Rheingauer Heimatforschung

Die Dampf-Straßenbahn von Eltville nach Schlangenbad

(Heinz Söhnlein)

      Veröffentlicht in den Rheingauischen Heimatblättern
                                                 03 / 1977


Mitten in die herrlichen Wälder des Taunusgebirges eingebettet, liegt das heutige hessische Staatsbad Schlangenbad mit seinen Heilquellen und modernen Kureinrichtungen verschiedenster Art. Vor der Jahrhundertwende ein kleiner, verträumter Ort mit etwa 80 bis 90 Häuschen, einigen Pensionen und einem bescheidenen Badehaus.

Schlangenbad liegt bei etwa 310 m Höhe ü. NN, gute 8 km von der nächsten Stadt Eltville (Rhein) entfernt. Zu erreichen war es da­mals nur zu Fuß von Eltville aus oder mit Pferdefuhrwerk. Kein Wunder, daß schon vor der Jahrhundertwende die Bevölkerung von Schlangenbad nach einer Verkehrsverbindung zur nächst­gelegenen Stadt drängte! Erhoffte man sich doch von einem Verkehrsmittel auch eine Belebung des Kurbetriebes und des Aus­flugsverkehres.

Bürgermeister, Landrat und auch die Einwohner der in der Nähe gelegenen kleinen Ortschaften unterstützten diese Bemühungen.

Man nahm Verhandlungen auf mit verschiedenen Bahnbauträgern, so auch mit der „Allgemeinen Deutschen Kleinbahn-Gesellschaft" (ADKG), Verwaltungssitz in Berlin. Das Ziel sollte sein, eine Bahn­verbindung zwischen Schlangenbad und Eltville zu schaffen. Denn Eltville lag (und liegt noch heute) an der Eisenbahnroute, die von Frankfurt aus über Wiesbaden längs des Rheines nach Eltville - Rüdesheim - Lahnstein - Koblenz führt.

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Die Verhandlungen mit dem Bürgermeister der Gemeinde Schlangenbad und der Königlichen Badeverwaltung, den Königlichen Landräten des Untertaunus- und des Rheingaukreises, sowie der Königlich Preußischen und Großherzoglich Hessischen Eisenbahn­direktion zogen sich während des Jahres 1894 hin mit dem Ergebnis, daß sich die ADKG bereit erklärte, den Kleinbahnbau auszu­führen und auch den Betrieb zu übernehmen. Die beantragte Konzession wurde der Gesellschaft mit Wirkung vom 31. Januar 1895 erteilt, und zwar für die Dauer von 50 Jahren. In den vertrag­lich festgesetzten Bedingungen für die Durchführung des Betrie­bes war vorgesehen, daß die Anliegergemeinden dem Unterneh­men bis zum Jahre 1907 eine Garantiesumme zu zahlen hatten. Dieser Garantiebetrag erreichte schon in den zehn ersten Jahren die Summe von rund 25 000 Goldmark.

Die Bahn wurde zunächst als Kleinbahn konzessioniert, später aber dann, am 25. März 1899, rechtlich in eine Straßenbahn um­gewandelt. Der Betrieb wurde aber kleinbahnmäßig durchgeführt mit Dampflokomotiven in Kastenform, also Straßenbahnlokomoti­ven (Tramwaylok), mit Personenwagen geschlossener und offener Bauart sowie Güterwagen. Später wurde dann wieder versucht, die Bahn rechtlich in eine Kleinbahn umzuwandeln. Diese Be­mühungen blieben aber ohne Erfolg. Warum? Die Gründe hierzu wurden nie richtig geklärt. Unter anderem wird eine mangelhafte Betriebsführung angenommen, doch sind dieses Vermutungen. Gleich nach Erhalt der Konzession wurden die Bauarbeiten sei­tens der ADKG begonnen, die flott voran gingen. Auch die An­lieferung des rollenden Materiales, wie Straßenbahn-Lokomotiven seitens der Firma Henschel, Kassel, und der Wagen durch die Firma Herbrand u. Co., Köln-Ehrenfeld, erfolgte fristgemäß, so daß bereits am 20. Juni 1895 der erste Probezug über die Strecke rollen konnte. Offiziell und fahrplanmäßig begann dann der Fahr­betrieb am 1. Juli 1895!

