Kohlhaas-Orgel
Die Bedeutung der Budenheimer Kohlhaas-Orgel
Es handelt sich um die älteste, nahezu vollständig erhaltene Orgel in der Diözese Mainz (von der Geissel-Orgel in Gau-Bischofsheim sind nur noch der Gehäuse-Prospekt und drei bis vier Pfeifenreihen erhalten, die in einen Neubau integriert wurden).
Der Erbauer der Budenheimer Orgel, Johannes Kohlhaas d. Ä., stammt aus jener hervorragenden Orgelbauwerkstatt, von der um die Mitte des 17. Jahrhunderts die weltberühmte Kiedricher Orgel erbaut wurde (die original gotischen Reste befinden sich nur am Gehäuse, nicht im Werk). Die Budenheimer kann somit gewissermaßen als "Enkelin" der Kiedricher Orgel bezeichnet werden.
Die Budenheimer Orgel ist das einzige von zahlreichen Kohlhaas-Werken, das weitgehend erhalten ist. Von seinen Orgeln in Nackenheim, Erbach und Hattenheim existieren nur noch die Gehäuse. Von seinem Sohn und Nachfolger Johannes Kohlhaas d. J. existieren nur noch zwei Werke, von denen das eine (in Groß-Winternheim) vor einigen Jahren durch einen von den Behörden nicht genehmigten Umbau großenteils zerstört wurde.
Nachweise zur Kohlhaas-Orgel
Die Budenheimer Kohlhaas-Orgel trägt selbst keine Gravur, die auf Kohlhaas als Orgelbauer hinweisen würde. Zur eindeutigen Klärung konnten aber zahlreiche andere Hinweise und Dokumente beitragen:
1. Charakteristische Tonbuchstabengravur in der großen Oktav an den Pfeifen, die denen der beiden erhaltenen Orgeln des Sohnes, Johannes Kohlhass jun., gleichen
2. Gliederung des Gehäuses gleicht denen der Kohlhaas-Orgeln aus Nackenheim und Hattenheim.
3. Auf der Innenseite des Pulpetenbrettes der Cs-Pedallade fand sich bei den Restaurierungsarbeiten 1992 ein eingeleimtes Pergament mit nachstehendem handschriftlichen Vermerk: Anno 1747 habe ich Johan Kohlhaaß/ Orgelmacher deß hohen Thomstifftß von Mäntz/ dißes Orgelwerck verfertigt zur hechsten/ Ehren Gotteß
4. Ein weiteres wichtiges Dokument fand sich auf der Innenseite des Pulpetenbrettes der Hauptwerkslade, nämlich die letzte Seite des Orgelvertrages von Gau-Bickelheim aus dem Jahre 1728, der ebenfalls von Kohlhaas unterzeichnet ist.
Die Wiederentdeckung der Budenheimer Orgel
Als die Pfarrgemeinde 1986 daran ging, langfristige Pläne für die Pankratiuskirche zu entwickeln, gab es in Budenheim viele, die sich noch an Gottesdienste mit der alten Orgel erinnerten. Aber es war den Budenheimern leider nicht bekannt, dass in ihrer alten Kirche ein so wertvolles Musikinstrument stand, das auch historisch sehr bedeutsam war. Deshalb verkam die Orgel langsam über fast drei Jahrzehnte.
Erst ein Artikel in der Fachzeitschrift "Ars organi", Heft 1/1986 machte den Kirchenverwaltungsrat hellhörig. In diesem Artikel beschrieb Wolfgang Plodek die Budenheimer Orgel und fragte: "Wer küsst Dornröschen wach? Nur ein Prinz oder ein König des Orgelbaus sollte es versuchen."
Die Zukunft
Im Juni 2003 wurde unsere Orgel in St. Quintin, Mainz aufgebaut.
Sobald es die notwendigen Innenbauarbeiten der Pankratiuskirche erlauben, wird die Budenheimer Kohlhaas-Orgel wieder ihren ursprünglichen Standort einnehmen:
"Die Orgel wurde für die St. Pankratiuskirche in Budenheim erbaut und sowohl architektonisch als auch klanglich auf die dortigen Raumverhältnisse abgestimmt. Daher muss sie auch dort wieder aufgestellt werden."
