Tempelbezirk des Mars Leucetius und der Nemetona am Winternheimer Berg
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden am „Winternheimer Berg“ an der Schnittstelle der drei Dorfgemarkungen Klein-Winternheim, Ober-Olm und Mainz-Ebersheim zwei Weiheinschriften und mehrere Votivgaben gefunden, die auf die Existenz eines überregional bedeutenden Tempelbezirks für das Götterpaar Mars Leucetius und Nemetona hindeuten.[Anm. 1]
Eine der Inschriften befindet sich auf einem 18,5 cm x 10 cm großen und etwa 3 mm dicken, rechteckigen Täfelchen aus Weißmetall, welches 1884 im oben erwähnten Gebiet gefunden wurde.[Anm. 2]
Sie lautet wie folgt:[Anm. 3]
A(ulus) Didius Gallus / [F]abricius Veiento co(n)s(ul) / III XV vir sacris faciend(is) / sodalis Augustal(is) sod(alis) Flavial(is) / sod(alis) IIIIalis et Attica eius / Nemeton(ae) v(otum) s(olvit) l(ibens) m(erito)
Aulus Didius Gallus Fabricius Veiento, Konsul zum dritten Male, Mitglied des Quindecimviralkollegiums sowie (der Priesterschaften) der Sodalis Augustalis, Flavialis und Titialis, hat mit seiner Gemahlin Attica der (Göttin) Nemetona das Gelübde eingelöst, gerne und verdientermaßen.[Anm. 4]
Jener Aulus Didius Gallus Fabricius Veiento war wahrscheinlich ein Angehöriger des Adels und ein Adoptivsohn des Aulus Didius Gallus. Dieser war Statthalter in Moesia und Britannien unter Claudius und Nero. Veiento selbst durchlief die senatorische Laufbahn und war Prätor unter Nero, bevor dieser Ihn im Jahr 62 wegen Beleidigung von Priestern und Senatoren und wegen Handel mit Ämtern verbannte. Nach der Aufhebung des Urteils nach Neros Tod wurde Veiento jeweils einmal unter den Flaviern Vespasian, Titus und Domitian Konsul und war Mitglied in 2 Priesterschaften des Kaiserkultes. Unter Domitian war er außerdem militärischer Berater und kam wegen dieser Tätigkeit im Jahr 83 in Zuge der Chattenkriege nach Mogontiacum. Aufgrund des Aufenthalt Veientos in Mogontiacum in jenem Jahr, wird die Weihetafel ebenfalls in dieses Jahr datiert.[Anm. 5] Diese Weihung an die ursprünglich keltische Gottheit Nemetona ist die einzige bekannte Weihung, welche sich ausschließlich an Nemetona richtet. Alle anderen bekannten Weihungen an die Gottheit sind immer in Verbindung mit Mars Leucetius.[Anm. 6]
Diese Weihung an eine keltische Gottheit durch einen gesellschaftlich hochgestellten Römer und Nichteinheimischen unterstreicht die überregionale Bedeutung und das Ansehen des Kultes.[Anm. 7] Da die Göttin Nemetona nur auf dem Winternheimer Berg alleine verehrt wurde, handelte es sich dabei eventuell um das Zentralheiligtum für Nemetona.[Anm. 8] Funde von Votivlanzen und Waffen als Weihgeschenke bei der Tafel sprechen ebenfalls für ein Heiligtum.[Anm. 9]
Eine monumentale Brunneninschrift, welche 1852 bei einem Mauerabbruch im Bereich „Füllkeller“ in Klein-Winternheim gefunden wurde zeigt, dass auch der Gott Mars Leucetius in diesem Heiligtum einen eigenen Tempel gehabt haben musste.[Anm. 10]
Die Inschrift befand sich ursprünglich auf 4 Kalksteinplatten, von denen die 2 mittleren, jeweils 1,08 m hohen und 0,70 m breiten, gefunden wurden.[Anm. 11]
Die Inschrift lautet wie folgt:[Anm. 12]
[Marti Le]ucetio L. Iulius B / […] ulla fontem et it[er per] / [possessi]onem suam ad tem[plum con] / [cessit?] Aresace s publice p[oserunt]
Dem Mars Leucetius hat L. Iulius, Sohn (?) des …, … ulla seine Quelle und eine Wasserleitung über sein Grundstück bis zum Tempel zur Verfügung gestellt. Die Aresaces haben durch öffentlichen Beschluss diese Inschrift gesetzt.
Die Inschrift nennt einen Tempel für Mars Leucetius im Bereich des heiligen Bezirks der Nemetona. Der Tempel und somit wohl der gesamte Bezirk befanden sich in der Zuständigkeit der Aresaces, einem Teilstamm der Treverer. Damit sind die Aresacen auch als Bewohner jener Region identifiziert.[Anm. 13] Die Zuständigkeit der Aresacen für das Heiligtum spricht für einen keltischen Ursprung des Mars Leucetius.[Anm. 14] Der keltische Kriegsgott Leucetius wurde somit mit dem römischen Gott Mars gleichgesetzt.
Somit lässt sich durch diese beiden Inschriften und die gefundenen Votivgaben ein Tempelbezirk für Mars Leucetius und Nemetona am Winternheimer Berg vermuten. Die beiden Inschriften befinden sich heute im Landesmuseum Mainz.[Anm. 15]
Nachweise
Verfasser: Lutz Luckhaupt
Verwendete Literatur:
- Jakobi, Hans: Mogontiacum. das römische Mainz. Mainz 1996.
- Steinmann, Wolfgang: Keltische und römische Einflüsse im Raum Klein-Winternheim und Ober-Olm. In: 900 Jahre Klein-Winternheim. Klein-Winternheim 1999, S. 57.
Erstellt am: 10.07.15
Anmerkungen:
- Jakobi, Hans: Mogontiacum. Das römische Mainz. Mainz 1996, S. 611. Zurück
- Steinmann, Wolfgang: Keltische und römische Einflüsse im Raum Klein-Winternheim und Ober-Olm. In: 900 Jahre Klein-Winternheim. Klein-Winternheim 1999, S. 57. Zurück
- CIL XIII, 7253. Zurück
- Steinmann, S. 57. Zurück
- Ebenda, S. 59-61. Zurück
- Jakobi, S. 612. Zurück
- Steinmann, S. 62. Zurück
- Jakobi, S. 612. Zurück
- Ebenda, S. 615. Zurück
- Steinmann, S. 64. Zurück
- Jakobi, S. 613. Zurück
- CIL XIII, 7252. Zurück
- Jakobi, S. 168. Zurück
- Steinmann, S. 64. Zurück
- Ebenda, S. 64. Zurück