Zornheim in Rheinhessen

Zornheimer Wegekreuze

1. Ruhkreuz

Ruhkreuz bei Zornheim von 1918.[Bild: Gottfried Kneib]

Im letzten Kriegsjahr des Ersten Weltkrieges errichtete die katholische Pfarrei in Zornheim das sogenannte Ruhkreuz. Die Finanzierung wurde durch einige Gemeindemitglieder ermöglicht. Den notwendigen Platz für den Standort stellte die Zivilgemeinde zur Verfügung. An der feierlichen Einweihung am 7. Juli 1918 beteiligte sich fast die gesamte Bevölkerung Zornheims. Lieferant des Kreuzes war der Nieder-Olmer Bildhauer Stieb, ein Protestant, wie Pfarrer Georg Schmitt in der Pfarrchronik ausdrücklich betont. Im Jahre 2003 wurde in Privatinitiative eine Grünanlage um das Kreuz angelegt.

An dem Kreuz wurde Station eingelegt bei der Bittprozession, welche in den Südteil der Gemarkung führte.

An der Stelle des 1918 errichteten Kreuzes muss schon früher ein Wegekreuz gestanden haben. Der bereits im 18. Jahrhundert nachweisbare Flurname „Am Kreuz“ für die Weinberge südlich des Standortes beweist dies.

Namensgeber für das Feldkreuz war die dortige Weinbergslage „An der Ruh". Dieser weitverbreitete Flurname bezeichnet eine Stelle an einem Weg, wo ein steinernes oder hölzernes Gestell aus zwei Pfosten und einem darüberliegenden Querbalken stand, auf dem man Traglasten abstellen körnte. Wahrscheinlich haben hier die Frauen aus Hahnheim, welche über Zornheim nach Mainz zum Markt wanderten, Rast gehalten. Auf der Ruhebank haben sie ihre Körbe, welche sie meist auf dem Kopf trugen, abgestellt.

In vielen rheinhessischen Gemeinden standen steinerne Ruhebänke mit einer Sitzfläche und einer erhöhten Vorrichtung für die Traglasten, welche Napoleon aus Freude über die Geburt seines Sohnes gestiftet hatte, 1000 Schritte vor dem Ortsrand. Sie wurde folgerichtig „Napoleonsbänke“ genannt.

Bemerkenswert ist noch, dass im Oktober 1944 in unmittelbarer Nähe des Ruhkreuzes sechs Menschen bei der Weinlese durch eine Fliegerbombe ums Leben kamen.

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2. Wegekreuz am ehem. Pfad nach Mainz

Zornheimer Wegekreuz am ehemaligen Pfad nach Mainz.[Bild: Gottfried Kneib]

Von Zornheim führte ein Fußpfad auf dem kürzesten Weg nach Mainz. Die Bauersfrauen benutzten ihn, wenn sie ihre Naturalien zum dortigen Markt transportierten. Der Pfad durchquerte das Niedernbergtal und überwand einen Steilhang, der im Mittelalter den Dorfbewohnern als Gemeindewiese (Anger) diente. Nach der Abschaffung der Weidewirtschaft Anfang des 18. Jahrhunderts wurde er gerodet und als sogenannter „Angerröder“ zum Anbau von Obst und Gemüse genutzt. Das Kreuz stand an diesem Pfad, wo er die höchste Stelle des Steilhanges erreichte. Dieser Standort ist typisch für mittelalterliche Erinnerungskreuze, die häufig an einer gefährlichen Steigung errichtet wurden, an der sich ein Unglück mit Todesfolge ereignet hatte. Das Mahnmal sollte die Vorübergehenden auffordern, für das Seelenheil des plötzlich Verstorbenen zu beten, der sich nicht in der gebührenden Weise auf seinen Tod vorbereiten konnte.

Das Wegekreuz am ursprünglichen Standort um 1930.[Bild: Privatarchiv]

Das Kreuz wird urkundlich erstmals Anfang des 18. Jahrhunderts in dem Flurnamen „Auf dem Pfad am Kreuz“ erwähnt. Die Inschrift „Erneuert von Christ[ine] Breier – 1898“ zeigt, dass es bereits im 19. Jahrhundert renovierungsbedürftig war. Die genannte Sponsorin heiratete den in der Kommune und Pfarrei stark engagierten Jakob Sieben X. und stiftete mit diesem der Kirchengemeinde eine neue Monstranz.