Die Bahn wurde in 1-Meterspur ausgeführt. Sie begann in Eltvilie auf dem Bahnhofsvorplatz neben dem Staatsbahnhofsgebäude mit einer zweigleisigen Ausweiche. Hier wurden die Kleinbahnzüge bereitgestellt, welche im Anschluß an die Hauptbahnzüge von und nach Wiesbaden, beziehungsweise in Richtung von und nach Rüdesheim - Lahnstein, verkehrten. Werktäglich waren es im Sommerhalbjahr etwa 10 Zugpaare, an Sonn- und Feiertagen 12 bis 15 Zugpaare (Ausflugsverkehr von Wiesbaden aus und dem Rhein­gau). Dabei erfreuten sich die vorhandenen drei seitlich offenen sogenannten Sommerwagen besonderer Beliebtheit! Die Fahrzeiten für die ganze Strecke schwankten zwischen 32 und 40 Minuten. Im Winterhalbjahr verkehrten nur 6 Zugpaare. Zugkreuzungen fanden am Haltepunkt Rauenthal statt. Ein erheblicher Nachteil für die Kleinbahn war es, daß sich die Staatsbahn nicht entschließen konnte, auch die Schnellzüge in Eltville halten zu lassen! - In den Anfangsjahren ruhte der Fahrbetrieb im Winter teilweise bei ungünstiger Witterung, bei Schneefall und Glatteis.

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Der Endbahnhof in Schlangenbad lag am südlichen Ortsrand ungünstig, etwa 1 km weit vom Ortsmittelpunkt entfernt, da, wo heute die Ortstafel steht. Der Bahnhof hatte eine zweigleisige Ausweiche zum Umsetzen der Loks. Durch die ungünstige Lage dieses Bahnhofes wurde der Güterverkehr nicht unerheblich be­einträchtigt. Befördert wurden damals hauptsächlich Baustoffe, Brennmaterialien für die Haushalte und die Hotels in Schlangen­bad und auch für die Ziegelei Racky bei Neudorf.

Die Bahn lebte sehr wesentlich vorn Kurbetrieb des Badeortes Schlangenbad, an Sonn- und Feiertagen zusätzlich vom Ausflugs­verkehr. Wenn die Züge in Schlangenbad ankamen, standen die Hoteldiener mit Handkarren am Bahnhof, um die Gäste mit ihrem Gepäck in Empfang zu nehmen!

Die Streckenlänge der Bahn betrug 7,65 km, die Gleislänge 8,94 km. Das Gleis lag auf der ganzen Länge überwiegend in der Mitte der gepflasterten Ortsstraßen und der geschotterten Chaus­see, beziehungsweise in Seitenlage links oder rechts. Nur 0,8km verliefen auf eigenem Bahnkörper.

Vom Endpunkt am Staatsbahnhof Eltville (90 m ü. NN) führte die Gleisstrecke auf etwa 100 m Länge stark abfallend zu der Unter­führung unter der Staatsbahn, einbiegend in enger Rechtskurve in die Provinzialstraße nach Schlangenbad.

In entgegengesetzter Richtung befand sich im Anschluß an die zweigleisige Ausweiche am Staatsbahnhof Eltville noch ein Ab­zweig zum Staatsbahn-Güterbahnhof, sowie ein Gleisanschluß zu der etwa 100 m entfernt liegenden Malzfabrik. Bei längeren Klein­bahnzügen - ab drei Wagen - mußte dieser Gleisanschluß zum Lok-Umsetzen zur Hilfe genommen werden!

