Miehlen im Rhein-Lahn-Kreis

Geschichte von Miehlen

Vor- und Frühgeschichte

Kleinkastell Pfarrhofen, Lageplan. Zwischen 1892 und 1902.
Kleinkastell Pfarrhofen, Grundriss und Profil , zwischen 1892 und 1902

Erste Spuren menschlicher Besiedlung im Raum Miehlen stammen aus der Jungsteinzeit (ca. 3000-1800 v.Chr.). Es handelt sich bei den Funden um Werkzeuge aus Stein. In der Zeit um 200 n.Chr. standen in Miehlen zwei römische Gutshöfe, wie Funde von Mauerresten belegen. Bei Grabungen im Jahr 1903 wurden bei diesen Höfen Scherben von Töpferwaren gefunden. Dies deutet möglicherweise auf eine größere Siedlung mit einem hohen Bedarf an Töpferwaren hin. Auf der Gemarkung von Miehlen befand sich zudem ein römisches Kleinkastell. Im Wald westlich der Bundesstraße liegen die Überreste unter dem Waldboden verborgen. Im 19. Jahrhundert noch vorhandene Mauerreste wurden bis 1824 zum Bau der Bäderstraße, heute Bundesstraße, verwendet. Die Ausmaße des Kastells wurden später mittels Pfostenmarkierungen wieder sichtbar gemacht. Die zeitlich nächsten Funde stammen erst wieder aus der karolingischen Zeit (687-987), es handelt sich um Gräberfunde.

Mittelalter und Frühe Neuzeit

Erstmals urkundlich erwähnt wurde Miehlen im Jahr 1132 unter dem Namen „Milene“ in der Urkunde von Graf Rupert I. von Laurenberg. Der Graf unterstellte das Kloster Schönau dem Erzbischof Adalbert I. von Mainz. Vogt über Schönau solle sein, wer von den Nachfolgern des Grafen das „predium milene“, die Grundherrschaft Miehlen, mit seinen Ministerialen (Dienstmannen) und Hörigen (Leibeigenen) besitze und Erbherr auf der Laurenburg sei. Im 13. Jahrhundert hatten sich die Grafen von Laurenberg in die Grafen von Nassau umbenannt. Graf Ruprecht V. von Nassau gründete 1222 das Kloster Affolderbach und vermachte diesem in der Gemarkung Miehlen mehrere hundert Morgen Äcker, Wiesen, Weiden und Wald. 1544 gingen diese gemeinsam mit dem Kloster Affolderbach an das Kloster Walsdorf über. Auf dem Gelände des damaligen Klosters Affolderbach befand sich der zur Gemeinde Miehlen gehörende Hof Affolderbach. Im Jahr 1255 wurde das Grafenhaus Nassau geteilt. Miehlen wurde von der ottonischen und der walramischen Linie der Nassauer gemeinsam beherrscht. Ab 1355 war der Ort dann im Besitz zweier walramischer Linien, Nassau-Idstein und Nassau-Weilburg. Diese stellten je einen der beiden Amtsmänner in Nassau, die Miehlen und weitere Besitztümer der beiden Grafen verwalteten. Seit 1563 kümmerte sich nur noch ein Amtsmann um die Verwaltung. Dieser wurde in einem Jahr von Nassau-Idstein, im nächsten von Nassau-Weilburg gestellt. Nach Aussterben der Linie Idstein war das „Amt Nassau“ nur noch mit einem Amtsmann besetzt. Vor Ort in Miehlen galt im Laufe des Mittelalters die gleiche Regelung. Zwei Schultheiße in ihrer Dienststelle „Amt Miehlen“ vertraten die Interessen der Grafen im Dorf. Mit Wegfall der Linie Idstein verblieb ein Schultheiß, der sich seitdem Oberschultheiß und später Amtmann nannte.
Bereits um das Jahr 1300 soll in Miehlen eine Kapelle errichtet worden sein. Sie wurde zur Kirche umgebaut und erstmals im Jahr 1524 als eigenständige Pfarrkirche bezeichnet. Seit 1949 steht sie unter Denkmalschutz.
Adelige in Miehlen sind ab dem 14. Jahrhundert nachweisbar. Die Ritter Rorich und Ludwig von Milena herrschten 1134 auf der Burg Miehlen. Die Burg war eine Wasserburg. An ihren Standort erinnert heute der Flurname „In der Burg“ sowie der Straßenname „Burgweg“. Die letzten Ritter von Miehlen, die die Burg besaßen, waren Emunt und Caspar von Miehlen. An die Ritter von Miehlen erinnert heute noch das Wappen von Miehlen, dessen fünfblättrige Rose dem Wappen der Ritter entnommen ist. Johann von Miehlen, genannt Dieblich, war der letzte nachgewiesene Ritter von Miehlen. Sein Name geht aus einer Lehensurkunde des Jahres 1532 hervor. Mehrere Ritter von Miehlen waren auch Vögte. Lange Zeit lagen sie mit den Grafen von Katzenelnbogen im Streit, denen sie sich schließlich unterwerfen mussten. Nach dem Aussterben des Rittergeschlechts wechselte die Burg mehrmals den Besitzer. Es blieb jedoch immer Lehen der Grafen von Nassau, bis das Lehen 1565 an die Familie vom Stein in Nassau überging. Ob zu diesem Zeitpunkt die Burg als solche noch bestand, oder sich das Lehen nur auf den zugehörigen Grundbesitz bezog, ist unklar.
Miehlen war während des Mittelalters ein sogenannter Marktflecken. Das Marktrecht besaß der Ort bereits im Jahr 1475. Dies geht aus einer Urkunde hervor, die besagt, dass in diesem Jahr in Miehlen ein Markt stattfand. Die Handwerker aus Miehlen besuchten auch die Märkte des Umkreises, wie etwa den Wochenmarkt in Katzenelnbogen. Leinweber und Strumpfweber trugen ihre Waren bis in den Westerwald. Die Handwerker von Miehlen waren in Zünften zusammengeschlossen.

