Alte Mühlen im Rheingau-Teil 1
Alte Mühlen im Rheingau - von der Walluf bis zur Wisper
Von Adam Daniel (+), Ostermühle, Geisenheim-Marienthal
aus dem Rheingauer Heimatbrief Nr. 68 / 1969
Vorwort: Dieser Beitrag ist ein Nachdruck aus Nr. 7/1962 des Geisenheimer Lindenblattes. Es ist die letzte Arbeit eines außergewöhnlichen, leider schon verstorbenen Rheingauer Bürgers, der durch Beruf und Wohnstatt innig mit Natur und Heimat verbunden war, aber auch geistig sehr rege blieb. Neben zahlreichen poetischen Beiträgen befaßte er. sich in den letzten Jahren seines Lebens hauptsächlich mit der Erforschung der Geschichte der vielen, alten Rheingauer Mühlen, zu denen auch sein Vaterhaus mit der Ostermühle im Elsterbachtal gehört. In unermüdlicher Kleinarbeit hat Daniel aus seiner eigenen Erinnerung, durch Nachforschungen beim Katasteramt, Besuchen bei Mühlenbesitzern usw. Stück für Stück seiner Arbeit zusammengetragen, die er in dem nachstehenden Beitrag als die „Mühlen-Geschichte" des Rheingaus niederlegte. Sie ist für unsere Heimatgeschichte umso bedeutsamer, als mittlerweile keine einzige Mühle im Rheingau mehr im Betrieb ist.
Der Schriftleiter
War im ersten Teil (siehe Nr. 51/1959 des „Lindenblattes") nur von den Mühlen im Elsterbachtal die Rede, so soll diesmal das Gesamtergebnis aller Mühlen im Rheingau genannt werden. Die von mir damals geschätzte Zahl von ungefähr 70 Mühlen hat sich bedeutend erhöht. So habe ich in den zwei letzten Jahren mündlich und schriftlich alles versucht, ein gutes Resultat zu erreichen. Nur mit Hilfe vieler alter Leute und amtlicher Ergebnisse sowie des Herrn Mühlenbesitzers Müller, Lochmühle an der Walluf, und der Frau Lehrerin Schmidt, Kiedrich und noch vieler anderer war es mir möglich, so ein gutes Resultat zu erzielen. Die meisten Angaben sind aus amtlichen, die anderen von durchaus glaubwürdigen Quellen. Ja, die alten Mühlen, Burgen und Klöster gehören zusammen im alten schönen Rheingau. Mit den alten Klöstern kamen auch die ersten Mühlen, und viele Mühlen gehörten den Klöstern selbst. Die Burgen waren zum Schutz des Rheingaues da, und viele Mühlen haben den Namen von der Burg. Schwere Zeiten haben die Mühlen und Klöster, überhaupt der ganze Rheingau hinter sich. Der Dreißigjährige Krieg, die Zeit des Faustrechts, die Schweden und Franzosen hausten im schönen Rheingau. Da wurden sie heimgesucht, die Mühlen mit Ihren Bäckereien, die Ställe und Keller der Bauern und Klöster. Der schlimmste Feind, die Pest, brachte ganze Ortschaften fast zum Aussterben. Manche alte Mühle fiel in Schutt und Asche und geriet in Vergessenheit. Die starken Eisengitter an den alten Mühlen und an den Klöstern sind Zeugen von schwerer Zeit. Da hatte ich einmal ein Buch vom Rheingau, da stand alles drin, nur die Mühlen fehlten. Dann las ich voriges Jahr in der Zeitung, die alten Mühlen seien vergessen, man wisse fast nicht mehr ihre Namen.
