Anton Praetorius - ein Kapitel Rheinhessischer Geschichte
von Hartmut Hegeler
Gegen Hexenprozesse und Folter: Zum 400-jährigen Gedenken an das Lebenswerk von Anton Praetorius
Keiner ahnte, wen sie an diesem sommerlichen Freitag am 5. August inhaftiert hatten. Man schrieb das Jahr 1603. Ein Fremder kam durch Niederwöllstadt (nördlich von Frankfurt/M) geritten, Weib und Kind in seiner Begleitung. Sie verirrten sich und gelangten nach Oberwöllstadt, als gerade der Klang der Glocken die Menschen zum Gottesdienst rief. Der Fremde machte mit seiner Familie eine Pause, ließ die Pferde füttern und wollte in der Zwischenzeit die Predigt anhören. Was der Fremde nicht wissen konnte: erst zehn Tage zuvor war dieser Ort vom Mainzer Erzbischof rekatholisiert worden. Deswegen legte anstelle des bisherigen evangelischen Pfarrers ein katholischer Mönch die biblische Geschichte aus. Dessen eigenwillige Homilie über die Himmelfahrt Marias frappierte den Fremden. Als glühender Protestant konnte er der Marienpredigt einfach nicht länger zuhören und verließ den Gottesdienst. Als schließlich der Mönch aus der Kirche trat, forderte der Fremde den Prediger auf, die Äußerungen der Predigt aus dem Evangelium zu belegen. Es kam es zu einem heftigen Wortwechsel. Schließlich trat der Schultheiß mit seinem Spieß herzu und stellte bei der Vernehmung fest, dass der Ortsfremde sich als Anton Praetorius ausgab.
Wer war dieser Anton Praetorius?
Beruflicher Werdegang und Erfahrungen mit Hexenprozessen
Anton Praetorius wurde 1560 in Lippstadt als Sohn von Matthes Schulze geboren. Dem Trend der Zeit entsprechend übersetzte er seinen Namen ins Lateinische und nannte sich fortan Praetorius. Bereits als Jugendlicher machte er Erfahrungen mit der Grausamkeit der Hexenprozesse, die ausnahmslos von weltlichen Gerichten durchgeführt wurden. Im Alter von etwa 13 Jahren erlebte er einen Hexenprozess unter Anwendung der Folter, der zu seinem Denken entscheidend beigetragen hat. Er schreibt rückblickend im Jahr 1613: „Es ist über viertzig jahr / daß ich zu Lippe / in meinem Vatterlande / mit meinen augen gesehen habe / daß etliche Burgers Weiber hinauß geführet und verbrant worden / nur darum / daß sie bekannt / sie hätten mit dem Satan (welchen sie Fedderbusch nenneten) gezecht / getantzet / gebuhlt / und wetter gemacht: welches alles doch ihrer natur zu wider / und unmöglich gewesen.“
Praetorius machte Karriere, wurde Lehrer und 1586 Rektor der Lateinschule in Kamen/ Westfalen. In der Folgezeit kam es zu häufigen Ortswechseln: 1587 verwaltete Praetorius als Diakon in Worms den Kirchenkasten für soziale Belange. 1589 wurde er zweiter Pfarrer an der ehrwürdigen Katharinenkirche in Oppenheim. Hier hat Praetorius anscheinend den Wechsel von der lutherischen zur reformierten Konfession vollzogen. In den Jahren 1589/ 1590 diskutierte er mehrfach in Mainz mit Jesuiten. Zweimal war er im Kloster der Jesuiten zu Gast gewesen und hatte während der Mahlzeit an Streitgesprächen teilgenommen. Auch Fahrten auf dem Oppenheimer Marktschiff nutzte Praetorius offensichtlich für engagierte religiöse Gespräche. Das Marktschiff besorgte den Verkehr zwischen Oppenheim und Mainz seit alter Zeit.
