Dampfschifffahrt auf dem Rhein
von Wolfgang Stumme
Das erste, wirtschaftlich betriebene Schiff mit einer Dampfmaschine von James Watt war der 1807 von dem Amerikaner Robert Fulton gebaute Raddampfer mit zwei seitlichen Schaufelrädern. Er wurde zwischen New York und Albany eingesetzt. 1816 erreichte das erste Dampfschiff, der englische Schaufelraddampfer Defiance, Köln. Die Defiance wurde von einer 12 PS starken Maschine angetrieben. Ein Jahr später fuhr die Caledonia, ebenfalls von England kommend, bis Koblenz – auch wenn sie auf einigen Flussabschnitten getreidelt werden musste.
Die erste Dampfschifffahrtsgesellschaft wurde 1822 in Rotterdam gegründet, und schon ein Jahr später transportierten Schiffe fahrplanmäßig Personen und Fracht zwischen Rotterdam und Antwerpen.
Nun ging es Schlag auf Schlag: 1824 fuhr De Zeeuw rheinaufwärts. In Köln wurde sie bei ihren Manövern mit Schleppkähnen bestaunt, bevor sie weiter fuhr – über Koblenz hinaus. Ab Juli 1825 bestand ein Linienverkehr zwischen Köln und Rotterdam. Die Fahrtzeit, die zur Zeit der Treidelschifffahrt bis zu sechs Wochen dauerte, verkürzte sich auf sechs Tage. Im selben Jahr fuhr ein Rotterdamer Dampfschiff von Köln bis Straßburg. Stromaufwärts dauerte die Fahrt 74 ½ Stunden; stromabwärts erreichte es Köln nach nur 27 Stunden. Ab diesem Zeitpunkt kann man von einer Dampfschifffahrt auf dem Rhein sprechen. Ebenfalls von Köln aus startete der Dampfer „Der Rhein“ zu einer Probefahrt nach Koblenz, an der der damalige preußische König Friedrich Wilhelm III. teilnahm.
Am 22. September 1825 wurde in Karlsruhe die erste deutsche Dampfschifffahrtsgesellschaft gegründet; Mainz [Anm. 1] und Köln folgten ein Jahr später.
Die Mainzer Gesellschaft [Anm. 2] hatte zwei Raddampfer in den Niederlanden in Auftrag gegeben – die Concordia und die Friedrich Wilhelm. Als das erste Schiff 1827 geliefert wurde, stellte man fest, dass der Tiefgang der Concordia [Anm. 3] zu groß war für die Fahrt im Oberrheinverlauf. Kurzerhand wurden beide Schiffe an die Kölner Gesellschaft verkauft. Diese begann mit der Fahrt von Mainz nach Köln den regelmäßigen Liniendienst auf dem Mittelrhein. Die Schiffe fuhren am ersten Tag von Köln nach Koblenz, am zweiten Tag von Koblenz nach Mainz und am dritten von Mainz zurück nach Köln. Im ersten Betriebsjahr beförderte die Concordia [Anm. 4] in 55 Fahrten 114.113 Passagiere, 30.657 Zentner Waren, 187 Wagen und 30 Pferde. 1832 fusionierten die Dampfschifffahrtsgesellschaft vom Rhein und Main und die Preußisch-Rheinische Dampfschifffahrts-Gesellschaft in Köln.
Inzwischen verkehrten zwischen Rotterdam und Basel regelmäßig 32 Dampfschiffe, und die Nachfrage nach Schiffspassagen auf dem Rhein hielt an. [Anm. 5] Zwischen Köln und Mainz wie auch zwischen Mainz und Mannheim fuhren täglich je zwei Schiffe. Ab 1838 gab es regelmäßige Verbindungen nach Straßburg; Passagiere konnten von hier aus mit französischen Schiffen bis Basel fahren.
Nun entbrannte ein heftiger Konkurrenzkampf auf dem Rhein. Die Nederlandsche Stoomboot Maatschappij, die Preußisch-Rheinische Dampfschifffahrts-Gesellschaft in Köln und die Düsseldorfer Dampfschiffahrtgesellschaft für den Nieder– und Mittelrhein [Anm. 6] überboten sich mit Preissenkungen und Wettfahrten: Immer komfortablere Schiffe sollten die Kunden anziehen. Es kam sogar zu absichtlich herbeigeführten Kollisionen. Schließlich schlossen sich 1853 die beiden deutschen Gesellschaften mit 28 Dampfschiffen zur Kölnisch-Düsseldorfer Gesellschaft für Rhein-Dampfschifffahrt zusammen.
Der sich in diesen Jahren stürmisch entwickelnde Eisenbahnverkehr führte dazu, dass die Dampfschifffahrt für Personen auf einen Saisonbetrieb für Ausflugfahrten umgestellt wurde. 1857 waren sieben Schifffahrtsgesellschaften mit zusammen 46 Schiffen für den Personen– und Güterverkehr auf dem Rhein gemeldet. Außerdem gab es noch elf Gesellschaften, die nur Güterschiffe betrieben. Im Laufe der Jahre kamen regionale Anbieter hinzu.
Im 19. Jahrhundert wurden die Schiffe fast ausschließlich mit Kolbendampfmaschinen angetrieben. Die Kessel wurden mit Kohle geheizt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die ersten Dampfturbinen entwickelt.
Heutzutage werden die meisten Schiffe von Dieselmotoren angetrieben. Statt der Schaufelräder verfügen sie nun über Schiffsschrauben.
Verfasser: Wolfgang Stumme
Redaktionelle Bearbeitung: Sarah Traub
Verwendete Literatur:
Dollhoff, Josef: Die Kölner Rheinschiffahrt. Von der Römerzeit bis zur Gegenwart. Köln 1980.
- Rhein-Museum Koblenz (Hg.): Beiträge zur Rheinkunde, Heft 31. Koblenz 1979.
Aktualisiert am: 21.07.2016
Anmerkungen:
- Die 2000 Aktien der ‚Dampfschifffahrtsgesellschaft vom Rhein und Main‘ hatten einen Wert von einer Million Gulden. Zurück
- Johann Maria Kertell hat als Vizepräsident der Handelskammer Mainz die Dampfschifffahrtsgesellschaft vom Rhein und Main gegründet. Kertell, der seine kaufmännische Lehre in Köln absolviert hatte, hat 1837 in Anlehnung an den Kölner Karneval die Mainzer ‚Ranzengarde‘ ins Leben gerufen und damit die Meenzer Fassenacht begründet. Zurück
- Der Preis betrug 178.000 Rheinische Gulden. Die Concordia war 45 Meter lang, fünf Meter breit und konnte 230 Passagiere und knapp 60 Tonnen Fracht befördern. Angetrieben wurde sie mit einer Einzylinder Dampfmaschine mit 70 PS Leistung. Die Schaufelräder hatten einen Durchmesser von 3,76 m. Zurück
- 1827 gab es einen Schiffsunfall der Concordia im Binger Loch. Im darauf folgenden Jahr wurden die Felsen im Binger Loch gesprengt. Nun betrug die Durchfahrt 210 Fuß – das Zehnfache der früheren Wassertiefe; die Strömung konnte deutlich verringert werden. Zurück
- Allein von 1839 bis 1840 stieg die Zahl der Passagiere von 487.000 auf über 636.000 an. Zurück
- Diese Gesellschaft war 1836 von Mainzer, Elberfeld-Barmer und Düsseldorfer Kaufleuten gegründet worden. Zurück