Herr Bürgermeister Hild, ebenfalls Mühlenbesitzer in Oberwalluf, bei dem ich auch nachforschte, sagte: „Bald stehen die alten Mühlen nur noch im Bilder- und Märchenbuch". Da sagte ich: „Nun, das kann nicht sein", und das gab mir als Nachkomme eines alten Müllergeschlechts Veranlassung, die alten Mühlen im Rheingau soweit wie möglich zu erfassen und ins Licht zu stellen. Denn was wäre der Rheingau, was wären die Menschen ohne Mühlen gewesen. Sie sorgten für alles zum Leben: Mehl, Graupen, Haferflocken, Oel, Bretter und Bauholz von den Sägewerken. Nein! Die Mühlen sind noch nicht vergessen. Und wer weiß nicht von einer alten Mühle zu erzählen, wo er in den beiden letzten Weltkriegen seine Graupen für gesammelte Ähren, wo er Mehl oder ein Brot zum Hungerstillen, wo er für seinen Raps für Mohn- und Sonnenblumenkerne gutes Oel erhalten hat. Ja, die Liebe zu den alten Mühlen haben die Dichter in den vielen Liedern bekundet, die sterben nimmer aus. „Das Wandern ist des Müllers Lust"; „Dort unten in der Mühle saß ich in süßer Ruh"; „Wo's Dörflein dort zu Ende geht"; „Es klappert die Mühle am rauschenden Bach"; „In einem kühlen Grunde, da geht ein Mühlenrad, mein Liebchen ist verschwunden, das dort gewohnet hat"; „Es war eine Mühle im Schwarzwälder Tal" und noch viele andere Lieder und Liebeslieder. So manche Liebesgeschichte ging von Mühle zu Mühle, von Tal zu Tal, wie auch das schöne Lied: „Mühle im Talgrund, so lauschig und traut, rauscht noch dein Bächlein so fröhlichen Laut. Ob noch so lieblich der Nachtigall Schlag, ob noch so Heblich das Röslein im Hag, ach meiner Kindheit seliger Tag". Mühlen gibt es heute noch und auch später, aber moderner und größer. So mußte ja manche alte Mühle weichen wegen der Modernisierung; aber auch der Umstand des jedes Jahr größeren Rückganges der Landwirtschaft und des immer mehr wachsenden Weinbaues hat vielen Mühlen in unserer Gegend den Erwerb genommen. Mehr als 1000 Kühe waren früher im Rheingau, und was wurden für Mengen Raps gezogen für Oel, und wieviel hundert Nußbäume waren da. Da hatten mehr als ein Dutzend Oelmühlen viel zu tun. Da war Leben auf den Mühlen, in den alten Räumen, da wurde gescherzt und gelacht und mancher Selbstgebrannte getrunken. Für uns Kinder waren das schöne Tage, mitzufahren auf die Oel- und Getreidemühle, da unsere seit 1896 stillstand. Mit Staunen sah ich das Riesenräderwerk der Oel- und Getreidemühlen, der Sägewerke, wie die Säge durch die Stämme ging, und ich hatte keine Ruhe, bis wieder statt eines Rades eine Turbine in meiner Mühle war. Wenn ich dann schrote, die Mühle läuft, wenn das Wasser rauscht, dann bin ich in meinem Element und träume von der alten Zeit.
Wie ziehts die Menschen nach den alten Mühlen, die heute Gast- und Erholungsstätten sind! Eine enorm große Zahl! Wie kommen alle Kinder und Angehörige gern zu den Mühlen, wo ihre Wiege stand, so auch meine Kinder. Elternhaus, alte Mühle, all mein Glück, stilles Tal, mein Heimatland, wie zieht es mich dorthin zurück, wo einst meine Wiege stand!
Nun laßt uns zurückgehen in die alte schöne Zeit und alle die Mühlen von der Walluf bis zur Wisper aufzählen. Es liegen wohl einige außerhalb des Rheingaus, aber an Rheingauer Bächen: Kein Kreis in der näheren und weiteren Umgebung kann soviel Mühlen, Klöster und Burgen aufweisen wie unser schöner Rheingau.
Mühlen an der Walluf
Laßt uns also an der Walluf, dem Bach der meisten Mühlen, beginnen. 26 Stück waren es!
1: Mühle an der Kuckuckslay (nicht mehr vorhanden).
2: Wambacher Mühle, Getreidemühle.
3: Erste Warme Mühle.
4: Zweite Warme Mühle.
5: Dritte Warme Mühle. Diese drei Mühlen führten den
Namen „warme Mühlen", weil der eine Seitenbach
den Namen Warmer Bach führt und, wie bekannt, in
Schlangenbad warme Quellen sind.
6: Größersmühle (Milchhof).
7: Münchmühle.
8: Lochmühle, Besitzer Herr Müller, mein Mithelfer.
