Weyer
0.1.Mittelalter
Erstmals schriftlich erwähnt wurde die Ortsgemeinde Weyer als „Wilre" im Jahr 1250 in einem Lehensverzeichnis der Herren von Eppstein. Diese hatten ein Viertel des Dorfes, sowie das Recht zur Ernennung des Pfarrers und die Vogtei als Lehen an den Ritter Heinrich Biz weitergegeben. Wichtigster Grundherr im Dorf war aber das Kloster Gronau, das seine Gerechtsame Wilhelm Hepe von Heppenheft als Lehen überlassen hatte.
Ab 1363 übertrug das Kloster seine Rechte an Erzbischof Kuno von Trier. Auch der Ritter von Heppenheft verkaufte 1364 sein Lehen an die Trierer Kirche. Damit war das Erzstift Trier Herr über den größten Teil des Dorfes.
Weyer lag seit dem 14. Jahrhundert im Landgericht der vier Herren auf dem Einrich – kurz das „Vierherrische". Dieser Begriff entstand, nachdem durch die Teilungen der Grafenhäuser von Nassau (1255) und von Katzenelnbogen (1260) die Grafschaft auf dem Einrich vier Herren gemeinsam gehörte. Die Zersplitterung der Landeshoheit war Anlass für manchen Streit der „Herren“ untereinander, was sich auch nicht änderte, als Hessen-Kassel 1479 nach dem Aussterben des Grafenhauses in die Rechte der Katzenelnbogener eintrat. Sie nannten die ehemals katzenelnbogischen Gebiete Niedergrafschaft Katzenelnbogen. Das bedeutete nun, dass die hessischen Landgrafen die grundherrlichen und gerichtshoheitlichen Rechte in Weyer innehielten.
0.2.Frühe Neuzeit bis 19. Jahrhundert
Im 15. und 16. Jahrhundert wurde die Niedergrafschaft Katzenelnbogen wegen Erbstreitigkeiten aufgeteilt. Weyer, welches damals auch „Weiger“ genannt wurde, kam zum Hessen-Rheinfelsischen Amt St. Goar unter dem Landgrafen von Hessen-Darmstadt. Im 16. Jahrhundert wurde auch die Reformation in Weyer durchgesetzt und der Ort somit evangelisch. Das führte zu der kuriosen Situation, dass der katholische Erzbischof von Trier als Patronatsherr der Kirche von Weyer dort die evangelischen Pfarrer einsetzen musste.
Im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) erfuhr Weyer wie fast alle umliegenden Dörfer großes Leid durch die umherziehenden Truppen, Seuchen und Hungersnöte. 1623 wurde die Kirche zerstört und erst 1744, mehr als 120 Jahre später, durch das noch heute erhaltene Kirchengebäude ersetzt. 1526 hatte Weyer 14 Hausvorstände, also schätzungsweise knapp 100 Einwohner*Innen, bis 1587 war diese Zahl auf 18 gewachsen, also etwa 126 Einwohner*Innen. Eine weitere überlieferte Zählung im Jahr 1630, also mitten im Dreißigjährigen Krieg, berichtet ebenso von 18 Hausvorständen. [Anm. 1] Daran ist ersichtlich, dass die Gemeinde aufgrund des Krieges geschrumpft war und in ihrem Wachstum stagnierte.
1755 kam es durch den zweiten Nastätter Rezess, einem Vertrag zwischen den Herrschern von Nassau und Hessen-Kassel, zur Auflösung des „Vierherrischen“. Nach Weyer wurde dem Amt Reichenberg zugeschlagen, und blieb mit diesem bis 1806 hessisch. Seit 1774 unterstand die Niedergrafschaft Katzenelnbogen und damit das Gebiet um Weyer dem Haus Hessen-Kassel.
1835 lebten 378 Menschen in Weyer[Anm. 2], davon waren elf jüdischen Glaubens. Um 1800 hatten sich die wenigen jüdischen Familien der Orte Weyer, Nochern und Lierschied zu einer Gemeinde mit Friedhof in Nochern zusammengefunden. Gottesdienste wurden seit etwa 1818 in einem als Betraum eingerichteten Teil des Hauses der Familie Ackermann in Weyer abgehalten. Aufgrund der geringen Größe der Gemeinde wurden ihre Kinder von für den Unterricht anreisenden jüdischen Lehrern aus beispielsweise Sankt Goarshausen unterrichtet.[Anm. 3]
Von 1806 bis 1813 war das Gebiet der Niedergrafschaft Katzenelnbogen unter französischer Verwaltung Napoleons (Pays réservé de Catzenellenbogen). Sie wurde in der Folgezeit wie eine französische Provinz behandelt, ohne jedoch - wie das linke Rheinufer - förmlich annektiert worden zu sein. Im Volksmund sprach man von dem „aufgehobenen Ländchen“.
