Grabstein des Römers Silius bei Dienheim
Im Jahre 1834 wurde zwischen Dienheim und Ludwigshöhe in der Nähe des Sulzbrunnens (heute Siliusbrunnen) ein römischer Grabstein in nahezu vollständig erhaltener Farbfassung gefunden. Die Gemeinde Dienheim kaufte den Grabstein und ließ ihn im Bereich des Fundortes an der Straße zwischen Dienheim und Ludwigshöhe in einer gemauerten Nische hinter einem Eisengitter aufstellen. Dort im Freien, Wind und Wetter ausgesetzt, stand er etwa 20 Jahre lang und in dieser Zeit sind die Farben abgewaschen und heute nur noch vereinzelt als kaum wahrnehmbare Reste vorhanden. Die einstige Farbigkeit ist für den Museumsbesucher nicht mehr zu erkennen. Hätte der Mainzer Künstler, Münzgraveur und Gemmenschneider Johann Lindenschmit im Fundjahr 1834 kein Aquarell angefertigt, so wüßten wir heute nichts über die Farbigkeit dieses Grabsteines. Die Gemeinde Dienheim hat im Jahr 2004, anläßlich seiner 1250-Jahrfeier eine Nachschöpfung des Siliussteins im Foyer der Sport- und Festhalle „Zum Siliusstein“ aufgestellt. Die Rekonstruktion wurde von dem Dienheimer Künstler Wigbert Faber hergestellt. Der Originalstein steht in der Steinhalle des Landesmuseums in Mainz.
Die Inschrift dieses Grabsteins lautet:
Silius Attonis F(ilius)
Eq(ues) Alae Picent(iana)
An(norum) XLV Stip(endiorum) XXIV
H(eres) F(aciendum) C(uravit)
Silius, Sohn des Atto
Reiter der Ala Picentiana
45 Jahre (alt), (im) 24. Dienstjahr
Sein Erbe ließ (den Grabstein) machen
Silius war Reiter in einem römischen Reiterregiment (einer Hilfstruppe), der Ala Gallorum Picentiana. Er starb im 24. Dienstjahr im Alter von 45 Jahren. Sein Vater hieß Atto. Der Name Atto gibt uns den Hinweis, dass Silius kein Römer sondern Germane - oder wahrscheinlicher - Kelte war. Die Gestaltung des Grabsteines gibt uns einen Hinweis auf den Zeitpunkt wann Silius gestorben ist und der Stein errichtet wurde: zwischen 60 und 90 nach Christi Geburt. Der Grabstein enthält keine christlichen Motive oder Merkmale.
Das obere Bild zeigt eine Totenmahl-Darstellung (griechisch), der verstorbene Silius ist in bürgerlicher (römischer) Kleidung dargestellt. In seiner rechten Hand hält er eine Trinkschale. An der linken Hand trägt er deutlich sichtbar einen Ring am kleinen Finger. Links im Bild steht ein Sklave (im Original ein Kind) mit übereinander geschlagenen Händen.
Dass Silius ein Reitersoldat war, verdeutlicht das untere Bild des Grabsteines. Silius (oder ein Sklave?) mit Reiterhelm, Tunika und Speer hält am Zügel einen gerüsteten Schimmel mit Zaumzeug, Hörnchensattel keltischen Ursprungs und Schild.
Die Ala Picentiana, der Silius als einfacher Reitersoldat angehörte, war von 43 bis 82 in Neuss am Niederrhein als Teil der 16. Legion (Gallica) stationiert. Vorher von 13/12 v. Chr. bis 42 n. Chr. auch in Mainz. 69/70 nach Christi Geburt war die 16. Legion in den Bataveraufstand verwickelt, wurde 69 von Kaiser Vespasian aufgelöst und die Hilftruppen auf andere Legionen verteilt. So gelangte die Ala Picentiana nach Mainz.
Später, nach 90 n. Chr., findet man seine Einheit in England, siehe CIL XVI 69, CIL XVI 70, RIB 2401.6 (Militär-Diplome).
Die Ala Gallorum Picentiana wurde aus gallischen (keltischen) Reitern aufgestellt und hat den Beinamen ihres ersten Kommandanten, wahrscheinlich Lucius Rustius Picens, erhalten.
Silius war Kelte und Reiter und ist im 24. Jahr während seiner Dienstzeit verstorben, denn die Dienstzeit der Hilfstruppen betrug 25 Jahre.
Aus Anlass der 1250-Jahrfeier wurden zwei weitere Gedenksteine, sog. Ortseingangssteine, mit folgender Inschrift aufgestellt:
Weinbaugemeinde
Dienheim
seit 754
Die Gestaltung der Ortseingangssteine - unter Verwendung eines Bildes des in Dienheimer Gemarkung gefundenen römischen Grabsteines, des sog. Siliussteines - soll dem Betrachter vermitteln, dass Dienheim auf römischem Fundament aufgebaut ist, denn man vermutete in der Gemarkung Dienheim den römischen Ort Bonconica.
Eine römische Straßen- und Reisekarte aus dem 4. Jahrhundert nach Christi Geburt, die sog. Peutingerkarte, nennt zwischen Mainz (Mogontiaco) und Worms (Borbetomago) eine Straßenstation mit dem Namen Bonconica.
In „"Die Römer in Rheinland-Pfalz"[Anm. 1]“ wird Bonconica dem heutigen Ort Nierstein gleichgesetzt, möglicherweise deshalb, weil dort die Entfernung von Mainz mit 8 Leugen (1 Leuge, keltische Meile = 2,225 km) angegeben ist (Die in diesem Werk angegebenen 8 Leugen sind nach meiner Ansicht auf einen Ablesefehler zurückzuführen, da sich auf der Originalpeutingerkarte im Bereich der Meilenangabe eine Quetschfalte befindet). Tatsächlich ist die Entfernung zwischen Mainz und Bonconica mit 9 Leugen, die Entfernung von Worms mit 11 Leugen in der Peutingerkarte sowie auf dem Meilensteinfragment von Tongeren (heute in Belgien) angegeben. Unter Berücksichtigung dieser Entfernungsangaben kann Bonconica nicht in der Gemarkung Nierstein gelegen haben.
Inzwischen wissen wir, dass Bonconica im Bereich des alten Oppenheim lag (Wormserstrasse/Sebastianskirche).
Die Fundsituation in der Ortslage von Dienheim entlang der ehemaligen B9, deren Verlauf der römischen Rheinuferstraße entspricht, weist auf ein römisches Gräberfeld hin, wodurch Oppenheim als der römische Ort Bonconica bestätigt ist.
Anmerkungen:
- Cüppers, Heinz (Hrsg.): Die Römer in Rheinland-Pfalz. Stuttgart 1990. Zurück