Das Sironabad in Nierstein
Das Sironabad war - das legen entsprechende Münzfunde nahe - in den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt in Benutzung. Die Münzen waren als Dankopfer von Römern und Römerinnen in das Wasserbecken geworfen worden. Da die gefundenen Münzen jeweils die Porträts der regierenden Kaiser zeigen, kann man sagen, dass die Quelle mindestens von Domitian (86) bis Posthumus (267) in Benutzung war. Spätestens nach dem Abzug der Römer aus Rheinhessen (Mitte des 5. Jahrhunderts) geriet das Bad in Vergessenheit.
Die Wiederentdeckung
Das änderte sich Mitte des 18. Jahrhunderts. Im Jahr 1766 wurde das Sironabad von Professor Johann Daniel Flad aus Mannheim in einer Vorlesung erwähnt: "Zu Nierstein, nahe der fliegenden Brücke und hart am Rhein, habe ich schon vor mehr als 15 Jahren einen solchen schweflichten Bronnen wahrgenommen. Das Wasser hat den Geruch der faulen Eier, setzt einen gelben Ocker ab, und das Silber läuft darin über Nacht gelb an."
Martin van der Velden
Im Jahr 1802 pachtete Martin van der Velden aus Chapelle bei Antwerpen die Quelle, da ihm das Heilwasser während einer Krankheit geholfen hatte. Man wurde auf die Heilquelle aufmerksam.
Als der Leibarzt des Großherzogs von Hessen, Freiherr von Wedekind, durch einen Artikel in der Zeitung vom 12. Mai 1802 auf die Nützlichkeit der Quelle hinwies, ließ Professor Ackermann, Präsident der Departemental-Gesellschaft der Wissenschaften und Künste zu Mainz, das Wasser einer chemischen Analyse unterziehen. Sowohl diese in der Mainzer Zeitung Nr.61-63 vom Jahr 1803 abgedruckte Analyse wie auch die im Jahr 1826 vom Apotheker Büchner vorgenommene physikalisch-chemische Untersuchung bestätigten die Heilwirkung des Schwefelwassers. Bei Florian Kupferberg in Mainz wurde 1827 eine Abhandlung von Lehne veröffentlicht: "Das Sironabad bei Nierstein und seine Mineralquellen". Martin van der Velden verschickte das Heilwasser in Flaschen bis nach Belgien, Holland und England.
Die Heilkraft der Quelle
ist auf ihren hohen Gehalt an mineralischen und gasförmigen Bestandteilen zurückzuführen. Sie enthält nach der Analyse schwefel- und salzsaures Natron, Eisen, Schwefel und schwefeliges Stickstoffgas. Das Quellwasser hat sich bewährt bei Heilung chronischer Brustleiden, Asthma, Stockungen im Pfortenadersystem, Hautausschlägen, Krätze, Flechten, Hämorrhoidalleiden und Rheuma. Van der Velden ließ die Quelle vom Schutt und Geröll befreien, die sich während der vergangenen Jahrhunderte angesammelt hatte. Bei den Aufräumarbeiten und der Freilegung des Bades entdeckte man nicht nur die ursprüngliche Fassung der Quellen - zwei Süßwasser- und zwei Schwefelquellen - sondern auch römische Überreste: eine kleine Säule, ein Becken aus Stein, kleine Figuren aus gebrannter Erde und eine Anzahl kupferner Münzen. Besonders aufschlussreich war ein Votivstein für Apollo und Sirona, der die Deutung des Quellheiligtums ermöglichte. Dieser Stein ist jetzt in der Wand des unterirdischen Brunnengewölbes eingemauert.
Seine Inschrift lautet:
Deo Apollini et Sironae, Julia Frontina
v[otum] s[olvit] l[ibenter] l[ubenter] m[eritis].
(Dem Gott Apollo und Sirona erfüllt Julia Frontina
ihr Gelübde freudig und wie es sich gehört.)
Die Römerin Julia Frontina hatte demnach als Dank für ihre Heilung durch das Heilwasser in Erfüllung ihres vorhergehenden Gelübdes diesen Stein (Votivstein) setzen lassen.
Apollo und Sirona
Der Heilgott Apollo fand seine Entsprechung im keltischen Grannus. Der Quellwasserheilgott Grannus ist mit seiner Gefährtin Sirona, Thiron, der Quellgöttin von der Dhron, auch in den angrenzenden Landschaften bekannt. Sirona galt als Beschützerin der Quellen, des Moores und des Wassers.
