Zur Geschichte von Habenscheid
von Rüttger Schrörs
In der Bronzezeit begannen die Menschen nach und nach sesshaft zu werden. Zahlreiche Hügelgräber im Waldgebiet der Fuchsenhöll bezeugen, dass die Gegend um Habenscheid bereits in vorchristlicher Zeit besiedelt war. Diese Gräber liegen meist in der Nähe von alten Völkerwegen, die schon damals unsere Gegend durchzogen. Erwähnenswert ist hier die Rintstraße zwischen Katzenelnbogen und Diez, die oberhalb von Habenscheid den Wald durchzieht. Die Rintstraße zweigt am Hühnerscherkopf (Waldgebiet bei Schönborn) von der Hessenstraße ab, die bereits zur Zeit der Kelten von St, Goarshausen über Nastätten, Katzenelnbogen, Hahnstätten bis weit ins heutige Hessen (Wetzlar, Kassel) verlief.
In einer Schenkungsurkunde Karls des Großen, datiert vom 9. Juli 790, wird Habenscheid unter dem Namen „Abothisscheid“ das erste Mal erwähnt. Der Name Abothisscheid könnte althochdeutsch sein und Habichtswald bedeuten. Eine weitere Auslegung erklärt den Namen mit „zum Wald des Adalbold“. Die Forschung ist sich hier nicht einig. Die Originalurkunde ging leider im Laufe der Jahrhunderte verloren. Eine in Latein abgefasste Arbeitsabschrift des Liber aureus von Prüm aus dem 10. Jahrhundert wird in der Stadtbibliothek Trier aufbewahrt. Hiernach schenkte der Adelige Alpad nach einem Gerichtsverfahren Güter im Lahn-, Einrich- und Engersgau dem Abt Assorius des Klosters Prüm. In der Nähe von Habenscheid stand sehr wahrscheinlich noch das Dorf Wenigenscheid. Es gibt Quellen, die noch von einem dritten Dorf mit Namen Hinterhabenscheid berichten. Um 1190 wird Habenscheid an Werner von Bolanden verliehen. Die Dörfer Habenscheid Cramberg, Biebrich, Wasenbach und Wenigenscheid bildeten einen Bezirk, über den 1328 den Herrn von Westerburg die hohe Gerichtsbarkeit verliehen wurde. Dieser Bezirk schloss nordwestlich an das Gericht Katzenelnbogen an. Der Grenzverlauf zwischen Biebrich und Habenscheid ist über die Jahrhunderte konstant geblieben. Um 1350 nennt eine Beschreibung des Schaumburger Burgfriedens Habenscheid als Grenzort gegen das Katzenelnbogische. Weitere Beschreibungen liegen vor aus 1536, 1542 und 1643. Das Habenscheider Kirchspiel kam von den Grafen von Arnstein an Isenburg, dann durch Vermählung an Ruprecht III. von Nassau und durch dessen Tochter 1194 an die Grafen von Virneburg. Graf Gerlach Isenburg-Limburg überließ es 1279 seinem Schwiegersohn Heinrich von Westerburg. Westerburg verpfändete 1328 und 1435 das Gericht Habenscheid an die Grafen von Katzenelnbogen. Nach dem Aussterben des Grafengeschlechts von Katzenelnbogen in der männlichen Linie kam Habenscheid 1479 an Hessen und wurde von diesem eingelöst. Bei der Leiningen-Westerburgischen Teilung machte es 1547 eine besondere Linie aus. Danach scheint Wasenbach aus dem Schaumburger Territorium ausgeschieden zu sein. Um 1600 gehörte Wasenbach als reichsritterschaftliches Gebiet den Herrn von Kronberg.
Kirchspielort und damit Gerichtsort und Zentrum der Herrschaft Schaumburg und des Dorfes Wasenbach war Habenscheid. Das Gericht in Habenscheid übte die hohe und niedere Gerichtsbarkeit aus. Das Centgericht (schon um 1328) hatte das Recht, Todesurteile zu fällen und auch zu vollstrecken. Unrühmlich waren die Hexenprozesse und die Verbrennung der Verurteilten auf dem Scheiterhaufen zwischen 1629 und 1631. Aus einem Brief des Besitzers der Schaumburg, Christoph Graf zu Leinigen-Westerburg, geht hervor, dass 1632 Wasenbach von Solnischen (schwedischen) Reitern besetzt war. Diese wurden von spanischen Reitern überfallen und ausgeplündert. Die Schweden glaubten wohl an Verrat und verlangten Schadenersatz. Da dieser verweigert wurde, könnten sich die Schweden an Habenscheid schadlos gehalten haben. Wie so viele Orte wurde auch Habenscheid im 30-jährigen Krieg dem Erdboden gleichgemacht. Von dem Zentrum Habenscheid selbst blieb neben der Kirche nur noch das Pfarrhaus bis ins 20. Jahrhundert erhalten. Aus einer alten Urkunde geht hervor, dass bei einem Grenzbegang des Catzenelnebogener Gerichts vom 15.08.1643 die damaligen Gemeindegrenzen festgelegt, bzw. bestätigt wurden. Die damaligen Gemarkungsgrenzen entsprechen in etwa noch den heutigen Grenzen. Die Grenzsteine wurden zwar im Laufe der Jahre ersetzt, aber heute noch lassen sich alte Steine aus dem 18. Jahrhundert an den Grenzen finden.
