Zur Geschichte von Sinzig
Die Stadt Sinzig liegt am Zusammenfluss von Rhein und Ahr. Wahrscheinlich haben hier schon seit der Steinzeit Menschen gesiedelt. Als die Römer an den unteren Mittelrhein vordrangen, fanden sie die Gegend von Treverern und Eburonen bevölkert, zwei keltischen Stämmen, die sich gegen die neue militärische Übermacht wehrten. Die Römer schlugen im Jahr 54 v. Chr. einen von dem Eburonenkönig Ambiorix angeführten Aufstand nieder und erlaubten daraufhin den germanischen Ubiern, die aus der Gegend des Westerwalds stammten, sich links des Rheins anzusiedeln. Auf dem Gebiet des heutigen Sinzig entstand eine römisch geprägte Siedlung namens Sentiacum. Nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches drangen Franken in die Gebiete links des Rheins vor. Bei Sinzig errichteten sie eine Königspfalz, die im Jahr 762 erstmals urkundlich als Wohnsitz Pippins des Jüngeren (714-768) genannt wird. Als das Frankenreich im Vertrag von Verdun (843) unter den drei Enkeln Karls des Großen aufgeteilt wurde, fiel Sinzig dem Mittelreich Lothars I. (795-855) zu. Dieser ließ die Pfalz ausbauen. In einer Schenkungsurkunde Lothars aus dem Jahr 855 wird erstmals eine dem heiligen Petrus geweihte Kapelle erwähnt, bei der er sich sicherlich um einen Vorgängerbau der heutigen Sinziger Peterskirche handelte.
Im Vertrag von Meersen (870) fiel Sinzig dann wieder an das Ostfränkische Reich. Als karolingisches Königsgut ging es nach dem Niedergang der fränkischen Dynastie in das Reichsgut der deutschen Kaiser und Könige über. Mitunter zog die Politik ihrer Herren die Pfalz schwer in Mitleidenschaft. So wurde der Ort - ebenso wie das südlich gelegene Andernach - in dem Konflikt zwischen dem Salier Heinrich V. und mehreren Reichsfürsten 1114 dem Erdboden gleichgemacht. Doch es gab auch glanzvolle Momente. Noch heute nennt sich Sinzig stolz "Barbarossastadt", weil der neugewählte Friedrich I. (1122-1190) hier im Jahr 1152 auf dem Weg zur Krönung Station machte. Es folgten Aufenthalte Barbarossas in den Jahren 1158, 1174 und 1180. In der Mitte des 13. Jahrhunderts trat Sinzig dem Rheinischen Städtebund bei.
Nach dem Tod Barbarossas wurde die Gegend um Sinzig mehrmals zum Schauplatz des Machtkampfes zwischen Staufern und Welfen. Mit Beginn der kaiserlosen Zeit des Interregnums (1256-1273) standen die Sinziger ohne Schutzherrn da und mussten den Herzog von Jülich um Beistand bitten. Da dieser mit dem Erzbischof von Köln im Krieg lag, folgte nun eine Zeit der wechselnden Eroberungen. Als der Ort kurzzeitig in die Hände des Kölners fiel, bestätigte dieser den Einwohnern am 12. Oktober 1267 alle Rechte und Freiheiten, die sie bisher genossen hatten. Seitdem kann Sinzig als Stadt gelten.
Unter der Herrschaft König Rudolfs von Habsburg (1218-1291) fiel Sinzig wieder an das Reich. Sein Nachfolger Adolf von Nassau (1250-1298) gewährte den Bürgern im Jahr 1297 das Recht, eine Art Verbrauchssteuer (Ungeld) auf bestimmte Güter zu erheben, um den Bau einer Stadtbefestigung zu finanzieren. Als Stadtherren wechselnden sich in dieser Zeit das Reich, die Kölner Erzbischöfe und die Herzöge von Jülich ab. Seit dem späten Mittelalter war Sinzig jedoch meist an das Herzogtum Jülich verpfändet und diente als Hauptort eines gleichnamigen Jülichschen Amtes. Ein verheerender Brand zerstörte im Jahr 1583 sehr viel von der alten Bausubstanz der Stadt.
