter französischer Militärverwaltung in der oldenburgischen Provinz Birkenfeld im Jahr 1919, [Anm. 4] so ziehen wir auch für die Analyse der diesmal eindeutig „separatistischen“ Geschehnisse von 1923 noch nicht ausgewertete französische Dokumente – vor allem aus den Archives nationales in Paris – zu Rate: aus den Beständen der französischen Besatzungsbehörden in den linksrheinischen Gebieten. [Anm. 5]
Im Fokus unseres Interesses steht erneut die oldenburgische Exklave Birkenfeld an der oberen Nahe, inmitten der preußischen Rheinprovinz. Nach der Abschaffung der Monarchie gegen Ende des verlorenen Ersten Weltkrieges (1914-1918) wird sie unter der Weimarer Republik zu einem Landesteil des Freistaates Oldenburg (1918-1932) [Anm. 6] und ist zwischen September 1923 und Januar 1924 für kurze Zeit der „separatistischen Bewegung“ ausgesetzt. In Ermangelung der Lageberichte des lokalen Militärverwalters Major Tibère Bastiani, wie in unserem Aufsatz über die „Birkenfelder Republik“ von 1919, liegen unseren Ausführungen in erster Linie Berichte eines externen Beobachters zugrunde: die Korrespondenz des Vertreters der Hohen Interalliierten Rheinlandkommission im Regierungsbezirk Trier, Oberstleutnant Gabriel Cochet, mit seinem Vorgesetzten in Koblenz, dem französischen Hochkommissar und Vorsitzenden der Kommission Paul Tirard. [Anm. 7] Cochet beobachtet die Entwicklung nicht nur im Regierungsbezirk Trier, der seit dem Wiener Kongress (1815) Teil der preußischen Rheinprovinz ist, sondern auch in der benachbarten oldenburgischen Exklave Birkenfeld. In den uns vorliegenden Dokumenten vermittelt Tirards Delegierter, zugegeben, nur spärliche Hinweise auf die lokalen Geschehnisse selbst. Doch dazu liegt aus deutscher Sicht umfangreiches Material vor. [Anm. 8] Die Originalität der Trierer und Koblenzer Rapports aber besteht darin, dass sie die geopolitische Bedeutung Birkenfelds in den französischen Plänen für einen an Frankreich „angelehnten“ Rheinstaat (Marschall Philippe Pétain) andeuten. Im Entwurf des Hochkommissars vom 23. März 1923 an Ministerpräsident Poincaré soll der oldenburgische Landesteil Birkenfeld als territoriale Einheit erhalten bleiben und als eigene Provinz in den Pufferstaat integriert werden. Im Falle einer Konföderation mehrerer „Rheinischer Republiken“ käme Birkenfeld sogar als eigenständiger Staat in Betracht.
Wenn wir uns hier erneut der französischen Darstellung der rheinischen Autonomiebewegung in der Nachkriegszeit widmen, so, um die Ergebnisse der heimatkundlichen Forschung zu komplettieren. Sie beruhen auf der Auswertung primär deutscher Quellen – notgedrungen: infolge spezieller Schutz- und Sperrfristen ist französisches Archivgut sensiblen Inhalts wie das seiner Besatzungspolitik nach dem Ersten Weltkrieg lange nicht allgemein zugänglich gewesen. Erst die Archivgesetzgebung der Jahre 2004 und 2008 gibt fast alle Unterlagen zur Benutzung frei. Konkretes Hintergrundwissen über die französischen Positionen zum rheinischen Separatismus ist unabdingbar: Gehen nicht entscheidende Anstöße für die rheinische Autonomiebewegung von der Besatzungsmacht Frankreich selbst aus?
4.1.1923: Ruhrbesetzung und Rheinische Republik als Sicherheitsgarantien: Frankreich unter Zugzwang
Frankreichs Regierungen orientieren sich nach dem Sieg im Ersten Weltkrieg nicht an den annexionistischen Forderungen von Marschall Ferdinand Foch, dem Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte an der Westfront. Wie andere hochrangige Militärs sieht er die Sicherheitsinteressen seines Landes gegenüber dem deutschen Erbfeind nur bei einer Verlegung der französischen Militärgrenze bis zum Rhein gewahrt.
Eine für die anderen Siegermächte unannehmbare Forderung. Territoriale Zugewinne für Frankreich laufen Großbritanniens (eigennützigem) Konzept des kontinentalen Gleichgewichts der Kräfte zuwider: Eine Verkleinerung Deutschlands würde zwingend ein Übergewicht Frankreichs im künftigen Europa zur Folge haben. Außerdem fürchten die Alliierten, dass in Zeiten, in denen der Übergang vom Deutschen Kaiserreich zur parlamentarischen Demokratie der Weimarer Republik (1918-1933) durch revolutionäre Räte-Bewegungen von links und Umsturzversuche von rechts gefährdet ist, jede weitere Demütigung Deutschlands zur Radikalisierung der Bevölkerung beitragen müsse. So legt der Versailler Vertrag vom 28. Juni 1919 lediglich eine 1930 ablaufende „Friedensbesetzung“ durch alliierte Truppen sowie eine Entmilitarisierung des Rheinlandes fest. Frankreich erhält eine der drei „Besatzungszonen“ auf linksrheinischem Gebiet. Als Gegenleistung für die Unterzeichnung des Vertrages bedingt sich Ministerpräsident Georges Clemenceau allerdings aus, dass sich Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Amerika für den Fall einer erneuten Aggression durch Deutschland als Garantiemächte verbürgen.
In Frankreich sehen einflussreiche Kreise in Politik und Militär die „nationalen Sicherheitsinteressen“ jedoch auch durch den Versailler Vertrag nicht hinreichend gewahrt. Marschall Pétain hält es 1918 kurz nach Kriegsende für geboten, „das Entgegenkommen regionaler politischer Kräfte in Richtung einer Anlehnung an Frankreich zu fördern“. [Anm. 9] Die Idee eines wenigstens an Frankreich „angelehnten“ Rheinlandes prägt die französische Besatzungspolitik: Man initiiert und fördert Autonomiebewegungen auf dem linken Rheinufer. [Anm. 10]
Versuche, schon 1919 eine Rheinische Republik oder gar mehrere autonome Republiken zu gründen und aus dem Deutschen Reich auszugliedern, schlagen allerdings fehl. So auch in der oldenburgischen Provinz Birkenfeld. Aufgrund seiner Unterstützung der Autonomiebewegungen wird Charles Mangin, dem kommandierenden General im Mainzer Hauptquartier, mit Billigung des Staatspräsidenten Raymond Poincaré (1913-1920), von der Regierung in Paris der Oberbefehl über die französischen Besatzungstruppen entzogen. [Anm. 11]
Als 1923 infolge Ruhrbesetzung und – wie es im nationalistischen Diskurs heißt – „Ruhrkampf“ in Deutschland „chaotische Zustände“ (François Roth) vorherrschen, hält ausgerechnet Poincaré, jetzt in einer Doppelrolle als Ministerpräsident und Außenminister (1922-1924), eine neue französische Initiative zugunsten einer Rheinischen Republik für opportun. Die Wiederbelebung und Förderung „separatistischer“ Bewegungen durch die Siegermacht – selbst lokal und begrenzte Entwicklungen wie im Birkenfelder Raum – sind ohne Kenntnis der Ruhrkrise und der geopolitischen Ambitionen Frankreichs im Jahr 1923 nicht nachvollziehbar.
Die Krise an Rhein und Ruhr markiert den Höhepunkt des politisch-militärischen Konfliktes um die Erfüllung der alliierten Reparationsforderungen nach dem Ersten Weltkrieg. Ministerpräsident Poincaré besteht im wirtschafts- und sicherheitspolitischen Interesse Frankreichs auf einer kompromisslosen Erfüllung der Bestimmungen des Versailler Vertrags und wird dabei von den anderen Siegermächten unterstützt. Als die Alliierte Reparationskommission am 9. Januar 1923 den Eindruck gewinnt, dass Deutschland absichtlich Lieferungen zurückhält, nehmen Frankreich und Belgien dies zum Anlass, das Ruhrgebiet zu besetzen. Mit dem (in der Literatur strittigen) Argument, der Krieg habe die Hälfte der französischen Kohleförderungskapazitäten zerstört, gilt ihnen die Kohle- und Koksförderung an Rhein und Ruhr als „produktives Pfand“ zur Erfüllung der deutschen Reparationsverpflichtungen. Vorschläge des parteilosen Reichskanzlers Wilhelm Cuno, eines wertkonservativen Wirtschafts- und Finanzexperten, zur Neuregelung der Reparationsleistungen in Verbindung mit einer Währungsstabilisierung, werden auf Betreiben Frankreichs von den Alliierten zurückgewiesen. Daraufhin ruft die Reichsregierung am 13. Januar 1923 zum passiven Widerstand auf. Die Reparationszahlungen an Frankreich und Belgien werden eingestellt; Verwaltung, Industrie und Verkehr durch Generalstreiks weitgehend lahmgelegt. Die Besatzer reagieren mit harten Strafen (u. a. Ausweisungen). Sie sehen sich gezwungen, eine Reihe von Schlüsselunternehmen und öffentlichen Einrichtungen in Eigenregie zu übernehmen, teilweise unter Einsatz eigener Arbeitskräfte. Die politische Situation eskaliert, als ehemalige Freikorpsmitglieder [Anm. 12] und andere nationalistische Kräfte, aber auch militante Kommunisten zu Sabotageakten und Anschlägen gegen die Besatzungstruppen übergehen: Frankreich reagiert mit Sühne- und Abschreckungsmaßnahmen, darunter Todesurteilen.