Von dieser Stelle aus soll auch noch ein Gleisstrang von 1,19km Länge zu einem kleinen Ladekai am Rheinufer geführt haben. Dieser Anschluß soll aber schon lange vor der endgültigen Be­triebseinstellung stillgelegt und abgebaut worden sein. Absolut Sicheres über diesen Gleisanschluß war leider nicht zu ermitteln. Nun wieder zur Streckenführung in Richtung Schlangenbad: Bei km 0,8 oberhalb der Ortsgrenze Eltville befanden sich die Lok- und Wagenschuppen mit Werkstatt, Magazin, Kohlenbunker und Öllager usw. Heute befindet sich auf diesem ehemaligen Betriebs­hofgelände das Depot der Deutschen Bundespost für die Omni­busse der Linien von Eltville nach Schlangenbad und Kiedrich. Vom Ortsausgang Eltville aus führte die Strecke ständig steigend bis zur Anhöhe vor dem Weinort Neudorf - heute Martinsthal -, um dann wieder etwas abfallend bei km 3,3 durch den genannten Ort zu kommen. Die Ortsdurchfahrt war hier so eng, daß gemäß der Vorschriften „der zugführende Schaffner mit einer roten Fahne und einer Schelle in der Hand" dem Zug voranzugehen hatte! Nächster Haltepunkt an der Strecke war bei km 3,7, genannt Rauenthal. Von hier aus führte in etwa 1,5 km Länge in mehr­fachen Windungen der steile, und damals steinige und enge Fahr- und Fußweg zu dem Weinort Rauenthal empor. Es folgte dann der Haltepunkt Kloster Tiefenthal bei km 5,1 über Klinger-Mühle usw. zur Endstation Schlangenbad (310 m ü. NN) bei km 7,8. Die Bahn hatte von Anfang an stets Sorgen. Man hatte das Ver­kehrsaufkommen doch wohl erheblich überschätzt. Zwar gab es außer den Kurgästen und Ausflüglern auch die Bewohner der um­liegenden Ortschaften, die nach Eltville oder auch weiter nach Wiesbaden oder Mainz zur Arbeit oder zum Einkaufen fuhren. Aber die Transportzahlen reichten nicht aus, um die Bahn auf feste Füße stellen zu können. Jugendliche, Schüler und Pendler brachten angesichts der für diese Gruppen eingeräumten niedri­gen Tarife keine nennenswerten Einnahmen.

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So schleppte sich der Betrieb mühevoll dahin. Bis zum Jahre 1901 arbeitete die Bahn trotz der Garantiezahlungen der Gemeinden mit Verlust. 1902 deckten die Einnahmen erstmals die Ausgaben. Dann gab es dank einer allgemeinen Verkehrszunahme und der weiterhin gezahlten Beiträge der Landkreise und der Gemeinden bis 1907 eine bescheidene Verzinsung von 2% des Anlagekapita­les, welches im Jahre 1895 auf 531 577, - Mark festgesetzt wor­den war.

1905/06 versuchte die Bahngesellschaft nochmals, die als Dampf - Straßenbahn konzessionierte Bahn in die Rechtsform einer Klein­bahn umzuwandeln. Man wies daraufhin, daß im Jahre 1904 über 13% der Einnahmen aus dem Güterverkehr geflossen seien. Der zuständige Regierungspräsident zu Wiesbaden konnte sich nach Prüfung des Komplexes aber nicht zu dieser Veränderung ent­schließen und lehnte das Gesuch ab.

Zwischenzeitlich hatte sich das Verhältnis zwischen den Zuschuß zahlenden Stellen und der Bahnverwaltung ständig verschlechtert. Es gab Anstände bezüglich des pünktlichen Verkehrsablaufes, der Sauberkeit der Fahrzeuge und Stationen, so daß ab dem Jahre 1908 die Garantiezahlungen eingestellt wurden. Die Bahngesell­schaft trat dann an die Anliegergemeinden und die Landräte der Landkreise Untertaunus und Rheingau heran, die Bahn und ihre Anlagen ganz zu übernehmen, oder sich an einer neu zu grün­denden G.m.b.H. zu beteiligen. Aber auch diese Versuche schei­terten.

Quellen-Nachweis:

Archiv der Stadt Eltville (Rhein) (auch die Fotos)
Archiv der Stadt Rüdesheim (Rhein)
Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden
Dipl.-lng. Gerd Wolff, Oldenburg,
Rolf Löttgers, Altena

(Fortsetzung folgt)

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