1592 wurde er Pfarrer in Dittelsheim und besuchte 1593 das nahe gelegene Herrnsheim in Worms mit dem großen Schloss der Dalberger. Dabei wurde er Zeuge des Dalberger Hexenprozesses. Unter schrecklichen Foltern hatten Frauen aus dem Dittelsheimer Nachbarort Hessloch gestanden, Hexen zu sein. Praetorius schrieb, dass "Männer und Weiber verbrannt worden. Für deren Endurteil wurden vom Rathaus aus einem Fenster solche schändliche, närrische und greiflich lügenhafte Dinge von teuflischer Gemeinschaft und Wettermachen öffentlich vorgelesen, dass mir das Zuhören wehe täte und ich mich für keuschen Ohren schämen müsste, dieselben zu erzählen."
Das große Fass von Heidelberg
1594 reiste Praetorius von Dittelsheim über Worms nach Heidelberg, dem Zentrum reformierter Theologie. Praetorius war von der Universitätsstadt am Neckar tief beeindruckt. Nach seiner Rückkehr befragten ihn die Dittelsheimer Gemeindeglieder ausführlich nach dem Großen Fass, so dass er im Pfarrhaus von Dittelsheim im Oktober 1595 in lateinischer Sprache die älteste Nachricht von dem großen Wein-Fass in Heidelberg schrieb – schon damals eine touristische Attraktion.
Er widmete das Buch dem reformierten Pfalzgrafen Johann Casimir und dem reformierten Kurfürsten Friedrich IV. und pries das Fass als ein Zeichen für die gottgefällige Regierung der reformierten Obrigkeit. Die Größe des Fasses wurde von ihm als augenscheinliches Symbol der Überlegenheit des reformierten Glaubens gesehen: „Hier leuchtet die Güte, hier die Majestät, hier die höchste Macht des ewigen Gottes überall heller“. Durch den Bau des Fasses wurde für Praetorius deutlich, welche ungeheuren Leistungen die calvinistische Religion hervorzubringen imstande war. Praetorius erlebte persönliche Katastrophen wie so viele Menschen seiner Zeit. Seine erste Frau hatte drei Fehlgeburten und starb 1596 während einer Pestepidemie. Nur der älteste Sohn Johannes überlebte.
Persönlicher und literarischer Kampf gegen Hexenverfolgungen und Folter
Historiker suchen heute noch nach Gründen, wie es zu den Hexenverfolgungen kommen konnte. Fest steht, dass im 16. und 17. Jahrhundert in Deutschland ein geistiges Klima herrschte, das die Verfolgungen begünstigte. Kriege, Krankheiten und Katastrophen erzeugten bei den Menschen Angst und Panik. Prediger beschworen Endzeitstimmung. Um 1590 wüteten spanische Truppen in Deutschland. Eine Pestepidemie raffte in manchen Regionen die Hälfte der Bevölkerung hinweg. Überall in Mitteleuropa sanken die Temperaturen - die sogenannte kleine Eiszeit. Die Ernten verdarben, die Menschen litten Hunger, das Vieh starb. Krankheiten breiteten sich aus. Die Menschen fragten sich, wieso diese Katastrophen passierten und führten in ihrer abergläubischen Weise alles auf Schadenszauber zurück. Hexen wurden beschuldigt, den Menschen Schaden zuzufügen. Man suchte Sündenböcke – und man fand sie. Die Jagd auf das „Hexengeschmeiß“ begann.
1596 wurde Praetorius Hofprediger des Grafen in Birstein (30 km nordöstlich von Frankfurt) und musste an einem Prozess gegen vier 'Hexen' teilnehmen. Das Gericht ließ die Frauen foltern, um ein Geständnis zu erzwingen. Doch Praetorius machte nicht mit. Er war Christ, und sein Maßstab war die Bibel. Der Pfarrer wetterte derart gegen die Folter, dass der Prozess beendet und die letzte noch lebende Gefangene freigelassen wurde. Dies ist der einzige überlieferte Fall, dass ein Geistlicher während eines Hexenprozesses die Beendigung der unmenschlichen Folter verlangte - und Erfolg hatte.