Der passive Widerstand wirkt sich krisenverschärfend aus. Hyperinflation sowie Produktions- und Steuerausfälle belasten den Staatshaushalt. Cunos Kurs erweist sich als zu kostspielig, um durchgehalten zu werden – mit u. a. der Entlohnung von zwei Millionen Industriearbeitern. Als neuer Reichskanzler beendet der Nationalliberale Gustav Stresemann am 26. September 1923 den Ruhrkampf, um die unerlässliche Stabilisierung der Wirtschaft einzuleiten. Mit einer Währungsreform erfüllt das Reich die Vorbedingung der Alliierten für eine Neuverhandlung der Reparationen. Die Ruhrbesetzung endet allerdings erst im Juli/August 1925, gemäß den Bestimmungen des 1924 verabschiedeten Dawes-Planes.
In der Literatur wird die Frage aufgeworfen, ob es Ministerpräsident Poincaré mit der Besetzung möglicherweise um mehr als nur um die Erfüllung von Reparationsleistungen geht. Eine gesicherte Antwort gibt es keine, was bei Frankreichs langlebigstem und einflussreichsten Politiker der Vorkriegs-, Kriegs- und Nachkriegszeit überraschen mag. Gewiss, schon als französischer Präsident (1913-1920) steht Poincaré im Rufe, ein notorischer Deutschenhasser zu sein, der bei den Pariser Friedensverhandlungen (1919/1920) allzu gerne einen Rheinstaat als französisches Protektorat durchgesetzt hätte. [Anm. 13] Doch ihm kann nicht nachgewiesen werden, mit welchem der konkurrierenden Rheinstaat-Projekte er sich 1923 letztlich identifiziert. Eine Biografie aus dem Jahre 2000 kommt zu dem Schluss, dass eine Vielzahl diffuser Ambitionen und Pläne letztendlich nicht zu einer offiziellen Strategie für die Durchsetzung einer Rheinischen Republik gebündelt wird. „Angesichts vieler Unsicherheiten und Widersprüche in dieser Frage“ bezweifelt der Historiker François Roth, dass eine solche Politik, obschon erwogen, so jedoch nicht und nach einem „durchdachten Planes vollzogen“ [Anm. 14] wird. In der leidenschaftlich geführten innerfranzösischen Diskussion über die Behandlung des 1918 besiegten Deutschlands stark unter Druck gesetzt, lässt sich Poincaré Roth zufolge möglicherweise durch drei Persönlichkeiten mit völlig unterschiedlichen Positionen inspirieren: Erstens André Maginot, mehrfach Kriegsminister und in den 1930er Jahren Planer der Verteidigungslinie entlang der deutsch-französischen Grenze: Er lehnt den Versailler Vertrag ab, weil er in seinen Augen zu milde für Deutschland ausfällt. Zweitens Marschall Ferdinand Foch, Vorsitzender des Obersten Kriegsrates, der die Unterzeichnung des Waffenstillstandes durch das Deutsche Reich entgegennimmt. Er bleibt 1921, nach seinem Ausscheiden aus dem Militärdienst, Berater der französischen Regierung: Er tritt für eine Aufteilung Deutschlands in mehrere Staaten sowie eine Verlegung der französischen Militärgrenze bis zum Rhein ein. Drittens Paul Tirard, der von Marschall Foch empfohlene französische Hohe Kommissar und Präsident der Interalliierten Rheinlandkommission (HCITR) in Koblenz, der von 1920 bis 1930 obersten zivilen Behörde für alle Gebiete unter der Kontrolle der Besatzungsmächte. Dass anstatt eines Militärkommandeurs ein hoher Verwaltungsbeamter an der Spitze seines Besatzungsregimes steht, ist für Frankreich ungewöhnlich. Im Sicherheitsinteresse seines Landes will Tirard die rheinische Bevölkerung für einen pro-französischen Kurs gewinnen, aber ebenfalls separatistische Bewegungen fördern. Auch wenn er unliebsame Personen ausweisen lässt, gilt er nicht als Verfechter einer Politik der harten Hand, eher als Befürworter eines gemäßigten, auf Kooperation mit Frankreich bedachten Protektorates, das nicht direkter französischer Verwaltung untersteht. In diesem Sinne ist er stets „um einen Ausgleich der sich oft widersprechenden Interessen des Heimatlandes, der lokalen Bevölkerung sowie der übrigen Besatzungsmächte“ bemüht und sucht die Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden und rheinischen Parteien. [Anm. 15]
Wenn die rheinischen Autonomisten im französischen Sprachgebrauch als Separatisten gelten, so infolge ihrer unverhohlenen Absicht, das Rheinland von der preußischen Rheinprovinz abzuspalten und unter französischem Protektorat eine Rheinische Republik („Los von Berlin”) zu errichten. Mit dieser Vision kommen sie natürlich den Sicherheitsinteressen Frankreichs entgegen.
6.2.1923: Die Rheinische Republik. Ihre Auswirkungen auf den Regierungsbezirk Trier und den oldenburgischen Landesteil Birkenfeld
Das Rheinland wird im September und Oktober 1923 zum Schauplatz militanter Aktionen für und gegen seine Autonomie, für und gegen seinen Verbleib im Deutschen Reich. Das Erstarken der separatistischen Bewegungen verunsichert die Reichsregierung. Es hängt mit der krisenhaften Entwicklung an Rhein und Ruhr zusammen: mit Frankreichs Besatzungspolitik der „produktiven Pfänder“ sowie dem von Berlin verordneten passiven Widerstand. Die „Hölle der Inflation“ (Tucholsky) ist Ausfluss der ruinösen wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Ruhrkampfes. Sie beraubt breite Bevölkerungsschichten ihrer Ersparnisse und lässt sie in Armut abstürzen. Die schnelle Schaffung der Rentenmark im Spätsommer kann sich kurzfristig nicht mehr auswirken. Sie wird erst 1924 zur Stabilisierung der Wirtschaft und Beruhigung der politischen Lage führen – einer positiven Entwicklung, der die Währungsreform vom 30. August und die Einführung der Reichsmark förderlich sind.
Angesichts politischer Unsicherheiten, [Anm. 16] desolater Wirtschaftslage und existenzieller Not erscheint vielen Rheinländern eine Annäherung an Frankreich als plausible Alternative. Zumal die Berliner Regierung infolge Erschöpfung der Reichsfinanzen am 13. November auch noch die regionalen Ausgleichszahlungen einstellen muss. Frankreich hingegen zögert nicht, bei einem Zusammengehen erleichterte Reparationsleistungen zur Milderung der sozialen Härten für die Menschen an Rhein und Ruhr in Aussicht zu stellen.
Hochkommissar Paul Tirard gewinnt aufgrund des Meinungsbildes, das ihm seine Delegierten aus den Regierungsbezirken der preußischen Rheinprovinz vermitteln, die Überzeugung, dass weite Teile der Bevölkerung mit Frankreich gegen Preußen sympathisieren und die Gründung eines eigenständigen „Rheinstaates“ befürworten. Seine politische Linie zielt auf „friedliche Durchdringung“ („pénétration pacifique“) und diskrete Beeinflussung der Bevölkerung des Rheinlands ab. [Anm. 17] Schon in seinen „Hypothesen“ vom 23. März [Anm. 18] schlägt er Paris vor, auf eine direkte französische Verwaltung des neuen Staates zu verzichten, um Großbritannien für eine gemäßigte Rheinische Republik geneigt zu machen.
Beeindruckt vom starken Zulauf der "separatistischen" Bewegung seit dem Spätsommer entschließt sich Poincaré zu offensivem Vorgehen: Am 23. Oktober erteilt er seinem Koblenzer Hochkommissar die Anweisung, die Alliierten durch zügiges Handeln vor "vollendete Tatsachen" [Anm. 19] zu stellen - im Vertrauen auf Tirards Zuversicht ihrer nachträglichen Akzeptanz des französischen Vorgehens. Die Besatzungsmacht intensiviert bereits im September ihre Parteinahme für die Anhänger einer Rheinischen Republik: Sie erlaubt ihnen propagandistische Aktionen über Flugschriften und lokale Veranstaltungen. Wo deutsche Polizei und Justiz mit Verhaftungen gegen Separatistenführer vorgehen, kommen sie auf französischen Druck hin wieder frei.