Im Wiener Kongress 1815 wurden Weyer und 34 andere Gemeinden dem Herzogtum Nassau einverleibt, welches wiederum im preußisch-österreichischen Krieg 1866 vom Königreich Preußen annektiert worden war. Es war zunächst der Provinz Hessen-Nassau zugeordnet und ab 1885 dem neu gegründeten Kreis Sankt Goarshausen.
0.3.20. und 21. Jahrhundert
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts zählte Weyer etwa 400 Einwohner*Innen.[Anm. 4] Wie genau sich die beiden Weltkriege und der Nationalsozialismus auf den Ort auswirkten, ist noch nicht erforscht. Am 11. August 1942 fielen Bomben in der Nähe des Dorfes, Schäden entstanden jedoch keine. Auch bei Bombenangriffen in den letzten Kriegsmonaten wurde zwar ein Wohnhaus zerstört, Menschen aber kamen nicht ums Leben. Nach beiden Weltkriegen lag Weyer in der jeweiligen französischen Besatzungszone.
1925 lebten 21, 1932 noch zehn Personen jüdischen Glaubens in Weyer. Es gelang zwei Familien vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten nach Amerika auszuwandern. In der Reichspogromnacht am 9. November 1938 wurde das Haus der Familie Ackermann, in dem sich der Betraum der Gemeinde befand, völlig verwüstet. Sowohl ihr Privatbesitz als auch die Ausstattung des Gebetsraumes wurden auf offener Straße zerstört und verbrannt. Das Gebäude an sich blieb erhalten, wurde jedoch 1971 abgerissen. Im November 1941 wurde die Familie Siegfried Ackermanns zur Zwangsarbeit im Bergbau in das Arbeitslager Friedrichssegen gebracht. Im Sommer 1942 schließlich wurden sie in Vernichtungslager in Osteuropa deportiert. Insgesamt sind 13 in Weyer geborene und/oder dort lebende Juden durch die Nationalsozialisten ermordet worden. Auf dem jüdischen Friedhof in Nochern wird mit einer Gedenktafel an die verfolgten jüdischen Familien aus Lierschied, Weyer und Nochern gedacht.[Anm. 5]
Seit 1946 gehört Weyer zum neugegründeten Bundesland Rheinland-Pfalz und seit 1972 zur Verbandsgemeinde Loreley.
0.4.Nachweise
Verfasserin: Katrin Kober
Erstellt am: 16.02.2021
Dieser Artikel basiert auf:
- Ev. Kirchengemeinde Weyer (Hg.): 250 Jahre ev. Kirche Weyer. 1744–1994. Festschrift zur Geburtstagsfeier am 10./11. September 1994. Weyer/Taunus 1994.
- Weyer/Rhein-Lahn-Kreis (Hg.): 750 Jahre Weyer. 1250-2000. Jubiläumsfestschrift. 29. September bis 02. Oktober 2000. Weyer 2000.
Anmerkungen:
- Aus den drei Jahren sind jeweils die Zahlen der Hausvorstände überliefert: 1526 – 14, 1587 und 1630 – 18. Geht man davon aus, dass diese Oberhäupter von jeweils durchschnittlich sieben Familienmitgliedern waren, ergeben sich diese Zahlen. Vgl. Obel, Werner: Lierschied. Chronik eines Dorfes. Koblenz 1995, S. 26. Zurück
- Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz: Weyer, Bevölkerung – Zeitreihen, http://www.infothek.statistik.rlp.de/MeineHeimat/tscontent.aspx?id=103&l=3&g=0714109138&tp=2047&ts=tsPop01 (Aufruf am 09.02.2021). Zurück
- „Die Synagoge in Weyer (VG Loreley, Rhein-Lahn-Kreis)“ in Alemannia Judaica, http://www.alemannia-judaica.de/weyer_synagoge.htm (Aufruf am 09.02.2021). Zurück
- Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz: Weyer, Bevölkerung – Zeitreihen, http://www.infothek.statistik.rlp.de/MeineHeimat/tscontent.aspx?id=103&l=3&g=0714109138&tp=2047&ts=tsPop01 (Aufruf am 09.02.2021). Zurück
- Mehr zu der jüdischen Gemeinde von Weyer auf: „Die Synagoge in Weyer (VG Loreley, Rhein-Lahn-Kreis)“ in Alemannia Judaica, http://www.alemannia-judaica.de/weyer_synagoge.htm (Aufruf am 09.02.2021). Zurück