Der Schreiber der gräflichen Kanzlei hielt diesen ungewöhnlichen Vorfall fest: „Weil der Pfarrer alhie heftig dawieder gewesen, als man die Weiber peinigte, also ist es diesmal deßhalben unterlassen worden.“ Der Graf entließ seinen Hofprediger umgehend. Praetorius fand in Laudenbach/ Bergstrasse in der Nähe von Heidelberg eine neue Pfarrstelle. Dort schrieb er sein Buch gegen die unchristlichen Hexenprozesse: „Gründlicher Bericht über Zauberey und Zauberer“. 1602 erschien es unter seinem Namen. Viele Jahre kämpfte Praetorius unter Einsatz seines Lebens gegen Folter und Hexenprozesse. Dabei berief er sich immer wieder auf die Bibel und seinen christlichen Glauben und trug so seinen Anteil zur späteren Überwindung der Hexenverfolgung bei.
Sein "Gründlicher Bericht von Zauberey und Zauberern" erregte Großes Aufsehen in Deutschland. 1613 veröffentlichte der ehemalige Dittelsheimer Pfarrer die dritte Auflage. Schonungslos attackierte der Verfasser die unmenschlichen Hexenprozesse. Als einer der ersten Christen stellte er sich gegen die Hexenverfolgung und forderte die Obrigkeit mit Argumenten aus der Bibel auf, die unchristliche Folter von Angeklagten zu beenden. Mit drastischen Worten kritisierte er Rechtsbrüche und Grausamkeit der Juristen: "O Ihr Richter, was macht Ihr doch? dass ihr schuldig seid an dem schrecklichen Tod Eurer Gefangenen? Ihr seid Totschläger! Gott schreibt es auf einen Denkzettel! Welche Richter zu der Ungerechtigkeit Lust haben und unschuldiges Blut vergießen, werden in Gottes Hand zur Rache verfallen und sich selbst in die unterste Hölle hinabstürzen!" Wer so gegen Hexenprozesse wetterte, machte sich verdächtig, selbst ein Freund der Hexen zu sein, und lief Gefahr, vor ein Hexengericht gestellt zu werden.
Gegen die Hexenverfolgung erhoben sich vereinzelte Stimmen von Christen, oft unter dem Risiko selbst verfolgt zu werden. Das Wissen über evangelische Gegner der Hexenverfolgung ist aber im Dunkel der Vergangenheit fast völlig untergegangen. Dieses Schicksal widerfuhr auch Anton Praetorius, der 1602 als erster protestantischer Pfarrer ein mutiges Buch gegen Hexenverfolgung unter seinem eigenen Namen veröffentlichte. In Lehrbüchern der Kirchengeschichte wird Praetorius oft nicht erwähnt.
Verhaftung durch den Mainzer Erzbischof Johann Adam
Als Praetorius 1603 vom Schultheiß in Oberwöllstadt nach dem Streitgespräch über eine Predigt eines katholischen Mönches verhaftet und in Ketten gelegt wurde, gab der Landesherr Erzbischof Johann Adam in Mainz die Anordnung, an dem durchreisenden Praetorius ein Exempel zu statuieren.
Erst das persönliche Eingreifen des Kurfürsten Friedrich IV., Pfalzgraf in Heidelberg, brachte eine Wende. Der reformierte Kurfürst richtete persönlich einen Brief an seinen "lieben Freundt und Bruder", den Erzbischof von Mainz, ersuchte um Informationen über die Vorwürfe gegen seinen Kirchendiener Praetorius und bat "dieselbige Praetorium wiederumb auf freien fuß stellen zu lassen". Er betonte, "das wir an seiner mißhandlung kein gefallens tragen." Praetorius hatte es wohl diesem persönlichen Eingreifen des pfälzischen Kurfürsten zu verdanken, dass sich seine Lage in Oberwöllstadt änderte und er nach einigen Wochen Haft entlassen wurde.
Was der Schultheiß in Oberwöllstadt und die Behörden in Mainz nicht ahnten, war, dass sie einen wortgewaltigen Vorkämpfer der calvinistischen Reformation und zugleich einen der engagiertesten zeitgenössischen Gegner und Bekämpfer von Hexenprozessen und Folter verhaftet hatten.