Tirard kann rasch Vollzug melden. Am 26. Oktober teilt er Poincaré mit, dass in Aachen, in der belgischen Besatzungszone, unter Leitung des Fabrikanten Leo Deckers bereits am 21. Oktober das Rathaus besetzt und die "freie und unabhängige Republik Rheinland" ausgerufen worden sei. Koblenz, Mainz, Trier und die anderen rheinischen Städte stehen unter Zugzwang und nehmen ihrerseits Proklamationen vor. Nach Erhalt zahlreicher Bittschriften aus Städten und Landkreisen [Anm. 20] betrachtet sich Hochkommissar Tirard noch am Tag seiner telegrafischen Mitteilung nach Paris als Vollstrecker des "Volkswillens": Er erkennt die Separatisten als "Inhaber der tatsächlichen Macht" an. Er gesteht ihnen zu, "unter selbstverständlicher Achtung der bestehenden Autorität der Besatzungsbehörde [...] die erforderlichen Maßnahmen" [Anm. 21] zu treffen. Die Separatistenführer Hans-Adam Dorten und Josef-Friedrich Matthes [Anm. 22] erhalten Generalvollmachten und bilden im Koblenzer Schloss, mithin in der Hauptstadt der Rheinprovinz, eine "Vorläufige Regierung der Rheinischen Republik", mit Matthes als Miniterpräsidenten der Rheinischen Republik. [Anm. 23]
Eine Reihe von Städten und ländlichen Gegenden auf links- und rechtsrheinischem Gebiet geraten Ende Oktober und Anfang November unter separatistische Kontrolle. Reichsregierung und preußische Regierung betrachten Frankreich unverhohlen als Drahtzieher des rheinischen Separatismus. "Berlin warnt lauthals und eindringlich vor einem angeblichen ‚Manöver‘ Frankreichs“, berichtet Oberstleutnant Cochet aus dem preußischen Regierungsbezirk Trier an Hochkommissar Tirard. [Anm. 24] Im propagandistischen Diskurs der Besatzungsmacht gilt der Separatismus hingegen als bodenständig und als Ausdruck einer Bewegung. Die sich zugedachte Rolle als Vollstrecker des Volkswillens aber kann Frankreich nur bei erfolgreicher Abwehr der deutschen Gegenpropaganda spielen. Man macht keinen Hehl daraus, dass das politische Kräfteverhältnis 1923 ungleich günstiger für die Durchsetzung von Rheinstaat-Plänen ist als 1919, als Hans-Adam Dortens missglückter Wiesbadener Putsch Paris vehementer Kritik aus Berlin und seitens der Alliierten aussetzt. [Anm. 25] Tirards Trierer Delegiertem zufolge hat die Reichsregierung mit „zahlreichen Schwierigkeiten zu kämpfen, aufgrund derer sie sich ihrer Stärke weniger sicher sein kann“. Er sieht Berlin nicht nur durch Ruhrbesetzung und Umsturzversuche radikaler Kräfte verunsichert, sondern nicht zuletzt durch die gezielte Sicherung der separatistischen Machtpositionen in der preußischen Rheinprovinz durch die französischen Besatzer. „Die zahlreichen Ausweisungen von hohen Beamten in den letzten neun Monaten“, weiß Cochet, „schwächen den preußischen Machtapparat“. [Anm. 26]
In Koblenz ist Hochkommissar Tirard gehalten, Paris nicht nur über die gespannte Lage im Rheinland zu berichten, sondern auch den Aufbau des Rheinstaates voranzutreiben. Der Separatismus greift nun rasch auch auf den Mosel-Hunsrück-Raum über. Bereits drei Tage nach der Aachener Proklamation kann Oberstleutnant Cochet nach Koblenz durchgeben, dass „sich die separatistische Bewegung auf alle Landkreise erstreckt – mit Ausnahme Waderns und Baumholders, zwei Kreisstädte von geringfügiger politischer Bedeutung“, doch „der öffentliche Dienst durchweg normal funktioniert“. [Anm. 27] In Wadern wird am 25. Oktober und in Baumholder am 1. November die Rheinische Republik proklamiert.
Die politische Entwicklung im benachbarten oldenburgischen Landesteil Birkenfeld unterliegt ebenfalls Cochets Kontrolle. Er signalisiert Tirard Widerstände in der Verwaltung. Walther Dörr, der amtierende Regierungspräsident, kommt am 24. Oktober separatistischen Aktionen durch Schutzmaßnahmen für öffentliche Verwaltungs- und Dienstleistungseinrichtungen zuvor. [Anm. 28] Prompt sieht sich der Hohe Kommissar herausgefordert und ordnet den verschärften Belagerungszustand sowie die Verhaftung Dörrs durch die Birkenfelder Militärverwaltung an. Tirard rechtfertigt sich gegenüber Paris mit dem Hinweis, der Regierungspräsident habe „sich höchstpersönlich an die Spitze der Gegenkundgebungen gesetzt“ und trage damit „zur Störung der bislang im vollen Umfang gewährleisteten öffentlichen Ordnung bei“. [Anm. 29] Am 26. Oktober lässt Tirard Dörr durch Major Bastiani ins unbesetzte rechtsrheinische Gebiet ausweisen. Dieselbe Maßnahme trifft Birkenfelder Beamte, die der Rheinischen Republik die Gefolgschaft verweigern – Regierungsamtmann Schley, Oberpostsekretär Faber, Studienassessor Wellbrock und Gendarmeriekommissar Winter – sowie den Obersteiner SPD-Lokalpolitiker Louis Cullmann, den Vorsitzenden des Landesausschusses: Die gewählte Volksvertretung der oldenburgischen Exklave appelliert im Anschluss an Dörrs Opposition tags darauf an die Bevölkerung, „sich nicht von außen beeinflussen und betören zu lassen und allen derartigen Versuchen energischen Widerstand zu leisten“. [Anm. 30] Auf Ersuchen der oldenburgischen Staatsregierung wird Oberamtsrichter Karl Nieten aus Nohfelden am 31. Oktober die kommissarische Leitung des Regierungspräsidiums übertragen - bis zu Dörrs Rückkehr am 14. Januar 1924.
Öffentliche Kundgebungen am 23. Oktober in Birkenfeld gelten dem Hochkommissar bereits als untrügliches Zeichen dafür, dass die rheinischen Parteien auch hier dabei sind, die „separatistische Bewegung auszulösen”. Am 31. Oktober wird Paris mitgeteilt, dass sich die oldenburgische Exklave der Bewegung angeschlossen hat: „Am 30. Oktober haben in Oberstein, um 1 Uhr nachts, Separatisten die Rheinische Republik ausgerufen und das Rathaus besetzt, die Beamten versehen indes weiterhin ihren Dienst […]. Die gleichen Vorgänge spielen sich um 17 Uhr in Birkenfeld ab. Ohne dass es in einer der beiden Städte zu Ruhestörungen gekommen ist”. [Anm. 31] Tags darauf, am 1. November, gerät Baumholder nach „der Besetzung von Rathaus, Landratsamt und Post um 8 Uhr morgens“ als letzte Kreisstadt des Regierungsbezirkes Trier unter „separatistische“ Kontrolle: „[Die] Behörden arbeiten vorläufig weiter“. [Anm. 32] Im oldenburgischen Landesteil dauert es bis zum 12. November, bis sich auch die Stadt Idar der Bewegung anschließt – gezwungenermaßen: Cochet berichtet, dass die Hissung der rheinischen Flagge am Rathaus gegen Widerstand aus der Bevölkerung durchgesetzt werden muss: „Es kam zu mehreren Zusammenstößen auf der Straße, mit Leichtverletzten auf beiden Seiten. Jetzt aber herrscht absolute Ruhe im Ort“. [Anm. 33]
Dem Hochkommissar ist daran gelegen, in Paris Zuversicht und Optimismus zu verbreiten. Er signalisiert, dass die rheinische Bewegung und damit er selbst die Entwicklung vor Ort unter Kontrolle haben. Stereotyp berichtet er, dass die Bevölkerung „Ruhe“ bewahre und die „öffentliche Ordnung“ aufrechterhalten bleibe, weil die Beamten weiterhin „ihren Dienst versehen“. Besonderer Wertschätzung erfreuen sich „Geschäftsleute und andere ordnungsliebende Leuten (gens d’ordre)“, die sich, wie im November in Birkenfeld und Baumholder, „unter der neuen Führung am Wirtschaftsleben beteiligen“ [Anm. 34] und damit „zur Festigung der Bewegung beitragen“. [Anm. 35] Wenn Cochet am 20. November dem kommandierenden General der Mosel-Militärzone noch bestätigt, dass „sich die Separatisten in den vergangenen vierzehn Tagen, […] keinerlei ernsthafte ‚Exzesse‘, im wahrsten Sinne des Wortes, haben zuschulden kommen lassen“, [Anm. 36] so geschieht dies eingedenk der Tatsache, dass es bei der Durchsetzung und Verteidigung der Rheinischen Republik auch zu Gewaltanwendungen, ja zu regelrechten bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den autonomistischen „Rheinland-Schutztruppen“ und reichsdeutscher Polizei sowie nationalen Bürgerwehren kommt. Ein militärisches Eingreifen durch die Reichsregierung ist ausgeschlossen, da der Versailler Vertrag die Entmilitarisierung des Rheinlandes vorschreibt. Machtmissbrauch und Übergriffe gegen die Bevölkerung sind von den Bezirksdelegierten der Hohen Kommission in Koblenz zu melden. Ihre Berichte sind in entschärfter Form abgefasst, ohne Schuldzuweisungen an die Separatisten. Wie am 13. November, als Cochet auf die Bürgerproteste vom Vortrag gegen die Republik-Ausrufung in Idar zurückkommt: „Es ist zu Schlägereien gekommen, mit einigen Verletzten. Nichts Gravierendes. Der Birkenfelder Delegierte (Militärverwalter Major Bastiani, O.S.) war vor Ort. Die Militärbehörde hat die erforderlichen polizeilichen Maßnahmen getroffen. Gegen Ende des Nachmittags war die Ordnung wiederhergestellt. Die Separatisten halten das Rathaus weiterhin besetzt“. [Anm. 37] Als Hochkommissar ist Tirard nicht zuletzt in die innerfranzösische Diskussion über die „Maßnahmen, [die] Deutschland hinsichtlich des linken Rheinufers aufzuerlegen sind“, einbezogen. [Anm. 38] Im März 1923, also mitten in der Ruhrbesetzung, erwartet die Regierung Poincaré von ihm genauere Vorstellungen zur Verfassung des anvisierten Rheinstaates und zur Strategie für dessen Durchsetzung. Damit steht die Zukunft des von den französischen Plänen ebenfalls betroffenen oldenburgischen Landesteils Birkenfeld zur Disposition.