9: Mühlenhof.
10: Neumühle.
11: Klingenmühle.
12: Schleifmühle.
13: Kloster Tiefenthaler Mühle.
14: Klostermühle.
15: Wetzelmühle, spater Kerbermühle, die wohl vielen
bekannt ist wegen Graupen und Haferflocken!
16: Gunkelmühle, auch Bollmühle genannt. Der alte
Bollmühler, uns gut bekannt durch das Bacheschauen.
17: Schrammühle mit zwei Mahlstühlen.
18: Dittmühle mit einem Mahlstuhl.
19: Knieselmühle, jetzt Schwarzfabrik, früher Sägewerk.
20: Wilhelm Arnetmühle, auch Kurfürstenmühle genannt,
erbaut um 1700, jetzt Papierfabrik.
21: Mühle Johann Arnet, jetzt Franz Hild, Getreidemühle
und Bäckerei bis 1934, mit Urkunde von 1715.
22: Mühle Sponheim, Sägewerk. Nachfolger Johann
Kirchner, Holzschneiderei, heute Zahnfabrik.
23: Bugmühle, Getreidemühle, heute Landwirtschaft.
24: Wellermühle, Kerbermühle, jetzt Weinbau.
25: Gebr. Korn, Getreidemühle, jetzt Maschinenfabrik
Dickescheidt.
26: Tiefenbachmühle an der Mündung der Walluf,
Sägewerk.
Die Mühlen, bei denen kein besonderes Gewerbe angegeben ist, waren meistens Getreidemühlen.
Mühlen am Kiedricher Bach
Nun kommen wir zum Kiedricher Bach. Da hatte ich zwölf oder dreizehn Mühlen angegeben. Es waren aber achtzehn Stück nach amtlichen Angaben, unter Mithilfe von Frau Lehrerin Schmidt.
1: Papiermühle Kroneberger, erbaut 1686, war 1770 noch
vorhanden, dann verschwunden. Pappschachtel- und
Papierherstellung.
2: Fink'sche, später Schellmannsmühle, um 1700
erwähnt. Schleifmühle, später Faßspundendreherei bis
in die letzten Jahre, heute Gaststätte. Dort wurde
das Beil geschliffen, womit Schinderhannes enthauptet
wurde.
3: Schleifmühle Grebert, verschwunden, nichts näheres
bekannt.
4: Egertsmühle, Oel und Mehl, mahlte bis 1917. Familie
Egert kam aus Langenschwalbach, 1788
5: Getreidemühle am Gangolfsberg; verfallen. Erbaut von
Heinrich Buschmann, 1715. 1793 stand noch ein Rest,
ist dann eingefallen.
6: Petermühle, um 1700 erbaute Schleifmühle, bis 1939
Oel-und Getreidemühle mit zwei Wasserrädern,
wurde auch Weihermühle genannt.
7: Kötchermühle: gehörte zum Kötcherhof, der mehrere
hundert Jahre alt ist. Getreidemühle und Sägewerk bis
1890.
8: Burgmühle, gehörte zur Burg Scharfenstein und zum
Hormanhof. Im Besitz von Familie Barbeler, Getreide-
mühle bis 1953.
9: Bassenheimermühle, bis 1890 Getreidemühle.
10: Klostermühle, gehört zum Kloster Eberbach. Erbaut 1218,
älteste Getreidemühle bei Kiedrich. Jetzt in Besitz der
Familie Schüler, in Betrieb bis 1900.
11: Schleifmühle Driesler und
12: Gemeindemühle sind verfallen, nur noch amtlich
nachweisbar.
13: Sägewerk Konrad Rehm und
14: Sägewerk Peter Rehm, heute noch in Betrieb.
15: Budermolen- oder Ankermühle, Getreidemühle bis 1900.
Gehörte 1361 den Dominikanern in Mainz.
16: Kettenmühle auch Klostermühle genannt, Getreidemühle
bis zur Jahrhundertwende. Wurde 1361 auf Eberbacher
Grund gebaut von Walther von Eltville.
17: In Eltville war noch das Pfünderhaus, Getreidemühle.
18: Getreidemühle Wilhelm vom Kiliansring, vorher
Sägewerk, Getreidemühle bis 1958.
(Fortsetzung folgt)