Ausschnitt aus der Kupferstichkarte Archiepiscopatus Trevirensis Recentißima Delineatio, um 1690

Der Dreißigjährige Krieg kostete zahlreichen Menschen in Miehlen das Leben. 1618 lebten 130 Familien im Ort. Im Jahr 1636 waren es nur noch 20. Bis Ende des Krieges 1648 war der Ort nahezu ausgestorben. Nur durch Zuzug von Ortsfremden konnte der Ort erhalten und neu belebt werden.
Miehlen verfügte über ein Gericht, es gab einen Scharfrichter. Der Scharfrichter kam über mehrere Generationen aus der sogenannten Scharfrichter- und Abdeckerfamilie Schmidt, die bis in das Jahr 1700 dieses Amt bekleidete.
Am 12.11.1557 wurde die Schule Miehlen gegründet. Erstes Schulhaus war das Frühmesserhaus in der Kirchgasse, das vor der Reformation dem jeweiligen Kaplan als Wohnung diente. 1702 baute die Gemeinde links neben diesem Schulhaus eine neue, größere Schule, da die alte sehr verfallen war. In alten Gemeindeakten wird sie als Schule und Rathaus bezeichnet, da sie auch eine Gemeindestube enthielt.

Johannes Bückler mit Juliana Bläsius und dem gemeinsamen Kind, Gemälde 1803[Bild: gemeinfrei]
Das "Haus Schinderhannes", 2010[Bild: Holger Weinandt [CC BY-SA 3.0 DE]]

Mitte der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde in Miehlen Johannes Bückler geboren, der später als Räuberhauptmann Schinderhannes bekannt werden sollte. Seinen Namen bekam er vom Beruf seines Vaters, der Abdecker – damals Schinder genannt – war. Sein Leben als Räuberhauptmann endete im Jahr 1803 in Mainz auf der Guillotine.