Ob Kenntnis dieses Engagements des Praetorius in seiner Birsteiner Zeit den weiteren Verlauf der Mainzer Untersuchungen beeinflusst und möglicherweise sogar zu einem Verfahren als "Hexenbuhle" geführt hätte, ist schwer abzuschätzen. Ein späterer Chronist schrieb über Kurfürst Johann Adam von Bicken: 'Unser Rheingau mit dem übrigen Erzstifte (mochte) die göttliche Vorsicht preisen, dass sie Erzbischofs Johann Adam Regierungs-Tage gekürzt hat, bey deren Verlängerung sicherlich zwey Drittheile seiner Unterthanen als angebliche Zauberer und Unholde des Feuertodes gestorben sey würden.' Ein Zeitgenosse des Regenten schrieb: '1603 unternahm der hochwürdigste Herr größere Anstrengungen, zwei Seuchen auszumerzen. Die eine war die Aberkunst der Zauberer und Hexen, die andere die der Häresie. Gegen erstere verordnete er scharfe Befragung und gerichtliche Untersuchungen und an manchen Orten wurden zahlreiche Weiblein als Hexen verbrannt.'
Überkonfessionelle Opposition gegen Hexenverfolgung
Um 1600 begann sich in der evangelischen Kirche überkonfessionelle Opposition gegen die Hexenverfolgung zu formieren. Der reformierte Pfarrer Anton Praetorius hatte viele Jahre die theologische Position der Lutheraner als "wider-christlich" bekämpft. Deswegen überrascht es, dass er 1613 der dritten Neuauflage seines Berichtes über "Zauberey" ein kritisches Gutachten lutherischer (!) Theologen aus Nürnberg aus dem Jahr 1602 anfügte. So wurde sein "Bericht" von 1613 ein überkonfessioneller Appell gegen Folter und Hexenprozesse. In seinem Kampf gegen Hexenprozesse und Folter erhielt Anton Praetorius Unterstützung und Förderung von Gesinnungsgenossen in ganz Deutschland. Die lange Liste der Widmungen in seinem Buch von 1613 zeigt, dass es in Rheinhessen und in ganz Deutschland unter Theologen und angesehenen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens etliche Kritiker der Hexenprozesse gab.
Auf der Widmungsseite seines Buches hob er 1613 die Unterstützung von vielen kirchlichen Mitarbeitern hervor. Wer waren diese Menschen aus der Gegend von Kreuznach, Oppenheim, Nierstein, Wachenheim, Bensheim, Sprendlingen und Sieffersheim, denen Praetorius sein Buch widmete?
Johannus Althusius, Pfarrer zu Wachenheim, stammte aus Diedenshausen in Wittgenstein, studierte Theologie in Heidelberg, war Diakonus in Neustadt, bis 1610 Hofdiakon in Heidelberg, dann Diakon und seit 1611 Pfarrer in Wachenheim. Seine beiden Brüder lebten in Holland, der eine war Pfarrer, der andere Arzt.
Johannus Meierus, Prediger zu Bensheim, kam aus Kreuznach und wirkte seit 1610 als Diakon in Bensheim. 1618 wurde er selbständiger Pfarrer mit dem Titel Inspektor. Schon 1621 scheint Meyer krank geworden zu sein. Am 14. Dezember 1622 starb er und wurde wie sein Vorgänger in der Friedhofskapelle begraben. Bis zu seinem Tod hatte er 'unter Anstrengungen' noch Dienst getan.
Wimarus Stipelius, Pfarrer zu Sprendlingen (bei Alzey), wurde 1572 in Stypel bei Blankenstein in Westfalen geboren und studierte in Düsseldorf. Er war Hauslehrer der Edlen von Bodelschwingh. An seiner Seite wirkte als Schulmeister in seiner Gemeinde der getreue Johannes Cisnerus, der Anton Praetorius beigestanden hatte im Hexenprozess in Birstein. Stipelius war hinterher Pastor in Dexheim und in Venlo. Spätere Quellen sprechen von der Witwe "Weimari Stipelii".
Abelus à Creutzanus wurde Pfarrer zu Sieffersheim im Jahr 1597, als Praetorius den Hexenprozess in Birstein miterlebte. Wie sein Name besagt, stammte Abelus à Creutzanus aus Kreuzau bei Düren. Die Jülicher Synode gab ihm 1585 nach seinem Abschied aus Kirchherten auf seine Bitte hin Empfehlungsschreiben an den Heidelberger Kirchenrat mit.