9.3.Der oldenburgische Landesteil Birkenfeld in den französischen Rheinstaatsplänen 1923
In Tirards „Hypothesen“ vom 23. März 1923 zur Konzeption des künftigen Staatsgebildes bleibt der oldenburgische Landesteil nicht nur als territoriale Einheit erhalten, sondern wird konstitutionell sogar aufgewertet: Bei einem Verbleib des Rheinstaates im Deutschen Reich soll Birkenfeld neben der Pfalz (mit Speyer als Provinzhauptstadt), Rheinhessen (Mainz), der Mosel-Region (Koblenz) und dem Niederrhein (Düsseldorf) eine seiner fünf ‚Provinzen‘ werden. Die Forderung der Hardliner in Politik und Militär nach einem unter französischem Protektorat stehenden Pufferstaat aber setzt Tirard nicht um. Entsprechend seinem Leitbild von einer „gemäßigten“ Staatsbildung ohne formalen französischen Führungsanspruch schlägt er vor, dass jede Provinz von einem von der Interalliierten Rheinlandkommission ernannten und kontrollierten Präfekten regiert wird, in Zusammenarbeit mit einer gewählten, also demokratisch legitimierten Provinzversammlung (deren Vollmachten noch zu bestimmen wären). Als französischer Vertreter und Vorsitzender der Interalliierten Kommission gesteht sich Tirard immerhin eine Einflussnahme auf die Politik des Rheinstaates zu. [Anm. 39] Kommt als Alternative eine Staatsbildung außerhalb des Reiches in Betracht, so schlägt der Hohe Kommissar einen „Rheinischen Staatenbund“ (Confédération rhénane) vor. In diesem Falle sollen Birkenfeld und die anderen ‚Provinzen‘ den Status von unabhängigen Staaten erhalten, mit lockerer konföderativer Struktur und einer gemeinsamen Außenvertretung. [Anm. 40]
Wir wissen nicht, ob Tirards „Hypothesen“ den rheinischen Separatistenführern bekannt oder gar mit ihnen abgesprochen waren. Ihre Zielsetzungen sind allerdings nicht deckungsgleich. Der Rheinische Unabhängigkeitsbund, die einflussreichste Gruppierung um Josef-Friedrich Matthes und Josef Smeets – Hauptträgerin der am 15. August in Koblenz gegründeten Vereinigten Rheinischen Bewegung – geht weiter als der Hochkommissar und optiert für ein sofortiges Ausscheiden aus dem Reich. In einem Schreiben vom 18. September an die französische Regierung hinsichtlich der „Garantien für die Schaffung eines freien Rheinstaates“ fordert sie „einen Pufferstaat zwischen Deutschland und den Ländern, die es 1914 angegriffen hat“. [Anm. 41] Bis auf den in ihren Plänen nicht mehr berücksichtigten Niederrhein soll sich der neue Staat auf die vom Hochkommissar benannten Provinzen und Landesteile erstrecken: also neben der Rheinprovinz, Rheinhessen und der Rheinpfalz ebenfalls wiederum auf Birkenfeld. Aus Koblenz kommen danach keine weiteren Rheinstaat-Entwürfe mehr. Aus ersichtlichen Gründen: Der tatsächliche Verlauf der separatistischen Bewegung im Oktober und November widerlegt Tirards Strategie für eine gemäßigte Rheinische Republik. Noch am 8. November will er nicht ausschließen, dass sich Frankreich mit ihrem Verbleib im föderativen Verbund des Deutschen Reiches zufriedengibt, sofern ihr eine eigene Währung, eine Notenbank und Sonderzollgrenzen, mithin weitergehende Vollmachten als den übrigen Bundesstaaten, zugestanden werden. [Anm. 42]
Das Scheitern von Tirards maßvoller Vision belastet die Beziehungen zur Regierung Poincaré und setzt ihn der Kritik der französischen Rheinland-Lobby aus. Nach dem schnellen Zusammenbruch der Rheinischen Republik sieht er sich dem Vorwurf ausgesetzt, er habe die rheinischen Separatisten nicht hinreichend unterstützt. Im Kontext der dringlich gewordenen Verhandlungen mit Großbritannien, den Vereinigten Staaten und dem Reich über eine Lösung der Ruhrkrise unternimmt General Jean-Marie Degoutte, Stratege der französischen Sicherheitspolitik und Oberbefehlshaber der Ruhrtruppen, am 24. Dezember 1923 einen letzten Versuch, seine Alliierten für die Idee einer Rheinischen Republik zu gewinnen. Sie soll zweigeteilt sein in einen Nördlichen sowie einen Südlichen Rheinstaat. Auch er hält an Birkenfeld als territorialer Einheit fest: Es soll zusammen mit Südhessen, Hessen-Nassau, der Rheinprovinz und der Pfalz dem Südstaat zugeschlagen werden. [Anm. 43]
Doch die Durchsetzung von Degouttes Plänen ist Ende 1923 bereits illusorisch. Die Gesamtlage an Rhein und Ruhr hat sich zu Ungunsten Frankreichs verändert. Nach der Absage der rheinischen Bevölkerung an die separatistische Bewegung fehlt Frankreich schon im Laufe des November jede Legitimität, sich weiter als „Vollstrecker des Volkswillen“ zu betrachten.
9.4.Schuldzuweisungen aus französischer Sicht. Frankreichs Übergang zur Ordnungsmacht
Die „rheinische Bewegung“ läuft bereits im November 1923 aus dem Ruder. Bei der Eroberung von Rathäusern und anderen öffentlichen Gebäuden treffen die Separatisten auf bewaffneten Widerstand und werden systematisch bekämpft: Besetzungen öffentlicher Gebäude ziehen Rückeroberungen durch reichsdeutsche Polizei und Bürgerwehren nach sich. Infolge der Entmilitarisierung des Rheinlandes ist ein militärisches Eingreifen durch die Reichsregierung ausgeschlossen. Die Republikaner verfügen über eigene Wehrverbände, die Rheinland-Schutztruppen. Vor allem Smeets Rheinisch-Republikanische Volkspartei setzt gezielt Stoßtrupps zur Übernahme von Verwaltungs- und Dienstleistungseinrichtungen ein – zumeist mit Unterstützung durch die ortsansässige französische Militärverwaltung. Bei gewaltsamen Auseinandersetzungen mit Toten und Verletzten zwischen dem 13. und 16. November bei Bad Honnef (“Schlacht von Aegidienberg“) sieht sich die französische Besatzung zum Eingreifen genötigt. Ein Signal ihrer sich verändernden Rolle: die allmähliche Beschränkung auf eine Ordnungsmacht. Sie hängt mit den jüngsten Entwicklungen der Ruhrkrise zusammen. Unter dem Druck seiner Alliierten ist Frankreich zum politischen Einlenken gezwungen: Die Beendigung der Ruhrbesetzung erfolgt in starkem Maße entsprechend den Vorstellungen Großbritanniens und der Vereinigten Staaten – durchaus auch im (vor allem amerikanischen) Eigeninteresse.
Die Entschärfung der Krise ist zunächst auf die Aufgabe des passiven Widerstandes am 29. September, die Stabilisierung der Währung und die damit eingeleitete Sanierung der deutschen Wirtschaft zurückzuführen: damit sind Frankreichs Vorbedingungen für eine Neuverhandlung der Reparationszahlungen erfüllt. Poincarés bisherige Strategie der „produktiven Pfänder“ verliert an Dringlichkeit. Auf Drängen der anderen Siegermächte ist er sogar gehalten, am 23. November erste Vereinbarungen zwischen der französisch-belgischen Kontrollkommission und den Vertretern der deutschen Ruhrindustrie für eine Wiederaufnahme der Arbeit zu akzeptieren. Eine Zielsetzung, die auch im Eigeninteresse seiner Alliierten liegt und ihre frühen Vorbehalte gegen ein militärisches Vorgehen Frankreichs und Belgiens an Rhein und Ruhr in Erinnerung ruft. Eine vorübergehende oder gar dauerhafte Schwächung Deutschlands entspricht nicht ihrem Konzept einer europäischen Nachkriegsordnung: Das um die balance of power besorgte Großbritannien verwirft sie als unvereinbar mit den Bestimmungen des Versailler Vertrages; den Vereinigten Staaten sind sie gar Ausdruck reiner Gewaltpolitik. [Anm. 44] Dank des im Dawes-Plan von 1924 vereinbarten wirtschaftlichen Wiederaufbaus können nicht nur Deutschlands Reparationszahlungen an Frankreich wieder aufgenommen, sondern gleichzeitig französische Verbindlichkeiten (vor allem Kriegskredite) gegenüber den Vereinigten Staaten abgebaut werden, denn Paris hat sich im Zuge der Ruhrinvasion weiter verschuldet. Mit der Neuregelung der Reparationsbedingungen wird Deutschland mithin als privilegierter Handelspartner und bedeutender Absatzmarkt zurückgewonnen. Damit geht seine außenpolitische Isolierung zu Ende.
Mit dem Übergang von den konfrontativen ersten Nachkriegsjahren zu einer Phase internationaler Verständigungspolitik nähern sich Deutschland und Frankreich einander an (Locarno-Verträge 1925). Die Entschärfung des Rheinland-Konfliktes fördert diese Tendenz – infolge des frühen Zusammenbruchs der Vorläufigen Regierung der Rheinischen Republik. Sie scheitert bereits am 29. November an internen Machtkämpfen: Die durch die verlustreiche „Schlacht“ bei Bad Honnef aufgeheizte Stimmung im Koblenzer Schloss nötigt Ministerpräsident Matthes zum Rücktritt. Er kapituliert vor der Meuterei seiner eigenen Truppen.