Das 19. Jahrhundert

Neben dem Oberschultheißen, der seit 1778 das weilburgische Amt Miehlen verwaltete, gab es einen weiteren Schultheißen. Dieser hatte sein Amt in seinem Wohnhaus. Sitzungen des Gemeindevorstandes und größere Zusammenkünfte fanden in der Schule statt, wo eine Gemeindestube eingerichtet war. Aufgrund des Gemeindegesetzes von 1848 führte der Schultheiß ab dieser Zeit den Titel Bürgermeister. Im Jahr 1866 war die Zahl der Schulkinder angestiegen und die Gemeinde beschloss den Bau eines eigenen Rathauses. 1867/68 wurde das Rathaus als Bruchsteinhaus errichtet. Türen, Fenster und Gesimse rahmte man mit grauem Sandstein. Das Rathaus wurde mit einem über 32 Meter hohen Turm versehen, in dem eine Feuer- und Gemeindeglocke aufgehängt wurde. An der Frontseite des Rathauses brachte man eine Gemeindeuhr an, die von der Hauptstraße aus eingesehen werden konnte. In den Jahren 1802/03 suchten die Miehlener im Steinkopf nach Schiefer. Der Versuch misslang, der Stollen war 1982 allerdings noch vorhanden. 1827 wurde eine zweite Brücke, eine Fahrbrücke, über den Mühlbach am damaligen Gasthaus Braun, später Gasthaus Zur Friedenseiche, gebaut. Bis 1836 folgten zwei weitere Fahrbrücken. Bis dahin hatte es in Miehlen nur eine Fahrbrücke und drei Fußbrücken gegeben. Zur Schaffung von Ackerland rodete man im Jahr 1833 zwei Waldstücke. Im gleichen Jahr wurde der Mühlweg, der Weg nach Nastätten, bis zur Gemarkungsgrenze zu einer festen Straße ausgebaut. Diese Straße wurde Vizinalweg genannt. Im Jahr 1808 wurde in der Grafschaft Nassau die Leibeigenschaft aufgehoben. 1842 entfiel die Zehntpflicht. Beides war eine enorme Erleichterung für die Bauern von Miehlen. Im Jahr 1817 schloss sich die jüdische Bevölkerung von Miehlen zu einer kleinen Kultusgemeinde zusammen. Sie unterhielten ein Bethaus in einer Privatwohnung, bis 1873 eine Synagoge errichtet wurde. Die jüdischen und christlichen Kinder von Miehlen gingen gemeinsam zur Volksschule, lediglich der Religionsunterricht fand getrennt statt. 1809 wurde das Amt Miehlen aufgehoben und Miehlen dem Amt Nassau angegliedert. 1817 kam es zum Nassauischen Amt Nastätten. Nach dem Sieg der Preußen über die Nassauer im Jahr 1866 wandelten erstere dieses in das Königliche Amt Nastätten um. Ein Jahr später wurden Kreise geschaffen und Miehlen dem Unterlahnkreis mit Sitz in Diez zugeteilt. Bei der Einführung einer neuen Kreisordnung 1885 kam Miehlen zum Kreis St. Goarshausen. 1822 wurde die Schule von Miehlen abgerissen und neu gebaut. Erneut wurde im Schulgebäude eine Gemeindestube eingerichtet. Während des Deutsch-Französischen Kriegs von 1870/71 fielen insgesamt 32 Männer aus Miehlen. Zur Erinnerung an sie wurde fünfzehn Jahre später, 1895, von der Gemeinde ein Denkmal vor dem Rathaus errichtet. Im Zuge einer Bachbettverbreiterung wurde das Denkmal auf das gemeindeeigene Gelände gegenüber der Gastwirtschaft „Zur Dorfschenke“ verlegt.

Das 20. Jahrhundert

Im Jahr 1898 gründeten die Handwerkerinnen und Handwerker von Miehlen den Gewerbeverein Miehlen. Dieser bestand bis 1929. Im Jahr 1899 gründete die Gemeinde Miehlen auf Anregung des Gewerbevereins die Gewerbliche Fortbildungsschule. Sie wurde 1920 in Gewerbliche Berufsschule umbenannt und letztmals 1929 im Protokollbuch der Gemeinde erwähnt. Als Vorgängerin kann die 1817 gegründete Landwirtschaftsschule gesehen werden. Sie wurde wegen des nur im Winter stattfindenden Unterrichts Winterschule genannt. 1899 wurde Miehlen an das Eisenbahnnetz der Nassauischen Kleinbahn angebunden. Der Bahnbetrieb lief bis 1929, als Ersatz wurde danach die 1982 noch existierende Postbuslinie geschaffen. Im Jahr 1904 kam der Miehlener Adolf Ackermann im heutigen Namibia im Zuge des Aufstands der Herero gegen die deutschen Kolonialtruppen ums Leben. Ackermann gehörte somit zu den knapp 8% der deutschen Soldaten, die während des Aufstands starben. In Folge des Aufstands begangen die deutschen Truppen unter General von Trotha den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts, dem schätzungsweise 80% der Herero und 50% der Nama zum Opfer fielen und den die deutsche Bundesregierung 2016 erstmals als solchen benannte. Der Name Ackermanns wurde nachträglich dem Denkmal von 1895 hinzugefügt. 1908 wurde eine Wasserleitung in Miehlen gebaut. Vorher hatte es öffentliche Brunnen gegeben, vier Laufbrunnen und drei Pumpbrunnen. Ein Jahr später wurden der Nambach und der Haarbach in unterirdische Rohrleitungen geleitet. Sie flossen bis zu diesem Zeitpunkt offen durch die Krämergasse und die Haargasse. Während des Ersten Weltkriegs fielen 48 Miehlener, acht wurden als vermisst gemeldet. Ihnen wurde 1920 in der Kirche eine Tafel gewidmet. Während der NS-Zeit, 1935, wurde ihnen auf dem Friedhof ein Denkmal errichtet. 1922/23 wurde weiterer Wald gerodet, um Ackerland zu erhalten. Mit Beginn der Nationalsozialistischen Diktatur 1933 wanderte die jüdische Bevölkerung von Miehlen nach und nach aus. 1933 betrug die Zahl der jüdischen Einwohner und Einwohnerinnen von Miehlen ca. 45 Personen. Bereits 1933/34 wurden die Fensterscheiben der jüdischen Familie Friedberg eingeschlagen. Auf das Haus des Viehhändlers Hermann wurden Schüsse abgegeben. Ein großer Stein wurde durch das Fenster der Familie Strauß geworfen, ein Sprengkörper in das Haus von Walter Ehrmann. Der Terror setzte sich bis 1938 fort. Während des Novemberpogroms 1938 kam es zu brutalen Überfällen auf die jüdischen Wohnungen. Die Inneneinrichtungen und noch bestehenden Geschäfte wurden zerstört und teilweise auf die Straße geworfen. Mehrere jüdische Miehlener wurden verletzt, die Synagoge wurde ebenfalls angegriffen. Anfang 1939 lebten nur noch acht jüdische Einwohner in Miehlen. Am 18.10.1939 zog das letzte jüdische Ehepaar nach Frankfurt am Main. In der Zeit des Nationalsozialismus kamen mindestens 27 der in Miehlen geborenen oder dort länger wohnhaften jüdischen Personen ums Leben. Am 26.3.1945 sprengten deutsche Truppen die Rathausbrücke von Miehlen. Durch die Druckwelle der Sprengung wurde das Rathaus stark beschädigt. Es konnte wegen Baumaterialmangel nicht wieder instandgesetzt werden. Die Gemeindeverwaltung musste ihren Sitz in einem Privathaus einrichten. Erst 1948 konnte das Rathaus renoviert und von der Gemeindeverwaltung in Benutzung genommen werden. Die Synagoge von Miehlen wurde während der NS-Zeit und der Nachkriegszeit verfallen gelassen. Von 1948 bis 1952 wurde in Miehlen eine Flurbereinigung durchgeführt, bei der durch Vereinigung kleinerer Parzellen größere Grundstücke geschaffen wurden. Mit der Maschinisierung der Landwirtschaft ging ein Bedarf an großen Landwirtschaftsflächen einher. Einige Bauern aus Miehlen gründeten daher mit staatlicher Unterstützung sogenannte Aussiedlerhöfe. Auf diesen wurde ein Mehrfaches der Landfläche bearbeitet. 1950 ging die Synagoge von Miehlen durch Kauf an die Nachbarfamilie über, die sie 1964 abreißen ließ, um das Wohnhaus zu vergrößern.