Das Sironabad in der Franzosenzeit
Zwei neuere Gedenkplatten sind an den Wänden der Brunnenhalle angebracht, die auf die Erneuerung zu Beginn des 19. Jahrhunderts hinweisen. Sie sind in französischer Sprache gefasst, da Rheinhessen zu dieser Zeit zur Republik Frankreich gehörte.
Die eine der Tafeln trägt die Inschrift:
Rebati l'an IV du consulat de Napoléon Bonaparte
le 24 prairéal l'an 11 de la république francaise.
Wieder hergestellt im Jahre 4 des Konsulats Napoleon Bonapartes
am 13. Juni 1803 der französischen Republik
Auf der anderen ebenfalls eingemauerten Steinplatte steht:
Sous la préfecture de Jean Bon St. André,
Departement de Mont-Tonnerre
Unter der Statthalterschaft von Jean Bon St. André, Departement Donnersberg
Stadtrat Pfeifer
Nach dem Tod Martin van der Veldens wurde das Bad 1826 von der Gemeinde an Stadtrat Pfeifer in Mainz verkauft. Er ließ die unvollkommene Einfassung der Quelle aufbrechen und ihren Lauf richtig freilegen. Auch die beiden Räumlichkeiten, die Brunnen- und die Badehalle, wurden nach römischem Vorbild erneuert. Über diesen unterirdischen Räumen ließ er Unterkünfte für Kurgäste anlegen, weitere wurden in dem nahen Gasthaus "Zum gelben Haus", an deren Stelle jetzt (1971) Villa Guntrum (früher Bömper) steht, untergebracht.
Das Sironaband im vorigen Jahrhundert
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bis in die zwanziger Jahre wurde das schwefelige Quellwasser zum Bleichen von Mais bei der Herstellung von Maizena in dem Unternehmen der Gebrüder Sander benutzt, das diese in der Nähe des Sironabades betrieben. Im Jahr 1954 wurden die Außenanlagen von der Gemeinde hergerichtet. Während früher der Schlüssel für das Bad in der benachbarten Gastwirtschaft (Sironahof) hinterlegt war, muss man sich heute an die Gemeindeverwaltung wenden.
Die Herkunft des Namens Nierstein (nach Karl Hane)
Bemerkenswert ist noch, dass die Quelle des Sironabades dem Ort Nierstein seinen Namen gegeben hat. Noch heute befinden sich im südlichen Frankreich, das zur Zeit der
Römerherrschaft von den Galliern bewohnt war, Mineralquellen, die unter dem Namen "Neris" bekannt sind. Nach dem Bericht des römischen Schriftstellers Tacitus haben sich nach dem Tod des Kaisers Augustus (14 n. Christus) Gallier als Ansiedler in der Nähe von Mainz niedergelassen. Es war nur natürlich, dass diese den einzigen Ort an
den Ufern des Mittelrheins, wo sie eine ähnliche Mineralquelle wie in
ihrer Heimat fanden, "Neri" nannten.
Den Zusatz "stein" scheint es von den Alemannen erhalten zu haben. Nördlich von Nierstein verlief nämlich später die alemannisch-fränkische Grenze. Die Alemannen pflegten ihre Grenzen durch gewaltige Steine zukennzeichnen. Ein solcher Grenzstein stand noch 1852 unterhalb Niersteins in einem Weinberg. Aus Unkenntnis seiner historischen Bedeutung wurde er dann bei der Neuanlage eines Weinbergs zertrümmert. Die Flur, auf der er stand, heißt heute noch "Am Hinkelstein" (Hünenstein). Friedrich Lehne (Geschichte der römischen Bauern) glaubt daraus seine Ansicht ableiten zu können, dass der Ort nach dem hier stehendenGrenzstein den Zusatz "stein" erhalten hat und dann "Neristein", d.h. "Neri am Stein" hieß. In der ältesten Urkunde über Nierstein (742) wird es tatsächlich von "Neristeein" genannt.
Nachweise
Redaktionelle Bearbeitung: Stefan Grathoff
Literatur:
- Der Text basiert auf dem Aufsatz von: Karl Hane: Das Römerbad(Sironabad) in Nierstein. In: Heimat-Jahrbuch 1971 LandkreisMainz-Bingen. 15 (1971), S.24-27.
- Landesamt Denkmalpflege (Hrsg.): Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz. Band 18.3: Kreis Mainz-Bingen. Bearb. v. Dieter Krienke. Worms 2011.
Aktualisiert am: 24.10.2014