Das Zollprivileg Heinrichs IV. (1074): „iudei et coeteri wormatienses“ – Juden zwischen Integration und Abgrenzung
Das Privileg ist die älteste original erhaltene Urkunde des Wormser Stadtarchivs,
außerdem die erste, in der die Juden in Worms erwähnt werden (Urkundentext).
Die Urkunde befreit die Wormser - auch die Juden werden ausdrücklich genannt ("iudei et coeteri wormatienses) - von den Zöllen in den Städten Frankfurt, Boppard, Hammerstein, Dortmund, Goslar, Enger (dies waren die Zollstätten des Königs).
Zur Vorgeschichte:
Der Chronist Lampert von Hersfeld berichtet, dass zur Zeit des Sachsenkrieges die Zahl der Gegner König Heinrichs IV. weiter gewachsen und die Wahl eines Gegenkönigs geplant war.
Als einzige Stadt stellte sich Worms auf seine Seite und gewährte ihm Schutz und Hilfe. Dies geschah vermutlich mit dem Einverständnis aller Wormser, also auch der Juden, da sie in der Urkunde namentlich genannt werden.
Als Dank für die Hilfe verlieh Heinrich IV. Zollfreiheit für "Juden und andere Wormser". Damit sollte gezeigt werden, dass Treue sich lohnt und die Wormser Vorbild sein sollen für andere Städte. (Die Einleitung der Urkunde mit der Begründung ist sehr lang und ausführlich, der Mittelteil der Urkunde mit den rechtlichen Bestimmungen ganz knapp) .
Die Rolle der Juden:
Die Nennung der Juden zeigt die besondere Stellung in Worms. Sie waren zwar ein Teil der Gesellschaft und unterstützten gemeinsam mit den christlichen Wormsern den König (z.B. durch Geldzahlung), trotzdem sind sie eine eigenständige Gruppe, sonst wäre ihre Nennung nicht notwendig gewesen.
Sie waren wirtschaftlich von großer Bedeutung für die Städte, da sie meist Geldhandel betrieben oder geschäftstüchtige Kaufleute waren. Außerdem zeigt die Urkunde, dass sie gemeinsam mit den christlichen Wormser Kaufleuten im Fernhandel tätig waren.
Zur Frage der Echtheit:
Tintenfarbe und Schrift zeigen, dass der Ausdruck "iudei et coeteri" später eingefügt wurde (in der Fachsprache: verunechtet). Wann, das ist nicht bekannt. Auf jeden Fall ist die Erstnennung der Juden keine Herausstellung, sondern konnte wegen der Satzstruktur nicht anders in die Lücke eingefügt werden ("wormatienses" stand schon da).
(Text: Hauptverantwortlicher: Hendrik Eiben, Laura Dörsam, Laura Rohn, Thomas Jatzek, Hanna Schefcyk u.a.)