Im Dreißigjährigen Krieg hatten die Sinziger unter Einquartierungen, Plünderungen und Epidemien zu leiden, die sich im darauffolgenden Pfälzischen (1688-1697) und Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1714) fortsetzten. Den nächsten großen Einschnitt bildete der Beginn der Revolutionskriege. Im Jahr 1792 drangen französische Truppen auch nach Sinzig vor. Das gesamte linke Rheinufer fiel 1801 im Frieden von Lunéville an Frankreich und wurde nach den neuen politischen Grundsätzen regiert, die im Mutterland der Revolution Einzug gehalten hatten. Die alten Herrschaftsverhältnisse lösten sich auf. Erst mit dem Sturz Napoleons und der der darauffolgenden Neuordnung Europas kam auch Sinzig wieder zu Deutschland, genauer gesagt unter preußische Verwaltung. Die neue Regierung sorgte für stabile politische Verhältnisse und wirtschaftlichen Aufschwung in der Region. Die Straßen und das Eisenbahnnetz wurden ausgebaut und der Sinziger Mineralbrunnen erschlossen. 1883 legte man die alte Stadtmauer nieder, da die Gemeinde mittlerweile über ihre Grenzen hinausgewachsen war.
Im Ersten Weltkrieg fielen insgesamt 137 Sinziger. Die frühen Zwanziger Jahre waren mit Inflation, französischer Besatzung und der gescheiterten Ausrufung einer "Rheinischen Republik" eine politisch und wirtschaftlich schwierige Zeit am Mittelrhein. Auch in Sinzig wurden mit dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft missliebige Gemeinderatsmitglieder aus ihren Ämtern gedrängt und jüdische Bürger drangsaliert. 1938 kam es hier wie überall in Deutschland zu schweren antisemitischen Ausschreitungen. Seitdem lebten nur noch 19 Juden in der Stadt. Wer sich nicht rechtzeitig retten konnte, wurde nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs deportiert.
Sinzig hatte im Krieg 144 Gefallene und zahlreiche durch Bombenangriffe ums Leben gekommene Zivilisten zu beklagen. Gegen Ende des Krieges errichteten die Alliierten zwischen Remagen und Niederbreisig das provisorische Kriegsgefangenenlager "Goldene Meile", in dem zeitweise bis zu einer Viertelmillion Gefangene unter sehr schlechten Bedingungen interniert waren. Das Lager war in zwei Zonen aufgeteilt, von der eine der Stadt Remagen, die andere der Stadt Sinzig zugeteilt war.Von Mitte April bis Ende Juli 1945 starben hier 1247 Gefangene, an die heute die Kriegsgräberehrenstätte im Sinziger Stadtteil Bad Bodendorf erinnert. Aufgrund der Nähe zur neuen westdeutschen Hauptstadt Bonn wurde die Sinziger "Villa Sonntag" nach dem Krieg zeitweise zum Politikerwohnsitz und Botschaftsgebäude umfunktioniert. Seit 1969 ist Sinzig verbandsfreie Stadt mit den Stadtteilen Bad Bodendorf, Franken, Koisdorf, Löhndorf und Westum.
Nachweise
Verfasserin: Sarah Schrade
Verwendete Literatur:
- Karl Bruchhäuser: Heimatbuch der Stadt Sinzig. Koblenz 1953.
- Jürgen Haffke und Bernhard Koll (Hgg.): Sinzig und seine Stadtteile - gestern und heute. Sinzig 1983.
- Ulrich Helbach: "Barbarossa-Stadt Sinzig". Die Bewahrung der Geschichte zwischen Mythos und historischer Tradition. In: Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 59 (2002), S. 85-89.
- Ders.: Pfalzort - Reichsstadt - Landstadt - Kleinstadt - Mittelzentrum. Zur Geschichte der Stadt Sinzig. In: Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 52 (1995), S. 59-63.
Erstellt am: 15.05.2013