Mit dem nun einsetzenden schnellen Niedergang der Bewegung wird jede weitere militärische und logistische Unterstützung durch die Besatzungsmacht gegenstandslos. Fehlt dieser doch gegenüber Deutschland und den Alliierten das politische Druckmittel für die Forderung eines autonomen Rheinlandes: die Legitimation durch den Volkswillen. Bei allem Verständnis für Frankreichs Sicherheitsinteresse zeigt die britische Regierung letztendlich keinerlei Neigung, die staatsrechtliche Einheit Deutschlands durch revolutionäre autonomistische Bewegungen zu gefährden. Sie sieht zudem durch ihren diplomatischen Dienst die französische Behauptung widerlegt, dass die Separatisten eine Mehrheit der Bevölkerung hinter sich hätten. [Anm. 45]
Die tiefere Ursache für die Auflösung der Separatistenregierung ist in ihrem mangelnden Rückhalt in der Bevölkerung zu sehen. Hoffnungen auf erleichterte Reparationsleistungen für das Rheinland und folglich eine Verbesserung der Lebensbedingungen erfüllen sich nicht. Die Besatzungsmacht sieht sich so lange nicht unter Zugzwang gesetzt – und ebenfalls nicht genötigt, zum Unterhalt der Separatisten-Regierung und ihrer 12.000 Mann starken Schutztruppen beizutragen – wie „entscheidende Ergebnisse der separatistischen Aktion ausbleiben“ [Anm. 46]: die Errichtung eines an Frankreich angelehnten Pufferstaates. Ein Vorhaben, dessen Verwirklichung Führung und Anhänger der Rheinischen Republik politisch und finanziell schlicht überfordert. Rivalitäten, uneinheitliche Zielsetzungen, Richtlinien und Verordnungen sowie – infolge mangelnden logistischen Sachverstandes und Geldmangels – fehlende Impulse zur Verbesserung der Versorgungslage führen zur schnellen Verunsicherung und Desillusionierung der Bevölkerung. Sie setzt auch kein Vertrauen in die von den „Separatisten“ geförderte Notenpresse: Da „die Reichsbank in Zeiten der Hyperinflation […], in der am Ende Billionenbeträge für Brot und Kartoffeln (gefordert) werden, mit der Lieferung von Banknoten nicht mehr nachkommt, [drucken] viele Kommunen Notgeld. Wirkliche Kaufkraft besitzen im November sowieso nur Devisen, vorweg der Dollar“. [Anm. 47] Darüber hinaus ist das Verhalten der Separatisten vielerorts derart kontraproduktiv, dass sie sich Sympathien geradezu verscherzen. Um den Unterhalt ihrer Schutztruppen zu bestreiten, ist die Rheinische Republik immer stärker auf Requirierungen bei den Einwohnern angewiesen, die zum Teil in Plünderungen ausarten und auf den Widerstand der Bevölkerung stoßen. [Anm. 48]
Die Gründe für das Scheitern der Rheinischen Republik werden von Hochkommissar Tirard nach Paris kommuniziert. Ihm liegen die Lageberichte seiner Delegierten in den Regierungsbezirken der preußischen Rheinprovinz vor. Sie enthalten keine Schuldzuweisungen an das eigene Land. Bei der Ursachenforschung für den Raum Trier-Birkenfeld nennt Oberstleutnant Cochet Anfang Dezember in erster Linie den fehlenden Willen der Bevölkerung. Er lastet ihn dem Mangel an politischem Bewusstsein und ausgeprägter Autoritätshörigkeit an: „Die Massen sind vom Charakter her passiv und von der politischen Bildung her rückständig. Sie unternehmen keinen Schritt, ohne vorher ihren Bischof […] oder ihre Beamten zu fragen“. Cochet weist darauf hin, dass die Trierer Bischöfe jahrhundertelang die „weltlichen Herrscher der Region“ waren und die Beamten der preußischen Regierung von Beginn an, also seit 1815, immer „mit harter Hand durchgriffen“ [Anm. 49].
Die geringe Überzeugungskraft der separatistischen Bewegung wird mit ihren eklatanten strategischen, personellen und organisatorischen Unzulänglichkeiten begründet. Ihr „Mangel an Geschlossenheit und Führung“ hängt für Cochet mit dem Fehlen einer zentralen Leitung zusammen, die „Willensstärke unter Beweis stellt und methodisch vorgeht“ [Anm. 50]. Dafür mangelt es den Separatisten an geeignetem Führungspersonal: „Die Ausführung ihrer Aktionen oblag im Allgemeinen Leuten mit geringem Bildungsniveau (sans envergure). Die wirklich qualifizierten Persönlichkeiten hielten sich zurück und mieden jede aktive Beteiligung“ [Anm. 51]. Als rühmliche Ausnahme wird Triers Oberbürgermeister Christian Stöck [Anm. 52] angesehen, unter dem „das öffentliche Leben normal verläuft und die öffentliche Ordnung aufrechterhalten bleibt“. Er gilt Cochet als „einzige Persönlichkeit“ im Regierungsbezirk, die für einen Dialog über den „Rheinischen Staat“ zu gewinnen ist und sich deshalb die Kritik vor allem der nationalistischen Kreise zuzieht. [Anm. 53]
Einen weiteren Grund für das Scheitern der separatistischen Bewegung sieht Cochet in der mangelnden Koordinierung ihrer Aktivitäten in der preußischen Rheinprovinz. Fehlende Dynamik in den Trier benachbarten Regierungsbezirken, wirke sich zwangsläufig demotivierend auf die moselanische Bevölkerung aus.
Nach der offensichtlichen Absage der Bevölkerung an den Separatismus zögert Frankreich nicht, die im Versailler Vertrag festgelegte und von seinen Alliierten mehr denn je erwartete Neutralität unter Beweis zu stellen. Es legt seine Besatzungstruppen auf die Rolle einer reinen Ordnungsmacht fest. So kann es bei der Vertreibung der „separatistischen“ Ortsvorsteher und Gemeinderäte aus den Rathäusern mitunter sogar zu Verhaftungen durch französisches Militär kommen. In einigen Ortschaften halten sich die Bürgermeister bis in den Dezember im Amt.
Mit dem Ende des Separatismus aber kommt die rheinische Autonomiebewegung keineswegs zum Erliegen. Als ihr zweites Standbein sind – trotz ihres Treuebekenntnisses zum Deutschen Reich und zum Freistaat Preußen – die Parlamentsparteien der Rheinprovinz zu betrachten. Nach Verweigerung jeder Zusammenarbeit mit der separatistischen Bewegung sehen sie sich erst nach deren Niedergang herausgefordert, selbst initiativ zu werden: Am 30. Dezember schlägt eine Vertreterversammlung, die auch von Gewerkschaften, Kammern und Gemeinden beschickt wird, Paris und Berlin Verhandlungen zur Bildung einer Rheinischen Republik vor. Treibende Kraft ist der Zentrumspolitiker und Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer. Schon 1919 ist er geneigt, die Rheinprovinz und weitere rechtsrheinische Territorien im „Verbande des Deutschen Reiches“ zur „Westdeutschen Republik“ zu vereinigen: Sie soll „nicht nur der unmittelbaren Abwehr französischer Annexionsgelüste dienen, sondern auch der langfristigen Befriedigung französischer Sicherheitsinteressen“ [Anm. 54]. Seine Verhandlungen mit Hochkommissar Tirard über eine wirtschaftliche Kooperation zwischen den Grenzregionen und Verflechtung ihrer Schlüsselindustrien verlaufen jedoch ergebnislos. Rheinstaatpläne liegen im Januar 1924 schon gar nicht im Interesse Berlins und werden von Reichsaußenminister Gustav Stresemann entschieden bekämpft.
Den enttäuschenden Verlauf der separatistischen Bewegung kann Tirard schwerlich mit einseitigen Schuldzuweisungen an die Separatisten abtun, etwa mit dem Vorwurf, sie hätten sich nicht an seinem Plan einer gemäßigten, für die anderen Siegermächte möglicherweise annehmbaren autonomen Republik orientiert. Wie also findet sich Tirard mit den realen Geschehnissen im Rheinland ab, nachdem die Bewegung mit ihren Republik-Ausrufungen schon Ende Oktober seiner Kontrolle entgleitet? In welchem Maße und mit welchem Konzept er ihre auf Sezession zielende Radikalisierung wenigstens durch militärische und logistische Hilfe unterstützt, entzieht sich unserer Kenntnis. So bleibt uns nur der Blick auf die globale Einschätzung seiner Rheinland-Politik in Paris. Sie fällt negativ aus: Ministerpräsident Poincaré und die ihm verbundene Rheinland-Lobby halten dem Hochkommissar vor, die rheinischen Separatisten nicht hinreichend unterstützt zu haben. Für deren frühe Bemühungen, sich mit Frankreich direkt über eine Rheinische Republik ins Einvernehmen zu setzen, ist Paris allerdings nie hellhörig gewesen. Aller Kritik zum Trotz wird Tirard bis zum Ende seiner Mission im Koblenzer Amt belassen: 1930 erfolgt gleichzeitig mit der militärischen Räumung des Rheinlandes die Auflösung der von ihm geführten Interalliierten Rheinlandkommission. [Anm. 55]
Trotz massiver Klagen von deutscher und alliierter Seite über dessen mangelnde Neutralität in den Konflikten im oldenburgischen Landesteil verbleibt auch Birkenfelds Militärverwalter Bastiani bis zum Abzug der französischen Truppen auf seinem Posten. Durch die sich anbahnende deutsch-französische Verständigungspolitik in die Pflicht genommen, können ihm politische Aktivitäten fortan nicht mehr nachgewiesen werden.
