Frühchristliche Kirche
Boppard (Rhein-Hunsrück-Kreis
Zu besichtigen: St. Severuskirche mit dem Fundamenten eines frühchristlichen Taufbeckens
Anfahrt:
Boppard Marktplatz, St. Severuskirche.
Unter den Städten entlang des Rhein und der Mosel lassen sich nicht wenige auf römische Gründungen zurückführen, in deren Stadtbild teilweise heute noch imposante Reste römischer Steinbauten anzutreffen sind. Ein Teil der massiven römischen Steinbauten wurden im Frühen Mittelalter repariert, umgebaut und für neue Zwecke genutzt, so auch das römische Kastellbad von Boppard, das zur frühchristlichen Kirche umgebaut wurde.
Kastell und Kastellbad
Das römische Kastell in Boppard wurde in der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts n. Chr. errichtet. Stationiert waren hier – milites balistarii – eine Art Festungsartillerie.
Um 406/407 fallen immer wieder germanische Stämme, am Mittelrhein die Franken, über den Rhein hinweg nach Belgien und Westgallien ein. Dabei wurden jedoch die Kastelle am Mittelrhein, so auch Bodobrica, kaum von diesen Überfällen berührt. Daher wurden ihre Besatzungen in das mobile römische Feldheer eingegliedert, und das Kastell Bodobrica war von da an ohne ausreichenden militärischen Schutz.
Im Jahr 406 verließ auch die römische Truppenbesatzung das Kastell in Boppard, die Anlage wurde zu einer rein zivilen Siedlung. In Boppard wurde die frühchristliche Kirche erst nach dem Abzug der militärischen Einheit errichtet.
Aus überraschend vielen Kastellen sind Hinweise auf christliche Gemeinden erhalten. Bei den Christen in den befestigten Siedlungen dürfte es sich um Beamte der Militärverwaltung, um Offiziere und Soldaten gehandelt haben, die mit ihren Familien im Schutze der Mauern lebten. Die frühchristlichen Kirchen befanden sich innerhalb der antiken Festungsmauern, doch es sind keine „Garnisonskirchen“. Innerhalb der Kastelle errichtet, erfüllten die Gebäude zumindest zeitweilig militärische Funktionen und dienten der gottesdienstlichen Betreuung der Kastellbewohner.
Während der Grabungen innerhalb der Bopparder St. Severuskirche in den 60iger Jahre konnten die Fundamente eines römischen Kastellbades und einer frühchristlichen Kirche freigelegt werden. Im Kastell war um die Mitte des 4. Jahrhunderts ein 50x35 m großes Militärbad an der Innenseite der nördlichen Festungsmauer errichtet worden.
Das ausgedehnte Kastellbad wurde in den Jahren 1963-1966 untersucht. Die Ausgrabungsflächen erstreckten sich auf den Bereich des heutigen Marktplatzes vor und seitlich von St. Severus sowie nahezu im gesamten Innenbereich der Kirche. Das Bad war zum Rhein hin an die Kastellmauer angebaut. Das mächtige Gebäude, aus schiefriger Grauwacke errichtet, trug auf seiner Außenseite einen braunroten Verputz, die Fenster waren verglast und das Dach mit den üblichen römischen Ziegeln gedeckt. Die Gebäudefront orientierte sich nach Süden zur Sonne hin.
Zahlreichen Räume mit Umkleideraum, Warmbad (tepidarium), beheizbaren Wannen des Heißbades (caldarium) und Kaltbad (frigidarium) geben Einblicke in den römischen Badeablauf. Für angenehme Raumtemperaturen bei jeder Witterung sorgten Fußbodenheizungen (hypokaustum). Die Anlage zeigt das übliche Bauschema der Kastellbäder. Von den Baderäumen ist heute vor Ort nichts mehr zu sehen. Im Museum Boppard jedoch steht ein Modell der gesamten Badeanlage.
Datiert wird das Bad durch 4 römische Bronzemünzen die zwischen 341 und 346 n. Chr. geprägt wurden (Constantinus II.). Die Münzen fanden sich auf dem Boden des Umkleideraumes und geben den frühesten Baubeginn des Bades an. Ziegelstempel der 22. Legion lassen eine Datierung des Baubeginns bis spätestens 352/355 n. Chr. zu. Die Münzreihe aus dem Inneren des Kastells endet mit Honorius (393-395), die Thermen dagegen wurden noch bis zum Ende der Römerherrschaft am Mittelrhein d. h. bis zum Anfang des 5. Jahrhunderts benutzt.
