Reformierte in der Stadt 1605-1636
Die Kirche unter Graf Wilhelm II. von Sayn-Wittgenstein
Nach dem Tod des Grafen Heinrich IV. am 12. September 1605 fiel die Herrschaft an seine Nichte Anna Elisabeth. Diese trat die Nachfolge nur noch in einer Restgrafschaft an, die sich um die Kerngebiete bei Hachenburg, Altenkirchen und Friedewald zog. Anna Elisabeth war mit Graf Wilhelm III. von Sayn-Wittgenstein-Berleburg verheiratet, der schon zuvor als Mitregent Heinrichs IV. aufgetreten war.
Graf Wilhelm III. (reg. 1606-1623) hing der reformierten Lehre an. Entgegen anfänglichen Beteuerungen, am Bekenntnisstand in den saynschen Ländern keine Änderungen vorzunehmen und auf die Untertanen keinen Druck in Glaubensangelegenheiten auszuüben, ging er nach seinem Regierungsantritt sofort daran, das lutherische Element zu verdrängen.
In Hachenburg übernahmen der Hofprediger Jakob Reinhard und Magister Reinhard von Susenbeth, Pfarrer in Altstadt, die praktische Durchführung des Glaubenswechsels. Am 6. Juni 1606 legten beide Geistliche dem Grafen einen entsprechenden Plan vor. Graf Wilhelm ordnete daraufhin an, die Reform am 9. Juni 1606 einzuleiten. Reinhard und Susenbeth zogen zunächst von Pfarrei zu Pfarrei. Den von ihnen aufgesuchten Geistlichen wurde bis zum 31. Oktober 1606 Termin gesetzt, entweder das reformierte Bekenntnis anzunehmen oder aber das Land zu verlassen, wobei sie ihr gesamtes Hab und Gut verlieren würden. Trotz dieser unverhohlenen Erpressung trat nur der Pastor von Kirburg zum verordneten Glauben über, alle anderen Pfarrer in der Grafschaft baten sich Bedenkzeit aus oder weigerten sich kategorisch. Die Kirchen- und Schuldiener belangend - so heißt es in einem Bericht - haben dieselben allesamt den vorgelegten Mandat nicht unterschreiben wollen. Der Graf entschied: Den allen ist nicht zu trauen und wohl am besten, daß ein termin gesetzt werde, wann sie sich trollen sollen. Die Verweigerer wurden kurze Zeit später mit Gewalt des Landes verwiesen, ihre Stellen mit reformierten Predigern besetzt.
Die Annahme der reformierten Lehre in der Gemeinde
Die Hachenburger Geistlichen und Schuldiener hatten sich gezwungenermaßen fast alle wohl erzeigt, ausgenommen Kasparum zu Hachenburg. Gleichwohl beschwerten sie sich im Juni 1606 beim Pfalzgrafen in Heidelberg: Sie seien gezwungen, die Psalmen, wie sie Lobwasser gesangsweise gestellt in der Kirche einzuführen. Sie wollten zwar der Obrigkeit gehorchen, doch die Psalmen nicht übernehmen. Die Gesänge seien ihnen und ihren Zuhörern fremd, weil bis dahin in der Kirche die Psalmen und Lieder Luthers und anderer "geistreicher" Leute gebraucht worden seien. Zudem klagten sie darüber, dass sie mit der Annahme der neuen Lehren das anerkennen würden, was sie zuvor verworfen hätten. Sie betrögen damit die hohe Obrigkeit, weil sie äußerlich etwas täten, was sie im Gewissen für Unrecht hielten. Gleichzeitig würden ihre Zuhörer sie für Abtrünnige halten, die aus dem Zeitgeist heraus auß einem mundt kalt und warm blasen wollten. Für diese Heuchelei würden sie sich mit Sicherheit beim "Jüngsten Gericht" verantworten müssen.
Die Einführung des Heidelberger Katechismus änderte die Lebensgewohnheiten. Seit 1609 durften Heiratskandidaten, die schon einmal verheiratet gewesen waren oder vor der Hochzeit bereits Kinder hatten, keine Hochzeit mehr halten, bei denen Geldgeschenke gemacht wurden. Zu Kindtaufen durften nur noch höchstens 12 Personen eingeladen werden. An Sonn- und Bettagen war es verboten, Branntwein zu verkaufen, auch Gartenspiele waren an diesen Tagen unerwünscht. Verstöße wurden mit Geldstrafen oder gar Gefängnis geahndet.
Der Möglichkeit, den reformierten Pfarrern auszuweichen und einfach im benachbarten Kirchspiel den lutherischen Geistlichen zuzuhören, schob der Graf am 2. März 1607 einen Riegel vor: Falls Lutherische in benachbarten Kirchen angetroffen würden, sollte man ihnen zuerst die Kleider wegnehmen. Wenn das nicht half, sollten sie sich aus dem Lande trollen und zusichern, niemals wiederzukommen. So blieb den Menschen meist keine andere Wahl, als sich dem neuen Glauben zuzuwenden.
Am 21. Mai 1607 befahl Graf Wilhelm die Abschaffung der Orgeln und Altäre in den Kirchen. In vielen Gotteshäusern wurden die Altäre durch einfache Abendmahltische ersetzt, Taufsteine, Kruzifixe, Bilder und Kunstgegenstände entfernt. Zahlreiche Kunstwerke gingen dabei verloren. Damals verschwand u.a. für Jahrhunderte der Taufstein aus der alten Katharinenkirche.
Der katholische Glaube wurde in Hachenburg weiter zurückgedrängt. Am 18. September 1619 verbot Graf Wilhelm von Altenkirchen aus seinen Untertanen die päpstliche abgöttische Art der Messe, die Wallfahrten nach Marienstatt, St. Lenhardt und Marienthal und ließ auch gegen Segensprecher, Zeichendeuter, Planetenleser, Wahrsager und Kristallseher vorgehen.
Die Kirche unter Graf Ernst und Gräfin Loysa Juliana
Nach dem Tod des Grafen Wilhelm 1623 fiel die Herrschaft an den Grafen Ernst zu Sayn-Wittgenstein, der mit der lutherischen Gräfin Loysa Juliana verheiratet war. Als Graf Ernst 1632 starb, übernahm die Gräfin die Regentschaft für ihre noch unmündigen Kinder. Obwohl unter ihrer Herrschaft das lutherische Element wieder in Hachenburg Fuß fassen konnte, die Gräfin bestellte u.a. einen lutherischen Seelsorger, hatte sich das ein Vierteljahrhundert zuvor eingeführte reformierte Bekenntnis in der Stadt nachhaltig durchgesetzt. Kurze Zeit später wurde die evangelische Dominanz jäh unterbrochen, für Hachenburg brach im Jahr 1636 eine neue Zeit an.
Redaktioneller Hinweis: Die hier vorgestellten Ausführungen sind inhaltliche Ergänzungen und Erweiterungen der entsprechenden Abschnitte des Buches „Geschichte der Stadt Hachenburg“. Die zugehörigen Basis-Informationen sind u.U. nur in der Druckausgabe zu finden. Die Inhalte dieser Seiten entsprechen also nicht denjenigen des Buches.