Reitzenhain am Mittelrhein

Reitzenhain

Aus vorgeschichtlicher Zeit wurden zwei Hügelgräber in der Gemarkung des heutigen Reitzenhains gefunden. Zur Zeit der Römer war die Umgebung vor allem militärisch relevant, ein römischer Handelsweg führte etwa 2km durch das Gebiet der Gemeinde.

Das Dorf entstand vermutlich aus einer Siedlung nach der Rodung des ursprünglich bewaldeten Landes im 12. Jahrhundert. Erstmals schriftlich erwähnt wird das Dorf um das Jahr 1260. In einer Urkunde teilen die Brüder Graf Diether V. und Eberhard I. von Katzenelnbogen ihren Besitz auf, darunter das als „Rizenhagen“ bezeichnete Reitzenhain.

Im Mittelalter besaßen die Herren von Isenburg als Nachfolger der Arnsteiner Grafen die Vogtei und Grundherrschaft im Gericht Niederwallmenach, zu dem auch das Dorf Reitzenhain gehörte. 1283 verlehnten die Isenburger ihren Besitz an Ritter Simon von Heppenheft. Im Jahr 1379 erwarb Wilhelm II. von Katzenelnbogen alle Güter und Rechte, die Antonius und Ulman von Montfort unter anderem in Reitzenhain besaßen. 1416 gelang es den Katzenelnbogenern, Reitzenhain ganz in ihren Lehensbesitz zu bringen. Im Jahre 1416 verkaufte Graf Phillipp von Nassau-Saarbrücken die Dörfer zu Wallmenach und „Rytzenhan“, die er zwei Jahre zuvor für 1100 Gulden von Philipp von Isenburg erworben hatte, für 1200 Gulden an Johann II. von Katzenelnbogen. Reitzenhain war damit Bestandteil der Niedergrafschaft Katzenelnbogen, die vom Schloss Rheinfels aus verwaltet wurde. Nach dem Aussterben der von Katzenelnbogen traten 1479 die Landgrafen von Hessen das Erbe an.

Um 1600 hatte das Dorf etwa 160 Einwohner:Innen. Bis 1626 wurde Reitzenhain von der Linie Hessen-Kassel regiert, dann während der Kämpfe im Landgrafenhaus von Hessen-Darmstadt erobert, 1647 von Hessen-Kassel zurückerobert. Im Jahr 1648 wurde der Besitz dem Landgrafen Ernst von Hessen-Rotenburg übergeben. Wie andere Dörfer und Städte der Umgebung litt auch Reitzenhain sehr unter Hunger, Seuchen und Truppendurchzügen im Dreißigjährigen Krieg. Die Einwohner:innenzahl sank auf unter 100 Personen.

Die Landesherrschaft der Rotenburger währte bis 1794. Die Herrschaft des hessischen Hauses über die Niedergrafschaft Katzenelnbogen endete im Jahr 1806.

Reitzenhain gehörte zusammen mit den Dörfern Lautert, Rettershain und Niederwallmenach zum Kirchspiel von Oberwallmenach. Das bedeutete, dass der Pfarrer von Oberwallmenach die Kirchen der einzelnen Orte betreute. Seit wann Reitzenhain eine eigenes Kirchengebäude besaß, ist heute nicht mehr festzustellen. Auch mussten die Kinder aus Reitzenhain die Schule in Oberwallmenach besuchen, bis 1680 ein eigenes Schulgebäude im Ort gebaut wurde. Mit Einführung der Mittelpunktschule in Sankt Goarshausen in den 1970er Jahren wurde der Schulbetrieb in Reitzenhain eingestellt. Im Jahr 1783 wurde die neue Ortskirche eingeweiht, die noch heute fast unverändert steht. Weiterhin entstanden im 18. Jahrhundert zahlreiche verputzte Fachwerkhäuser, die bis heute das Bild des Straßendorfs bestimmen, obwohl ein Brand am 2. Juli 1803 das halbe Dorf mit Backhaus und Schule in Schutt und Asche legte.

Von 1806 bis 1813 war das Gebiet der Niedergrafschaft unter französischer Verwaltung Napoleons (Pays réservé de Catzenellenbogen). Im Wiener Kongress 1815 schließlich wurden Reitzenhain und 34 andere Gemeinden dem Herzogtum Nassau einverleibt, welches wiederum im preußisch-österreichischen Krieg 1866 vom Königreich Preußen annektiert worden war. Es war zunächst der Provinz Hessen-Nassau zugeordnet und ab 1885 dem neu gegründeten Kreis Sankt Goarshausen.

Bereits vor Beginn des 20. Jahrhunderts zählte die Gemeinde über 300 Einwohner:Innen.[Anm. 1]

Wie genau sich die beiden Weltkriege und der Nationalsozialismus auf den Ort auswirkten, ist noch nicht erforscht. Im Ersten Weltkrieg wurden 50 Personen aus Reitzenhain als Soldaten eingezogen, von denen 13 nicht mehr in ihre Heimat zurückkehrten. Nach dem Krieg war das Gebiet bis 1929 von Frankreich besetzt. Zur Zeit des Nationalsozialismus wurden ab Anfang 1940 Kriegsgefangene aus Polen, der Ukraine, Russland und Frankreich nach Reitzenhain geschickt, um die durch den Truppeneinzug besonders in der Landwirtschaft fehlenden Arbeitskräfte zu kompensieren. Im Zweiten Weltkrieg fielen 28 Soldaten aus der Gemeinde. Die Gemeinde diente als Notunterkunft für viele Opfer von Luftangriffen aus der Umgebung. Nach der Befreiung durch amerikanische Truppen am 27. März 1945 lag Reitzenhain in der französischen Besatzungszone.

Seit 1946 gehört Reitzenhain zum neugegründeten Bundesland Rheinland-Pfalz und seit 1972 zur Verbandsgemeinde Loreley.

Nachweise

Erstellt am: 14.12.2020

Verfasserin: Katrin Kober

Dieser Artikel basiert auf: Ostmann, Rolf: Chronik des Dorfes Reitzenhain. Herausgegeben anlässlich der 750-Jahrfeier. 1250–2000. Reitzenhain 2000.

Anmerkungen:

  1. Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz: Reitzenhain, Bevölkerung – Zeitreihen, https://infothek.statistik.rlp.de/MeineHeimat/tscontent.aspx?id=103&l=3&g=0714109115&tp=1027&ts=tsPop01 (Aufruf am 14.12.2020).  Zurück