Philippus Phildius, Pfarrer zu Nierstein, wurde 1584 geboren, stammte aus Friedburg und begann seinen Dienst 1604 in der Pfarrei Nierstein.
Valentinus Laupaeus Ingelheimensis wurde am 13.1.1561 in Ingelheim geboren und wirkte als Pfarrer und Inspektor zu Oppenheim. Er war dort schon vier Jahre Pfarrer, als Praetorius 1589 seinen Dienst an der Katharinenkirche in Oppenheim als Diakonus begann. Seine Frau Agnes schenkte am 3.8.1589 dem Sohn Hans Jakob das Leben. Das war im gleichen Jahr, als Maria, die Frau des Praetorius, den Sohn Gerhardt gebar. Seit 1597 war Laupaeus zugleich Inspektor.
Pfarrer Johannes Hulsmannus wirkte als Inspektor zu Kreuznach. Kreuznach hatte schon einige Konfessionswechsel hinter sich: die Gemeinde wurde 1577 lutherisch und 1587 calvinistisch. Seit 1586 war Johannes Hulsmannus Pfarrer an St. Peter in Heidelberg gewesen, dadurch der landesherrlichen Familie aus nächster Nähe bekannt. So hatte er sich der Kirchenbehörde für diesen wichtigen Posten empfohlen als Nachfolger von Superintendent Stiefel. Statt Superintendent bürgerte sich jetzt der Titel Inspektor ein. Johannes Hulsmannus war geborener Langenberger und hatte verschiedene theologische Diskurse herausgegeben. ["Edidit quasdam diascepses theologicas; vixit adhuc an. 1620". (Er veröffentlichte einige theologische Schriften und lebte bis zum Jahr 1620.)]
Die stürmischen Jahre 1585-87 hatten für die Gemeinde Kreuznach die doppelt wichtige Folge, dass die Kurpfalz sich bei der Besetzung der Pfarrstelle als der Stärkere erwiesen hatte, dem die spätere badische Regierung nur wirkungslosen Widerspruch entgegenzusetzen wagte. Mit Scheuerlins Vertreibung hörte die lutherische Gemeinde in Kreuznach für 45 Jahre auf zu bestehen, und der Calvinismus hatte hier seine Alleinherrschaft angetreten.
Jan. Fabianus Betingerus, Cantor zu Creutznach, auch Johann Beringer genannt, war dritter Lehrer in Kreuznach. Es ist überliefert, dass er als Lohn 80 Gulden bekam, dazu 1 Fuder Wein und 15 Malter Korn. Diese Widmungen zeigen, dass Praetorius viele persönliche Beziehungen nach Rheinhessen hatte, die ihm so wichtig waren, dass er sie in seiner Kampfschrift gegen Hexenprozesse und Folter an hervorgehobener Stelle ausdrücklich erwähnte.
Dies waren die Menschen, von denen Praetorius sich unterstützt wusste und die ihm möglicherweise auch Geld für den Druck des Buches gegen Hexenprozesse und Folter gaben.
In seinem Kampf um Menschenrechte hatte Praetorius Kontakt und Unterstützung von hochgestellten Persönlichkeiten in ganz Deutschland. Das Anti-Folterbuch des Praetorius erregte damals Aufsehen und diente vielen Menschen als Unterstützung in ihrer Argumentation gegen Hexenprozesse. Besonders beeindruckend ist, dass Praetorius den Mut hatte, diese Schrift vor 400 Jahren unter seinem eigenen Namen zu publizieren. Obwohl er es in seinem Leben nicht leicht hatte, hat Praetorius das bewiesen, worum wir uns heute im Kampf um mehr Menschlichkeit immer wieder bemühen sollten: Glauben und Zivilcourage.
Lebensdaten von Pfarrer Anton Praetorius
Praetorius (von lat. „Praetor“ = Vorsteher, Oberrichter, Schulze). Er setzt seinen Namen selber von "Schulze" ins lateinische "Praetorius".
