Neuwied am Mittelrhein

Neuwied im konfessionellen Zeitalter

Setzte die Toleranzpolitik seines Großvaters fort: Fürst Johan Friedrich Alexander, Graf zu Wied-Neuwied (1706-1791)[Bild: Johann Baptist Hirschmann (1770–1829) [gemeinfrei]]

Im Neuwieder Stadtprivileg von 1662 räumte Graf Friedrich III. von Wied den Bürgern der Stadt viele Zugeständnisse und Rechte (z. B. Steuerbefreiung, Selbstverwaltungsrechte) ein. Von historischer Bedeutung war jedoch der erste Punkt des Privilegs, der den Neuwieder Bürgern gestattete, ihre Religion frei auszuüben.

Zwar war die reformierte Konfession offizielles Bekenntnis der Grafschaft, doch auch den Lutheranern und Katholiken wurden damit weitgehende Rechte eingeräumt. Seit dem Westfälischen Frieden von 1648 waren die Glaubensgemeinschaften der Reformierten, Lutheraner und Katholiken offiziell anerkannt, doch aufgrund des Leitsatzes cuius regio, eius religio bestimmte der jeweilige Landesherr über die in seinem Gebiet geltende Glaubensrichtung. Den Andersgläubigen blieb häufig aufgrund von Repressalien und Verfolgung lediglich die Abwanderung in ein anderes Herrschaftsgebiet.

Der Zuzug von Handwerkern und Kaufleuten in die neugegründete Residenzstadt blieb nach 1653 vorerst gering, deshalb nutzte der Neuwieder Graf das Privileg und insbesondere die Toleranzverordnung, um die Stadt für eine größere Gruppe von Menschen attraktiv zu machen – mit großem Erfolg.

Aufgrund der toleranten Lebensbedingungen zog es auch Gruppen anderer Glaubensgemeinschaften in die Stadt, deren Bitten um Ansiedlung und freie Religionsausübung stattgegeben wurde. Zwar kam es trotz aller verbrieften Rechte auch immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen den Konfessionen, doch der Stadtgründer und seine Nachfolger hielten an ihrer Toleranzpolitik fest und vermittelten zum Wohle der Stadt in Streitfällen. Dies hatte zur Folge, dass Mitte des 18. Jahrhunderts sieben verschiedene Glaubensgemeinschaften in der florierenden Stadt angesiedelt waren: Reformierte, Lutheraner, Katholiken, Mennoniten, Inspirierte, Herrnhuter und Juden.

Um das religionstolerante Klima zu stabilisieren, blieben die Landesherren weiter aktiv: So wurde beispielsweise in Verträgen mit Unternehmern im 18. und 19. Jahrhundert ausdrücklich gefordert, Arbeiter aller Konfessionen einzustellen.

Verfasser: Katharina Üçgül
Erstellt am: 15.07.2014
Literatur:

  • 1653-1953 - 300 Jahre Neuwied. Ein Stadt- und Heimatbuch, Neuwied 1953.
  • Grossmann, Walter: Städtisches Wachstum und religiöse Toleranzpolitik am Beispiel Neuwied, in: Archiv für Kulturgeschichte 63/63 (1980/81), S. 207-232.
  • Volk, Stefan: Peuplierung und religiöse Toleranz. Neuwied von der Mitte des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, in: Rheinische Vierteljahresblätter 55 (1991), S. 205-231.