Die gesamte Herrschaft Schaumburg, somit auch Habenscheid, wurde 1656 an Agnes, die Witwe des Grafen Peter Melander von Holzappel, verkauft. Dadurch kam Habenscheid 1692 durch Erbgang an das Fürstentum Anhalt-Bernburg. Eine Beschreibung der Herrschaft Schaumburg aus dem Jahre 1680 besagt unter anderem: „Die Kirch zu Habenscheid ist von alters die rechte Pfarrkirch gewesen und auch noch, haben in diese Kirch gegangen die Herrschaft Schaumburg mit ihren Leuten, haben ihren Stand im Chor auf der linken Hand, seynd ihre Stühl grün angestrichen, danach seyn in die Kirch gegangen das Dorf Cramberg, Steinsberg, Biebrich, Wasenbach und die Berbacher….. Diese Kirch steht noch auf Westerburger Hoheit…. Die Kinder haben aus allen Dörfern so zu dieser Kirchen gehört nach Habenscheid in die Schul gangen…“. Bemerkenswert ist, dass die Grenze zwischen der Herrschaft Schaumburg und der Niedergrafschaft Katzenelnbogen mitten durch den Chorraum der Habenscheider Kirche ging. Angeblich hat der Grenzstein unter dem Altar gestanden. Im 18. Jahrhundert werden Bergwerke in der Fuchsenhöll erwähnt. Zwei Schächte befanden sich nordöstlich der Habenscheider Kirche. Bis vor einigen Jahren stand noch ein alter Mutungsstein in dem Waldgebiet. Dieser wurde jedoch entwendet.
1806 erhielten die nassauischen Fürsten durch das napoleonische Diktat „Confédération du Rhin“ (Rheinbund) die Herrschaft Schaumburg als Teilgebiet des neugeschaffenen Herzogtums Nassau. 1866 wurde das Herzogtum durch Preußen annektiert. Spätestens hier dürfte nun auch die Geschichte von Habenscheid als eigenständiger Ort enden. Habenscheid wurde zu einer Domäne. 1864 übernahm sie Nikolaus Hergenhahn aus Balduinstein in Pacht. 1904 kaufte sein Nachfahre, Balduin Hergenhahn, die preußische Staatsdomäne. Ab 1934 stand das jahrhunderte alte Pfarrhaus leer und verfiel. 1954 wurde es niedergelegt. Die heutige Siedlung hat zurzeit zehn Einwohner und besteht lediglich noch aus einem Bauernhof, zwei Wohnhäusern, einer Scheune und der Feldkirche.
Verfasser: Rüttger Schrörs
Verwendete Quellen und Literatur:
- 200 Jahre Katholische Pfarrkirche St. Bartholomäus Balduinstein. Balduinstein 1976.
- Bonnet, Rudolf: Die Lehrer des Schaumburger Landes an der Lahn seit dem 18. Jahrhundert. Neustadt a.d. Aisch 1964 (Nassovica, Bd. 10).
- Damm, Günther: Unsere Heimat Balduinstein. Balduinstein 1992.
- Heck, Robert: Die goldene Grafschaft. Bilder aus der Geschichte der Grafschaft und der Stadt Diez. Diez 1956.
- Herold, Rudolf: Schönborn. Schönborn 1978.
- Herold, Rudolf: Streifzüge durch die Vergangenheit. Beiträge zur Geschichte der Gemeinden im Katzenelnbogener Raum. Katzenelnbogen 1983.
- Hofmann, Manfred: Beiträge zur Ortsgeschichte von Wasenbach. (Unveröffnetlichte Aufzeichnungen).
- Hofmann, Manfred (u.a.): Heimatkunde 1947-1950 (Unveröffentlichte Aufzeichnungen).
- Keiling, Manfred: Die alten Grenzsteine des Einrichs.
- Kreisschulamt Diez (Hrsg.): Der Unterlahnkreis. Heimatkunde des Unterlahnkreises. 3. Auflage, Koblenz 1964.
- Kuhmann, Eginhard: 1200 Jahre Habenscheid (Unveröffentlichte Broschüre).
- Schrörs, Rüttger: Chronik der Gemeinde Wasenbach und Habenscheid. Wasenbach 1995.
- Sponheimer, Meinhard: Landesgeschichte der Niedergrafschaft Katzenelnbogen und der angrenzenden Ämter auf dem Einrich. Marburg 1932 (Schriften des Instituts für Geschichtliche Landeskunde von Hessen und Nassau, Band 11).
- Struck, Wolf-Heino: Quellen zur Geschichte der Klöster und Stifte im Gebiet der mittleren Lahn bis zum Ausgang des Mittelalters. Band 3. Die Klöster Bärbach, Beselich, Dirstein und Gnadenthal, das Johanniterhaus Eschenau und die Klause Fachingen. Regesten [vor 1153]–1634. Wiesbaden 1961.
- Vogel, Christian D.: Historische Topographie des Herzogthums Nassau. Herborn 1836.
Zuletzt geändert: 19.08.2020