Einem Befürworter der Rheinischen Republik auf höchster militärischer und politischer Ebene hingegen wurden die Geschehnisse von 1923 zum Verhängnis: Ministerpräsident Poincaré, Adressat der Lageberichte seines Koblenzer Hochkommissars über den Separatismus in den Regierungsbezirken der Preußischen Rheinprovinz und im oldenburgischen Landesteil Birkenfeld, scheitert an seiner unnachgiebigen und vor allem kostenintensiven Haltung gegenüber Deutschland im Ruhrkonflikt: Bei den Parlamentswahlen von 1924 wird seine Regierung abgewählt. [Anm. 56]
Bei der Gesamteinschätzung der französischen Rheinlandpolitik 1918-1923 auf der Grundlage unserer – zugegeben – nur regionalhistorisch akzentuierten Untersuchung stimmen wir François Roth weitgehend zu. Die Vielzahl der Ambitionen und Pläne aus Politik und Militär lässt jeden gemeinsamen Ansatz zur Durchsetzung eines Pufferstaates an Rhein und Ruhr vermissen, zumindest kann Hochkommissar Tirard sie nicht zu einer schlüssigen Strategie bündeln. Roth hält die militärische und logistische Unterstützung der deutschen Autonomisten durch die französischen Besatzungstruppen schließlich nur noch für „einen – unglücklichen – Versuch, aus der gegebenen Situation Nutzen zu ziehen". [Anm. 57]
12.5.Der rheinische Separatismus im kollektiven Gedächtnis
Auf deutscher Seite hinterlässt die Rheinische Republik Spuren im kollektiven Gedächtnis. Denn die Zwischenkriegszeit (1918-1939) wird auch durch die politische Abrechnung mit dem Separatismus geprägt. Dessen führende Vertreter können sich Schmähung und Verfolgung zumeist durch die Flucht nach Frankreich entziehen. [Anm. 58]
Nachforschungen über das Schicksal der in ihrer Heimat verbliebenen „Separatisten“ sind in der Bundesrepublik kein Tabu. Es fehlt nicht an Anekdoten über Kuriositäten aus der Separatistenzeit. Wenn es offenbar zu wenig Quellen gibt, die genauere Vorstellungen der Birkenfelder Verfechter einer Rheinischen Republik von der anvisierten Staatenbildung vermitteln, so nicht zuletzt aufgrund mangelnder Bereitschaft in der Bevölkerung zu Zeugenaussagen, klagt Olivier Kösling noch 1982. Die Erfahrungen der Separatistenherrschaft sind teilweise anhand städtischer Archive nachvollziehbar: In Birkenfeld liegt eine Bestandsaufnahme des 1924 aktiven Ausschusses für Entschädigungsleistungen vor. Aus verständlichen Gründen verzichtet Kösling darauf, bei erwiesenen Übergriffen gegen die Bevölkerung die Namen der Schädiger zu nennen; nicht aber die von Zivilpersonen, sofern sie Anträge auf Entschädigung von Sachschäden stellen. [Anm. 59]
So bleiben die Verlautbarungen, Berichte und Erinnerungen des Regierungspräsidenten Walther Dörr die bei weitem wichtigste Zeitquelle über den passiven Widerstand gegen die Ruhrbesetzung und die Separatistenzeit 1923/1924 im oldenburgischen Landesteil Birkenfeld. [Anm. 60]
Wesen, Verfasstheit und Funktionieren der anvisierten Republik sind, wie gesagt, bis zuletzt nicht nur zwischen Frankreich und den rheinischen Separatisten, sondern auch im internen Diskurs jeder Seite heftig umstrittenen. So setzt man zwar auch in Birkenfeld auf einen neutralen, von Deutschland und Frankreich unabhängigen Zwischenstaat. Aber auf die Schlüsselfrage nach der Finanzierung des angestrebten Rheinstaates – die ungelöst bleibt, mit folglich fatalen Auswirkungen auf seine Akzeptanz durch die Bevölkerung – ist eine Antwort des Separatistenkommissars Otto Lengler belegt: Nach der Proklamation der Rheinischen Republik am 30. Oktober gibt er zu, „offen gestanden selbst nichts” zu wissen, aber mit der Zusicherung, dass so weit wie möglich „alles beim alten bleiben” solle. [Anm. 61]
Im Gegensatz zur französischen Einschätzung des rheinischen Separatismus werden ihm in Deutschland im zunehmendem Maße auch positive Seiten abgewonnen. Er mag in der Erinnerungskultur und in den Annalen der Städte und Gemeinden Spuren von Bitternis hinterlassen haben und für eine Zeit der Wirren stehen; der ideen- und rechtsgeschichtlichen Forschung gilt er mittlerweile als unverzichtbare Quelle für das Verständnis des politischen Werdungsprozesses, der zur ersten deutschen Demokratie führt. „Wenn auch die ‚Rheinische Republik‘ ein Wunschtraum geblieben ist,“ urteilt der Rechtshistoriker Philipp Bender, so haben ihre Bestrebungen „die republikanische Verfassung dennoch bedeutend geprägt“ und sich zudem auf die Entwicklung des „internationalen Selbstbestimmungsrechts der Völker“ ausgewirkt. [Anm. 62]
Ein Fazit, das allerdings zu einer differenzierten Einschätzung der Geschehnisse von 1919 und 1923 nötigt, nicht zuletzt, um der bisweilen noch heute feststellbaren Begriffsverwirrung zwischen „Autonomie“ und „Separatismus“ entgegenzuwirken. Die Autonomiebewegungen von 1919 sind durchweg einer konstitutionellen Rheinstaatsinitiative zuzuordnen. Die anvisierte Rheinische Republik soll auf dem Territorium der preußischen Rheinprovinz sowie der oldenburgischen Provinz Birkenfeld entstehen, aber unter der jungen Weimarer Republik Gliedstaat im Verband des Deutschen Reiches bleiben. Die separatistischen Bewegungen von 1923 hingegen zielen zumeist auf die Ausgliederung der besagten Landesteile der Freistaaten Preußen und Oldenburg aus dem Deutschen Reich und ihre Umwandlung in einen formal „autonomen“, aber an Frankreich „angelehnten“, ihm politisch und wirtschaftlich verbundenen Pufferstaat.
12.6.Literaturverzeichnis
- Bender, Philipp: Eine Rheinische Republik? Die ersten Rheinstaatsbestrebungen 1918-1919 in Zeiten des völker- und verfassungsrechtlichen Umbruchs. Berlin 2019.
- Brunner, Jan: Paul Tirard, 9.4.2020. In: www.1914-1930-rlp.de/bibliothek/biographien/paul-tirard.html (Zugriff am 22.10.23).
- Dorten, Hans-Adam: Le Général Mangin en Rhénanie. In: Revue des Deux Mondes, 40 (1937), S. 39–67, www.jstor.org/stable/44854478 (Zugriff am 22.10.23).
- Eyck, Erich: Geschichte der Weimarer Republik, Band 2, Stuttgart 1956.
- Hartong, Konrad: Die Birkenfelder Revolution vom Sommer 1919. In: Oldenburger Jahrbuch 78/79 (1978/79), S. 83–130.
- Gräber, Gerhard: Rheinisch-republikanische Volkspartei, 9.10.06. In: Historisches Lexikon Bayerns, www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Rheinisch-republikanische_Volkspartei_(RRVP).
- Ders.: Rheinische Republik, 30.8.06. In: Historisches Lexikon Bayerns, www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Rheinische_Republik.
- Jardin, Pierre: Tirard, de Metz und die Pfalz. In: Kreutz, Wilhelm/Scherer, Karl (Hgg.): Die Pfalz unter französischer Besetzung (1918/19-1930). Kaiserslautern 1999, S. 145–168.
- Karges, Peter: Der geplatzte Traum von einer Rheinischen Republik. In: Rhein-Zeitung (Koblenz), 13.11.2023.
- Kösling, Oliver: Birkenfeld und der Separatismus. In: Hans Peter BRAND (Hrsg.): Birkenfeld – Festschrift zum 650jährigen Stadtjubiläum (Sonderheft 42 der Mitteilungen des Vereins für Heimatkunde im Landkreis Birkenfeld/Nahe). Birkenfeld 1982, S. 213–224.
- Löttel, Holger: Konrad Adenauer und Preußen, Berlin, o. J., www.konrad-adenauer.de/seite/konrad-adenauer-und-preussen/ (Zugriff am 7.11.23).
- Musée du plan sussex: William Bechtel, Chef de Bataillon, www.plan-sussex-1944.net/francais/biographies/bechtel.htm (Zugriff am 7.5.21).
- Redmer, Axel: „Nix wie droff“: Wie die Idarer die Separatisten aus dem Rathaus jagten. In: Nahe-Zeitung (Koblenz) vom 17. Januar 2023, S. 17.
- Reimer, Klaus: Die Separatistenherrschaft. In: Heimatjahrbuch Vulkaneifel 1983, S. 199–201, www.heimatjahrbuch-vulkaneifel.de/VT/hjb1983/hjb1983.83.htm (Zugriff am 20.8.23).
- Roth, François: Raymond Poincaré – un homme d’Etat républicain. Paris 2000.
- Rummel, Walter: „Separatismus“, Vaterlandsverrat, Zukunftsvision oder Rettungsversuch? In: Engelen, Ute /Ders. (Hrsg.): Der gescheiterte Friede. Die Besatzungszeit 1918–1930 im heutigen Rheinland-Pfalz. Begleitband zur Wanderausstellung (Veröffentlichungen der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz 129). Koblenz 2020, S. 65–84.
- Seul, Otmar: Die Birkenfelder Republik 1919. Französische Dokumente zur Autonomie-Bewegung in der oldenburgischen Provinz Birkenfeld unter französischer Militärverwaltung nach dem Ersten Weltkrieg“. In: www.regionalgeschichte.net, URN: urn:nbn:de:0291-rzd-022202-20210630-7 (Zugriff am 12.6.21).
- Soutou, Georges-Henri: Deutschland, Frankreich und das System von Versailles. Strategien und Winkelzüge der Nachkriegsdiplomatie. In: Knipping, Franz; Weisenfeld, Ernst (Hrsg.): Eine ungewöhnliche Geschichte. Deutschland – Frankreich seit 1870. Bonn 1988, S. 75–78.
- Tucholsky, Kurt: „Für Josef Matthes”. In: Die Weltbühne, 13. August 1929.
- Tirard, Paul: Comment nous avons occupé la Ruhr I. In: Revue des Deux Mondes 60 (1930), S. 122–148 (https://www.jstor.org/stable/44846516).
- Tirard, Paul: En Rhénanie. Les derniers jours de l'occupation. In: Revue des Deux Mondes 59 (1930), S. 559–581 (https://www.jstor.org/stable/44847138).
- Tirard, Paul: La France sur le Rhin. Douze anneés d‘occupation rhénane. Paris 1930.
- Theis, Kerstin: Paul Tirard, Präsident der Rheinlandkommission (1879–1945). In: Internetportal Rheinische Geschichte, www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/paul-tirard/DE-2086/lido/57c93fddacbaa5.48066651 (Zugriff am 24.10.23).