Frühchristliche Basilika
Nach dem Abzug der militärischen Einheiten nach 406 wurde das Kastellareal von der Zivilbevölkerung genutzt und für ihre Zwecke umgebaut. Als größter umbauter Raum innerhalb des Kastells war wegen seiner äußerst massiven Bauweise sicher noch einigermaßen nutzbar erhalten. In ihm wurde zunächst wohl ein Versammlungsraum ausgebaut. Durch Einplanierungen und Umnutzung während der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts entstand eine frühchristliche Gemeindekirche, die bis ins 8. Jahrhundert benutzt und dann durch einen Nachfolgebau ersetzt wurde.
Die große Sporthalle der Thermen wurde durch Niederreisen einer Trennwand zwischen zwei Räumen zu einer einschiffigen Saalkirche mit 32 m Länge und 9 m Breite umgebaut. Geschickt wurde dabei die halbkreisförmige Wand am Osten des Bades zur halbrunden Apsis des Kirchenchores umgenutzt. Die Nordseite des Kirchenbaus bildete die Kastellmauer. An der Südseite des Kirchenbaus befanden sich vier Räume der ehemaligen Thermenanlage, die in den Kirchenbau mit aufgenommen wurden. Der dem Chor am nächsten liegende Raum könnte als eine Art Sakristei, die anderen Räume vielleicht als Lagerraum gedient haben.
Der apsidiale Chor lag um eine Stufe höher als das übrige Kirchenschiff. Vom leicht erhöhten Chor führte in das Kirchenschiff ein 6 m langer und 1,4 m breiter eingefasster Gang, auch Ambo oder Bema genannt, hinein, der in einer runden kanzelförmigen Erweiterung endete. Die Kanzel diente nicht nur der Verkündigung, sondern auch der Vorstellung von Neugetauften vor der Gemeinde. Ein solcher Ambo, auch Bema genannt, ist für das Rheinland eine Besonderheit von hoher bau- und kirchengeschichtlicher Bedeutung. Die Abtrennung des Chorraumes verdeutlicht die Trennung zwischen dem Klerus und der Gemeinde.
Im westlichen Teil der Kirche wurde ein weiterer kleiner Raum abgetrennt. Die Funktion des Raumes wird durch ein Taufbecken deutlich. In das 1,3 m große und 0,6 m tiefe Becken führten Trittstufen hinab. In den sieben Mauervorsprüngen eines kreisförmigen Mauerzuges um das Taufbecken steckten Holzpfosten, die eine Art Baldachin über dem Taufbecken trugen. Die geringe Tiefe des Taufbeckens spricht für eine Spende der Taufe durch Übergießen (Aspersion). Vergleichbare Anlagen, finden sich in den Vorgängerbauten der Liebfrauenkirche in Trier oder der Bischofskirche St. Ursula in Köln.
Die Bestimmung des Gebäudes als christlicher Kultbau ergibt sich aus der Inneneinteilung, dem Chor, dem Ambo und dem Taufbecken. Auf Grund des Taufbeckens lässt sich das Gebäude auch eindeutig als Taufkirche erklären.
Der Zeitpunkt, wann im Inneren der römischen Festung an der Stelle des Kastellbades die Kirche erbaut wurde, in der 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts oder erst im 6. Jahrhundert, ist umstritten. An Rhein und Mosel ist die Christianisierung schon während des 4. Jahrhunderts fortgeschritten.
Die originalen archäologischen Befunde sind zum Teil in der Kirche St. Severus noch zu besichtigen. Die Lage des Ambos ist dort im Boden des Mittelschiffes wiedergegeben, das Taufbecken findet sich im Original in einem tiefer gelegenen Raum unter dem Boden der Kirche.
M. Thoma
Literatur:
H. Cüppers, Die Römer in Rheinland-Pfalz (Stuttgart 1990) 250-253, 344-346.
H. Eiden, Ausgrabungen an Rhein und Mosel 1963-1976, Tafelband, 1982, 215 ff.. Ders. In: J. Werner, E. Ewing (Hrsg.), Von der Spätantike zum frühen Mittelalter, 1979, 317 ff.
H. Fehr. Archälogisches Korrespondenzblatt 9, 1979, 355 ff.
R. Friedrich, Siedlungskundliche Studien zu einer Gruppe von Burghügeln im Hunsrück. In: Festschrift H. W. Böhme, Interdisziplinäre Studien zur europäischen Burgenforschung. Teil II, Veröff. Deutsche Burgenvereinigung e. V. Reihe A: Forschungen. Bd. 9 (Koblenz 2005) 55-74.