Jahr | Lebensstation |
1560 | im westfälischen Lippstadt als Sohn von Matthes Schulze geboren, besucht die Lateinschule in Lippstadt und studiert Theologie. Er erwirbt sehr gute Bibelkenntnisse. |
1573 | erlebt er in Lippstadt einen Hexenprozess mit. |
1581 | Mit 21 Jahren wird Praetorius in den Schuldienst in Lippstadt berufen. |
1585 | im Frühjahr bringt seine Frau Maria in Kamen den Sohn Johannes zur Welt. |
1586 | Rektor der Lateinschule in Kamen. |
1587 | lutherischer Diakon in Worms, verantwortlich für Kirchkasten und soziale Belange |
1589 | als Diakon an der Katharinenkirche im kurpfälzischen Oppenheim. Hier scheint er eindeutig dem reformierten Bekenntnis anzugehören. |
1592 | wird er Pfarrer in der kurpfälzischen Gemeinde Dittelsheim. |
1593 | wird Praetorius in Worms Zeuge des Dalberger (Hesslocher) Hexenprozesses. |
1595 | verfasst er im Oktober in Dittelsheim auf Latein die älteste Nachricht vom großen Fass in Heidelberg. |
1596 | wechselt Praetorius nach Offenbach am Main in die Grafschaft Ysenburg-Büdingen. |
1596 | stirbt Maria, die Frau von Praetorius, als er 36 Jahre alt ist. Er heiratet wieder, doch die zweite Frau verstirbt am 12.Tag nach dem Kirchgang an der Pest. Er verlobt sich ein drittes Mal, doch die dritte Frau stirbt drei Tage nach der Abkündigung der Hochzeit. |
1596 | bis 1598 arbeitet er als fürstlicher Hofprediger in Isenburg-Birstein. Umbau der kleinen Kapelle in Birstein zu einer Kirche. |
1597 | Am 8.2. Heirat mit Sibylle, der Tochter des Pfarrers Pistorius aus Muschenheim/Lich. |
1597 | Am 6. März Buchveröffentlichung "Haußgespräch: Christliebenden Eltern und Kindern zur Beförderung gottseliger Privatübung." |
1597 | Im Mai veröffentlicht Praetorius einen Katechismus |
1597 | Am 3.7. wird Praetorius Zeuge eines Prozesses gegen vier Frauen aus Rinderbügen. Mit wütendem Protest setzt er sich für diese Frauen ein. In den Akten heißt es: ,,weil der Pfarrer alhie hefftig dawieder gewesen, das man die Weiber peinigte, alß ist es dißmahl deßhalben underlaßen worden. Da er mit großem Gestüm und Unbescheidenheit vor der Tür angericht den Herrn D. angefürdert und heftig CONTRA TORTURAM geredet." Praetorius gelingt es, eine Frau aus der Folterkammer zu retten. Entlassung als Hofprediger durch Graf Wolfgang Ernst. |
1598 | Pfarrer in Laudenbach in der Kurpfalz. Praetorius richtet eine Armenkasse ein und einen kirchlichen Friedhof. |
1598 | unter dem Pseudonym seines Sohnes Johannes Scultetus Camensis Westphalo (aus Kamen in Westfalen) veröffentlicht er das Buch: "Von Zauberey vnd Zauberern Gründlicher Bericht". |
1602 | fasst er in einer 2.Auflage des Buches den Mut, seinen eigenen Namen als Autor zu verwenden. |
1602 | erscheint sein theologisches Hauptwerk "de sacrosanctis Jesu Christi sacramentis" |
1603 | Verhaftung durch den Erzbischof von Mainz in Oberwöllstadt |
1604 | Am 1. Mai schreibt sich sein Sohn Johannes an der Universität in Heidelberg ein. |
1605 | schließt Sohn Johannes das Studium der Philosophie und Theologie mit dem Baccalaureat ab. |
1612 | Umbau der Kirche in Laudenbach: "protestantische Tür" 1613 stirbt Sohn Johannes im Alter von 28 Jahren. |
1613 | Am 15. Juni hält Praetorius eine letzte Trauung in Weinheim. |
1613 | erscheint die dritte Auflage seines Berichtes über Zauberey und Zauberer |
1613 | Am 6.12. stirbt Praetorius im Alter von 53 Jahren in Laudenbach/Bergstrasse. |
1629 | erscheint die vierte Auflage seines Berichtes über Zauberey und Zauberer posthum. |