- Albert Thiel/Matthias Reinert: Matthes, Joseph Friedrich. www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/10a/adr/adrmr/kap1_1/para2_87.html (Zugriff am 12.12.23)
Anmerkungen:
- Tucholsky, "Für Josef Matthes". Zurück
- Rummel, Separatismus, S. 66 f. Zurück
- Rummel, "Separatismus", S. 67. Zurück
- Seul, Birkenfelder Republik. Zurück
- Siehe insbesondere: Haute Commission Interalliée des Territoires Rhénans (HCITR)/Haut Commissariat de la République Française dans les Provinces du Rhin, 1918-1929 (Collection „Archives françaises” AJ-9). Zurück
- 1920 wird die Provinz in „Landesteil Birkenfeld“ umbenannt, so erstmals im Titel des Amtsblatts vom 11. Mai 1920. Zurück
- Vgl. Jardin, Tirard. Zurück
- Siehe vor allem Kösling, Birkenfeld, sowie zuletzt die Artikel-Serie von Axel Redmer in der Nahe Zeitung (Rhein-Zeitung, Koblenz) vom 13.,14. und 17. Januar 2023. Das im Koblenzer Landeshauptarchiv lagernde umfangreiche Material zur französischen Besatzungszeit im oldenburgischen Landesteil Birkenfeld und den Anweisungen der Interalliierten Rheinlandkommission (Bestand 393 – Regierung Birkenfeld) aber scheint uns bisher erst zu einem Bruchteil ausgewertet worden zu sein. Zurück
- Zitiert nach Rummel, Separatismus, S. 68. Zurück
- Zur französischen Rheinlandpolitik, den Beziehungen zu Deutschland und den beginnenden Autonomiebestrebungen Anfang der 1920er Jahre, siehe das Exposé vom 19. Januar 1922. In: Archives Nationales [ANF], AJ-9, Karton 3 775, Akte 2951 (Administration française). Zurück
- Siehe das vorhergehende Kapitel. Zurück
- Die mit der Niederlage von 1918 einhergehende militärische Demobilisierung des Deutschen Reiches sowie die restriktiven Bestimmungen des Versailler Vertrages hinsichtlich Heeresstärke, Bewaffnung und Organisation der zukünftigen Reichswehr führen dazu, dass es den ersten Reichsregierungen an einer wirksamen bewaffneten Exekutivgewalt fehlt. Einem Aufruf vom 9. Januar 1919 folgend bilden sich bewaffnete Freiwilligen-Verbände als „Freikorps“ überall im Reich und als Grenzschutzformationen im Osten im Abwehreinsatz gegen Polen. Es handelt sich vielfach um monarchistische und rechtskonservative Kräfte (vor allem ehemalige Soldaten) die, durch Kriegsende und bürgerlich-demokratischen Umbruch verunsichert, einer ungewissen Zukunft entgegensehen. Bis in die Mitte der 20er Jahre nehmen „Freikorps“ immer wieder an Putschversuchen gegen die Reichsregierung teil. Zum Teil gelingt die Einbindung einzelner Verbände in die Dienste der Republik, wo sie auch zum Einsatz gegen Umsturzversuche von links kommen. Zurück
- Siehe u. a. Soutou, Deutschland. Zurück
- Roth, Poincaré, S. 442. Zurück
- Zitiert nach: Brunner, Tirard.
Zurück - Wenn die Republik 1923 auf unsicheren Füßen steht, so auch infolge der Radikalisierung auf der Linken wie auf der Rechten: im Oktober werden kommunistische Umsturzversuche in Thüringen und Sachsen sowie am 9. November in München der Hitler-Putsch niedergeschlagen. Zurück
- Vgl. Theis, Tirard. Zurück
- Notes de Paul Tirard, Haut Commissaire de la République Française dans les Provinces du Rhin, Coblence, à Raymond Poincaré, Président du Conseil et Ministre des Affaires étrangères, Paris, relative aux mesures à imposer à l’Allemagne en ce que concerne la Rive gauche du Rhin, 24.3.1923 / 3.4.1923, ANF, AJ-9, Karton 3 779. Zurück
- Zitiert nach Roth, Poincaré, S. 442 – aber ohne Angabe der Quelle. Aufschlussreich: Lettre de Raymond Poincaré, Président du Conseil et Ministre des Affaires étrangères, Paris, à Paul Tirard, Haut Commissaire de la République Française dans les Provinces du Rhin, Coblence, 27.10.1923, ANF, AJ-9, Karton 3 778, Akte 1. Zurück
- Reimer, Separatistenherrschaft, S. 199f., überliefert uns eine gemeinsame „Erklärung“ vom 11. Oktober 1923 von Mitgliedern der Zentrumspartei und Vertretern separatistischer Gruppen im Kreis Daun, der zur amerikanischen Besatzungszone gehört, an Hochkommissar Tirard: „Die Unterzeichneten, als Vertreter aus allen Schichten der Bevölkerung des Kreises Daun, gestatten sich ergebenst, durch Überreichung dieses Schriftstückes den überwiegenden Wunsch der Einwohnerschaft dieses Kreises zum Ausdruck zu bringen, einen Rheinischen Freistaat zu gründen. Der Wille des Volkes geht dahin, frei zu sein, seine eigene Verfassung und Verwaltung zu haben”. Da es einerseits keine Sozialisten und Kommunisten im Kreis gebe und andererseits der katholische Klerus angewiesen worden sei, sich nicht politisch zu engagieren, könne eine Rheinische Republik Ende Oktober ohne Schwierigkeiten errichtet werden. Ihr eigenes Engagement begründen die 17 Unterzeichner mit dem „Verrat des Zentrums an der rheinischen Sache” und der Notwendigkeit, die traditionelle Rolle der Zentrumspartei als „Todfeind Preußens” wiederzubeleben. Zurück
- Télégramme Nr. 539 de Paul Tirard, Haut Commissaire de la République Française dans les Provinces du Rhin, Coblence, au Ministre des Affaires étrangères, Paris, vom 26.10.1923, S. 3f., Abschnitt VII, ANF, AJ-9, Karton 3 778, Akte 1, Dokument 4872 S. Zurück
- Einflussreicher als Dorten sind vor allem Josef-Friedrich Matthes (1886-1943) vom Rheinischen Unabhängigkeitsbund, ein 1920 aus der SPD ausgeschlossener politischer Redakteur aus Aschaffenburg (der in Wiesbaden das Scheitern von Dortens Republik-Ausrufung miterlebt), sowie Josef Smeets (1893-1925), der frühere Kölner Parteisekretär der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD), Begründer der arbeiternahen Rheinisch-Republikanischen Volkspartei (RRVP). Zurück
- Rummel, Separatismus, S. 76. Zurück
- Rapports du Lieutnant-Colonel Cochet, délégué supérieur de la HCITR pour le District de Trèves, à Paul Tirard, Haut Commissaire de la République Française dans les Provinces du Rhin, Coblence, 3.12.1923, ANF, AJ-9, Karton 3 783, Dokument 15.064, S. 2, Absatz 2 c, d. Zurück
- Nach dem Scheitern seiner Proklamation weicht der rheinische Separatistenführer auf linksrheinisches Gebiet aus. In Frankreichs Besatzungszone kann der von deutscher Seite gegen ihn erlassene Haftbefehl wegen Landesverrats nicht vollstreckt werden. Dorten will – von Tirard unterstützt - das Rheinland aus dem preußischen Staat herauslösen, es aber im Deutschen Reich belassen. Der Putschversuch scheitert, weil die französische Besatzungsmacht - auf Forderung der französischen Regierung – die die im Vorfeld in Aussicht gestellte Unterstützung plötzlich zugunsten einer strikten Neutralität aufgeben muss. Zurück
- Ebd., Abschnitt 2, S. 2. Zurück
- Rapport du Lieutnant-Colonel Cochet, délégué de la HCITR pour le District de Trèves, à Paul Tirard, Haut Commissaire de la République Française dans les Provinces du Rhin, Coblence, Trèves, le 24.10.1923, ANF, AJ-9, Karton 3 778, Akte 6, Dokument 234/5). Zurück
- Dörr gab im Februar 1924 nach seiner Rückkehr ins Amt gegenüber dem Birkenfelder Militärverwalter Bastiani zu, dass er den Einsatz von Schusswaffen gegenüber den Separatisten nicht ausgeschlossen hätte. Schreiben des Reg. Präsidenten der oldenburg. Exklave Birkenfeld, Dörr, vom Februar 1924, Niedersächsisches Landesarchiv OL Best. 136 Nr. 3630/2. Zurück
- Télégramme Nr. 539 de Paul Tirard, Haut Commissaire de la République Française dans les Provinces du Rhin, Coblence, au Ministre des Affaires étrangères, Paris, vom 26.10.1923, S. 3f., Abschnitt VII, ANF, AJ-9, Karton 3 778, Akte 1, Dokument 4872 S. Zurück
- Redmer: „Nix wie droff“, S. 17. Zu Details über den passiven Widerstand und die Besetzung Birkenfelds durch Separatisten, siehe die Berichte Dörrs in der umfangreichen Akte NLA OL Best. 132 Nr. 146 des Niedersächsischen Landesarchivs Oldenburg. Sie enthält weiterhin (Blätter 188-208) u. a. ein Verzeichnis der Ausgewiesenen, Berichte über die öffentliche Versammlung in Birkenfeld zur Ausrufung der ‚Rheinischen Republik‘ (Bl. 190) und die Einberufung eines Landesausschusses am 27.10.1923 (Bl. 192) sowie Berichte über die Besetzung des Rathauses, der Post und der Reichsbank durch Separatisten in Oberstein (Bl. 207-208). Zurück
- Ebd. Zurück
- Rapports du HCITR, Coblence, pour Paul Tirard, Haut Commissaire de la République Française dans les Provinces du Rhin, Coblence, 1.11.1923, ANF, AJ-9, Karton 3 778, Akte 6, Dokument 234/5. Zurück