Soldatendenkmal auf dem christlichen Friedhof, 2017.[Bild: Peter Kaminsky [CC BY-SA 4.0]]
Der jüdische Friedhof, 2017.[Bild: Peter Kaminsky [CC BY-SA 4.0]]

1954 wurden die Namen der 76 gestorbenen und 21 vermissten Soldaten des Zweiten Weltkriegs in das während der NS-Zeit gebaute Denkmal auf dem Friedhof aufgenommen, das als Kulturdenkmal unter Denkmalschutz steht. 1962 wurde an der Stelle der alten Pfarrscheune das neue Gemeindehaus errichtet. Es enthielt 1982 einen großen Saal mit Bühne, einen kleinen Saal, einen Jugendraum, eine Küche und Sanitäranlagen. Ebenfalls 1962 wurde der Kreis St. Goarshausen, zu dem Miehlen gehörte, in Loreleykreis umbenannt. 1969 wurde der Rhein-Lahn-Kreis aus den Kreisen St. Goarshausen und Unterlahn gebildet, Miehlen wurde Teil des neuen Kreises. Bad Ems bestimmte man zur Kreisstadt. 1972 erfolgte die Bildung von Verbandsgemeinden. Für Miehlen und weitere 32 Gemeinden des Kreises zuständig war seitdem die Stadt Nastätten. 1965/66 errichtete man am seit 1815 bestehenden Friedhof eine Friedhofshalle. Der alte Friedhof war kleiner gewesen und hatte wegen seiner Lage direkt an der Kirche den Namen Kirchhof getragen. Neben dem christlichen Friedhof verfügt Miehlen über einen jüdischen Friedhof, der von der jüdischen Gemeinde höchstwahrscheinlich im 19. Jahrhundert eingerichtet wurde und der als Kulturdenkmal unter Denkmalschutz steht.

Nachweise

Autor: Konstantin Arnold

Verwendete Literatur:

 

Fuhrmann, Arthur. Fischer, Gerhard (Red.): Kleine Chronik der Gemeinde Miehlen : 1132-1982. 850-Jahrfeier. Festveranstaltung vom 23.-25. Juli 1982. Miehlen 1982.

Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz: Nachrichtliches Verzeichnis der Kulturdenkmäler Rhein-Lahn-Kreis. Mainz 2020. URL: http://denkmallisten.gdke-rlp.de/Rhein-Lahn-Kreis.pdf [Aufruf am 26.09.2020].

Erstellt am 26.09.2020