Wiederaufbau des 1689 zerstörten Alzeyer Schlosses (1901–1903)
1260 wurde die Burg von Alzey erstmals urkundlich genannt, als sie zusammen mit der Stadt zerstört worden war. Sukzessive bauten die Pfalzgrafen in den folgenden Jahrhunderten die Burg aus. Die Burg oder das Schloss Alzey war eine rechteckige Befestigungsanlage mit massivem Wehrturm, die erstmals unter dem Pfalzgrafen Friedrich I. (1425–1476; Reg.: 1451–1476) erweitert wurde. Er ließ einen steinernen Wehrumgang und eine Bastion zur Stadtseite hin, die westliche Vorburg mit dem unteren Schlosstor, den Schlosskeller und das Geschützbollwerk an der Südostecke bauen. Philipp (1448–1508; Reg.: 1476–1508) errichtete den nördlichen Saalbau mit der großen Wendeltreppe. Im Landshuter Erbfolgekrieg (1504/05) wurde Alzey vom Landgrafen Wilhelm I. von Hessen (1466-1515; Reg.:1483-1515) erobert. Dabei war eine Bresche durch die Befestigungsmauer geschossen worden, was Ludwig V. (1478–1544; Reg.: 1508–1544) dazu veranlasste, nach Kriegsende die Verstärkungsmauer der Ostseite zu errichten. Neben einigen Erweiterungen im Norden der Burg sowie am Torturm entstand unter seiner Regierungszeit auch die Burgkapelle. Friedrich II. (1482–1556; Reg.: 1544–1556) gilt als der Erbauer des südlichen Wohnbaus im Renaissance-Stil. Die letzten Bauzeugnisse vor der Zerstörung der Burg waren die kleine Kapelle vom Kurfürsten Friedrich IV. (1574-1610; Reg.: 1583-1610) und das Burghaus, das Kurfürst Johann Casimir von Pfalz-Simmern (1543-1592) erbauen ließ, der bis 1592 Administrator der Kurpfalz war.[Anm. 1] Die Burg hatte sich zu einer Nebenresidenz der Kurfürsten von der Pfalz entwickelt an der nahezu alle Kurfürsten Veränderungen und Erweiterungen vorgenommen hatten. Seitdem war die Burg Alzey auch als Schloss bekannt.[Anm. 2] Das Alzeyer Schloss wurde während des Pfälzischen Erbfolgekriegs (1688–1697) vom 14. zum 15. Oktober 1689 von französischen Soldaten unter General Ezéchiel de Mélac (um 1630–1704) gesprengt und fast vollständig zerstört. Das Schloss blieb als Ruine erhalten und diente nur noch als Gefängnis, wo bis in die napoleonische Zeit u.a. politische Gefangene inhaftiert waren.[Anm. 3] Zwischen 1850 und 1900 witterten die Putzflächen des Gebäudes und überwucherten Pflanzen das Mauerwerk derart stark, dass das Steingefüge der kaum geschützten Ruine aus den Fugen geriet. Der Eindruck der Burgruine war also desolat, so dass es noch im Jahr 1883 heißt: In den Hallen der Burg ertönt seit langer Zeit nicht mehr der feste Tritt des geharnischten Ritters, sondern zaghaft schleichen elende Verbrecher dahin.[Anm. 4]
Der hessische Staat, der nach der Säkularisation, Besitzer der Schlossruine wurde, nahm zwar manche Sicherung vor, beklagte aber die hohen Erhaltungskosten. Die interessante bauliche Lage über der Stadt sowie die Überlegung zu einem geeigneten Gebrauch der Ruine, trieben den Geheimen Oberbaurat Karl Christian Hofmann (1856-1933) dazu, sich zum Wiederaufbau des Schlosses zu entscheiden.[Anm. 5] Der erhaltene Bestand sollte dabei bei Möglichkeit weitgehend gesichert werden. Der Alzeyer Beobachter von 18. Oktober 1898 schreib dazu: Gestern weilten die Herren Ministerialrat Soldan und Geh. Oberbaurat Hofmann in unserer Stadt, um das alte Schloß, unsere ehrwürdige Burgruine, einer eingehenden Begutachtung zu unterziehen und sie einer besseren Zukunft entgegen zu führen. Es ist nämlich die Idee aufgetaucht, dieses großartige Bauwerk der Vorzeit, das an Ausdehnung dem viel besuchten Heidelberger Schlosse nahekommt, praktisch zu verwerten und jene Räume, in denen früher Becherklang und Waffengeklirr ertönten und oftmals rohe Gewalt triumphierte, in eine Stätte des Friedens und des Rechts [...] umzuwandeln. Dieser erhabene Gedanke , der freudigen Widerhall hier findet, wird mit seiner Verwirklichung vielfachen Zwecken dienen, das mächtige Bauwerk der Nachwelt erhalten, den Staat von den stets wiederkehrenden Unterhaltungskosten befreien, der Justiz auf einem gelegenen Platze eine passende Stätte schaffen und allen Kunst- und Altertumsfreunden einen Anziehungspunkt bieten, wie man ihn in Rheinhessen kein zweites Male hat. Also kühn voran. Wir folgen schon![Anm. 6]
Nachdem der Bestand 1898 bereits vermessen worden war, konzipierte Hofmann den Wiederaufbau des Schlosses nach dem um 1645 entstandenen Kupferstich von Matthäus Merian d.Ä. (1593–1650).[Anm. 7] Der Wiederaufbau der Burg wurde 1901 beschlossen und bis 1903 durchgeführt. Der Wiederaufbau des Alzeyer Schlosses wurde minutiös durch den Architekten Karl Krauß in der Zeitschrift für Bauwesen 1905 festgehalten. Obwohl darin betont wurde, dass größere Teile des historischen Bestands bewahrt bleiben sollten, blieben einige Veränderungen nicht aus.[Anm. 8] Während einige bauliche Elemente des Schlosses bewahrt wurden, übernahm Hofmann Anregungen aus anderen Gebäuden der Umgebung, z.B. vom Alzeyer Rathaus von 1584. [Anm. 9] Beim Abbruch der verwitterten Bauteile gingen wertvolle und nicht gründlich erforschte geschichtliche Zeugnisse verloren, u.a. Steine mit Inschriften, wie Karl Krauß 1927 bekennt.[Anm. 10] Das nicht mehr tragfähige Mauerwerk wurde abgebrochen und teilweise unter Verwendung von Beton gesichert. Größere Eingriffe in die Bausubstanz ergaben sich auch aus dem Umbau des Schlosses, um es für andere Zwecke herzurichten. Trotz der notwendigen Veränderungen wird die Sanierung des Alzeyer Schlosses als gelungen bezeichnet. So wurde es möglich ein jahrhundertealtes Denkmal der Stadt Alzey für die Nachwelt zu erhalten.
Heute befinden sich im Schloss die Räume der Amtsverwaltung und ein Mädcheninternat des Aufbaugymnasiums. Im ehemaligen Nordflügel befindet sich das Amtsgericht, im Südflügel die Finanzverwaltung und das Gefängnis in der ehemaligen Bastion.[Anm. 11]
Nachweise
Redaktionelle Bearbeitung: Alexander Wißmann M.A.
Erstellt: 31.10.2016.
Literatur:
- Dölling, Regine: Alzeyer Bau- und Kunstdenkmäler. In: Karl Friedrich Becker et al.: 1750 Jahre Alzey, Alzey 1973, S. 223-238.
- Karneth, Rainer: Romantisieren in Alzey. Der Wiederaufbau des Alzeyer Schlosses. In: Michael Simon, Wolfgang Seidenspinner, Christina Niem (Hrsg.): Episteme der Romantik. Volkskundliche Erkundungen. Mainzer Beiträge zur Kulturanthropologie/Volkskunde 8, Münster, New York 2015, S. 109-128.
- Stephan, Ernst: Das Schloß in Alzey. Untersuchungen zu seiner Baugeschichte. In: Alzeyer Geschichtsblätter 4, 1967, S. 3-43.
Anmerkungen:
- Siehe Stephan 1967, S. 9. Zurück
- Siehe Dölling 1973, S. 224. Zurück
- Siehe Karneth 2015, S. 111. Zurück
- Ebd. Zurück
- Siehe Dölling 1973, S. 223. Zurück
- Karneth 2015, S. 124. Zurück
- Siehe Dölling 1973, S. 223. Zurück
- Siehe a.a.O., S. 225. Zurück
- Siehe http://www.staff.uni-mainz.de/hschmahl/geschichtsag/denkmalaktiv2008_09.htm. zuletzt geprüft am 31.10.2016. Zurück
- Siehe Stephan 1967, S. 4 Zurück
- http://www.alzey.de/de/kultur/sehenswertes/rundgang.php; zuletzt geprüft am 31.10.2016. Zurück