Anlässlich der Ortserweiterung in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde das Kreuz versetzt und damals der Korpus renoviert. Heute steht es in einem Vorgarten an der Niedernbergstraße.

Mit dem Fußpfad verbanden die alten Zornheimer folgende Anekdote: Nachdem die Zornheimer Marktfrauen am Hecken bewachsenden Steilhang mehrfach von einem Dieb ausgeraubt worden waren, lauerten sie diesem verkleidet auf und erschreckten ihn derart, dass er aus Angst in die Buchs (Hose) machte. So sei der Flurname „Buchsenschisser“ entstanden. Das ehemalige Weingut des Ökonomierates Sieben u. Erben vermarktete mit dieser Lagebezeichnung erfolgreich seine dort gewachsenen Weine. (Die Weinbergslage befand sich allerdings einige hundert Meter östlich vom Fußpfad.)

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3. Wegekreuz an der Hahnheimer Straße

Zornheimer Wegekreuz an der Hahnheimer Straße.[Bild: Gottfried Kneib]

Das Wegekreuz an der Hahnheimer Straße stand ursprünglich an dem Straßenknotenpunkt Hahnheimer Straße / Sörgenlocher Weg / Obere Pfortenstraße / Breite Straße. Es wurde laut Inschrift im Jahre 1899 erneuert.

Im Jahre 1939 deckte ein heftiger Sturm das Dach der benachbarten Feldscheune ab. Die Trümmer stürzten das Kreuz um und demolierten sowohl die Kreuzesbalken als auch den Korpus des Gekreuzigten. Die Renovierung erfolgte noch im selben Jahr.

An dem Kreuz wurde bei der Bittprozession, welche in den Westteil der Gemarkung führte, Station eingelegt.

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4. Wegekreuz an der Ecke Kreuzstraße / Weidenweg

Zornheimer Kreuz an der Ecke Kreuzstraße / Weidenweg.[Bild: Gottfried Kneib]

Das Wegekreuz stand ursprünglich am Beginn des Weidenweges vor dem Haus Kapellenstraße 2. Da sich durch die Neubauten im Weidenweg Anfang des 20. Jahrhunderts der Ortsausgang verlagerte und das Kreuz nicht mehr das Dorfende markierte, verlegte man es 1918 an die Kreuzung von Weidenweg und Kreuzstraße. Das Gelände wurde ehemals als Brechkaut für Flachs und Hanf genutzt.

Das Kreuz trägt keine Inschrift. Hier wurde bei der Bittprozession, welche in den Ostteil der Gemarkung führte, Station eingelegt.

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5. Verschwundene Wegekreuze

Weitere, inzwischen verschwundene Wegekreuze leben nur noch in den alten Flurnamen weiter.

Der Gemarkungsplan von Gottfried Mascop aus dem Jahre 1577 nennt eine Flur am Sörgenlocher Weg „Am Kreuz“.

Zwei weitere Flurnamen stammen aus den Katasterplänen des 19. Jahrhunderts:

„Am Hagelkreuz“ (an der Gemarkungsgrenze von Selzen und Mommenheim; wohl am Weg nach Mommenheim)

„Am Schuhmanns Kreuz“ (an der Ostseite der Hahnheimer Straße zwischen den Fluren Hippfad und Steig)

 

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Nachweise

Verfasser: Gottfried Kneib

Redaktionelle Bearbeitung: Jonathan Bugert

Literatur:

  • Gemeinde Zornheim (Hrsg.): 1200 Jahre Zornheim 771-1971. Beiträge aus der Geschichte der Gemeinde. Zornheim 1971.
  • Landesamt Denkmalpflege (Hrsg.): Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz. Band 18.2: Kreis Mainz-Bingen. Bearb. v. Dieter Krienke. Worms 2011.

Aktualisiert am: 04.05.2021