(Prof. Dr. Friedrich W.Riedel, Forschungsstelle für Orgelkunde der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 23. Februar 1991)
Mittlerweile ist dies geschehen. 2010 wurde die Kohlhaas-Orgel nach Budenheim zurück geführt.
Der Orgelbauer
Johannes Kohlhaas der Ältere kam am 25. Juli 1691 in Kiedrich zur Welt. Seine Eltern waren Johann Konrad Kohlhaas und Maria Eva Keller, eine Enkelin des Kiedricher Orgelbauers Johann Jakob Keller, die am 9. September 1681 ihre Hochzeit feierten.
Nach seinen Lehrjahren bei Kirchner und Johann Peter Geißel (Sohn Georg Geißels) in Mainz, war Kohlhaas zunächst mit Reparaturarbeiten im Rheingau beschäftigt. 1727 wurde er zum domkapitularischen Orgelbauer ernannt, nach dem der Amtsinhaber, Johann Jakob Dahm, am 10. Juli 1727 verstarb. Als Domorgelbauer führte er die anfallenden Neubauten der Mainzer Region zum Großteil aus.
Johannes Kohlhaas verstarb 1757.
Restaurierungen
1992
Restaurierung durch Orgelbau Vleugels, Hardheim. Wiederherstellung der originalen Fassung des Gehäuses durch die Restaurierungswerkstatt Vitus Wurmdobler, Erbes-Büdesheim.
1988
Nach dem die Pankratiuskirche ab Anfang 1972 nicht mehr für Gottesdienste genutzt wurde, geriet die Kohlhaas-Orgel durch mangelnde Pflege und Beschädigungen in einen völlig desolaten Zustand. Sie wurde 1988 abgebaut, durch Firma Vleugels vollständig restauriert und war Glanzstück der Ausstellung "Die Orgel als sakrales Kunstwerk" im Dom- und Diözesan-Museum Mainz.
1932
Umbau durch den Frankfurter Orgelbauer Dülk, der auf dem Mixturstock einen Geigenprincipial 8', auf den Gambenstock eine Zimbel 3-fach stellte und die Dreymannsche Waldflöte durch ein Salicional ersetzte. Die Pfeifen der ausgebauten Register Mixtur und Gambe (letztere aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts) blieben im Orgelgehäuse erhalten. Die tiefste Oktave von Geigenprincipal und Salicional wurden hinter dem Gehäuse auf einer pneumatischen Zusatzlade angeschlossen. Möglicherweise wurde bei dieser Gelegenheit auch der Spielschrank zugefügt, die Keilbalganlage durch einen Magazinbalg ersetzt und das elektrische Gebläse aufgestellt.
1834
Renovierung durch den Mainzer Orgelbauer Dreymann, der die Flöte durch eine Waldflöte 2' ersetzte, den Terzchor des Sesquialter entfernte, das Großgedackt mit neuen Füßen versah und eine neue Manualklaviatur anfertigte.
1800, 1799, 1797
Ausbesserungen der Bälge.
1796
Als die französischen Truppen die Kirche als Pferdestall benutzten, wurden die Pfeifen ausgehoben, konnten aber gerettet und durch den damaligen Schullehrer mit Hilfe eines Schreiners wieder eingesetzt und gestimmt werden.
1790, 1776
Reparaturen bzw. Stimmungen durch Philipp Adam Embach aus Rauenthal..
Kurzcharakteristik
Siebenachsiger Prospekt mit einem Rundturm in der Mitte und zwei Trapeztürmen, dazwischen zwei ünbereinander liegende Pfeifenfelder. Die seitlichen Harfenfelder beinhalten das Pedalwerk, Spielschrank in der Gehäusemitte.
Schleifladen mit mechanischer Spiel- und Registertraktur. Zwei einfältige Keilbälge und Balghaus 1992 rekonstruiert. Historischer Bestand: Gehäuse, Windladen, Register (Gamb 8` 19. Jhd.), Manual- und Pedalklaviatur, Trakturen (größtenteils), hölzerne Pedalpfeifen in den Harfenfeldern mit Zinnblechbeschlag.
Manual C-c3
Großgedackt 8'
Gamb 8'
Praestant 4'
Floet 4'
Kleingedackt 4'
Oktav 2'
Quint 1 1/3'
Sesquilater I - II 2 2/3'
Mixtur V - IV 1'
Leerschleife
Pedal C-d0
Subbaß 16'
Oktavbaß 8'
einspielende Pedalkoppel