Die Landwirtschaft 1918-1930
Höchstpreise für Grundnahrungsmittel, Mangel an Dünger, Zugtieren, Viehfutter und Arbeitskräften prägten bereits die Landwirtschaft im Krieg. Auch durch die Blockade der Alliierten mangelte es über das Kriegsende hinaus an Lebensmitteln, sodass Schleichhandel und Wucherpreise vorherrschten. Seit dem Hungerwinter 1917 kam es zu Protesten und Plünderungen durch die städtische Bevölkerung.
Bei der Gründung von Arbeiter- und Soldatenräten im November 1918 waren zum Teil Bauern beteiligt. In der Bauernschaft bestanden unterschiedliche politische Vorstellungen. So gründeten sich im Jahr 1919 u.a. in Rheinhessen und der Pfalz die „Freien Bauern“, die mithilfe von Lieferstreiks gegen die Zwangswirtschaft eintraten. Die Zahl der Arbeitskräfte in der Landwirtschaft war seit Ende des 19. Jahrhunderts deutlich gesunken; in der preußischen Rheinprovinz um Koblenz und Trier arbeiteten hier 1925 nur noch 28 % der Erwerbstätigen. Sowohl beim Anbau von Roggen, Gerste, Hafer, aber auch Kartoffeln wurde 1925 noch nicht das Vorkriegsniveau erreicht. Der Krieg hatte auch die Viehbestände dezimiert. Der exportorientierte Weinbau verlor durch den Krieg langfristig einen Teil seiner Absatzgebiete. Hierzu trug die zeitweise Zollgrenze der Besatzungszone bei.
Der Mostertrag schwankte wie zuvor, von 0,7 Mio. Hektolitern (hl) 1913 bis hin zu 1,5 Mio. hl 1918. Doch konnten die Weinbestände nicht abverkauft werden, und viele Winzer verfügten infolge der Inflation und Währungsreform nicht mehr über finanzielle Reserven.
Die explosive Stimmung verdeutlicht der Sturm von ca. 2.000 Winzern auf das Bernkasteler Finanzamt 1926, der politische Folgen nach sich zog. Ab Mitte 1926 sollte eine groß angelegte Werbekampagne mit dem Titel „Trinkt deutschen Wein“ dessen Konsum im Inland stärken. Erst nach der Währungsreform war es einigen Bauern möglich, Maschinen wie Schlepper anzuschaffen. International war die deutsche Landwirtschaft nicht konkurrenzfähig. Mit dem Sturz der Agrarpreise in der Weltwirtschaftskrise 1929 stand der Sektor vor noch größeren Herausforderungen.
Chronik der Stadt Linz, 27. November 1922
„Zu der Milchpreiserhöhung haben die Produzenten noch folgende Erläuterung für Betriebskosten gegeben: In Vorkriegszeiten kostete eine Kuh M 300 – 400,- jetzt Mark 200.000 bis 240.000 Mark, Verpflegung einer Kuh monatlich M 2,50, jetzt 500 Mark, ein Milchwagen 600 M, jetzt nur Reparatur 30.000,- Mark, ein Milchwagenpferd 700 Mark, jetzt 200.000 Mark, Beschlagen desselben 3 bis 4 Mark, jetzt 4.000 Mark, Futterrüben der Zentner 1,20 Mark, jetzt 500 Mark […]. Diese Aufstellung ließe sich noch beliebig erweitern, dürfte aber genügen, um den Aufschlag der Milchpreise zu rechtfertigen.“ (Stadtarchiv Linz, P 33)
Texte und Redaktion:
Dr. Walter Rummel (Landesarchiv Speyer), Dr. Hedwig Brüchert; Dr. Ute Engelen, Marion Nöldeke, Dr. Kai-Michael Sprenger (alle Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e.V.), Franziska Blum-Gabelmann M.A. (Haus der Stadtgeschichte Bad Kreuznach), Dr. Eva Heller-Karneth (Museum Alzey), Dr. Armin Schlechter (Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek)