Fränkische Gräber
Boppard (Rhein-Hunsrück-Kreis)
Zu besichtigen: Fränkischer Grabstein an der St. Severuskirche und fränkische Gräber im Archäologiepark an der Kastellmauer südlich des Marktplatzes von Boppard
Anfahrt:
von der B9 aus Richtung Koblenz kommend beim Wasserturm links abbiegen in die Heerstraße, weiter gerade aus fahren bis in die Oberstraße, dann die erste rechts abbiegen in die Angertstraße, nach ca. 200 m am Römischen Kastell, die fränkischen Gräber. Von der B9 aus Richtung Mainz kommend beim Wasserturm rechts abbiegen, dann der gleichen Beschreibung folgen. Grabsteine Boppard Marktplatz, St. Severuskirche.
Im Jahr 406 verließ auch die römische Truppenbesatzung das Kastell in Boppard, die Anlage wurde zu einer rein zivilen Siedlung. In Boppard wurde die frühchristliche Kirche erst nach dem Abzug der militärischen Einheit errichtet.
Für die frühmittelalterliche Besiedlung Boppards können bis auf den Kirchenbau keine Siedlungsbauten angeführt werden. Bei kaum einer Epoche der Vor- und Frühgeschichte ist die Quellenlage derart einseitig wie während des 5.-6. Jahrhunderts n. Chr. Tausenden von gut dokumentierten Grabfunden steht in der Regel eine geringe Zahl von Siedlungsbefunden gegenüber. Grund für das Missverhältnis ist die Tatsache, dass die zu den Gräbern gehörenden fränkischen Siedlungen meist die Keimzellen heutiger Ortschaften und seit Jahrhunderten durch Überbauung zerstört oder unzugänglich sind.
Zudem ist es schwierig die geringen Spuren frühmittelalterlicher Häuser zu finden. Ein Teil der massiven römischen Steinbauten wurden im Frühen Mittelalter repariert oder umgebaut. Hinzu kamen neu errichtete Häuser in leichter Pfostenbauweise. Dafür wurde auch Baumaterial von verfallenen römischen Gebäuden wieder verwendet. Alle frühmittelalterlichen Bauaktivitäten sind schwer zu erkennen bzw. wurden in späteren Zeiten schneller beiseite geräumt als die gut fundamentierten römischen Steinbauten und verschwanden so fast vollständig.
Die Franken waren mit der römischen Lebensweise bestens vertraut, sie dienten nicht nur im römischen Heer, sondern siedelten jeweils auf der Grundlage eines Vertrages mit dem römischen Staat, dem foedus, als Foederaten auf römischem Boden. Fränkische bzw. andere germanische Söldner im Heer und Foederaten an den Grenzen unterstanden dabei römischem Recht. Sie verstanden sich als Römer und gleichzeitig als Angehörige ihres germanischen Stammes. In römischen Diensten lernten sie Errungenschaften dieser antiken Kultur mit ihren Gesellschaftsformen und Normen, aber auch mit ihrer Verwaltung kennen und schätzen. Nach dem endgültigen Zusammenbruch des Römischen Reiches übernahmen sie - mithilfe der verbliebenen romanischen Bevölkerung - teilweise die noch bestehende Infrastruktur. Dies war ein nicht zu unterschätzender Vorteil, der besonders die Franken in der Folgezeit befähigte, ihren Vorsprung gegenüber den anderen germanischen Stämmen bis hin zu einer Vormachtstellung im westlichen Europa auszubauen.
Die frühchristliche Gemeinde bestattete ihre Toten auf einem ausgedehnten Gräberfeld südlich des Kastells im Bereich der heutigen Bahn- und Straßentrasse. Von diesem Gräberfeld sind Grabsteine überliefert, die ab der Mitte des 5. Jahrhunderts bis wahrscheinlich in das 8. Jahrhundert die Kontinuität einer christlichen Gemeinde bezeugen.
Einer der bedeutendsten Grabsteine ist der des Besontio und seiner Nichte Justiciola und in der Westwand von St. Severus zu finden. Seine Inschrift lautet in der Übersetzung: "Hier ruhen in Frieden der selige Diakon Besontio und seine Nichte, das selige Mädchen Justiciola. Das Mädchen Justiciola starb acht und der Diakon Besontio sieben Tage vor den Kalenden des Aprils (= 26. bis 28. März). Besontio leitete als Diakon im 5. Jahrhundert die frühchristliche Gemeinde von Boppard und muss wohl des öfteren in der Kirche von dem Ambo aus gepredigt haben. Neben ihm ist ein weiterer christlicher Priester namens Nonnus bekannt.
Das frühchristliche Gräberfeld erstreckte sich bis unmittelbar entlang der Südseite des römischen Kastells. Die Ausschachtungsarbeiten für ein ursprünglich an der Südfront geplanten Parkhaus erlaubten ausgedehnte archäologische Untersuchungen. Dabei wurden Grablegen des 7.-8. Jahrhunderts n. Chr. freigelegt. Die hier Bestatteten waren bereits christianisiert und daher ohne Beigaben beigesetzt. Lediglich Trachtbestandteile erlauben eine Datierung in die 2. Hälfte des 7. Jahrhunderts und weisen die Toten als Franken aus.
Ein Grab enthielt die Bestattung einer reichen und wohl sozial hervorgehobenen Frau. Durch die sorgfältige Ausgrabung konnte nachgewiesen werden, dass die Tote auf einer Lage oder Streu von Buchsbaumblättern lag, ein deutliches Zeichen für christliches Brauchtum, das auch heute noch geweihte Buchszweige kennt. Neben dem silbernen Schmuck der Toten ist vor allen Dingen eine um die Hüfte geschlungene Kette mit Schlüsseln aus Bronze bemerkenswert. Solche Amulettschlüssel kennt die katholische Kirche in späteren Jahrhunderten als "Petrusschlüssel".
Aus einem weiteren sicherlich sehr reich ausgestatteten Grab, das leider bereits antik völlig beraubt wurde, ist lediglich noch ein goldener Fingerring erhalten geblieben. Dieser Ring mit einem christlichen Kreuz sowie einem ebenfalls in den Kreis christlicher Symbole gehörenden langbeinigen Vogel, der gerade einen Fisch im Schnabel hat, ist ein weiteres wichtiges Indiz für die Existenz der frühchristlichen Gemeinde in Boppard.
Drei der insgesamt mehr als 40 ausgegrabenen Grabgruben sind im Archäologischen Park im Original erhalten, in einer befindet sich die lebensgroße Rekonstruktionszeichnung der reichen Frauenbestattung aus Grab 9.
M. Thoma
Literatur:
H. Cüppers, Die Römer in Rheinland-Pfalz (Stuttgart 1990) 250-253, 344-346.