- Texte d’un message téléphonique du Lieutnant-Colonel Cochet, délégué supérieur de la HCITR pour le District de Trèves, à Paul Tirard, Haut Commissaire de la République Française dans les Provinces du Rhin, Coblence, 12.11.1923, ANF, AJ-9, Karton 3 778, Akte 6, Dokument 234/5; vgl. message téléphonique du Lieutnant-Colonel Cochet, ebd. Karton 3783, Akte 3, Dokument 83 bis. Zurück
- Rapport du Lieutnant-Colonel Cochet, délégué supérieur de la HCITR pour le District de Trèves, à Paul Tirard, Haut Commissaire de la République Française dans les Provinces du Rhin, Coblence, 31.10.1923, ANF, AJ-9, Karton 3 783, Dokument 13.311. Zurück
- Rapport du Lieutnant-Colonel Cochet, délégué supérieur de la HCITR pour le District de Trèves, à Paul Tirard, Haut Commissaire de la République Française dans les Provinces du Rhin, Coblence, 13.11.1923, ANF, AJ-9: Karton 3 778, Akte 6, Dokument 234/5; Karton 3783, Akte 3, Dokument 83 bis; vgl. Dokument 65: Rapport du Lieutnant-Colonel Cochet, délégué supérieur de la HCITR pour le District de Trèves, à Paul Tirard, Haut Commissaire de la République Française dans les Provinces du Rhin, Coblence, s.d., ANF, AJ-9, Karton 3 778, Akte 6, Dokument 344 S, sowie Dokument 66: Rapport du HCITR, Coblence, pour Paul Tirard, Haut Commissaire de la République Française dans les Provinces du Rhin, Coblence, 13.11.1923, ANF, AJ-9, Karton 3 778, Akte 7, Dokument 234/7; Dokument 67: Rapports du Lieutnant-Colonel Cochet, délégué supérieur de la HCITR pour le District de Trèves, à Paul Tirard, Haut Commissaire de la République Française dans les Provinces du Rhin, Coblence, 24.11.1923, ANF, AJ-9, Karton 3 783, Dokument 14.646 bis. Zurück
- Rapport du Lieutnant-Colonel Cochet, délégué de la HCITR pour le District de Trèves, du 20 novembre 1923, au Général commandant de la zone de Trèves. In: Premieres décisions du Gouvernement provisoire de la République rhénane, Oktober-Dezember 1923, ANF, AJ-9, Karton 3 778, Akte 9, Dokument 234/8; Karton 3780. Zurück
- Rapport du Lieutnant-Colonel Cochet, délégué supérieur de la HCITR pour le District de Trèves, à Paul Tirard, Haut Commissaire de la République Française dans les Provinces du Rhin, Coblence, 13.11.1923, ANF, AJ-9: Karton 3 778, Akte 6, Dokument 234/5; Karton 3783, Akte 3, Dokument 83 bis. Zurück
- Notes de Paul Tirard, Haut Commissaire de la République Française dans les Provinces du Rhin, Coblence, à Raymond Poincaré, Président du Conseil et Ministre des Affaires étrangères, Paris, relative aux mesures à imposer à l’Allemagne en ce que concerne la Rive gauche du Rhin, 24.3.1923 / 3.4.1923, ANF, AJ-9, Karton 3 779. Zurück
- Ebd. (24.3.1923), S. 14 f. Zurück
- Ebd., S. 22. Zurück
- Lettre du Comité de présidence du parti La Rhénanie libre, Cologne, au Gouvernement de la République Française; Anhang „Garanties pour la création d’un Etat libre de Rhénanie”, 18.9.1923, ANF, AJ-9, Karton 3 779. Zurück
- Laut Mitteilung der Saarbrücker Volksstimme vom 8. November 1923, unter Bezug „auf eine Besprechung Tirards mit einem Privatmanne“. „Die zu errichtende Notenbank“ – so Tirards weitere Ausführungen „werde mit 55 Prozent aus deutschem, 30 Prozent aus französischem und 15 Prozent aus internationalem Kapital gespeist werden. Frankreich beanspruche für sich den Posten eines Vizepräsidenten an diesem Unternehmen“; zitiert nach Vorwärts (Berlin) vom 09.11.1923, S. 3, abgedruckt in: Historische Presse der deutschen Sozialdemokratie, https://fes.imageware.de/fes/web/index.html?open=VW40525&page=2 (Zugriff am 6.11.23). Zurück
- 2 Rapports du Général Degoutte (Armée du Rhin), Düsseldorf, à Paul Tirard, Haut Commissaire de la République Française dans les Provinces du Rhin, Coblence, sur la situation politique, économique et sociale en Rhénanie, 24.12.1923, ANF, AJ-9, Karton 3 780, Akte 3, S. 35ff. Zurück
- Frankfurter Allgemeine Zeitung: Washington mahnt die Europäer zur Vernunft, 18.12.1922. Zurück
- So die Erkenntnis des britischen Generalkonsuls bei der bayerischen Regierung, Henry Robert Clive, nach einer Bereisung der Pfalz und seinen dort geführten Gesprächen mit Vertretern politischer Parteien und gesellschaftlicher Gruppen, im Jahr 1924, in einer Zusammenfassung im Londoner Parlament; siehe den Beitrag von Max Oehlmann in diesem Band. Zurück
- Rapports du Lieutnant-Colonel Cochet, délégué supérieur de la HCITR pour le District de Trèves, à Paul Tirard, Haut Commissaire de la République Française dans les Provinces du Rhin, Coblence, 3.12.1923, ANF, AJ-9, Karton 3 783, Dokument 15.064, S. 2, Absatz 2. Zurück
- Karges, Traum. Zurück
- Vgl. u. a. Redmer, „Nix wie droff“, S. 17; Kösling, Birkenfeld, S. 223. Zurück
- Rapports du Lieutnant-Colonel Cochet, 3.12.1923, a. a. O., S. 2, Absatz 2 b. Eine Einschätzung, die mithin nicht oder nur bedingt für das oldenburgische Birkenfeld gilt, dessen „Bevölkerung mehrheitlich protestantisch“ sei. Zurück
- Ebd., S. 2, Absatz 2 c. Zurück
- Ebd., S. 2, Absatz 2 a. Zurück
- Zur Separatistenzeit hat sich der Oberbürgermeister in seinen Memoiren geäußert: Stöck, Christian: Aus meinen Erinnerungen an die Besatzungszeit der Stadt Trier. 1. Dez. 1918-30. Juni 1930, Trier 1930. Zurück
- Ebd., S. 3f. Zurück
- Löttel, Konrad Adenauer. Zurück
- Nach 1930 veröffentlichte Tirard seine Erinnerungen zur Alliierten Rheinlandbesatzung. Er verstirbt 1945. Tirard, Ruhr; Ders., Rhénanie; Ders., La France (zitiert nach Brunner, Tirard). Zurück
- Poincarés Machtverlust ist allerdings nur von kurzer Dauer: Eine Finanzkrise bringt ihn im Juli 1926 für weitere drei Jahre an die Regierung. Er mildert seine Politik der harten Hand gegenüber Deutschland deutlich ab. In einem Interview mit dem sozialdemokratischen Vorwärts weist er 1928 jeden Gedanken an eine neuerliche Ruhrbesetzung zur Durchsetzung französischer Interessen weit von sich: „Niemals! Wurde einmal geräumt, würde eine neue Besetzung heute bedeuten, dass man die Lunte an das Pulverfass legt. Zudem: Eine deutsche Linksregierung könnte zehnmal mehr von mir erwarten als eine Rechtsregierung.“ Zitiert nach Eyck, Geschichte, S. 229. Zurück
- Ebd., S. 442. Zurück
- Matthes arbeitet ab 1930 als Journalist in Paris. Trotz der im Londoner Abkommen vom 31. August 1924 gewährten Amnestie wird ihm und seiner Ehefrau unter Beugung des Rechts die Einreise nach Deutschland verweigert, was Kurt Tucholsky 1929 dazu veranlasst, den erwähnten Essay „Für Josef Matthes“ zu schreiben. Im Zweiten Weltkrieg wird er nach Kapitulation und Besetzung Frankreichs 1941 an Deutschland ausgeliefert und stirbt 1943 im KZ Dachau. Josef Smeets stirbt bereits am 25. März 1925 im französischen Metz an den Spätfolgen eines Attentats. Bereits am 17. März 1923 war er in Köln von einem Freikorpskämpfer niedergeschossen und schwer verletzt worden, nachdem Smets Parteizeitung den Besatzungsmächten namentlich „preußische Elemente” unter den Rheinlandbewohnern zur Ausweisung vorgeschlagen hatte. Hans Adam Dorten erlebt im Februar 1924 das Ende der Separatistenzeit in der Autonomen Pfalz mit und flüchtet am Ende des Jahres ins französische Exil nach Nizza, wo er seine Memoiren schreibt und bis zu seinem Tode lebt. Vgl. Gräber, Republik; ders.: Volkspartei; Thiel/Reinert, Matthes. Zurück
- Anhand von Unterlagen im Stadtarchiv Birkenfeld nimmt Kösling, Birkenfeld, S. 224 eine Bestandsaufnahme der separatistischen Übergriffe gegen die Bevölkerung vor. Ende Februar 1924 wird ein städtischer Ausschuss für Entschädigungsleistungen von Sachschäden, die in die Zeit vom 1. September 1923 bis zum 31. Januar 1924 fallen, gebildet. Zurück
- Siehe dazu vor allem die Akte NLA OL Best. 132 Nr. 146 des Niedersächsischen Landesarchivs Oldenburg, mit Bezug u. a. auf die öffentliche Versammlung in Birkenfeld zur Ausrufung der Rheinischen Republik (Bl. 190) und die Einberufung eines Landesausschusses am 27.10.1923 (Bl. 192), sowie den Bestand 393 Regierung Birkenfeld im Landeshauptarchiv Koblenz mit zahlreichen Dokumenten zur inneren Verwaltung, zu französische Besatzung und Direktiven der Interalliierten Rheinlandkommission. Zurück
- Zitiert nach Kösling, Birkenfeld, S.223. Zurück
- Bender, Rheinische Republik. Zurück